Protokoll der Sitzung vom 11.05.2006

Wir werden über die einzelnen Punkte der Föderalismusreform noch diskutieren, aber der Antrag, den die Fraktion der GRÜNEN vorgelegt hat, ist wenig hilfreich. Es mag auch sein, dass das ein Ausdruck der Machtlosigkeit der GRÜNEN in den Bundesländern und jetzt auch im Bund ist. Aber ich will sagen, dass die Föderalismusreform wichtig ist. Den Grundansatz, nur wenn der Bund seine Finger mit drin hätte, könnte für die Länder etwas Vernünftiges herauskommen, teile ich nicht. Nein, wir stehen zu föderalen Strukturen. Wir begrüßen den Föderalismus, denn was wäre er wert, wenn die Länder im föderalen System einzig und allein die Freiheit hätten, das zu tun, was ihnen von Berlin vorgeschrieben wird? Föderale Strukturen zeichnen sich auch durch Unterschiede aus. Wir wollen, dass diese Unterschiede positiv genutzt werden, nicht, dass sie Probleme bereiten. Es gibt übrigens auch Probleme aus den alten Strukturen – ich erinnere an die Kultusministerkonferenz –, die auch noch zu lösen sind.

Wir begrüßen zunächst, dass man sich wenigstens auf einen Schritt einigen konnte. Das ist der kleinste denkbare gemeinsame Nenner. Ich habe schon gesagt, dass das nicht jeden zufrieden stellt. Wir hätten uns auch anderes vorgestellt. Bevor wir darüber sinnieren, dass wir den Bund weiter in der Verantwortung im Hochschulbau, bei Schulprogrammen und Ähnlichem lassen wollen, muss klar sein, dass die Aufgabenverlagerung auf die Länder zwingend der Neugestaltung der Finanzordnung zwischen Bund und Ländern bedarf. Wir vermissen bisher in der

Föderalismusreform die Beschäftigung mit diesem Problem, denn die Verlagerung von Aufgaben von der Bundesebene auf Länder bedingt selbstverständlich einen entsprechenden Ausgleich bei den Aufgabenfinanzierungen.

Meine Damen und Herren, zum Antrag der Linksfraktion.PDS. Frau Bonk, es steht im Antrag so nicht drin, dass es nur um die Schaffung von Rahmenbedingungen geht, sondern Sie wollen in wenigen Sätzen ein schlicht zentralistisches Bildungssystem auf Bundesebene durchsetzen, wenn Sie davon sprechen, bundesweit einheitliche Schulstrukturen zu schaffen. Das ist genau das Gegenteil von Föderalismus. Das ist schlichter Zentralismus. Dann brauchen wir auch keine Kultushoheit der Länder. Dann müssen Sie offen sagen: Lasst uns die Kultushoheit der Länder abschaffen! Mit uns ist das jedenfalls nicht zu machen. Nein, wir halten auf diesem Gebiet die föderale Struktur für hilfreich. Es kann nämlich sein, dass es ein Ringen um bessere Konzepte gibt. In zentralen Strukturen, das ist die Erfahrung, ist so etwas wesentlich schwerer zu leisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Baier, bitte.

Das Wesentlichste wurde bereits gesagt. Ich ziehe meinen Redebeitrag zurück. Ich werde den Antrag der Linksfraktion.PDS unterstützen.

Nun rufe ich die Fraktion der GRÜNEN auf. Frau Astrid Günther-Schmidt, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gemäß der von Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbarten Föderalismusreform soll der Bund auch noch die letzten Reste seiner bildungspolitischen Gestaltungsmacht an die Länder abtreten. Hochschulrahmengesetz, Hochschulbau, Sonderförderprogramme für Schulen – künftig wäre all dies nicht mehr möglich, weil vom Grundgesetz untersagt. Kernpunkt des Regelwerks ist ein so genanntes Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern. Eine gesamtstaatliche Bildungsplanung würde damit qua Verfassung verhindert.

