Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Deshalb meine Kritik: Die Koalition setzt eine Expertenkommission ein. Diese macht Vorschläge, wie der ganze Laden umzuwerfen ist, auch bei der Polizei, Herr Brangs, und jetzt fällt Ihnen ein: Uns fehlt ja noch etwas, ein Leitbild! Ja, da kommen wir jetzt einmal mit dem Leitbild anmarschiert. – Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, es kommt nur ziemlich spät. Seit ungefähr einem Dreivierteljahr verarschen Sie die Polizistinnen und Polizisten, indem Sie sie hinhalten und keine klaren Aussagen treffen, wie es weitergehen soll. Das ist erst einmal Fakt.

Selbstverständlich will die Linksfraktion auch eine bürgernahe und bürgerfreundliche Polizei, wie Sie es in Ihrem Antrag beschreiben. Ja, warum denn auch nicht? Dies hat aber natürlich auch Auswirkungen auf das Personal, und ich finde, es ist keine richtig offene Diskussion, und hierzu erwarte ich zumindest von Herrn Staatsminister einmal eine Aussage. Auf der einen Seite haben wir den Finanzminister, der sagt, 3 000 Stellen müssen weg. Auf der anderen Seite haben wir eine Expertenkommission, die sagt, 2 800 Stellen könnten weg. Jetzt sagen wir: Wir brauchen ein Leitbild und müssen einmal schauen, und bürgernah muss alles sein.

(Volker Bandmann, CDU: Nein!)

Jetzt ist die demografische Entwicklung daran schuld, wie Herr Bandmann sagt. Wir werden weniger, deshalb kann man dies auch alles anders betrachten.

(Volker Bandmann, CDU: Wir müssen das beachten! Nicht die Zusammenhänge umdrehen!)

Okay! – Ich möchte sehr wohl über die Frage einer bürgernahen und bürgerfreundlichen Polizei – auch mit Ihnen, Herr Bandmann – diskutieren, ganz klar. Sie wissen, dass wir in der Frage Polizei auch folgende Fragen debattieren müssen: Wie soll eigentlich die Perspektive der Polizei generell aussehen? Was für eine

Polizei wollen wir eigentlich? Eine, die vorrangig interveniert, oder eine, die sehr viel stärker auf Prävention setzt als in den letzten Jahren aufgebaut? Das ist doch die Preisfrage.

(Volker Bandmann, CDU: Das habe ich Ihnen doch gerade erklärt!)

Welches Modell will die Staatsregierung? Dies wenigstens möchte ich von Ihnen hören, Herr Staatsminister Buttolo. Selbstverständlich wollen auch wir, wie Herr Brangs und Herr Bandmann, dass die Polizei reagiert und flexibel ist. Abgesehen davon, dass wir darüber seitens der Staatsregierung bereits schöne Reden gehört haben, wurde meines Wissens genau dazu eine ganze Polizeireform durchgeführt. Sie ist gerade durch.

Seit 01.01.2005 ist die neue Strukturreform der Polizei in Kraft, und jetzt sagen wir plötzlich: Ja, wir müssen noch ein Leitbild entwickeln und führen damit eine zweite Strukturreform durch. – Das ist die Folge, die kommen wird. Davor muss man auch ein Stück weit warnen; denn Sie haben noch offene Baustellen bei der ersten Strukturreform. Ich denke zum Beispiel nur an die Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien. Dort ist noch vieles offen. Was geschieht damit? Ich denke, dass es momentan viele Verunsicherungen in den Reihen der Polizei gibt, und ich erwarte von Ihnen ein klares Wort, Herr Staatsminister Buttolo, und zwar jetzt, nicht irgendwann, auch nicht in ein paar Monaten.

All das, was der kreuzbrave Antrag von der Staatsregierung begehrt, fragen wir seit Jahr und Tag. Wie Sie alle wissen, hatten wir im Dezember einen Antrag dazu gestellt, und ich finde, es ist hohe Zeit, mit dem Katz-und-Maus-Spiel gegenüber den Polizistinnen und Polizisten und uns gegenüber aufzuhören; denn ich darf daran erinnern: Wir haben als PDS-Fraktion bereits den dritten Antrag im laufenden Jahr zu dieser Problematik gestellt und sind jedes Mal gewissermaßen vertagt worden.

