Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

(Uwe Leichsenring, NPD: Sie haben mich noch nicht zu Ende gehört!)

Woher kommt das geänderte Engagement? Interessiert hat mich an Ihrem Antrag vor allem die Quelle, von der Sie abgeschrieben haben. Meine Damen und Herren! Ich habe sie gefunden. Es ist die Drucksache des Deutschen Bundestages Nr. 16/704 vom 15. Februar 2006. Sie haben sich aus einer Kleinen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion bedient, die genau die Probleme anspricht, die Sie hier zum Gegenstand Ihres Antrages gemacht haben. Es ist die Frage 14 dieser Anfrage. Es geht dabei um die schon erläuterten IFRS, die, wie wir wissen, eine internationale Norm der Rechnungslegung von Unternehmen sind, die durch Aufdeckung der stillen Reserven die Transparenz erhöht, damit das Eigenkapital stärkt, die Interessen der Eigentümer bzw. Anteilseigner schützt und deshalb besonders für die exportorientierte deutsche Wirtschaft in der Regel große Vorteile gegenüber der bisherigen im Handelsgesetzbuch geregelten Rechnungslegung hat. Herr Pecher hat sehr richtig gesagt, dass das freiwillig ist und wer das nicht braucht, nicht nutzen muss.

Ich zitiere die Frage: „Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die IFRS mittelstandsorientiert ausgestaltet werden müssen bzw. eigenständige IFRS für mittelständische Unternehmen erarbeitet werden sollten?“

Die Bundesregierung hat mit Drucksache 16/793 vom 2. März 2006, also vor viereinhalb Wochen, darauf geantwortet, dass sie diese Einschätzung teilt, entsprechende Erleichterungen und Vereinfachungen für erforderlich hält und geeignete Maßnahmen zur Lösung des Problems eingeleitet hat und bearbeitet. Nach Lektüre der gesamten Drucksache, die ich besonders Ihnen empfehle, kann ich mitteilen, dass der deutsche Mittelstand und das deutsche Genossenschaftswesen auch weiterhin auf Unterstützung durch die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag sehr gut verzichten können.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und der FDP)

Danke schön. – Weiterer allgemeiner Aussprachebedarf seitens der Fraktionen? – Herr Leichsenring, NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Antrag am 16. Februar eingereicht wurde und dann am 2. März die Antwort der Bundesregierung kam, müssen Sie mir noch den Sachzusammenhang erklären. Was Herr Pecher uns sagen wollte, ist, dass Boehringer, Lidl, Merck keine Ahnung haben. Er hat die

Ahnung, nicht die großen Konzerne, sondern er hat die Ahnung.

Nein, meine Damen und Herren, wenn eine Untersuchung zu den IFRS, die die FH Münster im Dezember 2003 gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG durchführte, zu dem Ergebnis kommt, dass die befragten Unternehmen als negative Auswirkung der Umstellung die Abkehr von der Einheitsbilanz, die hohe Komplexität des Standards, die unverhältnismäßig hohen Umstellungskosten, die hohen Folgekosten sowie den Mangel an Personalkapazitäten und technischen Voraussetzungen befürchten, wenn nur 14 % der Unternehmen den Nutzen dieser IFRS-Umstellung höher als die entstehenden Kosten einschätzen – nur 14 %; 86 % der Unternehmen sind der Meinung, dass es schädlich ist –, dann wundert es mich schon, wie Sie zu den hier dargelegten Meinungen kommen.

Aus Zeitgründen kann ich nicht auf alles eingehen, was Sie gesagt haben. Richtig ist, was Herr Weichert sagte. Bei der Genossenschaftsbank ist in der Tat die Kuh vom Eis. Das liegt an der Einführung der europäischen Genossenschaft. Ansonsten hätten nämlich, wenn derselbe Standard hier gelten würde, die Genossenschaftsanteile genauso nicht als Eigenkapital gezählt. Das wäre wirklich eine verrückte Sache.

Wie gesagt, was dieser Antrag mit unserer politischen Einstellung zur EU zu tun haben soll, das kann ich nicht nachvollziehen. Uns geht es darum, für den deutschen Mittelstand erst einmal zu thematisieren, dass hier durchaus Gefahr für einige Unternehmen im deutschen Mittelstand besteht. Ich hatte vorhin die Zahl von 130 000 genannt. Das ist keine kleine Zahl. Man kann das jetzt ins Lächerliche ziehen oder nicht. Wir wollen das hier schon thematisiert haben. Wir brauchen dazu auch nicht das, was Sie im Parlamentsspiegel nachschlagen. Das ist sehr einfach, das machen wir auch ab und zu. Aber wir brauchen dort nicht abzuschreiben, weil wir auch andere Quellen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Danke schön. – Eine allgemeine Aussprache? – Die Staatsregierung? –

(Staatsminister Thomas Jurk: Die Abg. Pecher und Weichert haben das ausführlich beschrieben!)

