Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

Ich glaube, dass die Reihenfolge richtig ist: erst die Schäden bei den Privaten, dann die Schäden bei den Kommunen und zum Schluss die Schäden beim Staat zu beseitigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worum geht es im Augenblick? Momentan geht es nicht darum, gegenseitige Schuldzuweisungen zu machen. Das hatte ich schon gesagt. Wir sollten alles daran setzen, dass die Deiche unterhalb von Dresden gehalten werden, dass es zu keinen weiteren Schäden kommt und dass wir die Bevölkerung dort vor dem Schlimmsten bewahren können.

Trotzdem: Es sind im Oberlauf – das ist unbestritten – enorme Schäden durch die Tallage entstanden. Da muss man schlicht und einfach sagen: Bestimmte Teile des oberen Elbtals sind auch nicht durch menschliche Maßnahmen zu schützen. Wenn Leute erklären, man könne

Bad Schandau mit einer mobilen Hochwasserwand wie in Köln schützen, dann wissen sie nicht, wovon sie reden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir können im oberen Elbtal nur durch die Regulierung des Flusses – darüber hatten wir gesprochen –, nämlich das tschechische Talsperrensystem, das Wasser kontrolliert abfließen lassen. Aber wir können das Hochwasser nicht verhindern. Wir können auch das Einströmen von Hochwasser in die Orte und Gebäude im oberen Elbtal nicht verhindern.

Ich war zweimal in Bad Schandau. Ich habe mit dem Bürgermeister gesprochen und mir die Lage im Katastrophenschutzstab schildern lassen. Die Schäden werden aller Wahrscheinlichkeit nach wesentlich geringer sein, weil die Bürger die Möglichkeit hatten vorzusorgen und auch vorgesorgt haben. Man braucht sich nur anzusehen, wie in Bad Schandau das neue Spaßbad jetzt gebaut worden ist. Das ist durch eine Hochwasserwand, die durch den Betreiber errichtet worden ist, geschützt worden. Deswegen hoffe ich, dass auch der Schadensfall pro Betroffenen niedriger sein wird, als wir es vor vier Jahren hatten.

Aber nichtsdestotrotz – und darüber will ich auch nicht hinweggehen –: Für den Einzelnen ist es natürlich eine Katastrophe, wenn sein Haus ein zweites Mal absäuft. Auch wenn er 2002 das Geld im Wesentlichen wiederbekommen hat, steht er nun erneut vor der Aufgabe, dieses Haus zu reparieren und sein Geschäft wieder zu eröffnen.

Deswegen gilt – das habe ich immer gesagt, nur ist dieser Satz nie in den Zusammenhang der anderen Sätze gestellt worden –: Jeder, der in Not geraten ist, insbesondere in existenzielle Not, hat Anspruch auf staatliche Hilfe, auf die Hilfe der Gemeinschaft.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Abg. Ingrid Mattern, Linksfraktion.PDS)

Dafür brauche ich jetzt kein Hilfsprogramm, um dieses erklären zu können. Denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen, kein Mensch weiß zurzeit, wie hoch die Schäden tatsächlich sind, welcher Art die Schäden sind und wie sie abgearbeitet werden können. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Die Schäden können erst festgestellt werden, wenn das Hochwasser abgelaufen ist. Das Geld für die Bürger ist erst dann erforderlich, wenn die Schadensbeseitigung, also Maßnahmen an den Häusern, stattfindet. Im Augenblick kann niemand, dessen Haus im Wasser steht, irgendetwas anderes machen als zu warten, dass das Wasser abläuft.

Deswegen sage ich noch einmal: Jedem, der in Not gerät oder geraten ist, wird geholfen.

Ich habe aber gleichzeitig gesagt, dass es ein Hilfsprogramm wie 2002 – weil ich immer danach gefragt wurde –, finanziert durch die Verzögerung einer Steuersenkung durch den gesamtdeutschen Steuerzahler, nicht geben wird. Daraus zu schließen, es gäbe überhaupt nichts

angesichts des ersten Satzes, den ich gesagt habe –, ist etwas verdrehend.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir haben gesagt, es gibt kein Sonderprogramm!)

Es gibt kein Sonderprogramm wie 2002. Damit meine ich 2002 als Maßstab. Jedem hier im Saal ist doch klar, dass der Maßstab von 2002, der finanziell praktisch auf eine hundertprozentige Schadensbeseitigung hinauslief, nicht möglich ist. Davor wollte ich warnen. Denn eines will ich Ihnen sagen. Mir ist von der Presse häufiger diese Frage gestellt worden als von den betroffenen Bürgern.

Die betroffenen Bürger haben sich im Augenblick mit den Zusagen, ihnen werde geholfen, zufrieden gegeben. Aber andere wollten es genau wissen: Wie hoch soll der Prozentsatz sein? Was wird abgerechnet? Wie hoch sind die Eigenleistungen? Was kommt an Spenden? – Ich kann dies jetzt nicht beantworten, aber ich sage Ihnen: Wir werden zusammen – und der Landtag ist dafür gewählt – dieses Problem lösen, genauso, wie wir das Problem vor vier Jahren gelöst haben, nur auf andere Art und Weise.

