Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

Sachsen und die Menschen hier profitieren nicht von den Gewinnen, aber sie tragen die Kosten. Ich habe bereits gesagt, dass wir aus diesen Gründen das Anliegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur unterstützen können.

Aber wie Sie bereits von Herrn Zastrow gehört haben, sind die Ursachen für die von Ihnen zu Recht angeprangerten Verkäufe kommunaler Wohnungsunternehmen

eben nicht nur bei den Städten und Gemeinden zu suchen. Vielmehr hat sich deren Finanzausstattung hinsichtlich ihrer gewachsenen Aufgaben drastisch verschlechtert. Immer mehr Pflichtaufgaben, aber auch drastisch steigende Sozialausgaben durch die Hartz-IV-Reform haben die im vergangenen Jahr übrigens erstmals eingetretenen Mehreinnahmen durch Steuern aufgefressen. Die demografische Entwicklung, eine alternde und schrumpfende Gesellschaft und die Anforderungen an die Daseinsvorsorge belasten heute und künftig die kommunalen Haushalte mehr. Kreditverpflichtungen engen Bewegungsspielräume mehr und mehr ein und Sie wissen selbst, dass Investitionen in Kultur, in Sport, in Freizeiteinrichtungen, in Jugend, die so genannten freiwilligen Aufgaben, immer schwieriger werden.

(Zurufe von der CDU)

Wenn wir also über die Verhinderung von Tafelsilberverkäufen debattieren, gehört eine wirkliche Gemeindefinanzreform in jedem Fall mit auf die Tagesordnung.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Und sie muss ein konsequentes Konnexitätsprinzip beinhalten. Sie erfordert auch eine gerechtere Erhebung und nicht die Abschaffung zum Beispiel von Gewerbesteuer und eine gerechtere Gestaltung von Grund- und Einkommensteuer. Nicht zuletzt gehören aber auch die von unserer Fraktion übrigens schon seit längerer Zeit geforderte vereinfachte Förderpolitik und eine Investitionspauschale zu diesem Katalog. Kurz, die lange Zeit vom Bund und in Sachsen versprochene Finanzreform ist längst überfällig.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Nebenbei: Sie, Herr Buttolo, sagten doch, wenn ich es in der Tageszeitung „Die Welt“ richtig nachgelesen habe, dass diese Sanierung – und damit war der Verkauf gemeint – nachhaltig jedenfalls nicht sei. „Denn wenn das Geld ausgegeben ist, das ich eingenommen habe, kommt kein neues dazu.“ So stand es da zu lesen.

Realität ist aber, dass es doch Sachsens Regierungspräsidien sind, die zur Genehmigung städtischer Haushalte den Verkauf von Tafelsilber geradezu empfehlen, wie auch im Fall der Stadt Dresden,

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

wo explizit darauf hingewiesen wurde, dass die Veräußerung der Wohnungsbaugesellschaft eine Möglichkeit zur Sanierung des Haushalts sein kann. Auf das Alu-Besteck in Dresden ist Herr Dr. Gerstenberg schon eingegangen. Dabei sind Sie es doch, Herr Buttolo, der Herr über die Regierungspräsidien ist. Sie hätten also die Macht und die Freiheit, genau solche Empfehlungen zur Haushaltssanierung nicht durchgehen zu lassen.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Das hätten Sie gern, ja?)

Ja, das hätte ich gern. – Herr Lehmann forderte vorhin eine Abkehr vom Zentralismus und sagte, dass man doch damit so schlechte Erfahrungen gemacht habe. Ich darf Ihnen an dieser Stelle wohl bitte die Frage stellen: Was anderes als Zentralismus ist es denn, wenn ein Regierungspräsidium einer Stadt – wir haben vorhin die ganze Zeit über von kommunaler Selbstverwaltung gesprochen – vorschreibt oder nahe legt oder anempfiehlt, sich doch von kommunalem Tafelsilber zu trennen, um den Haushalt genehmigungsfähig zu bekommen? Das ist nichts anderes als Zentralismus.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Herr Fröhlich, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Dann bitte, Herr Rohwer.

Herr Kollege, ich habe Sie also jetzt richtig verstanden, dass Sie möchten, dass die Kommunalaufsicht das Haushaltskonsolidierungsprogramm nicht so konsequent fortführt, wie es im Moment stattfindet?

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS)

Wissen Sie, wenn Sie von einem – wie nannten Sie es? – Haushaltskonsolidierungskonzept sprechen, dann muss man als Kommune auch in der Lage sein, über einen Haushalt selbst zu verfügen, und dazu gehören eine kommunale und eine Finanzreform. Das heißt, dass Sie die Kommunen mit mehr Geld ausrüsten müssen. In dem Moment ist es sicherlich sehr sinnvoll, Empfehlungen auszusprechen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Unruhe bei der CDU)

Übrigens, dass das möglich ist, zeigt ein ganz anderes Beispiel.

(Volker Bandmann, CDU: Nordkorea!)

Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass die Aachener vorhatten, ihre Wohnungsbaugesellschaft zu veräußern, und dass es dort das Regierungspräsidium in Köln gewesen ist, das letzten Endes einem Verkauf nicht zugestimmt hat. Das Argument war, dass dann die Stadt nicht mehr in der Lage sei, ein breites Angebot von bezahlbaren Wohnungen für alle Schichten der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. So stelle ich mir eine Kommunalaufsicht vor.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Dann ist kommunale Selbstverwaltung auch möglich, Herr Rohwer.

