Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

In einer zweiten Phase wollen Sie bis Dezember 2006 die eigentliche Neuzuordnung der Aufgaben per Gesetz vornehmen. Wir stimmen zu, dass dabei vorrangig die Kommunalisierung – vor allen anderen denkbaren Lösungen – in Betracht kommt, und wir sind damit einverstanden, dass Sie auch den kreisangehörigen Raum mit einem kräftigen Aufgabenzuwachs bedenken wollen; im Expertenbericht war ja noch anderes zu lesen.

Widersprüchlich sind die Eckwerte allerdings in ihrer vorzeitigen und durch nichts begründeten Festlegung auf einen auch zukünftig dreistufigen Verwaltungsaufbau in Sachsen.

(Beifall der Abg. Kathrin Kagelmann und Kerstin Köditz, Linksfraktion.PDS)

Es ist unlogisch, Herr Buttolo, denn Sie wollen ja Aufgabenkritik betreiben. Warum warten Sie nicht wenigstens das Ergebnis dieser Aufgabenkritik ab, bevor Sie zu einer solchen Festlegung kommen?

Diejenigen staatlichen Aufgaben, die sich nicht sinnvoll kommunalisieren lassen, sollen nämlich in die Regierungspräsidien wandern, völlig egal, ob es dann noch ein, zwei oder drei Regierungspräsidien gibt oder ob sich der – jedenfalls anscheinend – von der SPD favorisierte Etikettenschwindel mit einem Landesverwaltungsamt durchsetzt. In jedem Fall soll diese unnötige Mittelbehörde gestärkt aus der Reform hervorgehen. Dies kann niemals die Zustimmung meiner Fraktion finden, wie Sie, sehr verehrte Damen und Herren, unserem Antrag unschwer entnehmen können; denn wir fordern einen grundsätzlich zweistufigen Verwaltungsaufbau. Wir fordern die ersatzlose Streichung der Regierungspräsidien.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Widersprüchlich geraten die Aussagen in den Eckwerten auch zur Notwendigkeit einer erneuten Kreisgebietsreform in der dritten Phase, offenbar ab dem Jahr 2007.

Einerseits wird die Empfehlung der Expertenkommission unkritisch übernommen, dass zukünftig nur noch Landkreise und Kreisfreie Städte mit einer Mindesteinwohnerzahl von 200 000 Menschen überlebensfähig seien, wobei

diese Zahl selbst im Jahr 2020 nicht unterschritten werden soll. Nur zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt, wo diese Reform kürzlich durchgeführt wurde, liegt die Grenze bei bis zu 200 000 Einwohnern. Warum nun gerade 200 000 die kritische Zahl sein soll und nicht 150 000 oder 180 000 Einwohner ausreichen könnten, verrät uns die Staatsregierung nicht. Gerade diese Frage aber wird sich für eine verfassungskonforme Kreisreform noch als sehr entscheidend erweisen, wenn man nämlich die richtungweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen Papenburg oder Rastede ernst nimmt; denn dort wurde immerhin klargestellt, dass die Landkreise eben keine finanzpolitische Verfügungsmasse des Landes sind.

Andererseits vermeidet die Staatsregierung jede eindeutige Ansage zu den notwendigen Etappen der Kreisreform. Sybillinisch heißt es, eine Kreisgebietsreform komme nur dann in Betracht, wenn ein hinreichender Aufgabenzuwachs auf der Ebene der Landkreise und Kreisfreien Städte zu verzeichnen sei. Was nun freilich unter „hinreichend“ zu verstehen ist und nach welchem Leitbild diese Zusammenschlüsse erfolgen, darüber hüllt sich die Staatsregierung in Schweigen. Stattdessen spielt sie den Ball zur Kreisebene zurück. Mit Geldgeschenken in einem Anreizsystem für freiwillige Gebietszusammenschlüsse – wahrscheinlich ist dabei an das nächste Finanzausgleichsgesetz gedacht – will sie eine „kalte“ Kreisgebietsreform bewirken.

