Protokoll der Sitzung vom 10.12.2004

Das mag ja alles sein. Aber wir sprechen hier über den öffentlichen Raum und wir sprechen über den Schutz der Sonn- und Feiertage.

Wir befürchten wie viele andere in diesem Land, dass Schritt für Schritt eine Aufweichung geschieht. Wir verkennen überhaupt nicht die wirtschaftlichen Belange

oder die wirtschaftlichen Zwänge, unter denen manche stehen. Deshalb erkläre ich jetzt sozusagen als Brücke für die, die auf der anderen Seite stehen und hier mehr den wirtschaftlichen Aspekt vertreten, dass man von uns nicht verlangen kann, dass wir in solch einer Überrumpelungsaktion einem Antrag zustimmen. Wenn wir uns dem Gedanken etwas weiter nähern wollen, dann brauchen wir hierzu eine gewisse Zeit. Ich sage, wir werden die Diskussion in unserer Fraktion auch fortsetzen, ohne dass ich jetzt erkläre, dass diese Diskussion unbedingt zu einem anderen Ergebnis führen muss. Aber sie ist damit nicht ein für alle Mal aus der Welt. Ich denke, dass das Thema irgendwann noch einmal diskutiert werden wird. Wir wissen ja, dass sich die Welt auch weiterentwickelt, und wir werden auch beobachten, wie sich andere Bundesländer verhalten.

Vielleicht helfen diese Ausführungen manchem dann doch, heute diesem Antrag der FDP nicht zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herr Prof. Porsch, PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hähle, ich muss mich schon wundern. Ich erinnere mich an Herrn Wirtschaftsminister Schommer, und wenn ich mich nicht falsch erinnere, gehörte er einer CDU-Staatsregierung an. Er war ein vehementer Vertreter der Aufhebung des Ladenschlusses, auch am Sonntag. Auch Herr Gillo war nicht frei von solchen Auffassungen. Gut, jetzt haben wir Herrn Jurk, der kann anderer Meinung sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Aber ich denke, hier geht es hinein in die Kartoffeln und heraus aus den Kartoffeln. Da habe ich den Verdacht, dass es um etwas anderes geht als um den Antrag der FDP in seinem Inhalt. Vielmehr geht es irgendwie um Auseinandersetzungen, für die es andere Begründungen gibt.

Jetzt ist von Ihnen das C in Ihrem Parteinamen bemüht worden, es ist von Herrn Schiemann und auch von Herrn Gerstenberg das Christentum bemüht worden. Allen Respekt davor! Damit habe ich überhaupt kein Problem.

Herr Prof. Porsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, sicher; denn Herr Gillo wird mir jetzt sagen, dass er doch für die Sonntagsschlusszeiten ist. Ich bin gespannt, wie er das in eine Frage kleidet.

Jetzt stellt Herr Dr. Gillo die Frage.

Ist Ihnen bekannt, dass ich in meiner Amtszeit immer für ein „6 × 24-Ladenschlussgesetz“ eingetreten bin?

Ja, das ist richtig.

(Dr. André Hahn, PDS: Sechs mal 24 Stunden!)

Sechs mal 24 Stunden. – Herr Gillo, meinen Sie nicht, dass das brutaler ist, als am Sonntag einen Laden aufzumachen, ihn aber nachts zuzuschließen?

(Beifall bei der PDS)

Also gut. Aber ich nehme das zur Kenntnis. – Mir geht es um etwas anderes und ich möchte Sie bitten, das, was ich jetzt sage, sehr ernst zu nehmen und auch mir zu unterstellen, dass ich es sehr ernst nehme. Denn natürlich ist mir der Sonntag auch in gewisser Weise heilig.

(Ach! bei der CDU)

Es ist der Tag für die Familie – Herr Lehmann, Sie können ja mal zuhören –, es ist der Tag der Muße. Ich weiß auch, da hat mal jemand sechs Tage hart gearbeitet und er fand, dass es gut war, was er zustande gebracht hat. Er musste sich dranhalten, denn es ward immer Abend und es ward Nacht und schon war der nächste Tag da. Da hat er für manches keine Zeit gehabt, aber er hat für viel Gutes Zeit gehabt und er hat am siebenten Tag nicht verkauft, was er geschaffen hatte. Insofern bin ich auch für Ladenschluss am Sonntag.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Aber er hat uns die Ruhe geboten, lieber Herr Hähle, und ich kann mir nicht vorstellen, dass göttliche Muße und göttliche Ruhe etwas mit tödlicher Langeweile zu tun haben, sondern es ist ein aktiver Prozess.

(Beifall bei der PDS)

Das heißt, wir haben mal Zeit für einen Film, wir haben mal Zeit für Kultur, ja, wir haben auch Zeit zum Spazierengehen, wir haben auch für andere Dinge Zeit. Aber wir haben auch Zeit, uns mal ein Video zu holen, es vielleicht mit der Familie anzuschauen. Wir sollten die Zeit nutzen, die Dinge, die in den sechs Tagen entstanden sind, zu nutzen und zu pflegen. Daran finde ich überhaupt nichts Schlimmes und auch nichts Antichristliches.

