Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch kurz eine Richtigstellung vornehmen. Ich kann das nicht so stehen lassen, was Herr Hahn gesagt hat. Es genügt nicht, die Deichkilometer von Sachsen und Sachsen-Anhalt gegenseitig aufzurechnen. Da muss ich Ihnen vorwerfen, dass
auch Sie die Unterschiede der Topographie von Sachsen und Sachsen-Anhalt nicht kennen. Sachsen-Anhalt hat keine Hochwasserschäden an Nebenflüssen gehabt, wie wir sie in Größenordnungen nach 2002 hatten.
Sachsen-Anhalt hat keine Instandsetzungsarbeiten an Talsperren und Rückhaltebecken vornehmen müssen. Nur ein Beispiel: Das Rückhaltebecken Lauenstein hat sich in diesem Jahr erstmals mit dem Schmelzwasser des Osterzgebirges gefüllt und so für eine mächtige Wasserrückhaltung in der Müglitz gesorgt. Die Wasserrückhaltung in den Nebenflüssen ist gegenüber 2002 wesentlich stärker gewesen. 75 Kubikmeter pro Sekunde sind der Elbe durch Rückhaltung in der Fläche in den letzten Tagen zugeführt worden. Diese Menge kam 2002 allein von der Weißeritz.
17 000 Einzelmaßnahmen sind erfasst worden, die zu erledigen waren, ein Großteil an den Zuflüssen über die Mulden in die Elbe. Vieles ist erledigt worden. Die Wirkung ist in den letzten Wochen in unseren Mittelgebirgen sichtbar geworden. Allein im Zwönitztal, in dem ich zu Hause bin, ist der Hochwasserscheitel fast so hoch wie 2002 gewesen, aber kaum Schäden, weil eben die Bauwerke, Brückendurchlässe usw. in Ordnung gebracht worden sind. Das muss auch anerkannt und gesagt werden.
Noch etwas dazu: Heute, da das Hochwasser in der Elbe steht und Gott sei Dank über die Zuflüsse aus dem Gebirge die Mulden entlastet sind, ist das gar nicht so das Thema. Die Mulde in Grimma hat in den letzten Tagen viel Wasser geführt. Aber zum Glück gab es keine Überflutung. In welcher Weise der Freistaat vorgesorgt hat, das sollten Sie sich einmal ansehen. Gehen Sie in das Institut für Wasserbau der TU Dresden und schauen Sie sich das 1 : 50-Modell von Grimma an, für das 300 000 Euro investiert wurden, um den Hochwasserschutz zu optimieren. Da können Sie auch einmal dazulernen. Das sind alles Vorgänge, die nicht spektakulär sind, die nicht in der Zeitung stehen, die aber Schritt für Schritt in vielen kleinen Etappen den Hochwasserschutz in Sachsen verbessern.
Ich bitte Sie, das ganz einfach zur Kenntnis zu nehmen und nicht nur zu rechnen, wie viele Kilometer Deiche in Sachsen und in Sachsen-Anhalt instandgesetzt worden sind und dabei zu vernachlässigen, was an anderen Maßnahmen in Größenordnungen geschehen ist.
Meine Damen und Herren! Wird noch das Wort gewünscht? – Ich darf nur noch eine Bemerkung machen, Her Ministerpräsident. Dass wir heute hier tagen können, verdanken wir einer hocheffektiven Wasserschutzmaßnahme.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hochwassersituation in Sachsen ist noch nicht vorbei. Wir kennen weder die genauen Schäden im oberen Elbtal, noch wissen wir, was im unteren Elbtal passiert. So kann das, was wir im Augenblick sagen, nur vorläufig sein. Trotzdem lassen Sie mich eines feststellen:
Ich habe Hochwassererfahrung aus dem Jahr 2002 und weiß, was da passiert ist. Ich weiß auch, was jetzt passiert ist. Deswegen meine ich, zu Recht sagen zu können, dass die staatlichen Behörden bei der Bekämpfung dieses Hochwassers richtig gehandelt haben.
Die Vorwarnung hat funktioniert. Wir hatten – das hängt auch mit der Art des Hochwassers zusammen – einen Vorlauf von rund 60 Stunden. Das war in den meisten Fällen ausreichend, um eine ganz erhebliche Schadensminderung zu erreichen.
Nur ein Beispiel: Nach dem Hochwasser von 2002 war die erste Frage: Woher bekommen die Betroffenen neue Kleidung, neuen Hausrat, weil er aufgrund der kurzen Vorlaufzeit weggeschwommen war. Forderungen nach einer solchen Hilfe sind mir diesmal bisher nicht bekannt. Es mag vielleicht in dem einen oder anderen Fall solche geben, aber als ein flächendeckendes Problem existiert es sicher nicht. Das ist auch ein Ergebnis der Erfahrungen von 2002.
