(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Es gibt klare Verantwortlichkeiten!)
Meine Damen und Herren! Die Erkenntnis ist: Wir müssen uns den Familien zuwenden, wir müssen sie in das Zentrum unseres politischen Handelns stellen. Darum geht es.
(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Simone Raatz, SPD – Uwe Leichsenring, NPD: Dann machen Sie es doch!)
Diese Frage, meine Dame und meine Herren von der NPD-Fraktion, lässt sich nun nicht nur rentenrechtlich lösen. Es ist ein Gesamtkonzept erforderlich, bei dem wir uns gesellschaftspolitisch die Frage stellen und auch
beantworten: Wie bekommen wir die Gesellschaft dahin, dass das Kinderhaben als Freude, als Glück empfunden wird? Das ist ein Punkt, den Sie allein mit der Rentenversicherung – weiß Gott – nicht lösen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema Rente kursieren gegenwärtig viele Konzepte: bessere und schlechtere, gerechte und weniger gerechte, ökonomisch durchdachte und weniger durchdachte. Ich gestehe, meine verbliebenen Abgeordneten der NPD: Ihr Vorschlag hat uns gerade noch gefehlt.
Nur bruchstückhaft erschließt sich aus Ihren fünf Spiegelstrichen, was Sie eventuell unter dem Begriff Kinderrente meinen könnten. Dabei bleibt jedoch ein weiter Interpretationsspielraum, da Sie über ein paar Schlagworte in Ihrem Antrag nicht hinauskommen. Schon deshalb wäre es vollkommen unverantwortlich, würde die Staatsregierung mit diesem kryptischen Fragment im Bundesrat vorstellig werden.
So ist zum Beispiel nicht klar ersichtlich, ob die von Ihnen vorgeschlagenen Leistungen, die Sie offensichtlich ausschließlich aus der Zahl der eigenen Kinder ableiten, zusätzlich zu den derzeitigen Rentenansprüchen gezahlt werden sollen oder anstelle dieser.
Sollte Ersteres zutreffen, also eine zusätzliche Zahlung gemeint sein, dann wäre zumindest ein Finanzierungsvorschlag notwendig. Denn Sie müssten dann schon sagen, mit welchem Konzept Sie das notwendige Geld aufbringen wollen.
Es könnte natürlich auch gemeint sein, dass Ihr System der so genannten Kinderrente an die Stelle des gegenwärtigen Rentensystems treten soll. Die Formulierung Ihres Antrages – ich zitiere – "Umstellung des bisherigen Rentensystems auf die Kinderrente" – Zitatende – lässt Letzteres eher vermuten. Dann jedoch liefe das auf massive Kürzungen der Renten vieler heutiger und künftiger Rentner hinaus. Diese heutigen und künftigen Rentner würden durch Ihren Antrag, meine Dame und meine Herren von der NPD, um ihre erworbenen Rentenansprüche betrogen, für welche sie jahrelang Beiträge gezahlt haben.
Vielleicht, meine Dame und meine Herren von der NPD, sind die personellen Abgänge in Ihrer Fraktion und Ihrer Partei auch damit zu erklären, dass diese Abgeordneten auf der Basis des vorliegenden Antrages einmal ihre Rentenansprüche ausgerechnet haben.
Ein weiterer Punkt: Der von Ihnen vorgeschlagene Grundrentenanspruch soll "nach einer festzusetzenden durchschnittlichen Beitragsdauer" Geltung erlangen.
Ja, was denn nun? Soll eine für die Rentenansprüche notwendige Beitragsdauer festgesetzt werden oder soll die durchschnittliche tatsächliche Beitragsdauer ermittelt werden?
Das ist nun wirklich ein erheblicher Unterschied. Aber Sie verraten uns weder, welche Beitragsdauer Ihnen dabei vorschwebt, noch was denn dann aus einer kürzeren oder einer längeren Beitragsdauer nach Ihrem Vorschlag für den Einzelnen folgen würde.
Ebenso wenig ist erkennbar, ob sich denn die vorgeschlagenen Kinderzuschläge auf jedes einzelne Elternteil beziehen oder auf beide gemeinsam.
Völlig unklar bleibt in Ihrem Antrag übrigens auch, warum jedes nach dem 01.01.2007 neu geborene Kind mit einem kräftigen Rentenzuschlag von 300 Euro und einem Beitragsbonus von 50 Euro für die Eltern prämiert werden soll, Ihnen aber die bereits lebenden Kinder keinen Cent wert sind.
Meine Dame und meine Herren von der NPD! Die größten Verlierer Ihres Konzeptes wären folglich die kinderreichen Eltern. Deren bereits geborene Kinder kommen bei Ihrer so genannten Kinderrente gar nicht vor. Diese Eltern würden diesen Begriff nur als zynische Verdrehung empfinden; und das zu Recht.
Das nährt natürlich meinen Verdacht, dass Sie zwar aus ideologischen Gründen ständig nach der Zeugung weiterer deutscher Kinder rufen, aber keineswegs bereit sind, etwas für die bereits geborenen Kinder und deren Eltern zu tun.
Es ist allerdings kaum zu vermuten, dass diese offenkundige Doppelzüngigkeit bei irgendjemandem Zukunftsoptimismus auslösen oder gar einen Kinderwunsch wecken würde.
Schon gar nicht bei jungen Frauen, die nach Ihren Vorstellungen offenbar Kinder gebären und sich selber auf deren Erziehung reduzieren sollen. Das, meine Herren, muss man ja sagen, von der NPD, ist so bieder und altbacken und hat nichts, aber auch gar nichts mit moderner Gesellschaft zu tun.
