Wie Sie wissen, lag der damaligen Debatte eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zugrunde, eine Kleine Anfrage, die im Endeffekt fast eine Große Anfrage war. Denn das Sächsische Staatsministerium für Finanzen hat diese Kleine Anfrage, die 4/2674 – für die Hardcore-Politiker als Drucksachennummer –, auf immerhin zehn Seiten sehr ausführlich, sehr umfassend beantwortet. Es waren auch nur acht Seiten weniger, als wir jetzt bei der Großen Anfrage haben.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich glaube, dass durch diese Beantwortung der Großen Anfrage, die Sie gestellt haben, liebe Kollegen von den GRÜNEN, zwar eine ganze Menge, sicherlich auch wichtige kleine technische Details zusätzlich herausgearbeitet worden sind, dass aber im Grundsatz keine neuen Erkenntnisse gegenüber der Kleinen Anfrage von uns damals gekommen sind. Dann halte ich es doch lieber mit meinem Kollegen Patt, der damals bei der letzten Diskussion gesagt hat, so eine Fachdebatte – wir dürfen nicht vergessen, dass es damals einen Antrag mit einer Handlungsoption von uns gab und nicht nur eine allgemeine Debatte; den Entschließungsantrag haben Sie ja vor ein paar Minuten erst nachgeschoben – sollte man doch lieber im Fachausschuss führen. Dazu sage ich: Wenn damals schon die Debatte in den Fachausschuss gehört hätte – der Meinung kann man ja durchaus sein, das sehe ich ein –, dann gehört diese Debatte heute mit diesen Details erst recht in den Fachausschuss.
Wir konnten uns als FDP damals am 09.11. mit unserer Position nicht durchsetzen, auch wenn wir es uns anders gewünscht hätten und es sicherlich schade finden. Aber –
den Fall haben wir ja mit der GRÜNEN-Fraktion, Herr Lichdi weiß das ganz genau, auch Herr Dr. Gerstenberg, schon häufiger und gerade auch jetzt in Dresden bei der Diskussion um die Brücke und um die UNESCO und das Weltkulturerbe – es gehört eben für mich auch zum guten politischen Stil, dass man Niederlagen akzeptiert. Wir hatten damals mit unserem Antrag keine Mehrheit gefunden. Deswegen habe ich aus meiner Sicht nicht das Recht, dieses Thema in jeder Sitzung immer wieder aufs Neue auf die Tagesordnung zu setzen. Das gehört auch dazu, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Zastrow, stimmen Sie mir zu, dass wir uns hier im Sächsischen Landtag und nicht im Dresdner Stadtrat befinden? Stimmen Sie mir zu, dass es vielleicht sinnreich wäre, im Dresdner Stadtrat keine Landesangelegenheiten zu bearbeiten, wie Sie es letzten Donnerstag getan haben,
und hier im Sächsischen Landtag auch bitte keine Stadtratsangelegenheiten zu behandeln? Stimmen Sie mir darin zu?
Bei den vielen Themen, die ich dort behandle, weiß ich gar nicht, was Sie jetzt meinen. Vielleicht, Herr Lichdi, stimmen Sie mir zu, dass wir diese Diskussion, schlichtweg genau dieselbe Diskussion wie heute am 09.11., hatten. Das, was Sie hier betreiben, ist Zeitraub an parlamentarischer Arbeit. Ich glaube, dass wir das sinnvoller an anderer Stelle behandeln könnten, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, doch wieder zur Sache zu kommen und dem Redebeitrag zumindest zuzuhören.
Aus Sicht der FDP ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man sich zuvor vor allem auf Bundesebene
über neue Belastungen für die Bürger unterhält. Dazu gehört eben, Herr Pecher, ein Stück weit auch die Mehrwertsteuer, und dass man sich, bevor man sich darüber unterhält, erst einmal die eigenen Möglichkeiten auslotet, um das, was man unter Hausaufgaben des Staates versteht, zu machen.
Da haben Sie völlig Recht, das rettet überhaupt nichts. Aber es ist eine Hausaufgabe, die dieser Staat hat, nämlich, auch gegen den Umsatzsteuerbetrug aktiv zu werden. Da hat aus meiner Sicht lange Zeit zu wenig stattgefunden, denn dieses Problem, soweit ich das nachlesen konnte, verfolgt uns Jahr für Jahr. Es ist tatsächlich kein neues, sondern Jahr für Jahr beklagt jeder Finanzminister – nicht nur in Sachsen, sondern auch in anderen Ländern, auch im Bund –, dass uns viel, viel Geld, das eigentlich der öffentlichen Hand zustehen würde, verloren geht.
