Protokoll der Sitzung vom 10.12.2004

Nein, Sie haben drei Minuten für das Schlusswort. Die haben Sie deutlich erreicht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Er muss doch eine Antwort geben können!)

Ich möchte aber diese Antwort – ich glaube das gehört dazu – noch geben.

Natürlich.

Das geht auch nicht von der Redezeit ab, Herr Präsident Hatzsch, das war Ihre Aussage. Herr Prof. Weiss, ich glaube – und so habe ich Sie vor 14 Tagen in einer Podiumssitzung kennen gelernt –, dass Sie immer Ihren Überzeugungen treu bleiben. Das sollten Sie auch tun. Aber Sie müssen auch zugestehen, dass wir als FDP und auch andere demokratische Parteien in diesem Landtag Dinge verändern wollen. Ich glaube, wir

sollten in der sich anschließenden Abstimmung unsere Stimme frei von jedem Fraktionszwang geben.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der PDS)

Das war das Schlusswort.

Meine Damen und Herren! Mir ist von der FDP-Fraktion signalisiert worden, dass sie um namentliche Abstimmung bittet. Dazu bedarf es sechs Unterstützer. Wer unterstützt den Antrag der FDP-Fraktion auf namentliche Abstimmung? – Es sind nur fünf von Ihnen anwesend. Der sechste kommt. Und es gibt auch hier Unterstützung. Damit ist dies in Ordnung.

Ich bitte einige Sekunden um Geduld. – Die Technik ist so weit.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf zur namentlichen Abstimmung über die Drucksache 4/0246 mit dem Titel „Öffnung von vollautomatischen Autowaschanlagen sowie Videotheken an Sonn- und Feiertagen“. Dies ist der Abstimmungsgegenstand. Jetzt kommt der namentliche Aufruf.

Namentliche Abstimmung in der 5. Sitzung am 10. Dezember 2004 über Drucksache 4/0246, beginnend mit dem Buchstaben M.

(Namentliche Abstimmung – Ergebnis siehe Anlage)

(Dr. Barbara Höll, PDS: Frau Präsidentin, ich möchte mein Abstimmungsverhalten erklären.)

Erst nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses.

(Kurze Unterbrechung)

Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen jetzt das Abstimmungsergebnis bekannt: Für den FDP-Antrag stimmten 23 Abgeordnete, mit Nein stimmten 77 Abgeordnete und zehn Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Jetzt bitte ich Frau Abg. Dr. Höll, ihre Erklärung zum Abstimmungsverhalten zu geben.

Frau Präsidentin! Da es ja doch ein weltbewegendes Thema ist, finde ich, es ist notwendig, dass Sie auch wissen, dass es von der PDS, wie Herr Gebhardt sagte, eine Mehrheitsmeinung gibt, aber auch eine Minderheitsmeinung. Herr Gerstenberg, Sie haben es vorhin nicht richtig mitbekommen, deshalb auch noch einmal speziell für Sie: Ich habe dagegen gestimmt, da ich meine, dass es ein altes Thema ist, das nur immer wieder versucht wird mit scheinbar neuen Argumenten zu bedienen. Gestern waren es die Sonntagsbrötchen, heute ist es die Videothek, morgen – – Von mir werden Sie keinen Vorschlag hören, weil ich nicht dafür bin.

Vielleicht sollte der Landtag sonntags tagen, denn ich meine, am Sonntag haben ja die Menschen auch wesentlich mehr Zeit, vielleicht die Debatten im Radio zu verfolgen, Dienstleister, die wir hier sind.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich denke, dass mit diesem Antrag nur die Illusion genährt wird, dass es durch eine weitere Erweiterung der Öffnungszeiten scheinbar für den Einzelnen leichter wird, das wirklich zum Teil schwieriger Werdende zwischen Erwerbsleben und Freizeitverhalten und damit die Privatsphäre unter einen Hut zu bringen. Ich halte das für eine Illusion, denn erstens mutet man damit wieder Menschen zu, dass sie selbst sich schwierigeren Bedingungen aussetzen, und zweitens halte ich den gesamten Weg für verkehrt, denn dies unterwirft wirklich alles nur noch dem Kriterium der Verwertbarkeit.

Ich bin zwar Atheistin, aber wenn man das gemeinläufig so sagt – sechs Tage schaffen, einen Tag zur Muße –, so hat sich der liebe Gott schon etwas dabei gedacht. Die Muße dient dann auch dazu – das muss man lernen –, wirklich zu genießen. Es ist eben etwas anderes, wenn ich mich auf einen Kinobesuch vorbereite, wenn ich mir vielleicht schon am Sonnabend überlegt habe, mir einen Film auszuleihen – es kostet auch nicht mehr, wenn man den über Sonntag hat – und diesen als Kunstgenuss zu genießen. Es geht hier nicht um eine Beschränkung individueller Entscheidungsfähigkeiten, sondern es geht darum, dass der Einzelne immer weiter gehindert wird, tatsächlich so zu leben, wie er möchte. Das liegt aber an der falschen Organisation des Erwerbslebens.

