Ich erinnere nur an die Problematik Ingo Steuer. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass sich inzwischen Gauweiler und andere Leute melden und sagen: Also, Herrschaften, ihr müsst doch irgendwann einmal bereit sein, anzufangen über Verhältnismäßigkeit nachzudenken!
Sie abstrahieren völlig von einer Tatsache. Ich halte es für niederträchtig, sich hier hinzustellen und so zu tun, als ob nicht am 29. Dezember dieses Jahres die Frage stünde, wie mit den Artikeln 118 und 119 weiter umgegangen werden soll.
Nach allem, was ich weiß, hat der Bundesgesetzgeber im Dezember 1991 mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der GRÜNEN dem Stasi- Unterlagen-Gesetz zugestimmt. Sie haben in das Gesetz geschrieben, dass 15 Jahre nach Veröffentlichung dieses Gesetzes eine Tätigkeit für das MfS nicht mehr vorgehalten werden darf. Und dann stellen Sie sich im April des Jahres, in dem dieses Gesetz ausläuft, hier hin und greifen uns an, weil wir die Stirn haben zu fragen, was Sie nach dem 1. Januar 2007 tun wollen.
„Nicht mehr vorgehalten werden“ heißt im Klartext doch ganz eindeutig, wie im Strafrechtsbereich auch, dass die bisher hier übliche Norm nicht mehr angewendet werden kann und dann letztlich verfassungswidrig ist. Sie müssen doch dann das Abgeordnetengesetz ändern. Sie dürfen eine solche Auskunft nach § 1 Abs. 1 gar nicht mehr verlangen. Das ist doch dann untersagt und Sie greifen dann permanent in das freie Mandat ein. Es ist doch Ignoranz, sich aus ideologischen Gründen nicht auf die
Debatte einzulassen, wie der Landtag mit seiner Verfassung und mit der einfachen Gesetzgebung umgeht, wenn der 29. Dezember 2006 herankommt.
Sie wissen, Herr Schiemann, dass wir das Gesetz am 21. Oktober 2004 eingebracht haben. Es ist im Übrigen wieder eine Desavouierung, wenn Sie sagen, wir müssten uns selbst in dieser Sache nicht einig sein, weil wir so viele Änderungen vorgenommen haben. Die Änderungen beruhen ausschließlich darauf, dass es inzwischen in den Gesetzen, auf die wir uns beziehen, seit dem 21. Oktober 2004 eine ganze Reihe von Korrekturen gibt, die durch andere Rechtsvorschriften eingetreten sind. Diesen Änderungen müssen wir den Gesetzentwurf anpassen. Das ist eine handwerkliche Frage und das ist korrekt.
Was die Problematik der Wiedergutmachung angeht – das sage ich an dieser Stelle auch noch einmal –, haben wir uns aufgrund der Debatte im Verfassungs- und Rechtsausschuss eines Besseren belehren lassen. Hier hätte der Eindruck entstehen können, wir wollten über diesen Weg wieder die Problematik wegbekommen, dass man die Zeit der DDR exakt auch sehen muss. Erstens verschweigen Sie, dass wir uns auf die Präambel beziehen, in der dieselbe Formulierung enthalten ist: „ausgehend von den leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommunistischer Gewaltherrschaft“, und zweitens, Kollege Schiemann, gehen Sie mit keinem Wort darauf ein, dass wir seit zwei Jahren mit der Tatsache leben, dass unter dem Vorwurf, dass exakt dieses Konstrukt aus der Präambel auch das Gedächtnisstättengesetz beherrscht, die Jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in Sachsen und die NS-Opferverbände nicht bereit sind, unter diesem Gedenkstättengesetz mitzuarbeiten. Sie sind nämlich sehr wohl der Auffassung, dass hier eine Gleichsetzung erfolgt und dass sogar mehr Mittel in die MfS-Aufarbeitung gesteckt werden als in die Aufarbeitung des Nazismus. So lautet doch der Vorwurf der Opferverbände.
Erst Ende Februar haben sich die Opferverbände in Leipzig darauf geeinigt – das wurde in den entsprechenden Zeitschriften veröffentlicht –, dass sie nicht wieder unter dieses Gesetz gehen, solange es nicht geändert ist. Das ist so, weil alle, die unter dem Nazismus gelitten haben, und alle, die in der DDR gelitten haben, schon eine solche Gleichsetzung empfinden.
Dabei kommt es nicht auf den Blickwinkel von 124 Abgeordneten an, sondern darauf, dass die Betroffenen das so empfinden, und zwar die praktische Handhabung, ausgehend von der Präambel. Wir haben dennoch darauf verzichtet, die Änderung des Artikels 116 zu beantragen, um nicht in den falschen Verdacht zu kommen, wir wollten den Kollegen hier ganz rechts Luft verschaffen.