Die Koordinierung hat funktioniert. Der Kirchbach-Bericht hatte wesentlich darauf abgestellt, dass es in der Stunde der höchsten Not nicht durcheinander geht. Diesmal hat von Anfang an die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen zivilen Stellen, von Bürgermeistern über den Landrat, die Landestalsperrenverwaltung bis hin zu militärischen Stellen, aber auch mit den staatlichen Stellen funktioniert. Mir sind bisher keinerlei größere Fälle bekannt, an denen Kritik zu üben ist.
Über den Sonderfall Gohlis bei Dresden mag man nach der Flut noch einmal in Ruhe nachdenken. Ich halte nichts davon, Schuldzuweisungen zu machen, wenn man noch an den Deichen kämpft. Die Kritik sollte man für den Zeitraum aufbewahren, wenn man in Ruhe darüber nachdenken kann. Jetzt soll alle Kraft dazu verwandt werden, weitere Schäden abzuhalten.
Das Hochwasserschutzkonzept ist, so weit es möglich war, umgesetzt. Meine Vorrednerin Frau Windisch hat schon darauf hingewiesen. In diesem Jahr waren im Gegensatz zu 2002 nicht die sächsischen Gebiete Ursache des Hochwassers, sondern das Hochwasser ist ausschließlich aus Böhmen gekommen. Das hat mit der besonderen Situation zu tun, aber auch mit den Hochwasserschutzmaßnahmen, die hier stattgefunden haben. Auf Lauenstein ist hingewiesen worden.
Wer wie ich kurz vor dem Tauwetter in Zinnwald war, weil wir dort eine Fraktionsklausur hatten, hatte schon Angst vor den anderthalb Metern Schnee. Das Tauwasser ist kontrolliert – auch über die Rückhaltemaßnahme in Lauenstein – abgeflossen und hat kein Tal verwüstet. Es hat auch nicht zu einer Verschärfung der Situation im Elbtal beigetragen.
Das Hochwasser kommt diesmal ausschließlich aus Tschechien. Wer sich einmal eine eiszeitliche Karte angesehen hat, der wird feststellen, dass damals südlich vor dem Erzgebirge ein See existierte und dass das, was wir heute Elbe nennen, im Grunde der Abfluss dieses Sees war. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass 90 % des Wassers in der Tschechischen Republik über die Elbe abgeführt werden. Hier müssen also die HochwasserSchutzmaßnahmen funktionieren. Sie sind, soweit mir bekannt ist, auf tschechischer Seite in genügendem Umfange auch durchgeführt worden. Die Tatsache, dass es nicht zu einem gleichzeitigen Zusammenfluss der Hochwässer von Eger, Moldau und Elbe gekommen ist, ist auf ein kluges Talsperrenmanagement in Tschechien zurückzuführen. Die in den letzten Jahrzehnten gebaute so genannte Moldaukaskade hat sehr viel abgehalten. Damit man eine Vorstellung davon hat, folgende Information:
In der Moldaukaskade ist Stauraum, der etwa doppelt so groß ist wie in allen sächsischen Staumaßnahmen und Talsperren zusammen. Da sieht man deutlich, was man alles machen kann. Das wurde getan.
Die Frage, ob man im Erzgebirge weitere Bäume anpflanzen muss, ist sicherlich langfristig wichtig, aber für die Abwendung unseres gegenwärtigen Hochwassers hat das keinerlei Auswirkung.
Zu der Umsetzung des Hochwasserkonzeptes gehörte auch die Maßnahme an der berühmten S 88. Ich erinnere mich sehr genau, als ich vor drei Jahren an gleicher Stelle war. Ich habe damals schon gesagt, dass eine größere Brückenmaßnahme zum Abfluss dieses einen Nebenarmes sinnvoll wäre. Das ist unbestritten. Das war auch Teil der Hochwasser-Maßnahme. Nur, an eine Tieferlegung der Straße ist nie gedacht worden. Dann hätte nämlich die Straße ihre Funktion als Evakuierungsmöglichkeit für Dörfer flussabwärts verloren. Sie muss hoch bleiben, damit sie befahren werden kann. Man muss also einen Durchlass mit einer Brücke bauen. Das hat ja auch funktioniert. Denn die Schlitzung von acht Metern hat ausgereicht, zwischen den Fluthöhen zu beiden Seiten der Straße im Wesentlichen die Pegel zu nivellieren.
Deswegen ist die Maßnahme richtig. Aber es ist falsch, wenn jetzt gefordert wird: Legt die Straße tiefer. – Da kann sie ganz überschwemmt werden und wir haben die Funktion der Straße als Evakuierungsstraße eben nicht.
Warum ist die Brücke nicht gekommen?, fragen Sie. Sie war für dieses Jahr vorgesehen. Das ist eine Straßenbaumaßnahme gewesen. Diese Straßenbaumaßnahme wäre im Frühjahr begonnen worden.