Stattdessen regieren und reagieren Sie hier im Land – auch Sie, Herr Dr. Buttolo – ganz anders. Wenn Sie nicht

einschreiten, tragen Sie solche Verkäufe letzten Endes auch mit. Das sollten Sie sich auch zu Herzen nehmen. Das ist für mich doppelzüngig. Das ist, als würden Sie jemanden schubsen und ihm, wenn er fällt, das noch vorwerfen. Das nenne ich doppelzüngig.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Ende kommen

(Beifall bei der CDU, der FDP und der NPD)

und möchte sagen: Danke. Ich nehme das von Ihrer Fraktion als Kompliment. Machen Sie weiter so.

Noch befinden sich erhebliche Teile des Wohnungsbestandes in öffentlicher Hand und das soll auch so bleiben. Lassen Sie uns für dieses Land und diese Kommunen, für seine Bürger dafür sorgen, dass kommunale Entscheidungsspielräume erhalten bleiben.

Der vorliegende Antrag Ihrer Fraktion, Frau Hermenau, ist ein Schritt auf dem richtigen Weg, und ich sehe keinen Grund, ihn nicht mit Ihnen gemeinsam zu gehen, und anempfehle Zustimmung.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Herr Lichdi hatte Redebedarf avisiert. – Das ist erledigt. Ich frage noch einmal das Plenum: Möchte noch ein Abgeordneter sprechen? – Ich frage die Staatsregierung. – Kein Redebedarf. Dann kommen wir zum Schlusswort. Herr Dr. Gerstenberg.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es jetzt kürzer machen, denn Herr Fröhlich hat inhaltlich und rhetorisch eine so gute Rede gehalten, dass sie als Schlusswort stehen bleiben kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken, dass wir am Schluss dieser Debatte wieder bei der Sachlichkeit und auch beim Blick nach vorn angekommen sind. In diesem Antrag, den wir vorgelegt haben, geht es nicht um eine Nachdiskussion des Woba-Verkaufs in Dresden, Herr Stadtrat Zastrow. Diesen Sächsischen Landtag interessiert nicht, wie viel Geld für den Umzug beim Elbhangfest ausgegeben wird und was ansonsten noch an Kleinigkeiten im Stadthaushalt steckt. Uns interessiert aber sehr wohl, wenn Sie die Sozialcharta als FDP so hoch loben. Da sind doch Vorsicht und genaueres Hinschauen angesagt. Ich biete allen an, einmal nachzuschlagen, was der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Herr Franz Georg Rips, dazu geschrieben hat. Dort finden sich aufschlussreiche Analysen.

Aufmerksamkeit ist auch angesagt, wenn dieser Verkauf als Vorbild für andere Städte ausgeschrieben wird. Genau

das sehen wir anders und wir sind damit nicht allein in diesem Landtag, wie ich feststellen durfte.

Ich würde insbesondere aber auch die Stadtentwickler, die Architekten dieses Landes, die in der Stadtverwaltung arbeiten, in Schutz nehmen wollen gegen die Behauptung, dass hier mit kommunalem Eigentum in den letzten 15 Jahren sozusagen Stalinalleen geschlagen wurden. Dass kommunales Eigentum, gerade in der Stadt Dresden, genutzt werden konnte, hat zu Gewerbeansiedlungen im Zentrum geführt, hat dort zu einer Wohnungsentwicklung geführt. Es geht um das Zentrum dieser Stadt und dort ist Hervorragendes geschehen. Ganz Deutschland schaut darauf und dieser Vergleich ist in seiner Hilflosigkeit wirklich nicht mehr zu überbieten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin auch hoch vorsichtig, wenn Herr Lehmann insbesondere darauf verweist: Wir wollen nicht in die kommunale Hoheit eingreifen. – Herr Fröhlich hat ausführlich darüber gesprochen, was es heißt, wenn Regierungspräsidien Eingriffe im Rahmen der Kommunalaufsicht machen, und Görlitz ist ein Beispiel. Der Stadt Görlitz in dieser Bewerbersituation den Ratschlag zu geben, das Theater zu schließen, ist wohl ein Eingriff, den man sich schlimmer nicht vorstellen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN – Volker Bandmann, CDU: Blödsinn, was Sie erzählen!)

Wir haben in diesem Land mit dem Innenministerium auch eine Behörde, die für die kommunale Situation zuständig ist, und andere Landtage in der Bundesrepublik Deutschland diskutieren diese Frage sehr bewusst. Wenn dieser Sächsische Landtag sich verweigern will, dann ist das ein durchsichtiges Argument, um sich der Debatte zu verweigern, und das wäre eine politische Selbstkastration. Wir haben die Verantwortung auch für die Kommunen in Sachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Porsch, bei Ihnen habe ich überlegt, was der Beitrag soll. Sie müssen sehr leiden. Die Glaubwürdigkeit der Linksfraktion.PDS ist aufs Äußerste erschüttert, das weiß jeder in diesem Land.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ihre Scheinheiligkeit ist erschütternd!)

Die Debatten, die in Ihrer Partei toben, sind auch offensichtlich. Sie sollten aber nicht versuchen, über Geist und Text jemanden einen Geist zu unterstellen, der nicht drinsteckt. Ich habe Sie oft als Germanist und als Rhetoriker bewundert. Heute Abend haben Sie rhetorische Salti und Pirouetten geschlagen, die zu einer Verknotung Ihrer Gliedmaßen geführt haben. Es ist eine Bauchlandung herausgekommen.