Zur Klarheit, die wir für die Perspektive für die Polizei fordern, gehört auch ein klares Wort zur Frage der Personalstellen. Ganz ehrlich, Herr Buttolo, das liegt mir sehr am Herzen, da es momentan am meisten in der Debatte ist.

Sowohl der Finanzminister als auch die Expertenkommission sehen erheblichen Einsparbedarf. Ich möchte es ganz unmissverständlich sagen: Wir können uns sämtliche Debatten über die Qualitätserhöhung und die bessere Arbeit der Polizei sparen, wenn wir von vornherein das Damoklesschwert einer großen Personalstellenkürzung bei der Polizei weiterhin über den Köpfen der Polizistinnen und Polizisten schweben lassen und diese von vornherein einkalkulieren. Dies wollen wir nicht. Wir wollen eine ergebnisoffene Aufgabenkritik und eine ergebnisoffene Analyse der Situation der Polizei, da eine Personalkürzung in Größenordnungen – dies möchte ich noch einmal deutlich machen –, wie es bislang in der Diskussion und noch nicht vom Tisch ist, den Charakter der

Polizei grundsätzlich ändern würde. Dies muss besprochen werden. Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Ich habe keine Lust, über das Wachsen und Gedeihen der Polizei heute weiter zu philosophieren, ohne wirklich klare Aussagen zu erhalten.

Meine Damen und Herren! Unsere Forderung als Linksfraktion.PDS ist daher klar: Erstens wollen wir natürlich ein Leitbild zu den Perspektiven der Polizei und zweitens wollen wir ein Leitbild, das frei von vorgefassten Vorgaben zur Personalstellenentwicklung ist.

(Beifall des Abg. Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion.PDS)

Insofern müssen wir hier ansetzen und sagen: Wenn man von vornherein schon große Personalkürzungen im Blick hat, braucht man auch nicht an Qualitätserhöhungen zu denken. Wir unterstützen daher die Kritik aus den Polizeidirektionen und den Interessenvertretungen der Polizei, dass ein Großteil der Vorschläge der Expertenkommission nicht in das Leitbild gehört. Ich denke zum Beispiel an die Polizeireviere.

Es gibt derzeit eine Heidendebatte, was mit den Polizeirevieren wird. Wie viele sollen nun dichtgemacht werden? Wo sollen sie dicht gemacht werden? In Bischofswerda oder in Freital oder in Sebnitz? Das ist derzeit alles flockig in der Debatte. Man muss sich darüber verständigen, ob man dem Ansatz der Expertenkommission, Polizeireviere und auch Polizeiposten in Größenordnungen dichtzumachen, folgen will oder nicht. Ich hätte gern Aussagen dazu. Insofern ist das die Gretchenfrage, die wir hier stellen.

Herr Staatsminister Buttolo, Ihr Ministerium – zu dieser Zeit waren Sie noch nicht Innenminister – hat eine Analyse angefertigt, die sehr bemerkenswert ist. Diese Analyse beinhaltet die Fragestellung, was es bedeuten würde, wenn in Größenordnungen bis zu 3 000 Stellen gekürzt würden. Dazu lautet das Fazit des Innenministeriums, man müsste Kernaufgaben grundsätzlich einschränken. Das würde die innere Sicherheit und die persönliche Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigen. Man hat das sehr konkret gemacht. Ich darf daran erinnern, das würde die Abschaffung der Prävention bedeuten. Wir sprechen ganz toll über Prävention, aber wenn es tatsächlich zu diesen Personalkürzungen kommt, ist die Prävention zuerst an der Reihe. Die Verkehrsüberwachung würde abgeschafft, die Bürgerpolizisten, die wir alle wollten, würden abgeschafft – sie hätten praktisch keine Chance mehr – sowie die Polizeireviere und die Polizeiposten, wie ich sie bereits nannte.

Es wird derzeit in alle Richtungen kräftig spekuliert. Sie haben jetzt die Gelegenheit – ich erhoffe mir das –, einige klärende Worte zu sagen.