Solcherlei Inkonsequenz verdeutlicht die Angst der Staatsregierung vor ihrer eigenen Courage. Immerhin steht im Jahr 2008 in vielen Landkreisen die Wahl der Landräte und in vielen Fällen auch die Wahl der Oberbürgermeister an. Im Superwahljahr 2009 gibt es zudem noch allgemeine Kommunalwahlen. Offenbar will man nicht mit einer erneuten Kreisgebietsreform vor diesen Terminen die eigene Klientel vergrätzen und nimmt dafür billigend in Kauf, dass eine eigentlich als notwendig erachtete Reform wieder einmal auf unbestimmte Zeit verschleppt wird.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte; Herr Abg. Lichdi.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte verbliebene Abgeordnete! Ich hatte mir aufgeschrieben, Herr Staatsminister: Nach dem fulminanten Aufstieg im Oktober ist nicht viel passiert, aber angesichts der Anwesenheit im Plenum spare ich mir das jetzt.

Am 20. Oktober 2005 hat nun der Lenkungsausschuss eine Erklärung verabschiedet und sich de facto zur Umsetzung der Kommissionsempfehlung vom 20.10.2005 verständigt. Was ist tatsächlich neu?

Der Lenkungsausschuss hat sich auf einen Zeitplan geeinigt – Herr Dr. Friedrich hat es eben dargestellt –, und an diesem Zeitablauf ist bemerkenswert, dass das Gesetz

gebungsverfahren bis Ende dieses Jahres hinausgeschoben werden soll. Zwar hat es Ihr Vorgänger, Herr Staatsminister de Maizière, nie so klar gesagt, aber es war eindeutig erkennbar, dass er eigentlich schon im März mit dem Gesetzentwurf in den Landtag wollte.

Ich nehme an, dass die Koalition den Antrag zwar im Jahr 2008 bereits in der neuen Kreisstruktur feiern möchte, dann müsste das Gesetzgebungsverfahren jedoch in der ersten Jahreshälfte 2007 abgeschlossen werden – ein äußerst knapper Zeitplan. Umso wichtiger ist es, sich darüber zu verständigen, was in diesem Jahr 2006 zu geschehen hat.

Die Verschiebung bedeutet aber auch, dass der Haushalt 2007/2008 ohne die Änderungen der Verwaltungsreform aufgestellt werden wird. Dies bedeutet, dass die gesamte Zuordnung der Personalstellen nicht stimmen wird, wenn die Funktionalreform mit den kommunalisierten Aufgaben 2008 tatsächlich in Kraft treten soll.

Wir haben gehört, dass die Ministerien eine Aufgabenkritik durchführen sollen. Herr Dr. Friedrich hat es angesprochen: Die Ministerien nehmen sich nach meinem Kenntnisstand davon aus – Sie haben gerade den Kopf geschüttelt, aber wir werden nachher Gelegenheit haben, dies klarzustellen. Wir meinen, dass natürlich auch die Ministerien in diese Kritik, in diese Selbstkritik, müsste man sagen, einzubeziehen wären.

Herr Staatsminister, ich bin aber schon enttäuscht – ich kann Ihnen nicht ersparen, das an dieser Stelle so klar zu sagen –, dass Sie mir als Stellungnahme auf unseren umfangreichen Antrag nur erneut die Pressemitteilung des Lenkungsausschusses von Ende Dezember 2005 vorgelesen haben. Ich kann damit Ihre verfassungsrechtliche Pflicht zur Stellungnahme nicht als erfüllt betrachten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Wir haben eine Vielzahl von Einzelpunkten und Vorgehensweisen angesprochen, auf die Sie noch nicht einmal formal eingegangen sind. Auch wenn ich Ihnen, Herr Staatsminister, eine Einarbeitungszeit gern zugestehe, so kann ich doch erwarten, dass Sie wenigstens versuchen, auf unsere Anträge zu antworten.

Ihr Ausweichen kann verschiedene Gründe haben. Entweder wollen Sie mit der Opposition nicht in einen konstruktiven Dialog über die Verwaltungsreform eintreten oder Sie können es nicht, weil sich entweder die Koalition und die Staatsregierung in den zentralen Fragen selbst noch nicht entscheiden konnten oder die Koalition und die Staatsregierung zu den angesprochenen Fragen schlicht nicht auskunftsfähig sind.

