Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Mit dem 5+2-Modell der Polizeidirektionen im Freistaat Sachsen ist die Bürgernähe der Polizei erhöht worden. So konnten allein zirka 360 Beamte aus den Polizeipräsidien durch die Umstrukturierung für andere Aufgaben eingesetzt werden. Diese neue leistungsfähige Polizeistruktur ist einer der Gründe dafür, dass Sachsen in der Bertelsmann-Studie zum Standortwettbewerb der Bundesländer der gesamten Bundesrepublik Deutschland in der inneren Sicherheit den fünften Platz belegen konnte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Da sind noch vier vor uns!)

Ich denke, dafür können Sie ruhig einmal klatschen. Der fünfte Platz in der inneren Sicherheit ist ein gutes Ergebnis. Herr Prof. Porsch, wenn Sie zugehört haben, sind Ihnen auch die erschwerenden Bedingungen nicht entgangen, unter denen die Polizei diesen fünften Platz erreicht hat.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die gelten auch für Bayern!)

Sachsen hat in der inneren Sicherheit frühzeitig die richtigen Entscheidungen getroffen. Bei uns wird eben innere Sicherheit groß geschrieben. Dies ist ein wichtiger Standortvorteil für die Wirtschaft, für das Handwerk, aber auch für jeden einzelnen Bürger, der hier lebt.

Im Freistaat Sachsen sind derzeit gut 12 000 Stellen dem Polizeivollzugsdienst zugeordnet. Das ist auch im Ländervergleich ein ansehnlicher Wert. Ihm ist es unter anderem zu verdanken, dass die Kriminalitätsbelastung in Sachsen unter dem in Ostdeutschland üblichen Wert geblieben ist. Die Kriminalität bewegt sich im Durchschnitt der deutschen Länder.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Dafür sei der Polizei gedankt.

Frau Kollegin, das gehört zum Thema, weil das natürlich der innere Zusammenhang ist. Wenn Sie es nur segmentär betrachten, dann springen wir zu kurz und dann werfen Sie uns zu Recht wieder vor, wir würden am Ende die Dinge nicht inhaltlich fundiert behandeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun bleibt aber nichts so, wie es ist. Unsere Rahmenbedingungen verändern sich ständig. Zu diesen veränderten Rahmenbedingungen zählen die demografische Entwicklung und die abnehmenden Solidarpakt-II-Mittel. Sie wissen, dass die Bevölkerung in Sachsen nach allen realistischen Vorausberechnungen bis zum Jahr 2020 um zirka 600 000 Menschen auf dann rund 3,7 Millionen Einwohner abnehmen wird. Dies ist kaum zu verändern, egal, was die Opposition hier beschließt.

Hinzu kommt die bekannte Entwicklung des Solidarpaktes II. Die Mittel nehmen von 2005 bis 2019 kontinuierlich ab. Sachsen muss also lernen, mit weniger öffentlichem Geld auszukommen.

Alle diese Faktoren können wir auch im Polizeibereich nur am Rande beeinflussen; aber niemand kann diese Entwicklung ignorieren. Das sind die Rahmenbedingungen, innerhalb derer mit Modernität und größerem persönlichem Einsatz bei weniger Einwohnern und weniger Geld innere Sicherheit gewährleistet werden muss.

Deshalb haben die Koalitionsfraktionen aus SPD und CDU eine Funktional- und Verwaltungsreform im Koalitionsvertrag verankert. Wir haben eben ausführlich dazu diskutiert.

Ich denke, aus dem Gesagten wird deutlich, dass sich am Ende der große Personalkörper Polizei auch auf Veränderungen in dem Zeitraum bis 2019 einstellen muss. Aber die sicherheitspolitischen Erwägungen geben hier am Ende das zentrale Thema vor. Der Freistaat Sachsen wird in seiner Fläche nicht kleiner. Die Personal- und Altersstruktur der sächsischen Polizei muss im Auge behalten werden.

Ich sage in aller Deutlichkeit: Die Polizei muss auch zukünftig jungen Menschen eine berufliche Perspektive bieten. Das heißt, der Bestand einer motivierten und qualifizierten Polizei im Freistaat Sachsen muss durch einen Einstellungskorridor für jüngere Polizisten gesichert werden. Eine leistungsfähige aktive Polizei, die auch körperlich den Herausforderungen zum Beispiel bei bestimmten Einsatzgruppen gerecht wird, muss in der

Zukunft garantiert bleiben. Deswegen brauchen wir eine altersmäßig gut aufgebaute Polizei. Die derzeitige Altersstruktur weist eben überdurchschnittlich viele Polizeibeamte zwischen 40 und 59 Jahren aus. Das bedeutet, dass in den nächsten zehn Jahren ein erheblicher Altersabgang zu verzeichnen sein wird. Da es sich um Beamte handelt, sind betriebsbedingte Kündigungen selbstverständlich von vornherein ausgeschlossen.

