Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht vor, in diese Debatte einzugreifen. Aber nachdem das Thema Woba in den Vordergrund getreten ist und die gesamten Argumente gegen einen kompletten Verkauf vorgetragen worden sind, halte ich es für nötig; auch deshalb, um auszutarieren und Gründe dafür vorzutragen.
Die Dresdner Woba ist verkauft, und die Stadt Dresden ist die erste deutsche Stadt mit der Aussicht, ihre Schulden loszuwerden. Die Stadt Dresden ist derzeit mit knapp 741 Millionen Euro verschuldet. Sie hat in den letzten 15 Jahren im Vergleich zu westdeutschen Städten einen Aufholprozess hingelegt, der sich sehen lassen kann. Aber dafür sind natürlich auch Investitionen notwendig gewesen.
Alljährlich muss die Stadt bislang 45 bis 50 Millionen Euro allein für Zinszahlungen aufwenden. Die Tilgungsleistungen betragen weitere 20 bis 30 Millionen Euro im Jahr. Bis zu 80 Millionen Euro pro Jahr sind es also insgesamt, die ausgegeben werden müssen, um Zins und Tilgung zu leisten, und die keinerlei Nutzen in Form von Ertrag für die Stadt bringen.
Mit dem Verkauf der Woba Dresden zum ausgehandelten Kaufpreis von netto 981 Millionen Euro hat Dresden die einmalige Chance, all diese Schulden zu tilgen. Der Haushalt wird saniert und erhält durch die wegfallenden Zins- und Tilgungszahlungen neue Freiheit. Das heißt: Dresden wird handlungsfähig. Kitas und Schulen können saniert, die Straßen weiterhin modernisiert und instand gehalten und weitere Investitionen in Infrastruktur und Lebenskultur getätigt werden.
Ohne den Verkauf der Woba in Dresden würde die Stadt in Schulden ersticken. Immer höhere Zinslasten würden den Haushalt belasten und neue Schulden zur Kompensierung nach sich ziehen. Die Schuldenspirale würde in Gang bleiben. Gleichzeitig verengt sich die Ausgabenseite immer mehr; und so könnte ich nun weitere Dinge ausführen. Durch die große Zahl der zu erfüllenden Pflichtaufgaben bleibt kein Raum für neue Konzepte. Gerade die freiwilligen Aufgaben Kultur, Sport und Jugend können nicht mehr finanziert werden.
Nur ein Totalverkauf bringt der Stadt ausreichend Geld, um sich zu entschulden. Ein Verkauf von lediglich 49 % der Anteile – wie auch diskutiert – würde nur einen Bruchteil des Kaufpreises erbringen. Wer glaubt, dass bei einem hälftigen Verkauf auch der halbe Kaufpreis erzielbar wäre, der irrt. Das ist eine Milchmädchenrechnung, die jeglicher Grundlage entbehrt.
Die Mieter der Woba sind durch den Verkauf kaum betroffen. Zusätzlich zum ohnehin sehr mieterfreundlichen deutschen Mietrecht hat sich der Käufer in einer umfangreichen Sozialcharta weiteren Beschränkungen unterworfen. Ich möchte nur die wichtigsten Punkte anmerken: Verzicht auf Eigenbedarfs- und Verwertungs
kündigungen, Reglementierung von Mieterhöhungen unterhalb der gesetzlichen Möglichkeiten, keine Luxus-
sanierung ohne Einwilligung der Mieter, angemessene Instandhaltungsausgaben. – Das heißt, die Mieter der Woba sind durch die Sozialcharta bestmöglich geschützt. Sie sind besser geschützt als Mieter anderer Wohnungen auf dem privaten Markt.
Aber nicht nur die Mieter sind besser geschützt. Auch die Mitarbeiter der Woba erhalten durch den Käufer mehr Schutz. Sie sind nicht nur drei Jahre unkündbar, sondern die Kündigungsfristen sind für fünf Jahre ausgesetzt. Einzel- und tarifvertragliche Bedingungen werden vom Käufer eingehalten. Dieser verpflichtet sich zusätzlich zum Abschluss von 25 Ausbildungsverträgen pro Jahr ab dem Jahr 2007. Im Moment gibt es in der gesamten Dresdner Woba 25 Ausbildungsverträge. Dies bedeutet eine Verdreifachung der Ausbildungsverträge innerhalb der städtischen Woba und danach der privaten Woba.
Die Woba wird auch nicht zerschlagen. Der Käufer hat sich verpflichtet, mindestens 41 000 Wohnungen im Bestand zu halten und selbst zu verwalten. Die Namen „Woba“ und „Dresden“ werden im Firmennamen erhalten bleiben. Daran können Sie sehen, dass langfristig geplant wird, sich hier zu engagieren.
