Um Familien zu entlasten, könnte man über einen zu entwickelnden regionalen zweiten Arbeitsmarkt sinnvolle Angebote wie Kinderbetreuung, gemeinsame Transportmöglichkeiten, Mittagstisch, Hausaufgabenbetreuung oder selbstverwaltetes Bistro mit PC-Arbeitsplatz bereitstellen. Gerade im sozialen Bereich gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur Leistung sinnvoller gemeindeorientierter Arbeiten wie Nachbarschaftshilfe, die Organisation kleinerer und größerer Dienste für Alte und Kranke oder die Ausbildung von Hausmeistern, die sich weitestgehend kostenneutral in Übereinstimmung mit der Wohnungswirtschaft organisieren lassen müssten.
Ein solches Landesprogramm für Arbeit und Beschäftigung sollte Tauschringe und die in Sachsen bestehenden Netzwerke regionaler Komplementärwährungen einbeziehen, um somit möglichst viele neue geschlossene regionale Wirtschaftskreisläufe zu schaffen, die den sterbenden Regionen wieder Leben einhauchen und ein lebendes Gegenmodell zur turbokapitalistischen Globalisierung werden.
Meine Damen und Herren! Das alles kostet viel Geld, aber aus zahlreichen empirischen Untersuchungen wissen wir, dass sich Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt aus gesamtfiskalischer Perspektive durch die vermiedenen Kosten der Arbeitslosigkeit zu 60 bis 80 % selbst finanzieren. Vereinzelt wurde sogar behauptet, dass sich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf diesem Weg komplett selbst finanzieren.
Zum Schluss sei erwähnt: Die positiven sozialen und psychologischen Wirkungen einer Beschäftigung lassen sich erst gar nicht monetär darstellen; denn Arbeitslose erleiden oftmals in unserer Gesellschaft einen Verlust an sozialem Prestige und Status, werden über ihre eigenen Fähigkeiten unsicher und verlieren oft einen Großteil ihrer sozialen Kontakte. Wir sollten deshalb die Tendenz zur Entsolidarisierung und Deklassierung nicht nur bejammern, sondern uns ihr aktiv mit einem Programm für Arbeit und Beschäftigung entgegenstellen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Prof. Schneider hat in seinem Statement die ordnungspolitische Einordnung des PDSAntrages in aus meiner Sicht hervorragender Weise hervorgehoben, sodass ich daher diese Punkte nicht mehr alle wiederholen möchte. Mir steht wenig Redezeit zur Verfügung, aber ich möchte Ihnen sagen, dass wir uns als FDP diesen Ausführungen voll und ganz anschließen.
Das Problem des Antrages ist – es steht zu Beginn im Antrag –: Die Linksfraktion fordert ein Landesprogramm zur Gestaltung des zweiten Arbeitsmarktes. Das ist das
Grundproblem der Linksfraktion und damit genau ihr Denkfehler. Sie wollen es sich kuschelig machen auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Wir, die FDP – auch die CDU und die SPD –, wollen eine Stärkung des ersten Arbeitsmarktes. Das ist der ganz entscheidende Unterschied.
Wir wollen die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integrieren, anstatt dafür zu sorgen, dass man es sich im zweiten Arbeitsmarkt bequem macht.
Wir wollen Anreize dafür schaffen, dass Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Es wurde bereits auf die Drehtüreffekte hingewiesen, die es gibt, wenn wir Beschäftigungen auf dem zweiten Arbeitsmarkt zu stark fördern. Dies muss vermieden werden. Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, müssen eingeschränkt werden. Wir sind uns darüber im Klaren, dass es Ausnahmen gibt, zum Beispiel im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit, in der Schaffung von Ausbildungsfähigkeit junger Menschen – auch angesichts der demografischen Entwicklung. Wir werden noch diese Woche über dieses Thema in diesem Haus sprechen. Ich denke, hier ist der Staat sehr wohl in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen. Insofern wurde in dem Antrag der Linksfraktion ein wichtiger Punkt angesprochen. Nur, ein wichtiger Punkt in diesem Antrag macht noch keinen wichtigen Antrag.
Wenn wir uns anschauen, welche Dinge in der Staatsregierung falsch gemacht werden, hilft uns auch der Antrag der GRÜNEN über die operationellen Programme, den wir morgen zu debattieren haben, viel weiter, weil wir hier gestalterisch tätig werden müssen. Wir bedauern es außerordentlich, dass die Staatsregierung die Überlegungen, die sie dazu anstellt, als geheime Kommandosache betrachtet und das Hohe Haus nicht in die Erarbeitung dieser Programme einbezieht. Das wäre zielführend – nicht aber der Antrag der Linksfraktion.