Mittlerweile besteht ein parteiübergreifender Konsens, wenn wir davon sprechen, dass wir zukünftig mehr qualifizierte junge Menschen im Land brauchen und dafür ein hochwertiges Ausbildungs- und Betreuungsangebot bereitstellen müssen. Wenn nunmehr der Bund ganz aus der Verantwortung für Bildung entlassen und den Ländern bzw. der Kultusministerkonferenz die alleinige Entscheidungsgewalt übertragen wird, ist zu befürchten, dass das verfassungsrechtliche Gebot der gleichwertigen Lebensverhältnisse unterlaufen wird. Um nicht missverstanden zu werden – wir GRÜNEN sind selbstverständlich dafür, dass die Länder die Kompetenz für die Bildung behalten,

aber wir haben auch eine hohe politische Verantwortung, insgesamt gute Rahmenbedingungen für den Bildungs- und Wissenschaftsbereich zu schaffen.

Bildung, Wissenschaft und Forschung sind von zentraler Bedeutung für die zukünftige Entwicklung von Beschäftigung, Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit, aber auch für die individuelle Chance auf gesellschaftliche Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben. Vor dem Hintergrund eines weitreichenden Reformbedarfs im Bildungs- und Wissenschaftsbereich sind insbesondere für Sachsen erhebliche negative finanzielle Auswirkungen zu befürchten. Der Bund darf nach den bisherigen Planungen keine Finanzmittel mehr im Schulbereich zur Verfügung stellen. Herr Schiemann – leider ist er nicht mehr da –, hier irren Sie sich. Damit wird nämlich keine Fortführung des Investitionsprogramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ zum Ausbau von Ganztagsschulprogrammen möglich sein. Sachsen hat immerhin 200 Millionen Euro bekommen. Das war sehr wichtig und erfolgreich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie eine solche Zuwendung nicht mehr haben wollen.

Wir alle haben die Diskussion der letzten Tage um das so genannte Ganztagsschulprogramm verfolgt. Es handelt sich immerhin um das größte Schulentwicklungsprogramm seit Gründung der Bundesrepublik. Ich kenne den Prüfbericht des Bundesrechnungshofes leider noch nicht im Wortlaut und hoffe, dass der Vorwurf der Zweckentfremdung von Mitteln aus diesem Programm Sachsen nicht trifft. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass solche Investitionshilfen durchaus ein Mittel sind, um den Ausbau und die Weiterentwicklung von Ganztagsschulen voranzutreiben.

Wenn die Kritik des Bundesrechnungshofes allerdings begründet ist, dann muss die Schlussfolgerung für die Föderalismusreform gerade sein, dass der Bund mehr Einfluss auf die Mittelverwendung und -kontrolle hat und nicht, dass man entsprechende Programme gar nicht mehr auflegt. Es geht nämlich um mehr als nur „Suppenküchen und ein bisschen Hausaufgabenbetreuung“.

Der „Spiegel“ schreibt Anfang dieser Woche rückblickend zum Thema – Zitat –: „Das Geld war den Ländern ja willkommen, nur einen Einfluss der Bundesregierung bei der Verwendung wollten sie unbedingt verhindern. Her mit der Knete! Aber dann bitte Ruhe! Was sie als Ganztagsschule definieren, wollten die Länder selbst entscheiden. Energisch verbaten sie sich Mitsprache oder Kontrolle durch den Bund, etwa durch Vorlage eines pädagogischen Konzeptes als Bedingung für die Mittelgewährung.“

Genau diese Kleinstaaterei brauchen wir eben nicht. Wir GRÜNEN fordern eine Bildungsstrategie für die gesamte Bundesrepublik und bundeseinheitliche Standards für alle Bildungsbereiche. Die verbindliche Festschreibung oder zumindest die Ermöglichung der Kooperation von Bund und Ländern bei Investitionsprogrammen und Modellprojekten und eine Weiterentwicklung der Zusammenarbeit

bei der Qualitätssicherung im Bildungsbereich sind dringend geboten.