Und es gibt dafür Möglichkeiten, zum Beispiel im Bereich der Gewerbetreibenden. Deren Hauptverlust ist im Augenblick nicht – wenn man einmal von dem Problem „Gebäude“ absieht –, dass sie ihr ganzes Inventar verloren haben, sondern dass sie keine Umsätze machen. Dies ist möglicherweise genau dasselbe Problem, das derjenige hat, der hundert Meter weiter, vielleicht drei Meter höher sitzt und keine Überschwemmung zu erleiden hat und auch keine Umsätze hat, weil die Leute wegbleiben. Möglicherweise bin ich da missverstanden worden, und ich entschuldige mich bei den Betroffenen, wenn sie es missverstanden haben; es war nicht beabsichtigt. Wir sollten uns Sachsen nicht als Katastrophenland totreden lassen!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Wenn in ganz Deutschland Sachsen nur noch mit „Land unter“ gezeigt wird, werden unsere schönen Wünsche, die Touristen mögen zurückkommen, ins Leere laufen. Mich haben Hoteliers – auch solche, die unmittelbar vom Wasser bedroht waren – gebeten: Hört mit dem Katastrophengerede auf! – Katastrophengerede im Allgemeinen, das heißt nicht, dass es nicht persönliche Katastrophen gibt; differenziert, damit uns nicht wieder dasselbe wie 2002 passiert. Das war meine Intention.

Ich wusste zum Beispiel, dass ein französischer Investor in Torgau nur investiert hatte und die Arbeitsplätze erst einmal gehalten hat – wir sprechen gar nicht davon, dass er verlagern wollte –, weil wir Deiche verstärkt haben und ich versichert habe: Wir, die Staatsregierung, werden alles tun, um dieses Werk zu sichern. Damit waren sie zufrieden. Heute in 14 Tagen wollen sie die nächste Investition verkünden: 250 Arbeitsplätze. Aber wenn der Vorstand aus Frankreich hierher kommt und wieder hört „alles Katastrophe“, sagt er: Um Gottes willen, wir haben uns wohl geirrt?! Deshalb, ist das auch ein Grund, warum für die Stadt Torgau kein Katastrophenalarm ausgerufen

worden ist: um diese wirtschaftliche Rückwirkung zu vermeiden.

Deswegen, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, müssen wir gerade, was diese Frage angeht, sehr vorsichtig operieren. Wir müssen ein Gleichgewicht finden,

(Beifall bei der CDU, des Abg. Holger Zastrow, FDP, und der Staatsregierung)

das zum einen die Schwierigkeiten und die persönlichen Nöte des Einzelnen berücksichtigt, aber auf der anderen Seite die Ereignisse nicht zu einer nationalen oder regionalen Katastrophe deklariert. Das sind sie nicht!

Wir hatten, dies ist gesagt worden, beim letzten Mal eine Schadenssumme von neun Milliarden Euro. Selbst die pessimistischsten Hochrechnungen, die wir jetzt anstellen – Herr Hahn, das wissen Sie –, werden nicht annähernd in diese Größenordnung kommen. Wir sind Zehnerpotenzen davon entfernt. Dies sollte man auch sagen, wenn man nach außen hin argumentiert. Denn wir haben ein Problem: Bereits beim letzten Mal hatten wir die Briefe von der Mosel, von der Donau und vom Rhein, in denen stand: Weswegen bekommt ihr Geld? Bei uns passiert das alle Jahre, und wir bekommen nie etwas. Ich wollte vermeiden, dass wir jetzt durch demonstrativ ausgesprochene Forderungen an den Bund eine Ost-West-Debatte bekommen, die uns auch in den Fragen des Finanzausgleichs und vor allem des Solidarpakts geschadet hätte.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Dies war meine Intention, und ich glaube auch, dass Sie sie teilen. Noch einmal: Wenn meine Formulierung jemanden, der in Not ist, verletzt hat, will ich dafür um Entschuldigung bitten. Aber in der Sache selbst sind wir doch gar nicht so weit voneinander entfernt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nun zum Thema Versicherungen. Sie wissen, dass ich nach der letzten Flut eine Pflichtversicherung gefordert habe – nach dem Solidarprinzip, wenn Sie so wollen –, damit der Staat nicht immer dieses Problem hat. Gerade in der Frage des unterschiedlichen Versicherungsschutzes, die aufgetaucht ist – glücklicherweise gibt es viele, die trotzdem versichert sind; auch hier muss man differenzieren –, wäre es gut, wenn wir eine Elementarrisikoversicherung gegen alle Elementarereignisse hätten und diese landes- oder sogar bundesweit organisierten. Meine Bemühungen in dieser Frage sind an zwei Punkten gescheitert:

Erstens – in Brüssel, wo gesagt wird: Es ist ein Eingriff in den Wettbewerb, wenn ein Monopol geschaffen wird, deswegen stimmen wir nicht zu.

