Protokoll der Sitzung vom 11.05.2006

Meine Damen und Herren, nehmen wir einmal an, die Politiker von CDU, FDP, GRÜNEN und von der KurtBeck-SPD meinen das, was sie verkünden, auch. Nehmen wir weiter an, sie hätten den Mut, sich in dieser Sache mit den Bürokraten und Ideologen auseinander zu setzen, die die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik seit Jahr und Tag beherrschen. Nehmen wir an, sie würden sich dazu durchringen, die Welt wieder mit klaren Augen zu sehen. Dann müsste doch ein Wandel möglich sein. Warum sollen die öffentlichen Ausgaben für Bildung und Erziehung, für Ausbildung und Forschung weiterhin als Luxus gelten? Sie sind kein Luxus, und sie sind auch kein Konsum; sie sind eine notwendige Investition.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dass sie in der Haushaltssystematik weiterhin als Konsum, also als freiwillige Aufgabe, als etwas Zusätzliches gelten, dafür gibt es weder einen vernünftigen Grund, noch ist dies zeitgemäß.

Meine Damen und Herren! Länder, die viel in Bildung investieren – man schaue sich das skandinavische Modell tiefgründiger an –, haben neben dem Bildungseffekt auch höhere Geburtenraten und ein hohes Wachstum. Die Länder, die höhere Steuern einführten, haben auch ein höheres Wachstum. Außerdem sind die sozialen Dienste, wie wir sie in Skandinavien vorfinden, nicht nur eine Investition in das Humankapital, es sind auch Jobangebote in einem Sektor, in dem traditionell Frauen arbeiten. Deshalb haben wir dort eine hohe Frauenerwerbsquote, die wir hier nicht vorfinden.

Das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sind nicht nur Nebeneffekte dessen, was wir fordern. Das skandinavische Modell stand und steht in Deutschland nicht zur Debatte, und ich meine, auch deshalb nicht, weil es in der deutschen Politik zwar ein ständiges Gerede über Steuerreformen, aber kein ernsthaftes Herangehen an eine gerechte Steuerreform gibt. Hierzulande ging es immer nur darum, die kleinen Leute zur Kasse zu bitten und die großen Unternehmer und Maximalverdiener mit Steuergeschenken zu bedienen.

Die Tatsachen, die heute in allen Zeitungen stehen, die Pendlerpauschale zu kürzen, den Sparerfreibetrag zu verringern und das Kindergeld zu kürzen, sind doch ein einziger Skandal, und die jetzt geplante Reichensteuer ist zwar gut gemeint, aber eine Luftnummer.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Eine gerechte Steuerreform, die zudem Investitionen in Bildung in großem Umfang ermöglicht, ist das jedenfalls nicht. Die ersten Schritte auf dem Weg zu dieser verfehlten Steuerpolitik ging nicht die große Koalition unter Angela Merkel, sondern die abgewählte rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder. Seit dem Rücktritt Oskar Lafontaines hatte diese Regierung für eine Serie von Steuerreformen gesorgt, die allesamt zur Senkung der nominalen und effektiven Steuerlast geführt haben. Profitiert haben davon viele große Konzerne, die Banken und die Einkommensmillionäre. Die einfachen Arbeitnehmer, die Rentner – ich erinnere nur an die Ökosteuer –, Arbeitslosen und gering Verdienenden hatten davon nichts.

Seit dieser Zeit, meine Damen und Herren – Sie wissen es –, läuft die Debatte über die Steuer- statt die Beitragsfinanzierung des Sozialstaates. Die Steuerfinanzierung bedeutet unweigerlich höhere Steuern und eine deutlich höhere gesamtwirtschaftliche Steuerquote.

(Mario Pecher, SPD: Zum Thema!)

Das bedeutet aber nicht den Untergang, verehrter Herr Kollege, wie es hierzulande oft behauptet wird. Ganz im Gegenteil, das wäre ein Weg, wie er in Dänemark seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. Deutschland wurde hingegen, währenddem in Skandinavien eine Prosperität einsetzte, unter Rot-Grün zu einem Steuerparadies für Großunternehmen und Vermögensbesitzer und zu einem Land ohne Wirtschaftswachstum und mit fehlender Haushaltskonsolidierung. Investitionen – und über solche sprechen wir in dieser Debatte – gingen permanent zurück. Bildung und Wissenschaft sind zu einem Feld für wenige Prestigeobjekte und der Auseinandersetzung um die Pisa-Studie degradiert worden. Von dieser Kleinkariertheit, meine Damen und Herren, müssen wir uns ein für allemal verabschieden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Deshalb fordern wir Sie auf, neue Wege zu gehen. Versuchen Sie bitte in dieser Debatte wegzulassen, uns zu sagen, dass es so, wie wir es vorschlagen, nicht geht. Dass es so oder so nicht geht, interessiert uns nicht. Uns interessiert, wie es geht und wie es gehen kann. Lassen Sie uns darüber sprechen und den Worten Taten folgen. Heute werden wir selbstverständlich nicht alle diese aufgehäuften Probleme lösen können, aber wir könnten heute den ersten Schritt gehen. Lassen Sie ihn uns gemeinsam gehen und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Prof. Bolick.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Mattern, bei dem, was Sie hier erzählen, muss man sich am Stuhl festhalten.