Danke schön. Die Staatsregierung beruft sich auf Abgeordnete. Gut. Das kann dem Haus nur nutzen.

Ich bitte um das Schlusswort. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass sich der Wirtschaftsminister nicht äußert, ist mir klar. Die schwammigen Antworten, die er auf meine Kleinen Anfragen gegeben hat, geben nicht sehr viel Substanz her. Bevor er sich hier blamiert, wird er

sich gesagt haben, bleibt er lieber auf seinem Hosenboden sitzen. Ich halte das auch für richtig.

Man kann es drehen und wenden, wie man will, meine Damen und Herren: Der Mittelstand braucht einfachere und praktikablere Regelungen. Alle Experten sind sich einig – vom Bundesverband der deutschen Industrie über die großen Wirtschaftsprüfer bis hin zu den größten Mittelständlern Deutschlands, außer den Sprechern hier, die wir vorhin im Parlament gehört haben, die natürlich widersprechen –, „dass die Regelungen für kapitalmarktorientierte Unternehmen für den Mittelstand viel zu komplex und damit nicht geeignet sind.“ Wenn Wirtschaftsminister Jurk in der Antwort auf eine meiner Kleinen Anfragen darauf abstellt, dass die IFRS in ihrer Tendenz eher zu einem höheren Eigenkapitalausweis der Unternehmen führen, dann muss ich ihm antworten, dass diese grobe Tendenz durch zahlreiche andere IFRStandards völlig konterkariert wird, die schlicht und einfach in ihrer Wirkung für die in Rede stehenden mittelständischen Unternehmen nicht nur Unfug, sondern hochgefährlich sind.

Ich nenne nur mal ein paar, zum Beispiel den Standard IFRS 3, bei dem es um erleichterte Aktivierungsvoraussetzungen geht, oder den IFRS 38, der ein Problem für die Mittelständler darstellt. Wir haben mit einigen dieser Unternehmen, die ich bereits aufgezählt habe, gesprochen, die uns weitere Probleme genau benannt haben, den IFRS 27, die jährliche Neuverpflichtung, der Restwert nach IFRS 28. Wir haben uns das alles beim Besuch in einem dieser Unternehmen anhand der speziellen Probleme in diesem Unternehmen darlegen lassen, sodass wir fest davon überzeugt sind, dass man das Problem nicht mit einem lapidaren Handstreich abwinken kann, sondern es ist virulent und wir sollten es zur Kenntnis nehmen.

Die Unternehmen brauchen dringend eine Atempause und sie brauchen eine Rechnungslegung, die in ihrer Größe und dem Leserkreis ihrer Abschlüsse besser angemessen ist.

In unserem Antrag fordern wir die Staatsregierung dazu auf, sich genau dafür einzusetzen – nicht mehr und nicht weniger.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Wir kommen somit zur Abstimmung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir stimmen über den Antrag der NPD-Fraktion in der Drucksache 4/4364 ab. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe! – Die Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen, einigen Pro-Stimmen mit übergroßer Mehrheit abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 8

20 Jahre nach Tschernobyl

Drucksache 4/4766, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die einreichende Fraktion hat das Wort, danach geht es in der gewohnten Reihenfolge weiter, und Herr Schmidt von den Fraktionslosen spricht auch noch. – Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich mit dem zweiten Punkt unseres Antrages beginnen: Wir möchten anlässlich des 20. Jahrestages des Reaktorunglücks von Tschernobyl nicht versäumen, den vielen Initiativen in Sachsen zu danken, die auch im 20. Jahr nach dem Unglück aktiv sind und Solidarität üben. Wer dieser Tage durch das Netz surft, wird feststellen, dass das Engagement der Sachsen für die Opfer des Reaktorunglücks ungebrochen ist. Noch immer werden Pakete und Hilfssendungen verschickt, noch immer sind Kinder aus der Region um Tschernobyl zu Gast in Sachsen, noch immer wird ärztliche Hilfe organisiert und finanziert. Im April 2006 – 20 Jahre nach dem Unglück – sollten wir hier im Landtag allen Initiativen, Vereinen und Einzelpersonen unseren Respekt und unseren Dank bekunden. Da wurde und wird von den sächsischen Bürgerinnen und Bürgern Großartiges geleistet.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und ganz vereinzelt bei der CDU sowie Beifall bei der Staatsregierung)

Anstatt noch einmal darzustellen, was vielen in diesem Saal sicher nur zu gut bekannt ist, was tatsächlich vor 20 Jahren in Tschernobyl passiert ist, möchte ich doch nur auf das Heft „Aus Politik und Zeitgeschichte“ vom 27. März verweisen, das immer am Ausgang ausliegt. Das vorletzte Heft als Beilage zur „Das Parlament“ ist Tschernobyl gewidmet. Ich möchte nur schlaglichtartig eine Zahl sagen: Dort ist davon die Rede, dass im Jahre 2005 allein in der Ukraine, die bekanntermaßen nicht hauptsächlich betroffen war, 17 500 Menschen als Opfer der Reaktorkatastrophe anerkannt worden sind.