Wenn ich am Sonntag auf den Rummel gehen kann, wenn ich am Sonntag zum Bundesligaspiel gehen kann, dann verstehe ich nicht, warum ich nicht in die Videothek gehen darf. Das ist der Punkt. Ich muss nicht ins Kaufhaus gehen und mir einen Anzug oder einen Hut kaufen. Das kann ich auch ein andermal. Aber meine Muße, meine Freizeitgestaltung gerade am Sonntag ordentlich hinzubekommen, das Recht möchte ich gern in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der PDS und der FDP – Frau Dr. Gisela Schwarz, SPD: Dazu brauchen Sie ein Video?)

Wir sind in der zweiten Runde der allgemeinen Aussprache. Gibt es weiteren Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum Schlusswort. Dieses hat die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten heute Vormittag darüber gesprochen, dass die sächsische Industrie auf Wachstumskurs ist. Wir hatten die Meinungen ausgetauscht. Die Meinung der FDP-Fraktion ist, dass, wer Wachstum will, dieses Wachstum auch fördern muss. Der Antrag der FDP-Fraktion beinhaltet in seinem Kern, dass wir die Staatsregierung auffordern, die rechtlichen Grundlagen für das Betreiben von vollautomatischen Waschanlagen und Videotheken an Sonn- und Feiertagen zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen. Wenn man sich überlegt, dass auf einen Schlag, ohne zusätzliche Investitionen, 250 Arbeitsplätze geschaffen werden, so denke ich, dass das ein Vorschlag ist, dem man folgen kann.

Ich glaube, Herr Hähle, dass Ihre Fraktion hier nicht das Sachthema in den Vordergrund stellt, sondern es – wie es Prof. Porsch ausgeführt hat – um andere Dinge geht, dass nämlich ein vernünftiger Vorschlag der Oppositionsparteien zur Abstimmung steht. Ich glaube, Sie sollten diesem Vorschlag auch deshalb folgen, weil wir damit dem sächsischen Mittelstand ein Stück Entscheidungsfreiheit zurückgeben können.

Sie könnten sagen, dass die Betreiber von Videotheken und automatischen Waschanlagen nicht zum traditionellen Rückgrat der sächsischen Wirtschaft gehören. Das ist sicherlich richtig, aber es ist ein Teil des Mittelstandes. Es sind zum großen Teil inhabergeführte Unternehmen. Ich glaube, man sollte diesen Unternehmen die Entscheidung überlassen, ob sie am Sonntag ihr Geschäft öffnen oder nicht.

Ich möchte nun zu dem Statement von Herrn Schiemann kommen. Bei Ihrer Aussage habe ich das Gefühl, dass Sie die Öffnung von vollautomatischen Waschanlagen zur Verfassungsfrage hochstilisieren. Es gibt keinen weiteren Personalbedarf. Die Tankstelle hat sowieso geöffnet. Ich glaube, dass man hier dem Antrag folgen kann.

Zur SPD, Herr Brangs: Ihre Partei hat 1996 selber einen Antrag gestellt. Ich darf kurz zitieren: „Die Staatsregierung wird ersucht, das Betreiben vollautomatischer Waschanlagen auch an Sonn- und Feiertagen zu ermöglichen.“ Die Begründung möchte ich mir hier ersparen, aber sie liest sich gut.

(Beifall bei der FDP und der PDS)

Dieser Antrag ist damals genauso abgelehnt worden, wie es unserem Antrag heute wahrscheinlich passiert.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben 1993 eine Kleine Anfrage eingereicht. Diese Anfrage hatte zum Inhalt, dass die Videotheken an den Sonntagen geöffnet haben sollten.

(Zuruf von der FDP: Hört, hört!)

Als Neuling in diesem Parlament bin ich etwas irritiert. Ich möchte an Sie appellieren, Herr Hähle und Herr Prof. Weiss. Sie haben gestern – und das ist keine

24 Stunden her – ein eindrucksvolles Bekenntnis abgegeben, dass Sie mit den demokratischen Oppositionsparteien zusammenarbeiten wollen, und zwar konstruktiv. Ich bitte Sie einfach, das als Lackmustest Ihrer gestrigen Aussage zu sehen. Wenn Sie bereit sind, diesem Antrag zuzustimmen, würde ich sehen, dass hier konstruktiv mit den demokratischen Oppositionsparteien zusammengearbeitet wird.

(Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Schmalfuß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Geht das von meiner Redezeit ab?

Nein, das geht nicht von Ihrer Redezeit ab.

Herr Prof. Weiss.

Verstehen Sie im Ernst unter konstruktiver Zusammenarbeit, dass ich meine Überzeugung aufgebe?

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wir sind alle in diesem Parlament unserem Gewissen verpflichtet. Wenn diese Freigabe Ihre Überzeugung ist – –

Herr Schmalfuß, kommen Sie langsam zum Ende. Das geht nicht von Ihrer Redezeit ab, aber – –

Also geht es doch von der Redezeit ab!

Nein, Sie haben drei Minuten für das Schlusswort. Die haben Sie deutlich erreicht.