Lassen Sie uns deshalb lieber über eine Verkürzung von Arbeitszeiten diskutieren, über eine Einschränkung von Mobilitätsanforderungen. Es ist doch so, dass Menschen wirklich Zeit haben, auch innerhalb der Woche ihr Auto zu waschen – so dies ihr Herzenswunsch ist –, sonst lassen sie es eben noch eine Woche länger. Ich lehne das ab – andere Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, wie Frau Kipping, auch –, und daran wird sich auch in nächster Zeit nichts ändern. Ich denke, es ist wirklich eine grundsätzliche Frage, die so immer wieder auf der Tagesordnung steht.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch mein Abstimmungsverhalten erklären. Ich habe mich der Stimme enthalten. Das hat folgenden Grund: Es ist sicherlich widersinnig, wenn eine Tankstelle ohnehin besetzt ist, dass der Kassierer nicht die Chipkarte für die Waschanlage mit ausgeben kann. Aber wenn man das Wirtschaftsverständnis der Liberalen kennt, dann muss man auch wissen, dass es wirklich die Scheibchentaktik ist zu einer Sieben-mal-24-StundenWoche, und das 365 Tage im Jahr. Das, muss ich sagen, kann ich nicht mittragen, denn da geht wirklich etwas

an Kultur verloren, und da kann man nicht zustimmen. – Danke.

Gibt es weiteren

Erklärungsbedarf zum Abstimmungsverhalten? – Wenn das nicht der Fall ist, schließe ich diesen Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Schutz der menschlichen Gesundheit durch Reduzierung von Feinstaub (PM 10) an innerstädtischen Verkehrsachsen

Drucksache 4/0251, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Reihenfolge in der ersten Runde: GRÜNE, CDU, PDS, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile jetzt der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort. Herr Abg. Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, den wir hier einbringen, befasst sich mit einem der schwerwiegendsten aktuellen Probleme der Luftverschmutzung: Feinstaub, abgekürzt PM 10, Particulate Matter, mit einem Durchmesser bis zu 10 Mikrogramm je Kubikmeter – sehr klein, mit großen Wirkungen. Diese Partikel dringen sehr tief in die Lunge ein. Sie lösen chronischen Husten, Bronchitis, Herz-Lungen-Probleme und Lungenkrebs aus. Partikel führen zu einer Verkürzung der Lebenserwartung. Besonders betroffen sind alte Menschen und Kinder. Ich zitiere den Rat der Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Umweltgutachten 2004: „In Langzeitstudien zeigen sich konsistente statistische Zusammenhänge zwischen feinen, inhalierbaren Partikeln und Einschränkungen der Lungenfunktion, wie auch mit Atemwegssymptomen und Bronchitis. Des Weiteren konnten Effekte bei der vorgezogenen Gesamt- und kardiopulmonalen Sterblichkeit nachgewiesen werden.“ Dies bedeutet – für die, die mir hier zuhören, sage ich es ohne Fachchinesisch –: Feinstaub senkt nachweisbar die Lebenserwartung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 2002 geschätzt, dass in Europa hunderttausend Todesfälle mit den PM-10-Emissionen im Zusammenhang stehen. Die britische Regierung schätzt sogar, dass es deshalb in Großbritannien jährlich 24 000 Todesopfer zu beklagen gibt. Wer ist für die Feinstaubemission verantwortlich? Der Länderausschuss für Immissionsschutz, also das zuständige Fachgremium der Umweltministerkonferenz, gibt an, dass 45 bis 65 % der in Verkehrsnähe auftretenden PM-10-Spitzenbelastung vom Straßenverkehr verursacht werden. Hier ist es vor allem der Schwerverkehr, der für die Feinstaubentwicklung sorgt. Wie sieht es in Sachsen aus? Eine Untersuchung des Umweltamtes der Stadt Dresden hat ergeben, dass an jeder zweiten Hauptstraße im Stadtgebiet die Grenzwerte überschritten werden. Der ehemalige Präsident des Landesamtes für Umwelt und Geologie, Herr Prof. Kinze, hat 2003 für Sachsen die flächendeckende Überschreitung der Grenzwerte in Städten festgestellt. Wie ist die Rechtslage? Seit 1999 gibt es die so genannte Erste Tochterrichtlinie der EU; Umsetzungsfrist war 2001. Im September 2002 ist dann endlich die 22. Bun

des-Immissionsschutzverordnung erlassen worden. Der springende Punkt dabei ist, dass die Verordnung Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit vorsieht. Dies bedeutet, dass die Einhaltung der Grenzwerte von jedermann gerichtlich einklagbar und damit auch durchsetzbar ist. Dies hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 26. Mai 2004 möglich gemacht. Die Rechtslage hat es schon 2001 erfordert, Aktionspläne aufzustellen, um die Grenzwerte schon zu Beginn der Geltung am 1.1.2005 sicherzustellen. Obwohl also die Aufgabe seit langem bekannt ist, hat die Staatsregierung bisher nichts unternommen. Jetzt stehen wir vor diesem umweltpolitischen Scherbenhaufen, weil die herrschende Betonpolitik bewusst die Augen vor den Gesundheitsgefahren des Straßenverkehrs verschließt!