Die ganzen Aspekte, die ich vorgetragen habe – ich hoffe, in der notwendigen Sachlichkeit –, sind mit erheblichen Vertragsstrafen sanktioniert, denen sich der Käufer ebenfalls unterworfen hat. Sollten sie nicht eingehalten werden, wird es keine langen Prozesse vor Gericht geben, sondern es ist sofortige Vollstreckung möglich.
Die entscheidende Frage der Diskussion in den letzten Wochen war, was für einen Einfluss auf die weitere städtebauliche Entwicklung es geben wird. Stadtentwicklung ist nicht Sache eines Wohnungsunternehmens, sondern Aufgabe der Politik. In Dresden sind hierfür der Stadtrat und die Stadtverwaltung verantwortlich. Entsprechende Satzungen und Pläne werden in diesen Gremien erarbeitet und entsprechend umgesetzt. Ich denke, wir sollten darauf vertrauen, dass dies auch funktioniert.
Der Einfluss der Woba auf die Stadtentwicklung ist relativ gering. Das können Sie auch an dem sehen, was bisher in dieser Stadt passiert ist. Es ist zu wenig Rückbau über die Bühne gegangen, um es einmal so flapsig zu formulieren. Der Käufer hat sich darüber hinaus verpflichtet, alle gesetzlichen und vertraglichen Bindungen im Bereich der städtebaulichen Entwicklung einzuhalten.
Nicht jede Stadt – und damit komme ich zum Fazit – kann sich so glücklich schätzen. Nicht in jeder Stadt ist dieser Weg möglich. Weil nach diesem sensationellen Ergebnis eine bundesdeutsche Debatte entstanden ist, will ich ausdrücklich sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass in Städten wie München oder Frankfurt am Main ein solcher Verkauf städtischen Wohneigentums möglich ist. Dort herrscht Wohnungsmangel. In der Stadt Dresden gibt es 18 % Wohnungsleerstand. Hier ist die Situation also
eine völlig andere. Dies hat, glaube ich, den Stadtrat in der Abwägung letztlich dazu bewogen, diesen Schritt zu gehen.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal auf das eingehen, was mein Kollege Lehmann bereits gesagt hat, aber ich möchte es wiederholen, um es zu verstärken: Die Basis kommunaler Selbstverwaltung ist die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen. Das bedeutet ein grundsätzliches Vertrauen in die Entscheidungskompetenzen der Verantwortlichen in den Gemeinden, Städten und Kreisen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viel haben mir meine Vorredner schon vorweggenommen. Ich darf Sie beruhigen: Ich bin kein Dresdner Stadtrat. Es wird also keine Dresdner Stadtratsrede. Vielleicht ist es deswegen auch ein klein wenig uninteressant. Deshalb versuche ich mich kurz zu halten; denn es gibt nur noch wenig, was Sie vom verdienten Abendbrot trennt. Eines davon bin ich.
Herr Rohwer, wenn Sie sagen, dass eines der wesentlichsten Argumente, für einen solchen Verkauf zu stimmen, gewesen sei, dass sich ein Investor wie Fortress nicht herablässt, aber zumindest für eine Stadt wie Dresden interessiert und hier in einer Größenordnung von 1,7 Milliarden Euro investiert, dann darf ich Ihnen dahin gehend Recht geben, dass das natürlich sehr interessant ist. Aber gerade die Tatsache, dass er das tut, sollte nachdenklich stimmen. Denn mithin sind die Einzigen, die an dieser Privatisierung wirklich verdienen – das soll das letzte Wort zur Woba sein – und die wirklich ein Interesse daran haben, die großen, und zwar die wirklich großen Investoren. Zu ihnen gehört Fortress.
Dieses Filetstück ist schon deswegen interessant, weil sie nur einen Bruchteil der Investitionen selbst tragen. Wissen Sie, wenn Sie als Unternehmen 30 % der Summe, die Sie aufbringen müssen, selbst aufbringen – viel mehr ist das nicht – und den Rest aus Krediten finanzieren, die zurzeit auf dem Geldmarkt sehr preiswert zu haben sind, dann ist das immer ein Gewinn; denn es steht Ihnen ja frei, nach dem Anlagezeitraum entweder Ihren Besitz wieder zu veräußern oder dies vorher zu tun oder mit Ihren kommunalen Besitztümern an die Börse zu gehen. Das hat Fortress auch angekündigt. Das heißt, Ihr Gewinn bleibt immer bei den restlichen 70 % oder wie groß diese Spanne auch sein mag. Sie haben noch nicht einmal Steuern dafür bezahlt, weil Sie von Anfang an in der Kreide stehen. Insofern müsste mich dieses Angebot eher nachdenklich machen als freudig stimmen. Aber das vielleicht nur vorweg.