Dazu muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass es eine Bringepflicht ist. Da muss der Staat etwas machen. Wenn der Staat dieselbe Kreativität und dieselbe Schnelligkeit entwickeln würde wie beispielsweise bei Entscheidungen für Mehrwertsteuererhöhung, wie zurzeit bei der Pendlerpauschale gehandelt wird oder auch bei der Abschaffung der Eigenheimzulage – wenn er in dem Bereich Umsatzsteuerbetrug genauso engagiert, genauso zügig vorgehen würde, dann wäre uns allen, so glaube ich, an dieser Stelle schon sehr geholfen, meine Damen und Herren.
Von der Großen Anfrage bleiben aus meiner Sicht zwei Dinge übrig. Das eine ist, dass es offensichtlich einen Widerspruch gibt – der Finanzminister wird ihn vielleicht dann noch aufklären – in der Einschätzung der Arbeit der Finanzbehörden. Der Landesrechnungshof hat sie kritisiert. Die Kritik steht ja heute noch. Der Finanzminister dagegen hat uns das letzte Mal erklärt, dass die Finanzbehörden in Sachsen eine hervorragende Arbeit leisten. Das ist ein Widerspruch, den die Beantwortung der Großen Anfrage aus meiner Sicht nicht auflöst.
Die zweite Frage ist, was wir gegen den Umsatzsteuerbetrug machen können. Jetzt sind wir genau an der Stelle, über die wir das letzte Mal diskutiert haben. Aus unserer Sicht müssen wir über das System sprechen. Wir favorisieren eine Ist-Besteuerung; wir halten das für das am wenigsten betrugsanfällige System, das möglich ist. Das Reverse-Charge-Modell ist ein erster, wichtiger Schritt, der aus unserer Sicht aber zu wenig bringt. Dennoch: Wenn wir das schon mal machen, sind wir bereits ein Stück vorangekommen.
Ansonsten ist eines klar: Zu hundert Prozent – ob es nun 400 oder 500 Millionen Euro sind, wie in der Antwort auf die Kleine Anfrage an uns damals die Sprache war – wird das Geld nicht einzutreiben sein, das wissen wir alle. Ich glaube, da gibt es graue Bereiche, derer wir als Staat bestimmt nicht Herr werden können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Also, Herr Kollege Zastrow, Sie kann man gar nicht blamieren, das bekommen Sie selbst am allerbesten hin, indem Sie Debattenbeiträge abliefern wie gerade eben. Sie haben zur Sache kaum etwas gesagt – das dafür aber sehr weitatmig –, nämlich dass Sie die eigentliche Debatte nicht führen wollen.
Große Anfragen – so viel zur parlamentarischen Schulung – sollte man nicht im Ausschuss behandeln, sondern sie gehören natürlich auf die Tagesordnung des Parlamentes. Vielleicht kommt die FDP ja auch in die Verlegenheit, ihre Großen Anfragen hier behandeln zu wollen.
Reden wir mal über die Angriffe des Kollegen Pecher. – Nein, Herr Kollege Pecher, das lässt sich jetzt nicht mit einem Schmunzeln abtun. – Sie stellen sich hier ans Pult und behaupten, es wäre fahrlässig, die Fragen des Umsatzsteuerbetruges und der nicht eingetriebenen Steuern mit der geplanten Mehrwertsteuererhebung in Verbindung zu setzen, und führen auch noch aus, wie wichtig es wäre, die Strukturreform zu durchzuführen. Nur, von Strukturreform ist nirgends die Rede. Das haben die Sozialdemokraten in der rot-grünen Regierung zu verhindern gewusst in Berlin, und das verhindern die Sozialdemokraten auch jetzt gerade bei Schwarz-Rot.
Das ist es, was ich kritisiere: Wir erhöhen die Mehrwertsteuer wahrscheinlich zum 01.01.2007 für nichts und wieder nichts. Und das, was am meisten im Wege steht, ist die Sozialdemokratie mit ihrem Staatsverständnis. Wir werden noch das 25-Milliarden-Paket als länderanteilig mitzufinanzieren haben – das wissen Sie so gut wie ich –, wir werden natürlich noch damit konfrontiert sein, dass viele Bürger im Lande unter der Mehrwertsteuererhöhung leiden müssen – das ist einfach so –, und man hat nur diese eine Möglichkeit, einmal die Mehrwertsteuer im Sprung anzuheben. Dann müsste das Geld wirklich für Strukturreformen ausgegeben werden. Alles andere verlängert nur wieder das Siechtum für einige wenige Jahre.
Sie können sich hier nicht hinstellen und so tun, als redeten Sie mit einer Person, die erst seit zwei Jahren mit dem Thema befasst ist. Da müssen Sie sich schon ein bisschen mehr belesen oder nach Berlin fahren und mal mit Ihren Kollegen reden, die mich seit langem kennen, Herr Pecher.
