Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Irgendwie wiederholen sich diese Debatten hier, ohne dass wir weiterkommen. Da frage ich mich: Was soll dieser Antrag? Ich versuche ihm mal etwas politisch Positives abzugewinnen, Herr Kollege Brangs: Offensichtlich braucht die Koalition diesen Beschluss, um das Ampelpapier zu entschärfen, um sozusagen eine politische Ebene in dieses Papier einzubeziehen. Dazu wollen

wir unsere Hand durchaus reichen. Das ist schön und gut. Wir erwarten jetzt aber doch, dass das Innenministerium endlich zu Potte kommt und etwas vorlegt.

(Beifall der Abg. Kerstin Köditz, Linksfraktion.PDS)

Dann lohnt es sich vielleicht, wieder weiter zu streiten. Alles andere an dieser Stelle weiter auszuführen ist, glaube ich, vergeblich.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Das war die Runde der Fraktionen. Besteht weiterer Aussprachebedarf allgemeiner Art? – Dies ist nicht der Fall. Herr Dr. Buttolo, Staatsminister des Innern, jetzt haben Sie die Chance, die Wünsche zu erfüllen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich werde ich mich zu den aufgeworfenen Fragen äußern. Ich muss sie aber bitten, mir die Möglichkeit zu geben, einige grundsätzliche Aussagen noch zur Polizei zu treffen.

Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen abzuwehren sowie Störungen der Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Zudem hat sie Straftaten zu verhindern, vorbeugend zu bekämpfen, und, wenn sie dennoch verübt wurden, den oder die Täter zu ermitteln, diese aufzuklären. Das Leistungsspektrum polizeilicher Aufgabenwahrnehmung erstreckt sich mithin von der Verkehrssicherheitsarbeit über die Kriminalitätsbekämpfung und Prävention bis hin zur Bewältigung von Hilfseinsätzen im täglichen Dienst oder von geschlossenen Einsätzen aus besonderem Anlass, zum Beispiel Demonstrationen oder Großveranstaltungen.

Qualitätsstandards polizeilicher Aufgabenwahrnehmung definieren sich angesichts annähernd gleicher Aufgabenzuweisung insbesondere im Vergleich der Ergebnisse der Vollzugstätigkeit in den Flächenländern der Bundesrepublik. Hier sind als wesentliche Parameter insbesondere die Häufigkeit der Straftaten bezogen auf 1 000 Einwohner, die Aufklärungsquote und die Anzahl der Verkehrsunfälle zu nennen.

Ziel der Staatsregierung ist es, dass die Ergebnisse im Freistaat Sachsen bezüglich der bundesweit einheitlichen Statistiken über dem Durchschnitt – von der positiven Seite her – liegen. Die polizeiliche Kriminalstatistik des Bundes für das Jahr 2004 weist für Sachsen 7 770 Straftaten je 100 000 Einwohner aus. Damit nimmt der Freistaat im Vergleich der Flächenländer den achten Platz ein. Verglichen mit dem am geringsten belasteten Freistaat Bayern ergibt sich eine Differenz von 2 070 Straftaten, das heißt 25,9 %. Von diesen Straftaten wurden bis 2004 57,9 % aufgeklärt. Dies bringt Sachsen im Vergleich der Flächenländer auf Rang 6. Die beste

Aufklärungsquote im Bundesgebiet erzielte mit 65,6 % ebenfalls Bayern.

Auch bei der Anzahl der Verkehrsunfälle liegt Sachsen mit 2 924 Unfällen je 100 000 Einwohner im Vergleich der Flächenländer auf Rang 8. Verglichen mit dem am geringsten belasteten Bundesland Baden-Württemberg ergibt sich eine Differenz von 28,76 %. Unter den ostdeutschen Bundesländern, in denen lediglich 17,5 % der Bevölkerung aller deutschen Flächenländer leben, sich jedoch 20,3 % aller Verkehrsunfälle ereignen und 20,2 % aller Straftaten verübt werden, stehen Sachsen und Thüringen am besten da.

Ergänzend zu diesen statistischen Werten ist die Entwicklung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung der Wirksamkeit von Präventions- und Präsenzmaßnahmen. Mit dem EmnidSommer-Politbarometer 2004 wurde erhoben, wie sicher sich die sächsische Bevölkerung in ihrer Wohngegend fühlt. Demnach fühlten sich 94 % der Bürger im eigenen Wohnumfeld sicher bzw. sehr sicher.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Qualitätsstandards polizeilicher Aufgabenwahrnehmung wurden insbesondere durch die Qualifikation und Motivation der Polizeibeschäftigten sichergestellt. Gleichermaßen bedeutsam ist aber auch, dass eine zukunftsfähige Organisation der Polizei in Aufbau und Ablauf sowie eine angemessene, an den Belastungen orientierte Personal- und Ressourcenausstattung der Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst gewährleistet sind.