Das Ziel, Sachsens Verwaltung und damit auch die Polizei fit für die Anforderungen unserer Zukunft zu machen, kann aber nur gelingen, wenn ausreichend viele junge Polizeianwärter eingestellt werden können. Ich weiß mich da mit dem Innenminister einig, der dieses als ein dringendes Thema ansieht. Ohne Polizeinachwuchs wird es für die innere Sicherheit schlecht aussehen.

Neben dem Einstellungskorridor ist die stetige Aus- und Fortbildung der vorhandenen Polizisten von großer Bedeutung. Von der Ausbildung der Polizeianwärter bis hin zur Fachhochschule für Polizei in Rothenburg brauchen wir leistungsfähige, bürgerorientierte und nach den modernsten Maßstäben ausgebildete Polizisten. Wir müssen die vorhandenen Polizisten qualifizieren und auf höchste Qualität der Ausbildung der Polizeianwärter achten.

Ich bin überzeugt davon und bin mir darin mit meinen Kolleginnen und Kollegen einig, dass der Staatsminister das genauso sieht.

Das gute Leistungsniveau der sächsischen Polizei ist ohne das starke Präventionselement in Sachsen nicht denkbar. Die sächsische Polizei nimmt in der Prävention, in der Vorbeugung, bundesweit einen Spitzenplatz ein. In kaum einer Landespolizei wird so viel für Vorbeugung und vorbeugende Bekämpfung von Straftaten getan wie in Sachsen. Auch hier gilt: Vorbeugen ist besser als heilen.

Wir unterstützen daher als CDU-Fraktion vorbehaltlos die Prävention als gesamtgesellschaftlichen Ansatz zur Kriminalitätsvermeidung und zur Kriminalitätsbekämpfung.

Die sächsische Polizei hat weiterhin mit dem Verfahren der integrierten Vorgangsbearbeitung, das heißt der computergeschützten Vollbearbeitung, bundesweit einen der Spitzenplätze eingenommen. Für Entwicklung und Einführung dieser Technik sind in den letzten Jahren zirka 25 Millionen Euro bereitgestellt worden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung des Digitalfunks für die Behörden mit Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben erwähnen. Wir brauchen die zügige Einführung des Digitalfunks zur Erhöhung der inneren Sicherheit.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Qualitäts- und Leistungsstandards der sächsischen Polizei werden durch die ihr gestellten Aufgaben definiert. Dazu müssen die Besonderheiten, denen sich die sächsische Polizei gegenüber sieht, berücksichtigt werden. Ein einfacher einwohnerbezogener Vergleich der Polizeidichte hilft uns da nicht weiter. Ich habe dies bereits ausgeführt.

Wenn wir innere Sicherheit weiterhin auf diesem hohen Niveau gewährleisten wollen, brauchen wir vor allem einen ausreichenden Einstellungskorridor. Ich denke, darauf sollten sich junge Leute jetzt schon einstellen, die genau in diesem Bereich später einmal tätig werden wollen. Der Polizeidienst und das sächsische Beamtenverhältnis müssen auch in Zukunft so attraktiv sein, dass wir gute, motivierte und engagierte Nachwuchskräfte für die Polizei gewinnen können. Nur so werden wir sicher sein, dass wir das Erreichte auch in den nächsten Jahren fortschreiben können. Polizei ist kein Thema für Ruhebänke.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich bitte den Sprecher der SPD-Fraktion. – Wir haben heute BrangsFestspiele.

(Allgemeine Heiterkeit – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Er hat noch eine Chance!)

Qualität hat einen Namen.

Ich weiß, ich stehe jetzt zur Prüfung an, Herr Professor. Sie nehmen jetzt die Prüfung ab.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nein, wir üben erst! – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein großer Teil von Berufsbildern ist einem Wandel unterworfen. Insofern macht die Polizei natürlich keine Ausnahme. Wir haben auch im Polizeibereich neue Anforderungen. Das heißt, wir haben den Einsatz neuer Techniken. Wir haben eine sich ständig verändernde Sicherheitsanforderung. Das sind allein zwei wesentliche Faktoren, die die gegenwärtige und auch die zukünftige Polizeiarbeit bestimmen. Die Koalition möchte daher ganz bewusst das künftige Profil der sächsischen Polizei nicht nur über ihren Stellenplan definieren.

Bevor wir also zum langfristigen Personalumfang und der weiteren Aus- und Fortbildung sowie der notwendigen Sachausstattung seriös Antworten geben können, steht aus unserer Sicht eine umfassende Bestimmung von Qualitäts- und Leistungsstandards von polizeilicher Arbeit an.

Anders gesagt: Die SPD-Fraktion und damit auch die Koalition möchte wissen: Welches sind die Erwartungen, die die sächsische Polizei künftig erfüllen muss? Wie muss unsere Polizei aussehen, damit sie genau diesen Erwartungen entsprechen kann?