Ich gehe davon aus, dass Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, das tiefe Bedürfnis haben, erst alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen, bevor man zur Maßnahme
Das rechtfertigt auch für Sie, Herr Kollege Zastrow, natürlich eine Große Anfrage, um das herauszufinden. Wenn Sie hier einen lächerlichen Wettlauf anfangen – es gab eine Aktuelle Debatte auf Antrag der Bündnisgrünen im Juli letzten Jahres, noch lange bevor erste Kleine Anfragen der FDP eingetrudelt sind. Hören Sie doch auf mit dem Mist!
Die Frage ist doch: Ist diese Mehrwertsteuererhöhung so, wie sie gedacht ist, nötig oder nicht. Der Ministerpräsident, der gerade in den Reihen der CDU sitzt, hat selbst gesagt: Nur und ausschließlich für eine ordentliche Absenkung der Lohnnebenkosten ist diese Erhöhung der Mehrwertsteuer zu verteidigen. So war hier die Debatte, so haben wir sie geführt. Sie waren fast knapp dran, dass Sie mich hätten überzeugen können, Herr Milbradt, aber wo sind wir denn jetzt? Steinbrück sagt, er braucht es für den Haushalt, und das ist es. Ich glaube, so können wir nicht vorgehen.
Herr Bolick, Sie haben sich in einer väterlichen Attitüde gefallen, weil Sie nicht wussten, was Sie auf meine Argumente sagen sollten. Das ist auch keine Methode, ehrlich gesagt. Sie werfen mir vor, wir hätten einen Anteil des Freistaates Sachsen vom Bundesdurchschnitt ausgerechnet – ja, klar, wovon denn sonst?! Herr Metz war nicht in der Lage, irgendeine konkrete Zahl zu liefern. Die Antworten auf die Große Anfrage liegen Ihnen ja schriftlich vor.
Deswegen schlagen wir im Entschließungsantrag vor, diese Zahlen in Zukunft exakt zu erheben; da müssen Sie sich nicht in väterlichen Attitüden ergehen, sondern können auf Zahlen zurückgreifen und müssen nicht selbst Schätzungen vornehmen.
Da komme ich einmal zu Ihren 140 Millionen Euro Schwarzarbeit, Schattenwirtschaft. Natürlich – da müssten Sie einmal das „Handelsblatt“ von heute zur Hand nehmen – hat eine steigende Mehrwertsteuer den Effekt, dass die Schattenwirtschaft wieder zunimmt, das ist Ihnen ganz klar. Also reden wir hier schon über Ursache und Wirkung. Deswegen finde ich es zum Beispiel wichtig, dass man sich noch einmal darüber Gedanken macht. Wir sind nach den Schätzungen in 2006 zum ersten Mal seit 1999 wieder unter 15 % Schattenwirtschaft, und das ist doch etwas, das hat auch viel mit den Minijobs und IchAGs zu tun. Aber steigende Mehrwertsteuer wird die Schwarzarbeit wieder attraktiver machen und den Trend wieder ins Negative umkehren.
Da setzen Sie noch eins drauf, indem zum Beispiel auf europäischer Ebene gerade daran gewerkelt wird, ermäßigte Mehrwertsteuersätze für Handwerks- und andere Betriebe auszuhandeln. Da soll sich auch Deutschland bewerben, die Frist läuft im März aus. Aber das heißt im Prinzip, Sie erhöhen die Preise für Konsumgüter und für Dienstleistungen für alle anderen. Es ist doch unbedacht, eine solche demografische Schieflage zu tolerieren: Das Katzenfutter kostet weiterhin 7 %, die Babywindel schon
16 % und ab nächstem Jahr 19 % Mehrwertsteuer. Wie demografisch ist denn das gedacht? Aber natürlich, der Anteil der Wähler, die über 60 sind, ist deutlich höher als der Anteil der Wähler zwischen 20 und 30. Da kann ich mitrechnen, da brauche ich keine Schätzungen vorzunehmen.
Es gibt also inzwischen eine ganze Menge guter Gründe, sich genau zu überlegen, ob man die Konjunktur abwürgen und die Preise in Sachsen dauerhaft anheben möchte oder ob man nicht doch noch Effizienzreserven hat, die man erheben kann.
Diese Debatte wollen wir heute führen; Sie haben selbst alle hier deutlich gemacht, was Sie von solchen Bemühungen halten. Man kann nicht immer nur schwadronieren, man muss auch in die Tiefen und in das Unerquickliche und in das Detail gehen. Ansonsten übt dieses Parlament keine Kontrolle der Regierung aus.
(Beifall bei den GRÜNEN – Demonstrativer Beifall der Abg. Heinz Eggert und Dr. Matthias Rößler, CDU)