Ich weise auch Ihre Erwartungen zurück, dass Sie mit Ihren Ausführungen zur Aufgabenkritik unseren Beschlusspunkten 3 bis 5 weitgehend entsprochen hätten. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie unter Aufgabenkritik offensichtlich etwas völlig anderes verstehen als wir. Sie verstehen unter Aufgabenkritik die Prüfung von Aufgabenverzicht und Privatisierungspotenzialen. Das

muss auch getan werden, aber Aufgabenkritik ist etwas anderes. Aufgabenkritik – so sehen es auch andere Bundesländer und haben es durchgeführt – ist eine Methode, nämlich die Betrachtung der von der Verwaltung erfüllten Aufgabeninstrumente, und zwar unabhängig von der bestehenden Behördenstruktur.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Das ist eine Methode, um Synergiepotenziale in der Verwaltung aufzudecken. Erst im Anschluss an eine so verstandene Aufgabenkritik können die Behördenstrukturen neu zusammengestellt werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig!)

Herr Staatsminister, mir scheint, Sie setzen hier einen Grundfehler der Kommission fort. Sie betrachten nämlich immer nur vorhandene Behördeneinheiten, ohne zur Betrachtung der Art und Weise der Aufgabenerfüllung durchzustoßen. Sie verschieben damit die eigentliche Bewährungsprobe eines Gelingens der Verwaltungsreform auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dann in den neuen Strukturen arbeiten müssen.

Ich sage es einmal plastisch: Wenn Sie zwei verkrustete und nicht funktionierende Behörden zusammenschieben, dann können Sie das Selbstblockadepotenzial auch entsprechend vervielfachen. Daher haben wir in Punkt II beantragt, die verwaltungsinterne Ablauforganisation zu prüfen und nicht nur die Aufbauorganisation. Aber darauf gehen Sie leider auch nicht ein.

Ich erinnere Sie daran, dass es die Regierung Kohl im Jahre 1996 war, die unter dem Gesichtspunkt der Beschleunigung die §§ 71c ff. Verwaltungsverfahrensgesetz eingeführt hatte. Wir halten es für wichtig, dass sich der Landtag vor einer Funktionalreform einen Überblick über die tatsächliche Umsetzung und Wirksamkeit dieser Vorschriften in der sächsischen Verwaltung verschafft.

Sie haben sich in der Lenkungsgruppe auf die Variante B – Bündelung und Kommunalisierung – festgelegt. Das bedeutet eine Verwerfung der Variante S – Bündelung im staatlichen Bereich ohne Kommunalisierung – sowie der Variante K – Bündelung mit starker Kommunalisierung und fünf Großkreisen. Ich sage Ihnen, Herr Staatsminister Buttolo: Diese Grundentscheidung befürworten wir auch. Die Variante K ist zu Recht verworfen worden. Wir haben dies auch in unserem Antrag gefordert.

In diesem Zusammenhang ein Wort an die FDP-Fraktion: Soweit ich Sie verstanden habe, haben Sie sich als Einzige hinter dieses Modell gestellt. Sie, Herr Kollege Martens, haben einmal – ich glaube, es war in den „DNN“ vom 20. Oktober – davon gesprochen, dass die Variante K absichtlich schlechtgerechnet worden sei. Ich glaube, es würde der Ehrlichkeit in der Debatte dienen, wenn die FDP-Fraktion zugeben würde, dass sie nur deshalb für die fünf Großkreise ist, weil dies die einzig reale Chance wäre, die Regierungspräsidien abzuschaffen. Dafür

würden Sie auch die massive Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung in Kauf nehmen. Vielleicht könnten Sie das in der heutigen Debatte klarstellen.

In dem Zusammenhang zu den Argumenten der PDS. Sie, Herr Dr. Friedrich, haben in Ihrem Antrag wiederholt davon gesprochen, dass Sie grundsätzlich an einem zweistufigen Verwaltungsaufbau festhalten wollen. Ich habe aber in Ihrem Beitrag, wie überhaupt in Ihren Veröffentlichungen, kein einziges Argument dafür gefunden, was eigentlich für die Abschaffung der Regierungspräsidien in dieser oder jener Form sprechen würde. Vielleicht könnten Sie dazu etwas sagen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Nun zur Bündelung. Wir haben die Sorge, dass mit einer Eingliederung von Fachbehörden in die Mittelbehörden die spezifischen Fachinteressen nicht in ausreichendem Maße in die Verwaltungsentscheidungen einfließen. Im Übrigen gefällt mir die Werbeverpackung, die die Staatsregierung zur Frage der Bündelung gewählt hat, überhaupt nicht. Die Frage der Eingliederung von Behörden in andere hat aber auch gar nichts mit der Transparenz von Verwaltungshandeln gegenüber dem Bürger zu tun.