Unsere Polizei ist auf einem hohen Niveau aus- und fortgebildet. Seit Dezember 1990 haben wir über 5 500 junge Menschen zu Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ausgebildet. Damit haben fast 45 % aller Polizeibeamten des Freistaates Sachsen eine qualifizierte Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst erhalten. Unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bieten sich zudem attraktive Entwicklungsmöglichkeiten. Nirgendwo im Bereich der Verwaltung sind die Laufbahnen so durchlässig wie im Polizeivollzugsdienst. Damit dies auch genutzt werden kann, haben wir in den vergangenen Jahren den Stellenanteil des gehobenen Dienstes signifikant erhöht und Beförderungsmöglichkeiten geschaffen. So hat sich seit dem Jahr 2000 die Anzahl der Beamten im gehobenen Dienst von damals 3 000 auf derzeit 3 900 erhöht.

Die sich in den zurückliegenden Jahren stetig verbessernden Ergebnisse der polizeilichen Arbeit sind Beleg für die zunehmende Qualifikation und Motivation in unserer Polizei. Es gilt, dies auch in der Zukunft zu erhalten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine moderne und bürgerfreundliche Polizei hat aus Sicht der Staatsregierung ihren gesetzlichen Auftrag so zu erfüllen, dass das Sicherheitsniveau im Freistaat Sachsen jederzeit gewahrt bleibt. Dabei hat sie die ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen so wirtschaftlich und wirksam wie möglich einzusetzen. Im Sinne der Modernität und Bürgerfreundlichkeit werden insbesondere folgende Anforderungen an

die Organisation der Aufgabenwahrnehmung und an die Polizeibediensteten gestellt:

Die Organisation der Polizei muss den Aufgaben folgen und flexibel ausgerichtet sein, um auf veränderte Lagebedingungen angemessen reagieren zu können. Dabei darf sie sich nicht mehr als zumutbar vom Bürger entfernen.

Dezentralität und Regionalisierung sind wichtige Grundprinzipien. Kompetenzen und Verantwortung sind konsequent an der Stelle zusammenzuführen, die auch für die Aufgabenwahrnehmung verantwortlich ist.

Die Steuerung der Aufgabenwahrnehmung erfolgt über eine gemeinsame Strategie und die Vereinbarung von Zielen. Neben strategisch wichtigen Zielen der Sicherheitsarbeit bilden die Besorgnisse der Bürger, der Wirtschaft und der Gäste des Freistaates die Richtschnur polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Mit der Neuorganisation der Polizei in sieben Polizeidirektionen haben wir Strukturen geschaffen, die dem grundsätzlich gerecht werden. Sie bieten die Grundlage dafür, flexibel auf Veränderungen der Lage zu reagieren und auch bei knapper werdenden Ressourcen ein weitgehend hohes Sicherheitsniveau zu erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt etwas zu den Zahlen sagen, die durch die Welt geistern.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS, steht mitten im Plenarsaal.)

Ja, ich hatte Ausschau gehalten, wo Frau Ernst ist. – In der Tat wird der notwendige Personalabbau auch an der Polizei nicht spurlos vorbeigehen. Die Zahl 3 000 ist keineswegs eine Zahl, die mit dem Finanzministerium abgestimmt ist und die die Richtschnur für unsere jetzigen Überlegungen ist. Ich bin in der Diskussion mit dem Finanzministerium, um auf die Besonderheiten und Randbedingungen unserer Polizei aufmerksam zu machen,

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

nämlich dass neben dem Bezug auf 100 000 Einwohner natürlich die Besonderheiten im Freistaat Sachsen zu berücksichtigen sind. Wir haben Besonderheiten. Ich darf einige ganz spontan erwähnen. Wir haben Fußballvereine, die uns permanent einen Einsatz der Polizei bescheren. Das sind aber nicht nur Vereine, die in oberen Ligen spielen, sondern tatsächlich auch 5., 6., 7. Liga bedeuten Polizeieinsätze.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ob sich damit aber für die Polizei die Arbeit verändert, Herr Prof. Porsch, wage ich zu bezweifeln.

Wir haben zum anderen zu berücksichtigen, dass wir bei den Verkehrskontrollen eine Aufgabe für die gesamte Bundesrepublik zu erfüllen haben, nämlich die Kontrolle von Fahrzeugen aus Osteuropa auf Verkehrssicherheit.

Fahrzeuge, die in Hessen oder Rheinland-Pfalz ankommen, sind natürlich in dieser Hinsicht nicht mehr zu prüfen oder werden dort nicht mehr mit solcher Intensität geprüft wie bei uns. Wir haben ebenso – ich hatte es bei der Statistik dargestellt – erhöhte Zahlen bei den Verkehrsunfällen. Wir müssen auch sehen, dass wir mit rechtsextremistischen Problemen im Freistaat Sachsen zu kämpfen haben und dass auch hier bestimmte, feste Termine im Kalender der Polizei vorzumerken sind. Ich darf nur daran erinnern, dass ein Herr seine Demonstrationen bereits bis zum Jahr 2013 terminlich festgelegt hat.