(Alexander Delle, NPD: Dank der EU!)

Im Übrigen fordern dies andere Mitgliedsstaaten, die in ähnlicher Situation sind, auch nicht.

Zweitens. Auch in Deutschland war die Bereitschaft, dem näher zu treten, außerordentlich gering – selbst bei den Bundesländern, die ähnliche Probleme wie wir haben. Man muss einfach akzeptieren, dass unsere sächsische Sicht, die ich für richtig halte, in Gesamtdeutschland nicht geteilt wird. Dies sollte uns nicht hindern, das Problem wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Nur glaube ich angesichts der Erfahrungen aus der letzten Diskussion, dass wir dort im Augenblick wenig bewirken können.

Ich möchte mit zwei Bemerkungen enden:

Erstens. Hochwasser ist etwas, was wir nicht vermeiden können. Der moderne Mensch – im Gegensatz zu unseren Vorfahren – hat die Hybris gehabt, er könne die Natur beherrschen und mit dem Naturraum machen, was er wolle. Aber unsere Vorfahren wussten, dass sie die Natur nicht überwinden können, und haben mit der Natur gelebt und sich ihr angepasst.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das auch jetzt wieder stimmt, nämlich Schloss Pillnitz. Die Baumeister hatten das Schloss Pillnitz ans Wasser gebaut – wohl wissend, dass es Hochwasser gab – und hatten Hochkeller gebaut und das Schloss auf die Hochkeller gesetzt, sodass selbst beim Hochwasser 2002 die eigentliche Belletage nicht erreicht wurde. Trotzdem sind damals riesige Schäden aufgetreten, weil der moderne Mensch der Meinung war: Was wollen wir eigentlich mit diesen leeren Kellerräumen? Die müssen wir doch nutzen! Wir haben sie dann mit Inventar und vor allem mit elektronischem Gerät voll gestopft. Dort sind die hohen Schäden entstanden.

Oder ein anderes Beispiel. Die Bürger wissen jetzt, dass man nicht im potenziellen Überschwemmungsgebiet ungesichert einen Öltank einbaut. Gott sei Dank, selbst bei diesem hohen Wasserstand sehe ich keinen Ölfilm auf der Elbe, es gibt keinen Gestank, wie wir ihn 2002 hatten. Die Bürger selbst haben begriffen, dass sie ihr Verhalten ändern müssen. Vielleicht war es in dem einen oder anderen Fall nicht genug, aber es hat genügend Verhaltensveränderungen gegeben. Dies macht mich so optimistisch, dass wir es schaffen können, weil im Ergebnis die Schäden geringer sein werden – so hoffe ich zumindest –, wenn die Deiche nicht brechen, was ich im Augenblick nicht vorhersehen kann.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Deshalb, liebe Freunde, und vor allem liebe Kolleginnen und Kollegen: Halten wir zusammen und versuchen das, was wir gemeinsam wollen, auch durchzusetzen; obwohl es natürlich unterschiedliche Beurteilungen einzelner Situationen gibt.

Ich habe angefangen mit einem Dank an die staatlichen Behörden und möchte enden mit einem Dank an meine Kollegen Tillich, Jurk und Buttolo, die sich jeweils mit ihren Ressorts sehr engagiert haben. Ich möchte mich ganz ausdrücklich bei der lokalen Ebene bedanken.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wenn wir nicht die erfahrenen Bürgermeister und Landräte gehabt hätten, die Kreisbrandmeister, die Chefs der lokalen Feuerwehren, die Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen, wären die erforderlichen Abwehr- und Hilfsmaßnahmen nicht gelungen. Und wenn sie nicht die Unterstützung der Bundeswehr, der Bundes- und der Landespolizei, des THW und der Hilfsorganisationen gehabt hätten, wäre das alles nicht möglich gewesen. Vor allem jetzt bei der Deichverteidigung ist die Bundeswehr besonders wichtig; denn der Fall Gohlis, der schon genannt wurde – jetzt meine ich Gohlis in Dresden –, hat nur deswegen bis jetzt einen halbwegs guten Ausgang genommen, weil man nach der Revision der Entscheidung der Stadt – nämlich, nicht zu verteidigen und dann doch zu verteidigen – junge Männer und auch junge Frauen in genügender Anzahl zu einem Zeitpunkt mobilisieren konnte, zu dem normalerweise nicht genügend Bürger zur Verfügung stehen, um diesen Sandwall zu bauen, nämlich in der Nacht.

Deswegen noch einmal ganz herzlichen Dank an die Bundeswehr. Ich hoffe in diesem Zusammenhang, dass sich die Bundeswehr im Zuge der weiteren Reformen nicht zu sehr aus der Fläche zurückzieht, damit die für die Verlegung der Soldaten erforderliche Zeit nicht zu lang wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Ich frage die Fraktionen, ob es Erwiderungswünsche gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte zum Thema „Aktueller Hochwasserschutz im Freistaat Sachsen“ beendet.

Ich rufe auf

2. Aktuelle Debatte

Proteste und Streikbewegungen im Gesundheitswesen