Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

Die Filterkapazität wurde erweitert, es wurde in die Verbesserung der Staubabscheidung investiert,

Herr Mannsfeld, gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage?

die Quenche wurde eingesetzt und ein Primärabsaugsystem im Lichtbogenofen optimiert. – Hatten Sie mich noch mal gefragt?

Ja.

Ja, bitte.

Bitte, Herr Lichdi.

Vielen Dank, Herr Prof. Mannsfeld. – Stimmen Sie mir zu, dass es trotz dieser vielen Maßnahmen, die ich im Einzelnen auch zu skizzieren versucht habe und die ich durchaus auch anerkenne, nicht gelungen ist, den seit 1993 angeordneten Grenzwert einzuhalten, und stimmen Sie mir – zweitens – auch zu,

Von zwei Fragen war nicht die Rede.

dass das keine zeitweilige Nichteinhaltung ist, sondern dass es eine zwölfjährige andauernde Nichteinhaltung war?

Die Tatsache, dass die Grenzwerte an diesem Standort quasi immer in der Nähe des Geduldeten gewesen sind – manchmal darüber, manchmal darunter –, ist nicht zu bestreiten. Insofern stimme ich Ihnen zu. Aber die Bewertung, die Schlussfolgerung, die Sie aus dem Vorgang ziehen, ist eine andere, und dazu habe ich noch gar nicht Stellung genommen. Deswegen können Sie Ihre nächste Frage, falls Sie dort stehen bleiben, erst anbringen, wenn ich dazu noch ein paar Ausführungen gemacht habe.

Auch von mir soll noch einmal erwähnt werden, dass diese verschiedenen Anordnungen mit dem Ziel, die Staub- und Dioxinemissionen zu vermindern, bis zur Androhung einer Stilllegung der Anlage reichten. Das Ergebnis war, dass die Bereitschaft des Betreibers, die Unzulänglichkeiten zu überwinden, dazu geführt hat, dass wir gegenüber den Startbedingungen – und das muss man dann auch offen aussprechen können – durchaus eine Minderung erzielt haben, die gegenüber dem Frühjahr 1997 schon eine Verbesserung darstellt. Dann können wir uns wieder darüber unterhalten, ob das schon ausreichend ist oder nicht. Nur sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass die IVU-Richtlinie der Europäischen Union sagt, dass beim derzeit erreichbaren Stand der Technik, beim Lichtbogenverfahren, immer nur ein Wert zwischen 0,1 und 0,5 Nanogramm pro Kubikmeter eingehalten werden kann.

In diesem Zusammenhang haben Sie sehr heftig auch das Handeln der Behörden kritisiert. Dazu möchte ich noch Folgendes anmerken: Natürlich haben die Behörden nach § 20 Abs. 1 unseres Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Möglichkeit, eine Anlage stillzulegen, wenn der Betreiber Auflagen nicht nachkommt oder nachträglichen Anordnungen nicht entspricht. Aber es ist eben eine KannBestimmung, denn hier ist Ermessen einzubringen. Es muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Entscheidung, einen solchen Produktionsstandort stillzulegen, berücksichtigt werden. Wenn wir feststellen, dass zwar am Schornstein eine geringfügige Überschreitung vorhanden ist, aber gleichzeitig im Einwirkungsbereich keinerlei Hinweise dafür gegeben sind, dass der Hintergrundwert überschritten wird, dann

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

wäre diese Verhältnismäßigkeit wahrscheinlich falsch ausgeübt. Deswegen gab es für das Ministerium keine Veranlassung, im Rahmen der Fachaufsicht das Vorgehen des Regierungspräsidiums zu beanstanden.

Herr Mannsfeld, es ist wieder einmal so weit.

Ja, bitte schön.

Bitte, Herr Lichdi.

Schönen Dank, Herr Präsident. – Wie erklären Sie sich dann die Stellungnahme in dem von mir zitierten Dritten Bericht der Bund-LänderKommission Dioxine aus dem Jahr 1998, die für das Umfeld des Stahlwerkes Riesa deutlich erhöhte Belastungswerte festgestellt hat, und zwar Immissionswerte im Boden?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Ich persönlich habe nicht nachprüfen können, dass das in diesem Bericht schon als Immissionsbelastung nachgewiesen worden ist, denn da ist ein weiterer Punkt, den wir ansprechen müssen. Ich will Ihnen gern noch einmal Recht geben, dass Dioxine und Furane mit das Giftigste sind, was aus unseren Schornsteinen kommt. Deswegen ist der strenge Grenzwert von 0,1 Nanogramm, also in der Maßeinheit 10-9, festgelegt worden. Hoffentlich wissen Sie jetzt alle, meine sehr verehrten Damen und Herren im Saal, dass wir hier, bezogen auf einen Kubikmeter Abgas, von einer Konzentration eines Stoffes im Niveau von neun Nullen nach dem Komma sprechen. Deshalb sind Verunsicherungsszenarien unangebracht.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wir räumen ein, dass das ESF-Stahlwerk trotz aller Nachrüstung und trotz sonstigen technologischen Maßnahmen immer nur an den Grenzwerten – auch im Sinne des technologischen Verfahrens, das hier gewählt worden ist – produziert hat. Das ist in der Tat nicht hinnehmbar – damit wir uns nicht falsch verstehen –,

(Antje Hermenau, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

aber im Sinne des von mir schon angeführten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Bezug auf das, was an Überschreitungen vorhanden ist, und aufgrund dessen, was durch den Verursacher an Maßnahmen, um sich den Verbesserungen zu stellen, geleistet worden ist, musste man auch in dieser Frage –

Herr Prof. Mannsfeld, es gibt weiteren Anfragebedarf.

– nicht zu einem solchen drastischen Mittel einer völligen Stilllegung greifen. – Ja, Frau Hermenau.

Frau Hermenau, bitte.

Herr Prof Mannsfeld, halten Sie es wirklich für ein Verunsicherungsszenario, wenn Krebswerte im Bereich Brustkrebs oder Lungenkrebs in Riesa weit über dem Durchschnitt im sächsischen Raum liegen, oder denken Sie nicht, dass man diese Fragestellungen wirklich aufgreifen muss?

Mit Ihrer Frage, Frau Hermenau, haben Sie genau diese von mir kritisierte

Vorgehensweise quasi noch einmal auf das Tablett gebracht. Sie sprechen jetzt plötzlich vom sächsischen Raum. Das ist ein bisschen mehr als das Umfeld von Riesa

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

und ich kenne auch noch keine beglaubigten und wissenschaftlich anerkannten Untersuchungen über ein erhöhtes Krebsrisiko an dieser Stelle.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Vorsicht, Herr Professor Porsch, die Diskussion ist gefährlich für Sie. – Denn wenn Sie auf diesen Vorgang abheben, dann keinesfalls derart, dass die zehn oder zwölf Jahre Einwirkungen aus dem ESF-Stahlwerk für die Riesaer Bevölkerung ein entsprechendes Risiko dargestellt haben,

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

sondern die Einwirkungen aus den 40 Jahren vorher, in denen sich niemand im Sinne des Staates für den Immissionsschutz eingesetzt hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Dort sind die Ursachen dafür zustande gekommen, dass möglicherweise Grenzwertüberschreitungen im Immissionsbereich vorliegen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Schauen Sie sich doch die Ergebnisse an, sie liegen vor. Das ist die Kombination aus der Hintergrundbelastung und den zusätzlichen Belastungen aus dem betrieblichen Schornstein. Diese Ergebnisse besagen, dass die erfassten Immissionsbelastungen im Einwirkungsbereich nur zu 25 % aus dem ESF-Stahlwerk stammen können.

(Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon)

Die übrigen Einflüsse – und das ist auch völlig klar, das kann schon rein physikalisch gar nicht anders sein – stammen zu über 75 % von den übrigen Emittenten in diesem Gebiet, vom Hausbrand und vom Verkehr und von den anderen. Also ein Szenario dieser Art, dass die Immissionsschäden in der Umgebung des Werkes mit bestimmten Tendenzen zu erhöhtem Anfall von Krankheiten und anderem korrelieren, kann so nicht gesehen werden.

Herr Mannsfeld, gestatten Sie wieder?

Jetzt möchte ich erst einmal den Gedanken zu Ende bringen. – Meine Damen und Herren, halten wir doch noch einmal fest: Die gefährlichen Dioxinemissionen sind am Austrittspunkt zeitweilig geringfügig überschritten, und ich finde es gar nicht

lächerlich, Herr Kollege Lichdi, dass das RP von Ihnen mit der richtigen physikalischen Aussage zitiert wird, dass der dort austretende Konzentrationsstrom, die Masse, die in der Luft verteilt ist, räumlich verdünnt und verteilt wird. Sonst gäbe es ja keine Ausbreitungs- und Ausgleichsrechnung in dieser Richtung, die uns überhaupt in die Lage versetzt, auch über den Anbindungsgrad an den Feinstaub so etwas zu machen. Selbstverständlich gibt es dabei einen natürlichen Effekt, weshalb man von den Emissionsüberschreitungen nicht automatisch auf die Verhältnisse im Werksumfeld oder im Einflussbereich des Werkes schließen kann.

Man muss bereit sein, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Betreiber ein neues Konzept vorlegt, in dem er seine Produktion um etwa ein Drittel erweitern will und mit einer neuen Rauchgasreinigungsanlage die Absorptions- und Filterleistung verdoppelt. Damit ist ab August – so ist es auch mit dem Regierungspräsidium im Genehmigungsverfahren vereinbart – dieses Ärgernis nicht mehr vorhanden, dass hier Grenzwerte zeitweilig überschritten worden sind.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Zeitweilig? Zwölf Jahre!)

Meine Damen und Herren! Warum Journalisten, obwohl über den Sachverhalt informiert, wider besseres Wissen am 21.03. noch solche tendenziöse Meldungen im Hörfunk verbreiteten – ich persönlich halte verbreitete Halbwahrheiten mit für das Schlimmste, was es überhaupt gibt –, entzieht sich meiner Kenntnis. Genauso wenig erschließt sich mir die Aussage der Abg. Lay aus der Linksfraktion.PDS, die sächsischen Behörden würden erst nach einem Gerichtsurteil aufwachen. Schlicht und ergreifend kann ich nur anmerken: Es gibt kein Gerichtsverfahren und somit auch kein Urteil.

(Caren Lay, Linksfraktion.PDS: Aber staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gibt es!)

Was ein Staatsanwalt macht, ist noch lange kein Gerichtsverfahren.

Deshalb, meine Damen und Herren, wende ich mich abschließend an die Öffentlichkeit: Lassen Sie sich nicht irritieren. Zu keinem Zeitpunkt hat eine Genehmigungsbehörde oder die dafür verantwortliche Fachaufsicht eines Umweltministeriums der Aussage, dass es zu keinem Zeitpunkt gesundheitliche Gefährdungen gegeben hat, widersprochen und auch nicht widersprechen müssen.