Vor diesem Hintergrund brauchen wir geringfügig mehr als nur den Durchschnitt der bundesdeutschen Flächenländer. Ich bin mir darüber im Klaren, wir werden einen Personalabbau betreiben, aber wir müssen auch die Realität sehen. Unsere Polizeivollzugsbediensteten sind Beamte. Dort geht nur eines: Der altersmäßige Abgang muss genutzt werden, um auf eine künftige größere Polizei zu schrumpfen.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich dafür aussprechen: Wir brauchen – wie von Herrn Bandmann dargestellt – einen Einstellungskorridor, um eine vernünftige Altersstruktur der Polizei auch für die Zukunft zu haben.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Über diesen Einstellungskorridor werden wir in den Verhandlungen mit dem Finanzministerium, aber auch in den Beratungen mit der Staatsregierung die Position des Innenministeriums einbringen.

Noch ein Wort zu möglichen Veränderungen in Polizeirevieren und bei Polizeiposten. Meine Damen und Herren, ob und wann eine derartige Veränderung zur Diskussion ansteht, werde ich in den nächsten Tagen entscheiden. Ich bin der Meinung, wir haben eine erfolgreiche Polizeireform mit den sieben Polizeidirektionen durchgeführt. Dies hat uns eine leistungsfähige Polizei beschert. Zunächst sollten wir in diesen Strukturen arbeiten. Ich bin mir darüber im Klaren, dass wir auf dem Gebiet der Reviere und der Posten eine Neuausrichtung brauchen. Ich werde dafür sorgen, dass diese Diskussion in Ruhe mit den betroffenen Polizisten und auch mit den betroffenen Bürgermeistern geführt werden kann. Ich stehe nicht für eine hektische Aktion, sondern für eine ruhige, ausgewogene Diskussion. Wann eine derartige Veränderung kommen wird, muss noch festgelegt werden. Ich bitte, dies so entgegenzunehmen.

Meine Damen und Herren! Ich hatte ausgeführt, die Polizei wird sich im vertretbaren Maße an der Sicherung, insbesondere an der finanziellen Handlungsfähigkeit des Freistaates Sachsen beteiligen. Darin bin ich mir auch mit der Führung der sächsischen Polizei einig. In jedem Fall wollen wir ein hohes Sicherheitsniveau wahren und das

Qualitäts- und Leistungsspektrum erhalten. Unsere Bürger – die Bürger Sachsens – haben hierauf ein Recht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Linksfraktion.PDS)

Haben die Ausführungen des Staatsministers noch den Wunsch zu einer allgemeinen Aussprache hervorgerufen? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum Schlusswort. – Auch nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es gibt einen Änderungsantrag, an die sieben Punkte noch einen achten Punkt anzufügen. Frau Ernst wird diesen Änderungsantrag begründen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war schon einmal ermutigend. Insofern glaube ich, dass Sie kein Problem mit unserem Änderungsantrag haben, den wir zum Antrag der Koalition stellen. Er beinhaltet zwei Punkte. Zum einen wollen wir eine Aussage darüber haben, dass wir im Landtag pauschale Vorgaben für den Personalabbau ablehnen und auch für die Zukunft der Polizei ausschließen. Das halte ich für ganz wichtig. Pauschale Vorgaben für den Personalabbau im Polizeibereich sollten nicht vorgenommen werden. Der zweite Aspekt ist, dass nach einer Aufgabenkritik über Personalveränderungen und Personalabbau diskutiert werden kann. Das möchte ich gern festgeschrieben haben. Das beinhaltet der CDU/SPD-Antrag nicht. Ich denke, es wäre eine geeignete Ergänzung zu dem, was die Koalition hier anbietet. – Danke.

Danke schön. Das war die Einbringung des Änderungsantrages. Möchte

jemand zu diesem Änderungsantrag Stellung nehmen? – Kollege Bandmann, bitte.

Herr Präsident! Das ist wie bei Haushaltsberatungen: Es soll ein Antrag „durchgestochen“ werden, bevor der Katalog beantwortet ist. Bevor wir beim Thema Funktionalreform nicht etwas klarer sehen, können wir als Parlament keinen solchen Antrag als Selbstbefassung beschließen. Dieser Antrag ist reiner Populismus.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wissen Sie, was das ist?)

Meine Damen und Herren, gibt es weitere Meinungen zu diesem Änderungsantrag? – Nein. Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich stelle den Antrag der Linksfraktion.PDS, Drucksache 4/4127, mit einer Anfügung des Punktes 8 zur Abstimmung. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe! – Die Enthaltungen! – Bei einigen Enthaltungen und einer größeren Anzahl von Pro-Stimmen ist der Antrag abgelehnt.

Damit kommen wir zum Originalantrag der Koalition, Drucksache 4/3368. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Die Enthaltungen! – Bei keinen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen ist dieser Antrag mit übergroßer Mehrheit angenommen. Ich bedanke mich. Dieser Tagesordnungspunkt ist somit beendet.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf