Protokoll der Sitzung vom 11.05.2006

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: So ein Quatsch! – Alexander Delle, NPD: Die Massenarbeitslosigkeit gibt es doch schon!)

Ich möchte dies kurz erläutern. Erhöht sich der Lohn, steigt automatisch der Stückpreis, das heißt, die produzierte Ware wird teurer. Diese Preiserhöhung kostet Kaufkraft. Die Mindestlohnempfänger können sich dann weniger leisten als vorher.

Meine Damen und Herren von der PDS, Sie müssen auch einmal über Ihren sächsischen Tellerrand hinausschauen!

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Machen wir doch! – Caren Lay, Linksfraktion.PDS: Großbritannien, Tschechien, Niederlande!)

Die europäische und internationale Konkurrenz würde sich über einen deutschen Mindestlohn von vielleicht 1 400 Euro natürlich riesig freuen. Ihnen ist anscheinend nicht bekannt, welche Löhne um Sachsen herum gezahlt werden. Es gibt in Europa Länder mit Mindestlöhnen. Ich möchte Ihnen einige Beispiele für monatliche Mindestlöhne nennen: Griechenland 668 Euro, Spanien 599 Euro, Tschechien 235 Euro, Ungarn 232 Euro, Polen 205 Euro, Lettland 116 Euro.

(Jürgen Gansel, NPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin jetzt gerade in Schwung. Ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Schallendes Gelächter bei der Linksfraktion.PDS)

Darf ich um Ruhe bitten.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Sie können ans Mikrofon gehen und Fragen stellen. Wenn das nicht zugelassen wird, bitte ich dennoch um Ruhe.

Nun sagen Sie bestimmt, der Abg. Andreas Hähnel hat die Länder weggelassen, die einen höheren Mindestlohn in Europa zahlen. Das stimmt. Ich nenne diese Länder. Frankreich zum Beispiel hat einen Mindestlohn von 1 197 Euro im Monat. Dort erstattet der Staat den Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge zurück. Somit liegt der effektive Mindestlohn eigentlich viel tiefer. Es handelt sich um eine französische Art des Kombilohns. Der hohe Mindestlohn hat in Frankreich nachweisbar die überdurchschnittlich hohe Jugendarbeitslosigkeit verursacht.

(Beifall des Abg. Christian Steinbach, CDU, und bei der FDP)

Weiterhin sind in diesen Ländern die Sozialleistungen viel geringer als in Deutschland und der Arbeitsmarkt ist flexibler durch zum Beispiel einfachere Kündigungsklauseln. Laut Ifo-Institut liegen die Löhne der osteuropäischen Industrie bei einem Siebentel der deutschen Lohnhöhe.

Nun schauen wir uns einmal in den internationalen Industriestaaten außerhalb der EU um. In China verdient ein Industriearbeiter 100 Euro pro Monat.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Das ist kein Vergleich!)

Das ist vier mal mehr, als ein Landarbeiter in China verdient. Der ist für diese 100 Euro hoch motiviert. Jetzt kommt das Votum.

(Alexander Delle, NPD: Das ist ja menschenverachtend, was Sie hier sagen!)

Alle diese Länder exportieren Waren nach Deutschland, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das zu geringeren Preisen, als unsere einheimischen Firmen das können. Es ist doch klar, dass sich dieser Preisvorteil auf das Konsumverhalten der deutschen Käufer auswirkt. Gerade der deutsche Verbraucher fordert maximale Spitzenqualität zu Tiefstpreisen. Wenn er ein Schnäppchen machen kann, dann macht er es. Vaterlandsliebe oder Solidarität sind ihm ziemlich gleichgültig.

Deutschland hat die höchsten Löhne und Lohnnebenkosten in Europa, aber zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders unter Ludwig Erhard waren die deutschen Löhne die niedrigsten in Europa. Deutsche Produkte waren noch bezahlbar, den Menschen ging es trotzdem gut, und es gab so gut wie keine Arbeitslosigkeit. Der katastrophale

Zustand auf dem deutschen Arbeitsmarkt rührt daher, dass mit den 475 allgemein verbindlichen Tarifverträgen und dem ALG II ein faktischer Mindestlohn bereits existiert.

(Jürgen Gansel, NPD: Der ist längst ausgehöhlt!)