Aber was ist passiert? Alle drei, die hier gesprochen haben, sind exakt über dieses Thema hergezogen. Ich vermisse dabei eine halbwegs vernünftige Kollegialität unter dem Aspekt, dass wir im Ausschuss eine sachliche Debatte geführt haben.
Die nächste Denunzierung ist die Behauptung, das Gesetz sei eine „Lex Porsch“. Jeder kann hier lesen – die Öffentlichkeit hört das aber nicht –, dass dieser Gesetzentwurf vom 21. Oktober 2004 ist. Jeder weiß auch, dass der Gesetzentwurf in der 3. Wahlperiode einen Vorgänger hatte. Damals war an ein Problem Porsch überhaupt noch nicht zu denken.
Im vergangenen Jahr haben wir eine Expertenanhörung gehabt. Daraufhin haben wir den Gesetzentwurf nicht zur 2. und 3. Lesung eingebracht, sondern wir haben ihn liegen lassen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Mehrere Experten haben uns nämlich gesagt, wir sollten überlegen, ob es wirklich zweckmäßig ist, jetzt die Sächsische Verfassung und die einfachen Gesetze zu ändern, wenn der Regelungsgehalt der Bestimmungen, die Ihnen besonders am Herzen liegen, also die Artikel 118 und 119, erst im Zusammenhang mit dem Auslaufen des Stasi-Unterlagen-Gesetzes im Dezember 2006 eintritt.
Daraufhin haben wir uns entschlossen, das Gesetz bis zum Ende des I. Quartals 2006 bzw. bis zum Beginn des II. Quartals 2006 liegen zu lassen und dann die entsprechenden Rechtsvorschriften zu erarbeiten, um sie am 1. Januar 2007 in Kraft zu setzen. Das ist eine völlig korrekte Verhaltensweise und hat nichts mit „Lex Porsch“ zu tun. Das kann man alles nachlesen.
Dass wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht unter einen Hut kommen, ist in der Demokratie doch wohl normal. Ich bin auch froh, dass ich in der Opposition die Chance habe, das mitgestalten zu dürfen. Das ist doch das Normalste auf der Welt. Sie aber tun nichts anderes, als sich immer nur die ideologischen Schmäckerchen herauszupicken. Das ist doch nicht schick.
Wenn ich es einer Fraktion in diesem Hause gestatte, auf den Mann zu gehen, dann sind es die GRÜNEN. Ich will noch einmal mit Nachdruck sagen: Jeder kann und soll mit seinem Leben umgehen, wie er denkt. Das gehört auch zu seinen Persönlichkeitsrechten. Aber es gibt viele auf der rechten Seite dieses Hauses – ich meine nicht die ganz Rechten –, von denen ich mir die DDR nicht erklären lasse. Ich nicht! Denen habe ich nämlich im Oktober 1989 als Mitarbeiter bei irgendwelchen Empfängen der Nationalen Front noch Sekt einschenken müssen.
„Einschenken müssen!“ habe ich gesagt. Derjenige, dem ich zuletzt eingeschenkt habe, saß mir später in der Volkskammer als Kanzleramtsminister gegenüber. Der seinerzeitige CDU-Bezirksvorsitzende hat am 7. Oktober von mir noch Sekt eingeschenkt bekommen. Wenn Sie mit Ihrem Rückgrat keine Probleme haben, ist mir das wurst, aber ich lasse mich nicht von Ihnen permanent für
Kollege Lichdi ist momentan nicht anwesend. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Nach allem, was ich kenne, sitzt Hamburg mit entsprechenden Vertretern im Bundesrat und hat das gleiche Stimmrecht wie die anderen Länder auch.
Nach allem, was ich kenne, gehört Hamburg zu den 16 Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland. Nach allem, was ich kenne, haben sie keine verkürzten verfassungsrechtlichen Mandate der Stadtstaaten, sie kommen beim Länderfinanzausgleich bei dem, was sie bekommen, mit allem Drum und Dran vielleicht sogar ein bisschen besser weg. Jetzt zu sagen: „Auch wenn es Hamburg hat, ist es dennoch, wenn Sachsen es anwendet, verfassungswidrig“,
das ist mir einfach für den Ansatz – – Gut, ich kann auf dieser Ebene nicht argumentieren. Ich muss wissen, was gemeint ist. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass wir bei der Frage der Unvereinbarkeit des Mandats Schnittmengen haben müssten. Das ist meiner Ansicht nach logisch. Dass sich niemand von der CDU-Fraktion oder der SPD-Fraktion an der Problematik „Unvereinbarkeit des Mandats“ versucht hat, dass niemand versucht hat, etwas dazu zu sagen, ist auch bezeichnend. Wir sind letzten Endes bei den ideologischen Feldern hängen geblieben.
Das bestreite ich nicht. – Ein letztes Wort noch, weil es nicht einmal abwegig ist zu sagen, dass eine Verfassung meinethalben auch immer in der wesentlichen Kernfassung bleiben sollte und Pipapo, damit sie die Historie beleuchtet – und das aus Respekt vor den Verfassungsgebern. Wie es Kollege Martens sagte: Die Verfassungsgeber, die die friedliche Revolution gemacht haben, wie Herr Petzold usw., die haben es gewollt.
Was haben Sie denn mit dem Artikel 16a – Asylrecht – des Grundgesetzes gemacht? Was wollten denn die Verfassungsgeber im Schloss Herrenchiemsee? Was wollten sie denn mit dem Recht auf politisches Asyl nach dem Erlebnis des Weltkrieges, des Dritten Reichs?
Was wollten denn die Herren? – Sie wollten, dass es nie wieder passiert, dass Menschen zu Millionen oder zu Hunderttausenden umkommen, weil ihnen kein Asyl gewährt wird. Was haben Sie gemacht, was haben Sie in Artikel 16a hineingebastelt? – Das liegt nun wirklich 120, 130 Grad jenseits von dem, was die Verfassungsgeber mit dem Asylrecht wollten.
Was haben Sie hineingebastelt in den Artikel 13 – das, was wir vorhin behandelt haben – mit dem großen Lauschangriff auf die Wohnung – akustisch usw.? – Das liegt um Längen unter und neben dem, was die Verfassungsgeber wollten.
Mein Himmel, das ist alles Politik und in diesem Haus wird Politik gemacht. Sie können Ihre Politik gern verfolgen, aber glauben Sie uns einfach mal: Die Zeit, in der Sie die alleinige Deutungshoheit in der Bevölkerung draußen hatten, die ist zum Glück vorbei.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte nicht gedacht, dass diese Diskussion eine solche Gegendiskussion provozieren würde.
Ich würde uns allen, die wir es noch nicht getan haben, empfehlen – ich habe es mir auch nur von einer Kollegin meiner Fraktion erläutern lassen, die sehr betroffen war –: Schauen wir uns doch mal den Film „Das Leben der anderen“ an! Vielleicht erinnern wir uns dann auch an das, was mal DDR gewesen ist. Vielleicht ist das anständig.
Mein Vorredner hat jetzt vieles dargelegt, was zur rechtspolitischen Bewertung der Sächsischen Verfassung herangezogen werden kann. Es ist so, dass man unterschiedliche Auffassungen haben kann. Die Linksfraktion.PDS hat mit ihrem Gesetzentwurf ihre Auffassung in dieses Hohe Haus eingebracht. Wir haben eine umfangreiche Anhörung gehabt und in dieser Anhörung haben wir festgestellt, dass die große Zahl der Experten uns davor gewarnt hat, diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung zu geben. Die Experten haben das auch entsprechend begründet und wir als Koalitionsfraktionen haben es uns nicht einfach gemacht, das entsprechend in unsere Entscheidung einzubeziehen. – Erster Punkt.
Der zweite Punkt: Es ist unsere rechtspolitische Auffassung, dass wir an dem Verfassungskompromiss festhalten. Das ist der Auftrag, der uns 1991/1992 mit in die Beratungen zur Verfassungsgebung gegeben worden ist. Jetzt
komme ich zum Protokoll, das öffentlich ist. Ich glaube, das Protokoll sagt nicht alles aus. Aber zu meinem Vorredner kann ich sagen: In der 8. Klausurtagung haben wir gerade auch über die Fragen der Übergangsbestimmungen gerungen und wir haben uns bis auf die Linke Liste. PDS und bis auf einige Probleme, die Kollege Donner vorgetragen hat, auf ein Verfahren zu den entsprechenden Übergangsbestimmungen verständigt.
Sie haben Ihre abweichende Meinung vorgetragen, die in das Protokoll aufgenommen worden ist, und wir haben uns rechtspolitisch mit der Unterstützung der anderen Fraktionen, der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP-Fraktion, letztendlich mit mehr als einer Zweidrittelmehrheit verständigt.
Aber eines werden Sie nicht in Abrede stellen können: dass auch Sie als PDS die Gelegenheit hatten, dem Tisch demokratisch Ihre Position vorzutragen. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel: Drei Jahre vorher, im Jahr 1988, wäre das vom Alleinherrschaftsanspruch der SED her niemals möglich gewesen.