Nun zu unserem Antrag. Wir haben uns bemüht, auf der Grundlage des Berichts der Expertenkommission zu beschreiben, wie in sinnvoller Weise weiter vorgegangen werden sollte und wie die anstehenden Fragen zur Entscheidung vorbereitet werden sollten. Herr Dr. Friedrich, hierin sehen wir den entscheidenden Unterschied zu Ihrem Antrag, der in lyrischer Weise sehr viel schöne und zu unterstützende Dinge beinhaltet, aber im Grunde keinerlei Bemühungen erkennen lässt und auch nicht den Weg beschreibt, der jetzt von der Expertenkommission über die Lenkungsgruppe weiter zu gehen wäre. Das bedauern wir.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Hören Sie gut zu, jetzt kommt die Kritik an die Staatsregierung! – Die Kommission hat im Kern die Erfolgsaussichten ihres Ansatzes noch keineswegs nachgewiesen. Das gilt für die prognostizierten Stelleneinsparungen wie auch für die Annahme einer mangelnden Leistungskraft der bestehenden Kreisstruktur.

Angesichts des demografischen Wandels und des Auslaufens des Solidarpaktes II geht es schlichtweg um einen Personalabbau in der Landesverwaltung. Dies soll durch das Zusammenlegen von Behörden geschehen. Die Kommission erhofft sich davon einen Einsparungseffekt von immerhin 30 % der Stellen, der im Wege der Bündelung oder der Kommunalisierung der eingegliederten Behörden erzielt werden soll. Dies wären nach den Berechnungen der Kommission zirka 1 230 Stellen von jetzt 16 700 Stellen. Aber selbst damit würden die Einsparziele der Staatsregierung, 80 000 Stellen bis zum Jahre 2010, keineswegs erreicht.

Nun erscheint es plausibel, dass die Organisations-, Personal- und Haushaltsverwaltung der Behörden durch Eingliederung tatsächlich entfallen können. Das hängt aber vom Einzelfall ab. Wir brauchen daher nicht nur eine Beschreibung der einzugliedernden Behörden, wie es der Bericht vorgenommen hat, sondern auch eine genaue Betrachtung, wie viele Stellen im OPH-Bereich der einzugliedernden Behörde tatsächlich bestehen und ob die aufnehmende Behörde von ihrer Kapazität her in der Lage ist, die einzugliedernden Stellen tatsächlich mit zu verwalten.

Es ist im Übrigen offensichtlich, dass Kommission und Staatsregierung die Kreise mit dem Lockvogel einer Kommunalisierung staatlicher Aufgaben zu einer Kreisgebietsreform veranlassen wollen. Der Landkreistag hat vehement darauf hingewiesen, dass schon die jetzige Kreisstruktur aus dem Jahre 1993 im Hinblick auf Kommunalisierung geschaffen wurde, die dann aber nicht eingetreten ist. Mir scheint im Ganzen die Unterstellung einer fehlenden Leistungsfähigkeit der bestehenden Landkreise bisher nicht nachgewiesen. Ich schließe aber nicht aus, dass es sich bei näherer Betrachtung durchaus als richtig erweisen könnte, zum 12+3-Modell zu kommen.

Ich rate aber dazu, mit der Zusammenlegung von Kreisen sehr vorsichtig umzugehen, denn eine Zusammenlegung ist immer mit einem Verlust an Bürgernähe der gewählten Kreistage verbunden, und damit leidet auch die demokratische Legitimations- und Steuerungskraft. Diesen Aspekt blenden Sie in Ihren Berichten in der Verwaltungsreformkommission, in der Lenkungskommission wie auch in Ihren öffentlichen Stellungnahmen völlig aus. Ich bedaure das sehr. Ich hoffe, dass wir dort im Laufe des Jahres 2006 zu einer inhaltlicheren Debatte kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Steinbach.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen: Wir halten die vorliegenden Anträge von Linksfraktion.PDS und GRÜNEN für derzeit nicht geeignet, die Verwaltungs- und Funktionalreform substanziell voranzubringen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das ist aber schade!)