Lassen Sie mich am Ende noch eines sagen: Sie sind jetzt als Innenminister in diese Situation gewissermaßen hineingerutscht. Wir wünschen Ihnen natürlich für Ihr Amt alles Gute – das ist keine Frage und das möchte ich ausdrücklich so hier sagen –, aber Sie müssen sich auch

mit unserer und konkret mit meiner Ungeduld abgeben. So ist nun einmal das Leben, so ist die Opposition. Ich hoffe einfach, dass wir hierbei einen Schritt vorankommen, auch schon mit der heutigen Debatte, wenn sie nicht nutzlos sein soll.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Danke schön. – Für die NPD-Fraktion spricht Herr Dr. Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch bei diesem Antrag handelt es sich wie bei den meisten Anträgen der Regierungskoalition zumindest im weiteren Sinne um einen Auskunftsantrag. Gut, Auskunft ist nie etwas Falsches. Wir werden also dem Antrag zustimmen.

„Kreuzbrav“, wie Kollegin Ernst den Antrag nannte, ist er sicherlich auch, wobei manche Dinge noch recht obskur sind, denn ich hoffe zumindest, Herr Innenminister, dass die gegenwärtigen Qualitäts- und Leistungsstandards der polizeilichen Arbeit wenigstens schon definiert sind. Wenn das die CDU-Fraktion jetzt definiert haben möchte, wie es in Punkt 1 steht, dann hoffe ich doch, dass das wirklich der Vergangenheit angehören sollte.

Was sich hinter diesen ganzen Dingen verbirgt, ist doch Folgendes: Es ist gerade eine Polizeireform gelaufen. Dabei ist die Anzahl der Polizeidirektionen drastisch reduziert worden und nun steht, wie man der „Sächsischen Zeitung“ vom 17. Januar 2006 entnehmen konnte, schon neues Unheil bevor. Neben der aus meiner Sicht dramatischen möglicherweise geplanten Streichung von 3 000 Stellen – das sind zirka 20 bis 25 % des Personalbestandes – geht es auch um die Auflösung von Polizeirevieren. Das ist noch schlimmer als die Auflösung der Polizeidirektionen.

Herr Kollege Bandmann hat vielleicht Recht, wenn er sagt, dass wir in Zukunft aufgrund der demografischen Entwicklung weniger Bürger haben werden, aber die Fläche des Freistaates Sachsen ändert sich nicht. Ich denke, es ist das Recht jedes Bürgers im Freistaat, dass er, egal, wo er wohnt, und egal, wie die Siedlungsdichte dort ist, polizeilichen Schutz gewährt bekommt.

Die Polizeiposten, die unterhalb der Reviere existieren, sind im Prinzip Polizeistellen mit schlechten „Ladenöffnungszeiten“. Diese sind werktags besetzt. Wenn nach den Schließungszeiten etwas passiert, dann sind schon jetzt die Reviere massiv gefordert. Dazu brauche ich nur zu dem Polizeirevier Sebnitz in meinem Heimatlandkreis zu schauen, das nachts für die Gebiete von Stolpen bis Rosenthal mit zuständig ist. Dafür sind riesige Entfernungen zurückzulegen. Einer Reduktion der Polizeireviere kann meine Fraktion definitiv nicht zustimmen. Ich erinnere an einen bereits seit den sechziger Jahren bekannten Slogan meiner Partei: Sicherheit durch Recht und Ordnung! Ich denke, das sollte auch weiterhin gelten.

Da in diesem Plenum aufgrund der Regierungskoalition eine Einsicht sicherlich nicht zu erwarten ist, werden wir die Bürgerinnen und Bürger vor Ort über diese Probleme informieren. Ich denke, es ist das richtige Motto: Das Revier bleibt hier! Unter dieser Rubrik werden wir die Bürgerinnen und Bürger vor Ort informieren. Wir werden dem weiteren Geschehen nicht tatenlos zuschauen.

(Beifall bei der NPD)

Danke. – Für die FDP-Fraktion Herr Dr. Martens, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich begrüßen wir es natürlich auch, wenn, wie von der Koalition gewünscht, über Qualitäts- und Leistungsstandards polizeilicher Arbeit berichtet werden soll. Dieser Antrag betrifft ein wichtiges Thema: die Qualitäts- und Leistungsstandards polizeilicher Arbeit auch in Zukunft bei veränderten Bedingungen zu sichern. Das ist eine wichtige Aufgabe gerade im Bereich der inneren Sicherheit, wo die Bürgerinnen und Bürger zu Recht von den politisch Handelnden vorausschauendes Denken und Konzepte erwarten, die ihre Sicherheit auch in Zukunft gewährleisten.