Auf den ersten Blick könnte man sagen: Das sind ja ganz einfache, kleine und unscheinbare Fragen. Aber ich denke, es sind keine leichten Fragen, denn sie haben es in sich. Sie lassen sich sachlich jedenfalls nicht dadurch beantworten, dass bloße Zahlenverhältnisse zwischen Polizisten und Einwohnern herhalten müssen, und auch

nicht dadurch, dass man auf einen Bundesvergleich abstellt.

Fakt ist: Sachsen ist ein Flächenland mit sehr urbanen, aber auch sehr ländlichen Strukturen. Der Freistaat hat lange Außengrenzen zu anderen europäischen Staaten und besondere Strukturen, gerade im Bereich des Rechtsextremismus. Diese sind in Sachsen leider stärker als anderswo, und auch darauf müssen wir Antworten finden.

All dies zeigt, dass es geradezu fahrlässig wäre, statistische Erhebungen als alleinige Diskussions- und Vergleichsgrundlage heranzuziehen, ohne diesen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Mit dem vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen werden die aus unserer Sicht notwendigen Fragen aufgerollt, die vor einer strukturellen Veränderung zu stellen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass wir uns an dieser Stelle einig sind, dass wir eine Polizei brauchen, die ein hohes Maß an innerer Sicherheit garantiert und dabei vor allem so bürgerfreundlich wie möglich ist, und dass nur eine gesunde Altersstruktur – darauf hat mein Kollege bereits hingewiesen – mit ausreichenden Neueinstellungen einen umfangreichen Erfahrungsaustausch und damit auch eine gleichbleibende Einsatzfähigkeit nachweisen kann. Außerdem kann nur eine moderne Ausstattung eine spürbare Entlastung im Dienstbetrieb ermöglichen. Unsere Polizei muss zur professionellen Wahrnehmung ihrer Kernaufgaben befähigt werden. Nicht zuletzt ist eine umfassende Präventionsarbeit unverzichtbarer Bestandteil der polizeilichen Arbeit und führt ihrerseits zu Synergien der Bewältigung der Gesamtaufgabe „Innere Sicherheit“.

Sicher muss auch für unsere Polizei gelten, dass nicht die Summe des Wünschenswerten, sondern das Notwendige und Machbare das polizeiliche Handeln vorgibt. Ich habe bisher jedoch noch nicht gehört, dass diese Einsichten zum Beispiel von den Kolleginnen und Kollegen in den Revieren oder auch von der Polizeigewerkschaft jemals in Abrede gestellt worden sind.

Wenn die Staatsregierung – und dazu möchte ich sie aufrufen – den Schulterschluss mit unseren Polizistinnen und Polizisten und ihren Vertretern sucht, werden wir – davon bin ich fest überzeugt – ungeachtet der notwendigen Sparzwänge am Ende eine zukunftsorientierte Aufgabenbestimmung haben, mit der alle Beteiligten leben können.

Ich erlebe immer wieder – gerade auch in Gesprächen mit den Polizisten vor Ort –, welch große Motivation dort vorherrscht, trotz der teilweise schwierigen Verhältnisse, die wir bei unseren Besuchen vorfinden. Sich diese Motivation nicht zunutze zu machen, hieße, Ressourcen zu vergeuden, die selbst durch radikalste Reformen nicht zu erzielen sind. Angesichts der immer neuen Herausforderungen, die eine weltweit in Bewegung befindliche Sicherheitslage mit sich bringt, ist daher dringend ein Gesamtkonzept zur künftigen polizeilichen Arbeit und zur inneren Sicherheit in Sachsen notwendig.

Insofern freue ich mich auf die Antworten der Staatsregierung, und ich bitte Sie an dieser Stelle, unserem Antrag zuzustimmen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die Sprecherin der Linksfraktion.PDS; Frau Dr. Ernst, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab will ich feststellen: Die Linksfraktion hat natürlich nichts dagegen, dass die polizeiliche Arbeit in Sachsen qualifiziert und weiterentwickelt werden soll.

(Stefan Brangs, SPD: Schön!)

Im Gegenteil, wir folgen freudig diesem Antrag, das ist nicht die Frage, schon deshalb, weil wir dies vor einem Jahr gefordert haben – im Übrigen, bevor Sie eine Expertenkommission eingesetzt und bevor wir diskutiert haben, wie die Strukturen tatsächlich im Einzelnen aussehen sollen.

Deshalb meine Kritik: Die Koalition setzt eine Expertenkommission ein. Diese macht Vorschläge, wie der ganze Laden umzuwerfen ist, auch bei der Polizei, Herr Brangs, und jetzt fällt Ihnen ein: Uns fehlt ja noch etwas, ein Leitbild! Ja, da kommen wir jetzt einmal mit dem Leitbild anmarschiert. – Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, es kommt nur ziemlich spät. Seit ungefähr einem Dreivierteljahr verarschen Sie die Polizistinnen und Polizisten, indem Sie sie hinhalten und keine klaren Aussagen treffen, wie es weitergehen soll. Das ist erst einmal Fakt.