Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

Die Linke Liste/PDS hat der Verfassung nicht zugestimmt. Es gab ein Mitglied der Fraktion Linke Liste/PDS, das sich der Stimme enthalten hat, aber die Fraktion hat nicht zugestimmt.

(Prof. Dr. Peter Porsch und Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Und Herr Schimpff!)

Wer sich die Unterlagen der Verfassungsdiskussion noch einmal anschaut, den wundert es nicht, dass die Uraltentwürfe, die damals keine Kompromissfähigkeit erreicht haben, jetzt ständig wiederholend vorgetragen werden. Wir haben ja nicht das erste Mal den Versuch einer Verfassungsänderung. Vor der Wahl 2004 gab es einen ähnlich gelagerten Entwurf. Ich glaube nicht, dass es vernünftig ist, wie Sie handeln. Sie polieren alte Hüte der 3. Legislaturperiode neu auf, ohne diese zu neuem Glanz zu bringen. Ihnen hat noch nie gepasst, das kann jeder nachlesen, dass wir die Wahrheit über den erlebten Kommunismus und Sozialismus so klar in der Sächsischen Verfassung formuliert haben.

(Dr. Volker Külow, Linksfraktion.PDS: Kommen Sie doch einmal aus dem Schützengraben heraus!)

Durch das Brüllen wird es nicht wahrer, was Sie sagen. Sie können lauter brüllen, Sie haben früher gebrüllt. Das sollten Sie in diesem Hohen Haus nicht tun.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zum Ursprung zurück. Es bestand der Auftrag, die Ziele der friedlichen Revolution des Jahres 1989 umzusetzen, an der sich natürlich viele Parteien beteiligt haben, denn die Menschen hatten den Kommunismus schlichtweg satt. Sie hatten die allmächtige allein bestimmende SED satt.

Sie versuchen ständig – jetzt komme ich zu Ihnen –, diese Zeit schönzureden. Sie wollen die Geschichtsschreibung ändern. Sie wollen sie so darstellen, wie sie es für ihre Partei für notwendig halten. Dafür werden sie aber hier in diesem verfassungsgebenden Haus keine verfassungsändernde Mehrheit erreichen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Wir haben kein Recht, das Leiden der Opfer preiszugeben. Wir haben nicht das Recht. Die SED hat unzählige Menschen gedemütigt, an einer fairen beruflichen Entwicklung gehindert.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Es wurde vielen Menschen ihr Leben gestohlen.

Die Vorschriften, die hier von der Linksfraktion.PDS angetastet werden sollen – –

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Wissen Sie was, Herr Bartl, eines sollten Sie nicht machen: Wenn Sie auf das Niveau zurückkommen, woher Sie kommen, dass Sie immer drohen, dann kann ich Ihnen nur eines sagen: Ich bin sehr dankbar, dass die Menschen 1989 uns die Chance gegeben haben, dass die Leute, die immer politisch gedroht haben, jetzt keine Chance mehr haben, uns Angst einzuflößen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen an der Seite der Opfer. Die Opfer des SED-Staates erwarten von uns, mit der Aufarbeitung der Vergangenheit nicht nachzulassen. Gerade deshalb werden wir dem Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS nicht zustimmen. Dies erwarten die Opfer des SED-Unrechtsregimes von uns.

Der Gesetzentwurf macht deshalb den Eindruck, die Überprüfung von Einzelfällen, auch unter PDSAbgeordneten verhindern zu wollen.

Herr Schiemann, wollen Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Es ist ja mein Recht, ob ich es zulasse oder nicht; Sie können es kommentieren.

Die Absicht, die die Linksfraktion.PDS hier verfolgt, wird insbesondere daran deutlich, dass sie ursprünglich in

Artikel 116 den Bezug auf die nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft streichen wollte. Das kann man auch im Protokoll der Verfassungsdiskussion lesen. Das war ursprünglich schon immer der Ansatz. Nur ich glaube nicht, dass wir einer Streichung im Artikel 116 folgen können. Wir haben das im Ausschuss klargestellt. Sie haben das geändert und sind jetzt mit einem Änderungsantrag wiederum in Diskussion. Der PDS hat es nie gepasst, dass wir die entschiedene Ablehnung des Nationalsozialismus und bzw. den Kommunismus in die Verfassung aufgenommen haben. Anfangs wurden wir dabei oft diskreditiert mit der Meinung, wir würden Nationalsozialismus und Kommunismus gleichsetzen. Ich betone auch heute noch einmal deutlich,

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

wir haben Nationalsozialismus und Kommunismus als Gewaltherrschaft immer abgelehnt. Wir haben das immer strikt abgelehnt. Das wird auch weiterhin so bleiben.