Ich darf deshalb kurz zusammenfassen: Der Antrag ist völlig undurchdacht und aus sich heraus nicht schlüssig.
In den Teilen jedoch, in denen er verständlich ist, ist er wiederum frauen- und familienfeindlich sowie zutiefst sozial ungerecht. Wir empfehlen daher Ablehnung.
Wünscht die SPDFraktion zu sprechen? Das ist nicht der Fall. Die FDP? – Die GRÜNEN? – Da gibt es keinen Redebedarf. Ich frage noch einmal die anderen Fraktionen. – Herr Leichsenring, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland ist ein Sanierungsfall. Die Staatsquote ist zu hoch, die Bürokratie zu dicht, notwendige strukturelle Reformen als Antwort auf den zunehmenden internationalen Wettbewerb bleiben aus oder greifen zu kurz. Das mindert unsere Leistungsfähigkeit und höhlt so die Basis der sozialen Sicherheit mehr und mehr aus. Dazu kommt die demografische Entwicklung, die einen immer stärkeren Druck auf unsere sozialen Sicherungssysteme ausübt. Die aktiv im Erwerbsleben Stehenden werden weniger, die Rentner werden mehr und beziehen ihre Rente im Durchschnitt nicht zehn Jahre, wie noch in den sechziger Jahren, sondern 20 Jahre.
Unser Signal an die Familie: mit Kinderbonus und Kinderrente familienwirksam und gerecht fördern. Eine gerechte und wirksame Berücksichtigung der Erziehungsleistung von Familien für die Gemeinschaft und deren höhere finanzielle Belastung im Vergleich zu Beitragszahlern ohne Kinder wird am besten erreicht durch eine Kombination aus höherer Rentenleistung im Alter (Kin- derrente) und einer Unterstützung in der Beitragsphase (Kinderbonus).
Alles das, was ich jetzt vorgetragen habe, ist ein Zitat gewesen, und zwar aus dem Papier – Sie wissen, ich darf es nicht hochhalten – "Die Rente der Zukunft, familienfreundlich, generationengerecht, solidarisch", Konzept der CSU zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, beschlossen vom Parteivorstand der CSU am 17. November 2003. So viel also zu untauglich, ungerecht, undurchdacht, frauenfeindlich, sozial ungerecht. Es fällt auf Sie zurück, meine Damen und Herren.
Nein, mit dem bestehenden Rentensystem ist es wirklich nicht mehr zum Guten bestellt. Noch bevor die dynamische Rente 1957 in Kraft trat, nämlich im April 1956, veröffentlichte der Sozialökonom und Sozialethiker Oswald von Nell-Bräuning sein Memorandum, in welchem er die isolierte Einführung der Altersrente ohne gleichzeitige Installation einer „systemstabilisierenden Jugendrente“, so nannte er das damals, als Konstruktion eines Luftschlosses bezeichnete.
Den Zusammenbruch erleben wir in diesen Tagen. Auch Prof. Schneider kam nicht umhin, wenigstens Probleme zuzugeben. Aber dass es nicht nur Probleme sind, sondern dass wirklich das ganze Gebilde einzustürzen droht, ich denke, das wissen wir alle.
Der unsägliche Konrad Adenauer sozialisierte 1957 nur die Altersversorgung. Aber um das System zu stabilisieren, versäumte er es gleichzeitig, die Lasten bei der Erziehung von Kindern auch zu sozialisieren. So entstand – so nannte es der Sozialrichter Jürgen Borchert – ein „System der Transferausbeutung der Familie“. Diese Transferausbeutung, so Borchert weiter, zwingt seither die Eltern, auf ihre Privatkosten – Zitat – "positive externe Effekte zugunsten ihrer kinderlosen Jahrgangsteilnehmer zu produzieren, nämlich durch ihre Kindererziehung deren Altersversorgung gratis mit zu erbringen.“
Bei schrumpfender Bevölkerung und gleichzeitiger Erhöhung der Lebenserwartung kann man sich ausrechnen, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, wo nichts mehr geht.
Das ist das Problem. Dann werden wir noch angemacht, wenn wir Vorschläge bringen. Das wird noch als unqualifiziert hingestellt. Sie sitzen selbstgerecht und breit in Ihrem Sessel und tun nichts. Das ist das Problem. Ich meine nicht Sie persönlich, sondern die CDU-Fraktion allgemein.
Was habe ich Falsches gesagt? Ich könnte das eigentlich noch anders formulieren. Ich denke, ich war vornehm.
Jeder erhält in seinem Leben zwei Leistungen, nämlich in der Kindheit und im Alter. So ist es doch logisch, dass man auch in der aktiven Phase seines Lebens Leistungen in beide Richtungen erbringen muss, und zwar alle. Ebenso wie die ökonomische Last der Altersversorgung nicht nur von den eigenen Kindern, sondern von der Gesamtheit der Beitragszahler getragen wird, so sollte es auch bei den Kinderlasten sein. Ich weiß überhaupt nicht, was daran ungerecht oder unsozial sein soll. Wer kinderlos oder kinderarm ins Rentenalter geht und mit dem Pathos des Selbstgerechten für gleiche Beitragsleistungen gleiche Rente verlangt und erhält, zehrt im Grunde von der Mehrleistung der Kinderreichen, die seine Minderleistung kompensiert haben.