Parallel zu den Veränderungen im Bildungsbereich sind entsprechende Veränderungen bei der Bund-LänderKooperation in Hochschule und Wissenschaft geplant. Anstelle des nahezu vollständigen Ausstiegs des Bundes aus der Hochschul- und Wissenschaftsförderung jenseits der Forschung muss die Bund-Länder-Kooperation in Bezug auf klar definierte Bereiche weiterentwickelt werden.

Im Bereich der Hochschulbildung sieht der Gesetzentwurf vor, dass die bisherige Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“ gestrichen wird und somit in die alleinige Verantwortung der Länder übergeht. Damit zieht sich der Bund aus der Finanzierung des Hochschulbaues umfassend zurück. Aus unserer Sicht ist die Beteiligung an Bau- und Infrastrukturmaßnahmen im Hochschul- und Wissenschaftsbereich schon vor dem Hintergrund der Kassenlage der Länder zwingend notwendig.

Meine Damen und Herren! Wer dem Bund jegliche Einflussmöglichkeiten und Verantwortung in Bildungsfragen entzieht, sollte sich genau überlegen, was er tut.

Unser Antrag begehrt, das Mitspracherecht des Landes in diesen wichtigen Angelegenheiten wahrzunehmen und die bundespolitische Rahmensetzung im Bildungsbereich zu erhalten. Ich bin mir sicher, dass Sie dem zustimmen können.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion.PDS)

Mir liegt noch eine Wortmeldung von der Linksfraktion.PDS vor. Herr Bartl steht bei mir auf der Liste. Gibt es da Änderungen?

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS)

Dann rufe ich noch die Frau Herrmann auf. Oder gibt es noch Redebedarf vonseiten der anderen Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Heimrecht ist 1974 auf Antrag der Länder in die Bundeskompetenz übergegangen. Wie ist es jetzt in das Föderalismuspaket hineingekommen? Einzig und allein als Verhandlungsmasse, um die Länder milde zu stimmen. Es droht uns ein Flickenteppich von unterschiedlichen Gesetzen in den einzelnen Ländern.

Im Interesse der Schutzbedürftigkeit von Heimbewohnern sind aber bundeseinheitliche Standards unverzichtbar. Sonst haben wir bald einen Sozialleistungswettbewerb nach unten um niedrige Mindeststandards auf Kosten älterer, behinderter und hilfebedürftiger Menschen.

Die Rolle der Länder ist in diesem Zusammenhang besonders kritisch zu sehen, weil sie einerseits als Gesetzgeber über leistungsgerechte Mindeststandards wa

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Verantwortung für das Heimrecht auf Länderebene zu übertragen macht fachlich einfach keinen Sinn. Unsere Fraktion will keine Qualitätsstandards nach Kassenlage. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

chen und andererseits natürlich als Sozialhilfeträger ein großes Interesse an niedrigen Standards und demzufolge auch niedrigen Kosten haben. Wir hätten sozusagen Qualitätsstandards nach Kassenlage.

Dass diese Gefahren real sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigen die Wünsche, die schon ausgesprochen worden sind. Baden-Württemberg wünscht sich die Senkung der Fachkraftquote, Bayern denkt über Zweibettzimmer für Sozialhilfeempfänger nach.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn die Fraktionen jetzt nicht mehr das Wort zur Diskussion wünschen, frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Winkler. interjection: (Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren, es ist im Moment wirklich sehr, sehr laut. Ich würde Sie alle bitten, die Gespräche vielleicht etwas einzuschränken.

Das Ergebnis, wenn wir Heimrecht auf Länderebene übertragen, ist eben gerade kein Bürokratieabbau und keine Transparenz, wie sie der Runde Tisch „Pflege“

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier im Hause schon mehrfach über das Thema Föderalismusreform gesprochen. Ich kann auch heute nach der Debatte wieder feststellen: Es ist gut, dass wir, die Staatsregierung, die Koalitionsfraktionen und auch Teile der Opposition, grundsätzlich das, was auf den Weg gebracht worden ist, begrüßen. Wir sehen bei diesem Tagungsordnungspunkt die Wichtigkeit: Das Plenum füllt sich, die Journalistenränge sind besetzt. Und das ist gut so.