Mit dem Verfassungskonsens haben wir die Verbrechen des Nationalsozialismus, aber auch die Verbrechen der Gewaltherrschaft des Kommunismus klar abgelehnt, ohne dass diese Verbrechen gleichgesetzt wurden. Die verfassungsgebende Versammlung hat dies klar beschrieben.

Im Duktus der Sächsischen Verfassung kann man zunächst in der Präambel lesen: das Bekenntnis zur eigenen Schuld. Alle Vertreter der Fraktionen haben in der Diskussion dieses Bekenntnis zur eigenen Schuld respektiert.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Das bleibt auch drin!)

Was die individuelle Schuld des Einzelnen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das wollen Sie bestimmen!)

Herr Prof. Porsch, gerade das ist nicht der Fall. Ich werde mich weder über Ihr Leben erheben noch über das Leben eines Mitgliedes Ihrer Fraktion. Ich werde aber eines tun: zu dieser Verfassung stehen, die im Kompromiss entstanden ist, und nicht zulassen, dass eine Partei, der es immer ein Dorn im Auge war, dass wir zu einem Kompromiss gekommen sind, jetzt versucht, diesen wieder zu verändern.

(Beifall bei der CDU)

Bekenntnis der eigenen Schuld und Wiedergutmachung – das ist der Teil, der auch in den Übergangsbestimmungen enthalten ist. Deshalb müssen wir die Wiedergutmachungen in den Übergangsbestimmungen behalten,

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Warum ein Übergang?)

als Erinnerung, dass sich diese Diktaturen und Gewaltherrschaften niemals wiederholen.

Die Sächsische Verfassung ist mehr als nur das Gesetz der Gesetze des Freistaates Sachsen. Die Sächsische Verfassung war und ist bemüht, die erlebte Geschichte mitzu

nehmen, Wunden zu heilen, ohne die Wunden der Menschen, die gelitten haben, zu vergessen. Wir haben kein Recht, die Erinnerung an viele menschliche Schicksale aus der Verfassung zu streichen.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich Sie, den Verfassungsänderungsvorschlägen der Linksfraktion.PDS nicht ihre Zustimmung zu geben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die SPDFraktion, bitte, Herr Bräunig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mein sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS wirft zum wiederholten Male in dieser Legislaturperiode die Frage auf, wann und aus welchen Gründen die Sächsische Verfassung zu ändern ist.

Meine Fraktion hat immer klargestellt – zuletzt haben wir das in der Debatte um die Einfügung einer antifaschistischen Klausel getan –, dass wir unsere Verfassung nicht nach Belieben zu verändern gedenken, sondern wenn wir Verfassungsänderungen durchführen, dann nur, wenn wichtige Gründe vorliegen und frei von jeder Ideologie.

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Genau diesen beiden Anforderungen wird Ihr Gesetzentwurf nicht gerecht, auch wenn Sie von der ursprünglich geplanten Änderung des Artikels 116 Abstand genommen haben.

(Beifall bei der SPD)

Es sei daran erinnert, Sie haben sich dort an der Formulierung „kommunistischer Gewaltherrschaft“ gestört.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Nationalsozialistische und kommunistische Gewaltherrschaft!)

Unabhängig davon, wir begrüßen es, dass Sie von diesem ursprünglichen Vorhaben, den Artikel 116 zu ändern, Abstand genommen haben. Aber der Gesamtkontext lässt sehr stark vermuten – Herr Schiemann hat das auch schon vermutet –, dass es Ihnen darum geht, den bisherigen Impetus der Verfassung zu verlassen. Dieser enthält nämlich neben einer deutlichen Abkehr vom Nationalsozialismus auch deutliche inhaltliche Bezüge zur kommunistischen Gewaltherrschaft in der DDR.

Wir werden gleichwohl auch die übrigen Änderungsvorschläge, die sie hier vorgebracht haben, nicht mittragen. Nur weil systematisch einzelne Vorschriften unter der Überschrift „Übergangs- und Schlussbestimmungen“ stehen, heißt das nicht, dass sie zwangsläufig aufgehoben werden müssen, wenn sie sachlich keinen Anwendungsbereich mehr finden. Überlegen wir uns: Wenn wir solche Vorschriften einfach beseitigen, dann änderte man damit auch die Historie der Verfassung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Was?)

Gerade die hier in Rede stehenden Artikel drücken die ursprüngliche Geisteshaltung des Verfassungsgebers aus.