Auch auf Sachsen werden einschneidende Maßnahmen zukommen. Umweltverbände haben Klagen angekündigt und ich glaube, dass diese durchaus aussichtsreich sind.

Was wird passieren? Die Kollegen der CDU und der FDP – ich richte das jetzt vor allem an diejenigen, die anwesend sind, Herr Herbst – glaubten gestern den Vorschlag einer Kontingentierung des Schwerverkehrs auf der B 170 lächerlich machen zu können. Ich darf eine aktuelle Meldung einer für Sie sicher unverdächtigen Organisation, nämlich des ADAC, vom 30. November dieses Jahres zitieren: „In den Innenbereichen von Meran, Bozen, Brixen und Bruneck dürfen in der Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 1. April 2005 montags bis samstags von 07:00 bis 09:00 Uhr, von 12:00 bis 14:00 Uhr und von 17:00 bis 19:00 Uhr folgende Fahrzeuge nicht fahren: Benzin- und Dieselfahrzeuge, die vor dem 31.12.1994 zugelassen wurden, … Bei Feinstaubalarm wird das Fahrverbot auf den gesamten Tag ausgedehnt. Wenn an sieben Tagen in Folge der Grenzwert überschritten wird, dürfen alle Benzinfahrzeuge, die vor dem 31.12.1994 zugelassen wurden, sowie alle Dieselfahrzeuge mit Zulassung vor dem 31.12.2000 den innerstädtischen Bereich von 07:00 bis 19:00 Uhr nicht befahren. Dieses Verbot gilt so lange, bis die Konzentration an Feinstaubpartikeln den Grenzwert wieder unterschreitet.“ – So weit der ADAC.

Mit unserem Antrag wollen wir die Staatsregierung drängen, jetzt endlich die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erforderlichen Luftreinhaltepläne aufzustellen. Diese werden auch Verkehrsbeschränkungen vor allem für den Schwerverkehr enthalten müssen.

Unser Punkt 3 verlangt, dass die Staatsregierung neuen Straßenbau nur dann zulässt, wenn sichergestellt ist, dass die neue Straße die Grenzwerte nicht überschreitet.

Im Übrigen ist dies auch die Quintessenz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai. Dies ist eine weitgehende Forderung, aber sie ist die Konsequenz Ihres jahrelangen Säumnisses. Beispielsweise werden die Grenzwerte durch den Ausbau der Bergstraße in Dresden überschritten. Dies würde auch geschehen, wenn in Dresden die Waldschlösschenbrücke gebaut werden würde. Dann würden ausgerechnet am HerzKreislauf-Zentrum die Grenzwerte überschritten werden – also genau dort, wo die Menschen eigentlich von ihren Krankheiten, die durch diesen Schadstoff verursacht werden, geheilt werden sollten.

Zum Punkt 4. Baden-Württemberg hat im Sommer dieses Jahres in den Bundesrat einen Antrag eingebracht, der auf die Aufweichung dieser Grenzwerte abzielt. Wir möchten sicherstellen, dass Sachsen bei dieser schäbigen Geschichte nicht mitmacht.

Zum letzten Punkt. In der Wissenschaft ist es unstreitig, dass der noch kleinere Feinstaub PM 2,5 noch gefährlicher ist. Hier soll das sächsische Messnetz rechtzeitig darauf ausgerichtet werden.

Die überschäumende Aufmerksamkeit und Besetzung der Ränge bestärken mich in meiner Einschätzung, dass dieser Antrag von der Koalition sicherlich abgelehnt werden wird. Herr Staatsminister – Sie sind anwesend, ich danke Ihnen dafür –, ich möchte trotzdem gerne von Ihnen wissen – auch wenn Sie diesen Antrag ablehnen –, wie Sie denn jetzt schleunigst diese Gefahrenlage für die sächsische Bevölkerung abwehren wollen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte dennoch um Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der PDS)

Die CDU-Fraktion; Frau Abg. Windisch, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Volksmund sagt: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ Das macht wohl deutlich, dass zur Gesundheit – neben frischem Wasser, neben geprüften Lebensmitteln – auch saubere Luft gehört. Das ist für uns ein selbstverständliches Ziel. Die Maßnahmen zur Luftreinhaltung sind Umwelt-, Natur-, Klima- und Gesundheitsschutz in einem. Die Antragsteller haben in der Begründung selbst die Fortschritte seit 1990 benannt. Seit 1990 sind die Feinstaubemissionen in Sachsen um 80 % zurückgegangen. Aber – das haben wir auch feststellen müssen – der Rückgang stagniert und hat sich seit 2002 wieder leicht in die andere Richtung umgekehrt.

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