Ich möchte ein Beispiel aus Ihrem Antrag herausgreifen. Ich möchte es wiedergeben, damit Sie erkennen, dass es vollkommen falsch ist: Förderung von Existenzgründung. Sie haben noch nicht zur Kenntnis genommen, dass die Unternehmensdichte pro Kopf in Sachsen wesentlich höher ist als in Baden-Württemberg, dem Musterländle des Mittelstandes. Das Problem in Sachsen ist nicht, dass wir zu wenige Unternehmen haben. Das Problem ist: Unsere Unternehmen sind zu klein. Sie sind zu schwach. Das heißt, wenn wir fördern wollen, müssen wir nicht Existenzgründung fördern, sondern in das Wachstum von Unternehmen investieren und entsprechende Programme auflegen. Nicht Existenzförderung, sondern Wachstumsförderung von Unternehmen ist das Gebot der Stunde. Ich sage Ihnen auch, obwohl Sie von der Linksfraktion es anders sehen:
Wir müssen die Entscheidungen vor Ort treffen lassen. Deswegen wäre es zielführend, tatsächlich darüber nachzudenken, die Optionsmöglichkeiten für die Kommunen zu stärken. Ich selbst bin Mitglied im Beirat der ARGE in Leipzig und weiß, was dort alles schief läuft. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man, wenn wir in Leipzig die Möglichkeit hätten zu optieren – was nicht mehr geht –, Dinge besser machen kann.
Ich kann mich erinnern, Frau Staatsministerin Orosz, in der letzten Debatte hatten Sie darauf hingewiesen, dass es Überlegungen gibt, Veränderungen herbeizuführen. Das wäre zielführend für die Menschen, damit sie wieder in Beschäftigung kommen, aber nicht durch solche Anträge, wie sie von der Linksfraktion vorgelegt wurden.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon allein die Tatsache, dass im vergangenen Jahr die zur Verfügung stehenden Mittel für aktive Beschäftigungspolitik von den Zweigstellen der Bundesagentur nicht ausgeschöpft wurden, sondern 150 Millionen Euro zurückgegeben werden mussten, zeigt, dass die Linksfraktion mit ihrem Antrag auf ein real existierendes Problem abzielt.
Was die Koordination der Beschäftigungspolitik im Freistaat Sachsen betrifft, so haben wir im letzten Wirtschaftsausschuss davon Kenntnis nehmen müssen, dass noch nicht einmal bei allen ARGEn in Sachsen die entsprechenden Beiräte eingerichtet sind. Uns konnte durch die Staatsregierung kein verlässlicher Überblick dafür gegeben werden, ob die Zusammenarbeit der Sozialpartner bei der Einrichtung der so genannten Ein-Euro-Jobs funktioniert. Hier liegt, wie wir wissen, ein zentraler Konflikt.
Staatliche Beschäftigungspolitik konterkariert sich selbst, wenn geförderte Beschäftigungsverhältnisse reguläre Arbeitskräfte verdrängen. Insofern möchte ich für unsere Fraktion an dieser Stelle darauf verweisen, dass wir nach den bisherigen Erfahrungen in Bezug auf die staatliche Beschäftigungspolitik eine gesunde Skepsis erworben haben.
Aber, meine Damen und Herren, angesichts der Zahlen auf dem Arbeitsmarkt, angesichts der Situation in bestimmten Regionen und nicht zuletzt mit Blick auf die Situation junger Menschen hier in Sachsen bleibt uns schon aus sozialpolitischer Verantwortung keine andere Wahl, stets und immer aufs Neue den Versuch zu wagen, einen Ausgleich zwischen den Kräften des Marktes und den Erfordernissen an ein Leben in Würde herbeizufüh
ren. Selbstverständlich ist der Freistaat in der Pflicht, sowohl programmatisch in Vorleistung zu gehen als auch zwischen den verschiedenen Akteuren eine moderierende Funktion einzunehmen.
Enttäuschend ist, dass die erste Evaluierung der so genannten Hartz-Reform keine regional spezifischen Daten zur Verfügung stellt. Aber auch das sollte uns nicht davon abhalten, die in Sachsen zur Verfügung stehenden Finanzen optimal, das heißt im Interesse der Menschen, einzusetzen. Wir haben bei der Aufstellung der Programmplanung zu den EU-Strukturfonds erlebt, dass die Koalition in Bezug auf die Mittelverwendung zwischen EFRE und ESF alles andere als einig ist.
Aber, meine Damen und Herren, Sie sollten es sich nicht zu einfach machen. Tragen Sie Ihre inhaltlichen Differenzen nicht auf dem Rücken der Beschäftigungslosen hier in Sachsen aus.