20 Jahre nach Tschernobyl – das ist auch ein Anlass, die richtigen Konsequenzen für die künftige Energiepolitik hier in Sachsen zu ziehen. Wir haben nicht nur auf Bundesebene einen heftigen Streit um die Nutzung der Atomkraft – gerade am vergangenen Montag –, sondern auch im sächsischen Energieprogramm, das derzeit überarbeitet wird, ist die Nutzungsoption der Atomkraft programmatischer Bestandteil sächsischer Energiepolitik. Wann immer der Herr Ministerpräsident über Energiepolitik spricht, ist die Atomkraft Bestandteil seiner Vorstellungen vom Energiemix. Herr Lehmann wurde zu unser aller Erstaunen hier im Hause im letzten Jahr sehr konkret, als er den Bau eines Atomkraftwerkes an der Neiße forderte.

(Zurufe – Leichte Unruhe)

Wie ich hörte, Herr Lehmann, wird Ihre damit unter Beweis gestellte energiepolitische Kompetenz nun von

Ihrer Fraktion durch die Ernennung zum Energiepolitischen Sprecher gewürdigt. Wir gratulieren sehr herzlich!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf ihrer Klausurtagung in der vorletzten Woche hat die CDU-Fraktion unter anderem beschlossen, den Beschluss des Ausstiegs aus der Kernkraft noch einmal kritisch zu überprüfen. „Die CDU will“ – ich zitiere – „eine langfristige, sichere, kostengünstige und umweltverträgliche Energieversorgung.“

Meine Damen und Herren von der CDU! Die Atomkraft erfüllt nicht eine der von Ihnen genannten Bedingungen. Atomkraft ist weder sicher noch kostengünstig und schon gar nicht umweltverträglich!

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Lassen Sie uns die angebliche Wirtschaftlichkeit der Atomkraft in den Blick nehmen. Atomstrom ist billig, heißt es. Richtig ist das Gegenteil. Auf einem liberalisierten Strommarkt hat die Atomkraft keinerlei Chance, sich im Wettbewerb durchzusetzen. Sie konnte überhaupt nur deshalb auf den Markt gebracht werden, weil der Staat in Vorleistung gegangen ist – bei der Forschung, bei der Förderung und durch die Schaffung einer Sondergesetzgebung, die die Atomkraft im Wettbewerb bevorteilt. Nehmen Sie § 34 des Atomgesetzes.

(Zuruf von der CDU)

Bitte, wollen Sie eine Zwischenfrage stellen? – Nein, okay.

Beachten Sie § 34 des Atomgesetzes, die so genannte Freistellungsverpflichtung. Danach sind Betreiber von Atomkraftwerken von Schadenersatzverpflichtungen, die über einen Höchstbetrag von 2,5 Milliarden Euro hinausgehen, freigestellt. AKWs haben keine ordentliche Haftpflichtversicherung. Nach einem leider bisher unveröffentlichten Gutachten des renommierten Baseler PrognosInstitutes lägen die Kosten des Atomstromes bei korrekter Haftpflichtversicherung bei etwa zwei Euro je Kilowattstunde und damit weit über dem Preis von Strom aus Fotovoltaik, der derzeit noch bei 50 Cent pro Kilowattstunde liegt.

Selbst diese Sondergesetze reichen jedoch nicht aus, die Atomkraft wettbewerbsfähig zu machen. Nirgends sind die politischen Rahmenbedingungen für die Atomkraft günstiger als in den USA. Eine der Technik gegenüber aufgeschlossene Regierung, fehlende Kraftwerkskapazitäten und die Diskussion um den Treibhauseffekt heizen in den USA auch die Debatte um den Neubau atomarer Kraftwerke an. Bis heute aber gibt es nicht eine konkrete Planung für den Neubau.

Die Gründe sind ausschließlich finanzieller Natur. Den exorbitant hohen Kapitalkosten stehen zahlreiche Unwägbarkeiten gegenüber: die lange Bau- und Planungsphase, die zum Teil langen Zeiten des Stillstandes, die nicht einzuschätzende Preisentwicklung bei Uran.

Deshalb verlangen die Kraftwerksbauer – man höre, die Herren Marktwirtschaftler der CDU und der FDP – auch in den USA nicht nur Subventionen in Milliardenhöhe, sondern auch staatliche Garantien über den Strombezug, den Strompreis und selbstverständlich eine Freistellung im Schadensfall.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie allen Ernstes: Hat das irgendetwas mit Marktwirtschaft zu tun?

(Dr. Martin Gillo, CDU: Richtig!)