An einer Stelle musste die Straße aufgenommen und eine Brücke gebaut werden. Dann wäre das Problem des Abflusses geregelt gewesen.
Der für den Katastrophenschutz zuständige Landrat – Herr Kollege, würden Sie mir bitte zuhören, sonst kommen immer wieder solche Missverständnisse wie eben zustande – hat uns am Montagmorgen gefragt, ob er als Maßnahme der Katastrophenabwehr die Straße schlitzen kann. Ich habe darauf kurzfristig reagiert und bin an Ort und Stelle gefahren. Ich habe die zuständigen Minister mitgenommen und wir haben zusammen mit dem Landrat am Mittag – also wenige Stunden nach der Anfrage – die Entscheidung getroffen, die Straße zu schlitzen. Die Maßnahme ist durchgeführt worden und die Entlastung hat stattgefunden.
Allerdings ist die Behauptung, dass durch die Schlitzung die Überschwemmung des Dorfes verhindert worden wäre, auch nicht ganz richtig. Sie hat zu einer Entlastung geführt. Die Pegel waren noch nicht so hoch, dass das ganze Dorf unter Wasser war. Es waren im Wesentlichen die Neubauten, die nach 1989 gebaut worden waren, zunächst betroffen; wie wir das oft haben.
Ich bin froh, dass diese Maßnahme durchgeführt worden ist. Ich bedanke mich insbesondere bei der Bundeswehr, aber auch bei den technischen Kräften, dass das so schnell geklappt hat.
Aber gerade diese Straßenschlitzung hat mir gezeigt, wie problematisch solche Maßnahmen auch immer sind. Denn ich habe sofort von den Dörfern flussabwärts den Vorwurf bekommen, wir würden nun das Wasser auf sie leiten und ihre Möglichkeiten des Hochwasserschutzes reduzieren.
sondern wir können nur abwägen, wo die Schäden am größten und wo sie am kleinsten sind. Wir müssen also eine Balance finden. Das sollten wir den Bürgern auch sagen. Das Hochwasser ist nicht zu verhindern, wenn man einmal von den Rückhaltemaßnahmen und Stauseen absieht. Wir können nur entscheiden, wie das Wasser am besten durch das Tal geführt wird, damit das, was der Mensch an Werten in dieser Kulturlandschaft Elbe geschaffen hat, möglichst erhalten bleibt und die Schäden daran minimiert werden.
Deswegen kann es nicht angehen, irgendwo Dämme zu bauen, die Einwohner fordern. Auch dort gilt das Sankt-Florians-Prinzip. Deswegen ist es auch so schwierig, ein Hochwasserkonzept durchzuführen, das das alles beinhaltet und alle zufrieden stellt. Denn man muss
zunächst einmal eine Prognose haben, wie sich das Wasser bei bestimmten Maßnahmen verhält. Sie brauchen das integriert, nicht nur für die Elbe, sondern auch für die Nebenflüsse. Deswegen hat es eine Zeit gedauert, bis man ein Schutzkonzept erarbeitet hat. Jetzt führt man es durch.
Weiterhin ist gefragt worden: Warum sind in SachsenAnhalt mehr Maßnahmen durchgeführt worden? Das kann ich Ihnen schlicht und einfach sagen: weil die Schäden am privaten Eigentum in Sachsen beim Jahrhunderthochwasser 2002 wesentlich höher waren als in SachsenAnhalt. Wir haben die Entscheidung getroffen – und dazu stehe ich –, dass wir das Geld vorrangig zunächst einmal verwandt haben, um den Betroffenen zu helfen.
Nur das Geld, was wir dafür nicht benötigten, haben wir in staatliche oder kommunale Maßnahmen gesteckt und dort wiederum zuerst in die kommunalen und erst danach in die staatlichen Maßnahmen.
Sachsen-Anhalt war in einer glücklicheren Situation. Die Schäden im privaten Bereich waren prozentual wesentlich niedriger als in Sachsen. Man konnte das Flutgeld, das an sich zur Schadensabwehr vorgesehen war – sage ich mal –, am Rande der Regeln auch für Flutabwehr verwenden.
Aber nichtsdestotrotz freue ich mich, dass es den Sachsen-Anhaltern gelungen ist, das zu machen. Wir werden all das Geld, das wir im Haushalt mobilisieren können, natürlich auch bei uns zur Flutabwehr verwenden.
Trotzdem bleibt festzustellen: Wenn man die Situation von 2002 als Maßstab nimmt, haben wir mit den Flutgeldern, die wir von Berlin bekommen haben, noch nicht einmal alles, was wir damals an Schäden im staatlichen Bereich hatten, finanziert. Aber der Staat, das heißt wir alle, hat über den Haushalt und damit auch in den politischen Fachbereichen, die nichts mit Hochwasser oder Wasserschutz zu tun haben, darunter gelitten. Denn es steht in den anderen Bereichen weniger zur Verfügung. Aber dazu stehe ich.