(Glocke der Präsidentin)

verlangt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden auch länderübergreifende Träger zu spüren bekommen. Wie wollen Sie dann eigentlich die Verbraucherrechte wahren?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt keine fachlichen Gründe, die dafür sprechen, und es gibt auch bundesweit keine Befürworter, Heimrecht auf Länderebene zu übertragen. Stattdessen wird die Liste der Gegner immer länger: Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, die Bundeskonferenz zur Qualitätssicherung im Gesundheits- und Pflegewesen, Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, Pflegekassen, Sozialverband Deutschland,

Ich will noch einmal ganz kurz aus unserer Sicht auf einige Dinge eingehen. Kern der Reform, das haben wir mehrfach gehört, ist die klare Zuweisung von Zuständigkeiten. Eines ist doch uns allen klar: Was muss am Ende für die Bürgerinnen und Bürger, für die Bevölkerung herauskommen? (Anhaltende Unruhe im Saal)

Verbraucherzentralen, die grüne Bundestagsfraktion, grüne Landtagsfraktionen in verschiedenen Bundesländern, Stimmen von Fachpolitikern und Fachpolitikerinnen aus SPD und Union – ich nenne nur Frau Caspers-Merk, Herrn Thierse oder Frau von der Leyen –;

Für den Bürger muss endlich wieder klar sein, wer wofür bei uns im Land zuständig und letztendlich auch verantwortlich ist. Ich denke, dadurch werden politische Entscheidungsprozesse viel transparenter und vor allem auch bürgernäher.

(Glocke der Präsidentin) Eines sagen wir uns immer wieder: Wir müssen in der Zukunft noch schneller und noch besser werden, genau und gerade bei politischen Entscheidungen. Es stellt sich für uns alle die Frage: Schaffen wir es endlich, diese Reform, die schon so lange währt und lange vorbereitet wurde, zu Ende zu bringen?

Fachminister der Länder wie zum Beispiel Frau Trauernicht aus Schleswig-Holstein. Und Frau Orosz, wie stehen Sie aus fachlicher Sicht dazu?

Unsere Position ist klar: Die Fraktion GRÜNE will, dass das Heimrecht in der Bundeskompetenz verbleibt. Allerdings wollen wir eine Reform. Eine Reform des Heimrechts ist dringend erforderlich. In welche Richtung sollte sie gehen?

Es geht letztendlich um die Frage: Wie reformfähig ist Deutschland überhaupt noch?

Wir wollen ein Heimgesetz, das sich an den Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner nach Individualität und Mitgestaltung und ihren Bedürfnissen nach individuellen Wohnformen orientiert. Wir wollen ein Recht auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Das muss zukünftig als allgemeine Zielsetzung in den Gesetzestext mit aufgenommen werden. Im künftigen Heimgesetz muss unabhängige Beratung rechtlich verankert werden. Zur Qualitätssicherung sollen wissenschaftsbasierte und professionsgetragene Qualitätsniveaus entwickelt werden.

Die Föderalismusreform wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD auf Bundesebene vereinbart. Zwischenzeitlich liegt ein Gesetzespaket vor, das sowohl in den Deutschen Bundestag als auch in den Bundesrat eingebracht worden ist. Natürlich, das gebe ich zu, man kann in Einzelfragen sehr unterschiedliche Auffassungen haben. Man kann die unterschiedlichen Auffassungen auch vertreten. Das gilt im Übrigen auch für die von der Fraktion der GRÜNEN in ihrem Antrag angesprochenen Themen Bildung, Umwelt, Strafvollzug oder Heimrecht. Wir haben ja heute gehört, dass selbst innerhalb der Koalition zu diesen Themen unterschiedliche Auffassungen bestehen können. Aber wichtig ist doch

eines: dass es nach Verabschiedung des Grundgesetzes die grundlegende Reform für das Land ist.