Dass der Mindestlohn nichts taugt, sehen wir am Entsendegesetz mit einem Mindestlohn im Bauhauptgewerbe. Durch den Mindestlohn wurden seit 1997 450 000 Arbeitsstellen beim Bau abgebaut. Man sieht, der Mindestlohn ist ein Jobkiller ohnegleichen.

(Jürgen Gansel, NPD: Nein, offene Grenzen!)

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS! Wenn Sie den Mindestlohn testen wollen, dann wandern Sie doch nach Kuba zu Ihren kommunistischen Brüdern und Schwestern aus.

(Gelächter bei der CDU)

Im letzten sozialistischen Land der Erde, das ja Ihr Ideal ist, können Sie Mindestlohnpolitik betreiben. Vielleicht gibt es ja dort schon einen Mindestlohn. Auf alle Fälle gibt es in Kuba eine Mindestarmut, hervorgerufen durch sozialistische Planwirtschaft.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Kuba hat das beste medizinische System von Südamerika!)

Ich möchte aufgrund der marktschädigenden Forderung der Linksfraktion.PDS in dieser Debatte meine Rede mit einem kleinen Vers beenden: Ludwig Erhard, der Marktwirtschaftsvater, dreht sich im Grabe wie ein Ventilator.

Danke schön.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Brangs, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss halt einiges aushalten in der Koalition.

(Gelächter und Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Koalition steht nach wie vor. Wir machen gemeinsam eine gute Arbeit. An der einen oder anderen Stelle reiben wir uns auch einmal. Beim Mindestlohn gibt es eine solche Baustelle, aber die werden wir auch noch begradigen und eine schöne Schwarzdecke drüberziehen.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Aber jetzt ernsthaft zum Thema. Ich habe mich gefragt, als ich die Aktuelle Debatte der Linksfraktion.PDS in der Tagesordnung gesehen habe, ob der Linksfraktion.PDS wirklich nichts anderes mehr einfällt. Hartz IV ist wochen- und monatelang durch den Kakao gezogen worden. Das ist die sechste Debatte, die wir zum Mindestlohn führen. Und immer wieder das gleiche Dilemma.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir sind eben hartnäckig!)

Ich kann nur betonen: Kommen Sie endlich in der Politik in Sachsen an und stellen Sie Anträge, die für Sachsen relevant sind!

(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Herr Porsch, sofort.

Ihr Titel lautet „Mindestlohn auch in Sachsen“. Ja, was soll denn das heißen? Gibt es Mindestlöhne in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Berlin? Was heißt denn Mindestlohn auch in Sachsen? Ich habe mich gefragt, welchen Sinn die Aktuelle Debatte der Linksfraktion.PDS haben könnte. Gestern habe ich die „Morgenpost“ aufgeschlagen, große Anzeige. Also gestern große Anzeige in der „Mopo“, heute Debatte im Landtag? Vielleicht wollen Sie ein neues Königreich Sachsen ausrufen. Dann können Sie in Sachsen eine neue Mindestlohndebatte fordern. Ich hätte gern gewusst, was dieser Titel „Mindestlohn auch in Sachsen“ hier zu suchen hat.

(Caren Lay, Linksfraktion.PDS: Dass Sie das als Sozialdemokrat nicht wissen, ist peinlich!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Herr Kollege Brangs, ist Ihnen bekannt, dass wir heute ein Schreiben des sächsischen DGB-Vorsitzenden Hanjo Lucassen bekommen haben, in dem er ausdrücklich begrüßt, dass wir diese Debatte eingereicht haben?

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Lieber Kollege, das ist mir bekannt, weil der Kollege Hanjo Lucassen, mit dem ich seit vielen Jahre zusammenarbeite, eine Textpassage meiner Rede verwandt hat, um in dieser Postmitteilung Zusammenhänge zwischen Mindestlohn und der Notwendigkeit dieser Mindestlöhne darzustellen. An der Position der SPD, dass Mindestlöhne branchenbezogen oder auf Tarifniveau vereinbart sinnvoll sind, hat sich nichts geändert. Insofern überrascht mich das nicht.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD)

Ich kann Ihnen gern sagen, was aus Ihrer Sicht das Neue an dieser Debatte sein sollte. Sie haben am Wochenende in Görlitz eine internationale Konferenz zu Perspektiven am Arbeitsmarkt abgehalten. Wahrscheinlich hat die nicht den nötigen Zuspruch erfahren, sodass Sie im Landtag diese Debatte beginnen müssen.