Der so genannte Verfassungsschutz darf laut Gesetz lediglich Informationen über oppositionelle Kräfte sammeln und weitergeben, was aber schon fragwürdig genug ist. Dem VS ist es aber in keiner Weise erlaubt, von ihm beobachtete Personen zu steuern und Oppositionsparteien im Interesse der Herrschenden zu zersetzen. Das heißt auch, dass der VS unter keinen Umständen gewählte Volksvertreter zum Austritt aus ihrer Partei und Fraktion bewegen darf, was vor Kurzem auch noch die PDS betonte.
Wenn dies aber geschieht, wie es in Sachsen geschehen ist, dann ist der Rubikon vom Rechtsstaat zum Unrechtsstaat überschritten. Deswegen stelle ich hier fest: Der Verfassungsschutz schützt die Verfassung so wenig wie das Frostschutzmittel den Frost. Der VS schützt nicht die Verfassung vor ihren Feinden, sondern die Herrschenden vor dem Volk. Mich erinnert das Ganze an die Staatssicherheit der DDR. Ich möchte den Vergleich auch begründen.
(Zuruf von der CDU: Sie müssen es ja wissen! – Weitere Zurufe von der CDU und der Linksfraktion.PDS)
Es gab in der DDR die „Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge“. Dort gibt es ein Extrakapitel: „Herausbrechen von Personen aus feindlichen Gruppen“, in dem unter anderem zu lesen ist: „Das Herausbrechen ist darauf zu richten, Personen aus feindlichen Gruppen für eine inoffizielle Zusammenarbeit zu werben, um damit in die Konspiration der Gruppe einzudringen und Informationen und Beweise über geplante, vorbereitete und durchgeführte feindliche Handlungen sowie Mittel und Methoden ihres Vorgehens zu erarbeiten,
Anknüpfungspunkte und Voraussetzungen für eine notwendige Paralysierung und Einschränkung von feindlichen Handlungen bzw. zur Auflösung der Gruppe zu schaffen.“ – Gezeichnet nicht de Maizière, obwohl er sich dieser Methoden befleißigt, sondern von Mielke, Generaloberst. – Soweit zur „Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge“.
mit welchen Mitteln ein Staat Oppositionsgruppen zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und zu isolieren hat, indem Personen aus ebendiesen Gruppen herausgebrochen werden. Und nichts anderes ist in Sachsen vor Kurzem passiert.
Beruhigend ist für mich aber das Wissen darum, dass auch die Stasi das SED-System nicht vor dem Untergang bewahren konnte. Genauso wenig wird der so genannte Verfassungsschutz verhindern können, dass die Deutschen diesem volksverachtenden System den Rücken zukehren und mit neuen politischen Kräften an einem nationalen und sozialen Deutschland arbeiten werden.
Meine Damen und Herren der Blockparteien! Auch die BRD wird noch ihren verdienten November 1989 erhalten. Auf diesen bundesdeutschen Stasi-Staat, der keine Demokratie, sondern deren Karikatur ist, spucke ich.
(Martin Dulig, SPD: Ab in die letzte Reihe! – Zurufe von der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)
Ich will nur erklären, warum das Parlament jetzt nicht darauf antwortet. Die Reden, die diese drei NPD-Abgeordneten von sich gegeben haben, sprechen für sich: Wir haben hier einen beispiellosen Tiefstand politischer Kultur erlebt.
(Starker Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Zuruf von der NPD: Das sind Ihre Machenschaften! – Weitere Zurufe von der NPD)
Meine Damen und Herren! Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich für die Staatsregierung Herrn Staatsminister Dr. Buttolo.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema dieser Aktuellen Debatte lautet: „Geheimdienstmachenschaften gegen die Opposition in Sachsen?“
Erstens. Würde ich die Fragestellung der NPD-Fraktion wörtlich nehmen, könnte ich meine Ausführungen auf einen einzigen Satz beschränken: In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine Geheimdienste.
Zweitens. Ich halte die Fragestellung für äußerst ungewöhnlich, da sie keinen klar und bestimmt umrissenen Sachverhalt benennt, der hinterfragt werden soll. Auch hier gilt der Grundsatz, dass nur auf klare und bestimmte Anfragen ebensolche Antworten gegeben werden könnten.
Ich gehe aber davon aus – das haben die drei Reden bewiesen –, dass die NPD-Fraktion unter dem falschen Begriff „Geheimdienst“ den Nachrichtendienst des Landesamtes für Verfassungsschutz versteht.
Weiterhin gehe ich davon aus, dass Hintergrund des Antrags der NPD die vor Kurzem erfolgten Austritte von drei ihrer Fraktionsmitglieder sind. Sicherlich geht es in diesem Zusammenhang auch um die Unterstützung von zwei dieser Abgeordneten durch das Landesamt für Verfassungsschutz im Rahmen des Aussteigerprogramms.
Die im Zuge dieses Antrages erfolgte Unterstellung, das LfV Sachsen habe irgendwelche Machenschaften betrieben, weise ich an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit zurück. Genauso, werte Frau Köditz, entbehrt die von Ihnen in einer Pressemitteilung geäußerte Behauptung, der sächsische Verfassungsschutz habe zumindest im Fall Baier mit dubiosen Methoden gearbeitet, jeglicher Grundlage. Sie sollten sich einmal fragen, wem Sie mit derartigen Äußerungen einen Dienst erweisen.
Die provokative Fragestellung der NPD-Fraktion werte ich als Hinweis darauf, dass sie sich aufgrund der Ausstiege ihrer Fraktionsmitglieder in Begründungszwängen über ihre internen Vorgänge in der Fraktion sieht.
Sie scheint sich in eine absurde Verschwörungstheorie flüchten zu wollen, die ihr als einziger Ausweg erscheint.
Ich möchte vor dem Plenum in aller Öffentlichkeit noch einmal darlegen, warum die haltlosen Unterstellungen der NPD-Fraktion mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen sind. Seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und seit der Wiedergründung des Freistaates Sachsen war und ist es erklärtes Ziel der extremistischen Bewegung jeglicher Couleur, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Dieser politischen Herausforderung für Staat und Gesellschaft kann effektiv nur mit einer wehrhaften Demokratie begegnet werden.
Der sächsische Verfassungsgeber hat sich für solch eine streitbare Demokratie entschieden, da sowohl die Erfahrungen der Weimarer Republik, während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft als auch zu Zeiten der SED gezeigt haben, dass Demokratie streitbar sein muss, soll
Dieser ist kein Instrument der Repression. Er stellt vielmehr ein Frühwarnsystem dar, das Öffentlichkeit und Politik rechtzeitig auf extremistische Entwicklungen hinweisen soll. Ziel ist es, dass die freie demokratische Gesellschaft in eigener Verantwortung gegen diese Entwicklungen, wenn sie erkannt sind, vorgehen kann.
Der Verfassungsschutz unterstützt damit letztendlich alle Demokraten, die die eigentlichen und aktiven Schützer unserer Verfassungsordnung sind.
Heute gibt es vielfältige, insbesondere gegen den Rechtsextremismus gerichtete Maßnahmen staatlicher und kommunaler Stellen sowie umfangreiche gesellschaftliche Initiativen gegen den Rechtsextremismus. Die gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus muss unser aller Ziel sein. Das hat die heutige Debatte nach meinem Empfinden gezeigt.