Ich danke Ihnen, Herr Zastrow, für die eindrucksvolle Darstellung, warum wir uns heute hier im Landtag erneut mit dem Thema Wohnungsbau beschäftigen und warum es eine Debatte zu einem Antrag gibt, den die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht hat und dem wir – das möchte ich vorwegnehmen – zustimmen.
Eigentlich kann ich es kurz machen und Sie auffordern, Ihre Jastimme zu einem Antrag zu geben, der das Thema Privatisierung kommunalen Wohneigentums im Namen trägt. Einige Anmerkungen dazu möchte ich allerdings trotzdem machen.
Das Berichtsersuchen ist auf jeden Fall zu unterstützen. Auf Dresden ist bereits sehr intensiv eingegangen worden. Aber was ist mit den anderen Kommunen? Deswegen freue ich mich einerseits, dass Sie sich wesentliche Punkte auch unserer Argumentation zu Eigen machen; denn wer kommunales Wohnungseigentum veräußert, gibt Gestaltungsspielräume auf und gefährdet aktive Stadtentwicklung. Natürlich ist Stadtentwicklung eine politische Aufgabe, aber sie ist um vieles schwerer, wenn mir das Eigentum an diesen Wohnungen nicht mehr gehört, Herr Rohwer. Das ist auch ein Argument, das gegen prinzipielle Privatisierungen spricht.
Ein Durchgriff auf sozialverträgliche Mieten ist nämlich der Kommune dann nicht mehr möglich, Standards langfristig zu garantieren ebenfalls nicht. Wer kommunales Wohnungseigentum veräußert, verliert durchschnittlich zwischen 4 und 5 % Rendite auf Eigenkapital. Das sollte auch zu denken geben. Die monetären Vorteile sind also nur von kurzzeitiger Dauer.
Dass sich die Haushaltsgrundlagen unserer Kommunen nicht verändern, hat Herr Dr. Gerstenberg schon erwähnt. Das ist auch einer der ausschlaggebenden Gründe, warum einer prinzipiellen Privatisierung eigentlich von vornherein widersprochen werden muss.
Wer kommunales Wohnungseigentum verkauft, vergibt auch Einfluss auf Gewerbemieten und er vergibt Einfluss auf die Gestaltung von kommunalen Wirtschaftskreisläufen. Das sollte Ihnen zu denken geben, denn natürlich sind 1 300 Gewerbeeinheiten immens, auch für eine Stadt wie Dresden. In anderen Städten ist das ähnlich; denn wenn Sie verträgliche Gewerbemieten garantieren wollen, haben Sie nur eine Möglichkeit: Sie besitzen den Wohnraum selbst.
Einnahmen privater und kleingewerblicher Investoren und sächsischer mittelständischer Betriebe und Kleininvestoren werden damit nachhaltig infrage gestellt, denn sie werden dem globalen Mietdruck, den große Unternehmen und Investoren aufbauen können, mit Sicherheit nicht standhalten können.
Die Privatisierung kommunalen Eigentums beginnt mit dem Verkauf eines Bauhofs hier und endet mit dem Krankenhaus oder der Wohnungsgesellschaft dort. Das sollten Sie wissen, Herr Bandmann, und das ist eben kein dummes Gelaber, denn ich könnte genug Beispiele anführen.
(Volker Bandmann, CDU: Wie haben denn im Sozialismus die Städte ausgesehen? Da ist doch alles heruntergekommen!)
Sicherlich hatten Sie auch wesentlich mehr Zeit als ich, den Sozialismus zu gestalten! Aber lassen wir das einmal dahingestellt sein.
Sie produzieren soziale Verwerfungen. Denn was wird denn passieren, wenn sich mehr und mehr sozial Benachteiligte in einzelnen Wohnblocks oder Stadtteilen konzentrieren und eine Stadt nicht mehr steuernd und integrierend eingreifen kann? Das bisher weitgehend ausgewogene Gefüge von öffentlichen und privaten Wohneigentümern geht künftig dadurch verloren. Von den negativen Folgen der Privatisierung sind Unternehmen im Bau- und Baunebengewerbe nicht unerheblich betroffen. Das dürfen Sie bei Ihren Kalkulationen bitte nicht vergessen.
Sie haben von Fortress, Ennington oder Terrafirma, Cerberus & Co. bereits erzählt und lassen sich vielleicht diesen kurzen Einwurf gefallen: Cerberus, der Höllenhund – da sollte sich vielleicht doch die Frage stellen, wessen Kapital oder wessen Hab und Gut er eigentlich bewacht. Ich kann Ihnen garantieren, dass es das des Mieters mit Sicherheit nicht ist. Schon deswegen sollte eine solche Entscheidung immer mit Augenmaß gefällt werden.
Sachsen und die Menschen hier profitieren nicht von den Gewinnen, aber sie tragen die Kosten. Ich habe bereits gesagt, dass wir aus diesen Gründen das Anliegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur unterstützen können.