Ihre schriftliche Stellungnahme, Herr Staatsminister Jurk, zeigt, dass Sie auf dem richtigen Weg sind. Das Anliegen des Antrages, vor allen Dingen die regionalen Daten zu erheben und damit zu arbeiten, unterstützen wir, deshalb stimmen wir dem Antrag der Linksfraktion.PDS zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, die wir hier führen, hängt in wesentlichen Teilen vom Europäischen Sozialfonds, also vom ESF, ab. Sie hängt solchermaßen von ihm ab, dass wir die Augen sehr wohl offen behalten sollten für die reale Situation in den neuen Bundesländern und vor allem in Sachsen.
Diese Situation hat nicht nur etwas damit zu tun, dass die neuen Länder nach wie vor am Tropf des Westens hängen und die Solidarpaktmittel bis 2019 auslaufen werden, sondern auch damit, wie in Sachsen mit dem ESF bisher umgegangen worden ist und in Zukunft umgegangen werden soll.
In Mecklenburg-Vorpommern, Herr Kollege Brangs, hat die SPD in Koalitionsverhandlungen zugestimmt, dass für die künftige Förderperiode ab 2007 30 % der Gesamtmittel in den ESF fließen werden – 30 %! Meine Damen und Herren, in Sachsen sollen es maximal 20 % sein, und hört man genau hin und liest zwischen den Zeilen, dann werden es am Ende nur knapp 10 % bleiben. Der Rest von 90 oder 80 % fließt in den EFRE, der in Sachsen – und zwar in jeder Hinsicht fälschlicherweise – dem Traum von mehr und mehr Wachstum zugeordnet wird.
Liebe Kollegin, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass ich in meinem Redebeitrag davon gesprochen habe, dass über die unterschiedliche Höhe noch Verhandlungsspielraum besteht und dass die SPD-Fraktion eine Aufteilung von 70 zu 30 wünscht – EFRE 70 % und ESF 30 %?
Das habe ich sehr wohl zur Kenntnis genommen. Und trotzdem frage ich Sie, Herr Brangs, warum in allen bisher bekannten Dokumenten der Staatsregierung maximal 20 % genannt werden.
Natürlich, es ist so. Wir haben im Ausschuss diese Zahl gehört, wir haben sie auf der Strukturfondskonferenz im vergangenen Jahr so gehört, und es liegen inzwischen Schreiben der Bundesregierung an die ostdeutschen Regierungen vor, aus denen man sich diese Zahl errechnen kann. Es ist einfach ein Fakt, dass Sie darüber nachdenken, diese Summe zusammenzukürzen.
Es ist nicht falsch. Dann beweisen Sie mir das Gegenteil, legen Sie das operationelle Programm vor, und dann werden wir genau überprüfen können, wohin Ihre Pläne in der Tat gehen.
Da wir ja hier im Dunklen tappen und von Herrn Jurk diese große Innovation „ESF-Richtlinie“ auf zwei lächerlichen Seiten präsentiert bekommen, was nun alles innovatives Neues auf diesem Gebiet geschieht und was eigentlich nichts – oder sagen wir mal: fast nichts – ist, was uns auf dem Arbeitsmarkt voranbringen wird, muss ich Ihnen sagen, dass diese Debatte über die Zukunft von Arbeit und Beschäftigung dringend notwendiger denn je ist.
Meine Damen und Herren! Es gibt weitere Aspekte, die ich ansprechen möchte. In den Verhandlungen mit Deutschland geht der zuständige EU-Kommissar Vladimir Spidla von einem Drittel für den ESF und zwei Dritteln für den EFRE aus. Diesen Standpunkt – ich möchte es noch einmal deutlich machen – vertritt auch meine Fraktion, und das weist darauf hin, dass eine solche Forderung nicht nur nötig, sondern auch möglich und vor allem wichtig wäre, um zum Beispiel die gestern von Herrn Dulig geforderten Bildungsaspekte in diesem Rahmen noch unterzubringen.
Hinzu kommt – das wissen Sie auch alle – der so genannte Finanzkompromiss der Union, den Frau Merkel maßgeblich mit ausgearbeitet hat. Dieser so genannte Kompromiss läuft darauf hinaus, dass deutlich weniger EU
Mittel für die kommende Förderperiode zur Verfügung stehen sollen – nach neuesten Informationen nur noch 13,3 Milliarden Euro für den EFRE und den ESF. Das entspricht weniger als 80 % der Mittelausstattung der laufenden Förderperiode. Nun hat zwar das Europaparlament das Verhandlungsergebnis dieser Regierungsgruppen infrage gestellt – dem Vernehmen nach mit dem Ziel, mehr Mittel für Wachstum und Beschäftigung bereitzustellen. Ich bin gespannt – Sie können ja alle auf Ihre Fraktionen einwirken –, wie standhaft am Ende das EUParlament sein wird.