Dieser Antrag könnte Informationen bringen, die wir alle für unsere politische Arbeit brauchen. Ich sage ausdrücklich „könnte bringen“, denn die wesentlichen Fragen und die eigentlichen Problempunkte werden in diesem Antrag nicht angesprochen.

Meine Damen und Herren! Es ist bezeichnend, wie seitens der Koalition in diesem Antrag die offensichtlichen Problempunkte, die immer wieder angesprochen werden, auch von Vertretern der Beschäftigten bei der Polizei, ausgespart werden. Es sind zum Beispiel die Fragen der Personalplanung, die Planung verschiedener im Raum stehender Szenarien und eines Abbaus von 3 000 Stellen angesprochen worden. Legt man die Zahlen der mittelfristigen Personalplanung dort zugrunde: Welche Auswirkungen hätte es? Welche Konzepte gibt es? Welche Aufgaben würden verbleiben und welche Aufgaben wären noch zu übernehmen? Davon steht nichts im Antrag.

Es geht um die Ausstattung, über die man sich noch einmal eindringlich Gedanken machen müsste. Es geht um die Fahrzeuge, um die Frage der Beschaffung des BOS-Funks oder zum Beispiel um solche Dinge wie Bekleidungsanträge, die monatelang nicht bearbeitet werden, weil die Beschaffung offensichtlich Schwierigkeiten bereitet. Davon steht nichts im Antrag. Stattdessen wird in Bezug auf die Personalplanung von einer Altersstruktur gesprochen und wie eine ausgewogene Altersstruktur langfristig gesichert bleibt. Man kann nur etwas gesichert bleiben lassen, das bereits vorhanden ist. Eine ausgewogene Altersstruktur haben wir bei der Polizei in Sachsen mitnichten.

Per 1. April 2005 waren 1 878 Beamte zwischen 20 und 29 Jahre alt, über 5 000 Beamte waren zwischen 40 und 49 Jahre alt und fast 4 000 Beamte waren zwischen 50 und 59 Jahre alt. Hier zu fragen, wie man eine solche Struktur langfristig gesichert lassen möchte, verfehlt das Ziel der Anfrage, meine Damen und Herren.

Wir stellen die Frage, wie aufgezeigt werden soll, wie das bisher erreichte Leistungsniveau weiterhin gesteigert werden kann. Nach der Rede von Herrn Kollegen Bandmann müsste man den Eindruck bekommen, als wäre überhaupt nichts mehr steigerungsfähig, was die Qualität und die Sicherheit in Sachsen angeht.

Uns würde auch die Frage interessieren, wie die Planung bei den so genannten Basisdienststellen, bei den Revieren und bei den Posten aussehen soll. Wie soll es hier weitergehen? Das sind berechtigte Fragen, die gestellt werden, aber nicht in diesem Antrag. Wir gehen sehr wohl davon aus, dass sich die Staatsregierung dieser Probleme bewusst ist, dass sie sich dieser Probleme annimmt und dann hierzu im Parlament berichtet und darüber diskutieren lässt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. – Und die Fraktion der GRÜNEN. Es ist völlig klar, wer kommt: Herr Kollege Lichdi.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es fällt schwer zu reden, wenn die Vorredner schon alles gesagt haben. Wir haben zum dritten Mal in dieser Legislaturperiode den gleichen Antrag.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Richtig!)

Es ist schon gesagt worden, dass dieser Antrag nicht schadet. Wir können ihm auch zustimmen.

Herr Kollege Martens, Sie haben vollkommen Recht: Der Antrag spart einiges aus. Ich möchte nur daran erinnern, dass uns schon der Vorgänger des jetzigen Innenministers im März oder April 2005 im Innenausschuss versprochen hatte, im Oktober 2005 das Personalabbautableau vorzulegen. Jetzt haben wir Januar und davon ist lange nicht mehr die Rede. Wir kennen alle das so genannte Ampelpapier. Frau Kollegin Ernst hat wieder herauf und herunter zitiert aus dem Papier, ich glaube, auch schon zum dritten Mal.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Korrekt!)

Irgendwie wiederholen sich diese Debatten hier, ohne dass wir weiterkommen. Da frage ich mich: Was soll dieser Antrag? Ich versuche ihm mal etwas politisch Positives abzugewinnen, Herr Kollege Brangs: Offensichtlich braucht die Koalition diesen Beschluss, um das Ampelpapier zu entschärfen, um sozusagen eine politische Ebene in dieses Papier einzubeziehen. Dazu wollen