Wenn wir unsere Schulen gebaut haben, wenn wir für unsere Universitäten Einrichtungen gebaut haben, natürlich auch der Straßenbau, unsere Krankenhäuser, dann geschah das nur, damit wir Aufträge für irgendwelche geldgierigen Unternehmer unters Volk bringen konnten? Man kann es sich wirklich nicht anhören. Die Republik spricht von der Schuldenfalle, das Bundesverfassungsgericht zweifelt an der derzeitigen Finanzverfassung, der Bund und eine Reihe von Ländern legen verfassungswidrige Haushalte vor, und dann kommt die Linksfraktion.PDS mit solch einem Blödsinn. Sie wollen im Prinzip den Schuldendeckel weiter anheben. Genau das wollen und können wir nicht. Erklären Sie das einmal den jungen Menschen; denn sie müssen diese Schulden, die Sie zusätzlich machen wollen, irgendwann bezahlen. Die weitere Aufweichung der Verschuldensgrenze unserer Verfassung ist das eigentliche Ziel der Linkspartei.PDS, um am Ende einen Staat zu erzeugen, der nicht mehr regierbar ist.

(Beifall des Abg. Alfons Kienzle, CDU)

Frau Mattern, Ihr Alternativhaushalt – ich habe es jedes Mal miterlebt, ich glaube, in der letzten Haushaltsdiskussion haben Sie schon keinen mehr vorgestellt – war ein Lacher. Sie hatten eine ganze Menge Ausgabenpositionen zusätzlich, aber keine Deckung dafür.

(Ingrid Mattern, Linksfraktion.PDS: Aber immer!)

Diese Bundesrepublik Deutschland ist schon mit 1,5 Billionen Euro bis über die Ohren verschuldet. Dabei sind die Pensionsansprüche der Beamten noch nicht einmal eingerechnet. Was wir brauchen, ist ein gesetzliches Verbot von Neuverschuldungen mit drastischen Sanktionen, wenn dies nicht eingehalten wird. Dieser Forderung unseres Ministerpräsidenten stimme ich voll zu und meine Fraktion selbstverständlich genauso. Wenn wir dieses Ziel erreicht haben, können wir uns ganz gemütlich darüber unterhalten, was wir mit dem angefallenen Geld machen können, aber ich glaube, wir haben genügend vernünftige Dinge, die finanziert werden müssen.

Die Aufweichung des haushaltsrechtlichen Investitionsbegriffs und die Anpassung an die neuen Herausforderungen – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Sind Sie ganz sicher, dass, wenn wir Bildung, Wissenschaft und

Forschung vernachlässigen, demnächst überhaupt noch Geld ins Land kommt?

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ihre Frage ist völlig falsch gestellt. Wir vernachlässigen weder Bildung noch Forschung noch sonst etwas, nur ordnen wir dies nicht den Investitionen zu. Ich hoffe, dass Sie unseren Haushalt kennen. Dort haben wir eine ganze Menge Geld im Bereich Bildung und Hochschulen eingestellt. Das negieren Sie wohl? Ich weiß überhaupt nicht, was das soll.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir treffen uns bei den Haushaltsberatungen wieder!)

Weit wichtiger als die theoretische Erwägung ist eine vernünftige Haushaltspolitik, und die hat unser Freistaat über Jahre gemacht. Wir haben in den Bereichen Bildung, Innovation, Wissenschaft und Forschung mehr investiert als viele andere neue Bundesländer. Das werden wir auch weiterhin tun. Ich kann Ihnen versichern, dass im Freistaat Sachsen seit Langem eine zukunftsfähige und zukunftsorientierte Bildungs- und Finanzpolitik gemacht wird. Wir geben für Bildung an unseren Hochschulen pro Kopf mehr aus als viele andere Bundesländer. Wir sind Spitze.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Haben Sie den Applaus gehört?)

Es sind leider nur wenige da.

Der Hochschulpakt, die bundesweit zweitbeste LehrerSchüler-Relation in Sachsen und eine umfangreiche staatlich geförderte Forschungslandschaft sind das Ergebnis sächsischer CDU-Politik, und das lassen wir uns von Ihnen nicht zerreden. Diese Diskussion ist überflüssig wie ein Kropf und erinnert mich an die Phantomdiskussion, die wir unter Ihrer SED zu DDR-Zeiten hatten. Dort wurde der so genannte produktive Bereich neu definiert. Am Anfang waren nur die Betriebe dem produktiven Bereich zugeordnet, später wollten alle möglichen Leute auch produktiv sein, natürlich die SED-Bezirksleitung, die SED-Kreisleitung, die SED-Stadtleitung, die SEDStadtbezirksleitung, die SED-Betriebsparteileitung, und die hauptamtlichen SED-Abteilungsparteiorganisatoren usw. usw.

(Widerspruch bei der Linksfraktion.PDS)

Natürlich erst recht das Politbüro und das Zentralkomitee usw. usw., natürlich, Herr Porsch, auch die Stasi, ist doch klar,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

und was sonst noch alles zum Aufbau des entwickelten Systems des Sozialismus gehörte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Und die CDU!)

Am Ende war alles produktiv, es gab nur noch einen Bereich, der nicht produktiv war.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das war die CDU!)

Das waren die Kirchen.

Mit dieser ganzen Produktivität ist die DDR

(Zuruf von der CDU:... zusammengebrochen.)

mit Pauken und Trompeten untergegangen. Und was ist übrig geblieben? Die Kirchen sind übrig geblieben.

(Beifall bei der CDU und Lachen bei der Linksfraktion.PDS)

Sehen Sie einmal, wie total schief Sie liegen. Wenn wir nach Ihren Ratschlägen gehen würden, würden wir wirklich auch Pleite gehen.

Würde Ihr Antrag wenigstens ein Fünkchen Seriosität beinhalten, dann würden Sie wenigstens vorschlagen, was wir dann herausnehmen, wenn wir schon den Investitionsbegriff umdefinieren. Aber nein, Sie wollen alles hineinnehmen.

Heute schon ist der Investitionsbegriff löchrig wie ein Schweizer Käse. Abschreibungen und Vermögensverkäufe werden beispielsweise überhaupt nicht berücksichtigt. Kauft der Innenminister – er ist nicht da –

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)