Entschuldigung! – Ihre ganzen Ausführungen haben mich eigentlich in der Einschätzung bestätigt, dass Sie die Rechtslage bis heute bewusst nicht zur Kenntnis genommen haben. Ich habe deswegen in meinem Redebeitrag versucht, das etwas genauer auszuführen.
Die Ursprungsrichtlinie ist von 1996, die so genannte Mutterrichtlinie. Die Tochterrichtlinie ist von 1999. Sie ist auch 1999 veröffentlicht worden. Dort stand drin: Im Jahre 2001 – wenn Sie es genau wissen wollen, am 19. Juli 2001 – läuft die Umsetzungsfrist für Deutschland ab. Das heißt, Sie wussten, dass spätestens ab dem 20. Juli 2001 Handlungsbedarf da ist. Das ist jetzt mehr als drei Jahre her. Deswegen kann ich das Argument – es ist auch vom Herrn Staatsminister gekommen – in keiner Weise akzeptieren.
Es ist natürlich jetzt schwierig, in diesem Haus Rechtsfragen hin- und herzuwälzen. Sie wissen ja, bei Juristen gibt es immer Streitigkeiten. Das ist jetzt nicht nur meine Meinung, sondern zum Beispiel auch die von Herrn Jarass, der ein bekannter Immissionsschutzrechtler ist. Es ist völlig eindeutig: Die Pflicht zur Aufstellung von Aktionsplänen tritt schon vor dem 1.1.2005 ein, um eben zum 1.1.2005 die Grenzwerte bereits einzuhalten. Von daher kann ich Ihnen weiterhin den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie über Jahre die Situation ausgesessen haben, dass Sie nicht handeln wollten. Deswegen ist Ihre jetzige Intervention und Darstellung schlicht und ergreifend nicht glaubwürdig.
Die Unglaubwürdigkeit Ihrer Darstellung zeigt sich insbesondere darin, dass Sie jetzt, wo Sie handeln müssen, im Bundesrat die Grenzwerte schnell wieder aufweichen wollen. Das halte ich nicht für eine fortschrittliche und zukunftsgerichtete Umweltpolitik für Sachsen.
Sie haben die Ferntransporte angesprochen, Herr Staatsminister hat es auch getan. Nach meiner Kenntnis liegt die Hintergrundbelastung ungefähr zwischen 20 und 25 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Grenzwert für den Jahresmittelwert liegt bei 40 und der Tagesmittelwert bei 50, der nur 35-mal im Jahr überschritten werden darf. Das heißt, der größte Teil ist eben eindeutig auf hausgemachte Probleme zurückzuführen. Deswegen nützt es nichts, jetzt auf Ferntransporte – meinetwegen aus Tschechien oder sonstwoher – zu verweisen.
Zur Frage PM 2,5: Frau Kollegin Windisch, sehr schön! Wir haben drei Messstellen, ich weiß das. Aber so viel ich weiß, ist zum Glück das sächsische Messnetz wesentlich engmaschiger: Ich glaube, wir haben 35 Dauermessstellen in Sachsen. Genau darum geht es: dass wir der Meinung sind, dass das Netz tatsächlich ausgedehnt werden sollte.
Sie haben davon gesprochen, Frau Kollegin Windisch, dass durch den Autobahnbau jetzt diese Probleme bewältigt werden könnten. Sie haben dabei auch die Bergstraße genannt. Die Bergstraße in Dresden – ich kann es Ihnen leider nicht ersparen – ist ein Autobahnzubringer zur Autobahn A 17. Dort, entschuldigen Sie, kenne ich die Situation sehr gut, weil ich die Gelegenheit hatte, genau diesen Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht zu vertreten.
Dort ist unter anderem das Ingenieurbüro Lohmeier aufgetreten, das führend ist in der Prognostik in dieser Frage.
Die haben sogar davon gesprochen, dass die Grenzwerte, die dort ausgewiesen worden sind, wesentlich zu niedrig sind. Das liegt daran, dass seit 2004 das Handbuch der Emissionsfaktoren erneuert worden ist und sich dadurch in der Berechnung wesentlich höhere Werte ergeben.
Ich bedanke mich bei den Leuten, die mir zugehört haben, und bitte trotzdem, dem Antrag zuzustimmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich stelle nun die Drucksache 4/0251 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf
Zurückstellung der Genehmigung von Strompreiserhöhungen in Sachsen bis zur Aufnahme der Tätigkeit einer Bundesregulierungsbehörde für Elektrizität
Die PDS beginnt, danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Frau Abg. Kipping, ich erteile Ihnen jetzt das Wort.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer im zügellosen Wettbewerb ein Allheilmittel gegen Preiserhöhungen sah, wird durch die Bilanz der Energiemarktliberalisierung eines Besseren belehrt.
Als 1998 die Liberalisierung des Strommarktes so richtig zum Zuge kam, hofften viele auf eine deutliche Reduzierung der Strompreise. Der damalige sächsische Wirtschaftsminister sprach sogar von einer 30-prozentigen Reduzierung der Strompreise. Doch die Bilanz sieht anders aus.
Eine Elefantenhochzeit der Stromkonzerne jagte die andere. Inzwischen liegen 80 % der deutschen Stromerzeugung bei nur vier Unternehmen. Von Wettbewerb kann da wohl keine Rede mehr sein. Die Gewinne sprudeln. So stieg der Betriebsgewinn des führenden deutschen Stromerzeugers, RWE, im ersten Halbjahr 2004 um 13 % auf 3,3 Milliarden Euro.
Die Monopolkommission betrachtet in ihrem 15. Hauptgutachten 2002/2003 diese Entwicklung in der Elektrizitätswirtschaft mit großer Sorge. Ich zitiere aus der Kurzfassung des Berichts: „Auf der Großhandelsebene haben die horizontalen Konzentrationsprozesse zu einem wettbewerbslosen Oligopol geführt. Durch die vertikalen Beteiligungen an Stadtwerken, die den Verbundunternehmen den Absatz sichern, werden die Strommärkte gegen den Marktzutritt Dritter weiter abgeschottet.“ An
ders würden wir demokratischen Sozialisten die Situation in der Stromwirtschaft auch nicht beschreiben.
Von einer spürbaren Preisminderung kann ja wohl auch nicht die Rede sein. Nach den Erhebungen des Europäischen Statistikamtes verringerten sich die Strompreise für private Haushalte von 1998 bis 2000 bei uns in Deutschland gerade einmal um 5 %. 2003 lag der Strompreis rund 20 % über dem Durchschnitt der alten 15 EULänder. Nach der Erhebung von Eurostat für 2004 haben wir in Deutschland von den Ländern der heutigen EU die dritthöchsten Strompreise für private Haushalte überhaupt. Nur in Italien und Portugal sind die Preise höher.
Ich gestatte mir eine Einfügung. Herr Kollege Lämmel von der CDU-Fraktion fiebert bestimmt schon wieder darauf, uns in seinem Redebeitrag auf die preistreibende Wirkung der Ökosteuer hinzuweisen. Deshalb sei für Sie, Herr Lämmel, vermerkt: Das Statistische Amt der EU erhebt die Strompreise ohne Steuern.
Alle sächsischen Energieunternehmen haben inzwischen beim zuständigen Ministerium eine Strompreiserhöhung angezeigt. Der Freistaat muss nun Farbe bekennen, ob er auf der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher oder auf der Seite der Stromriesen steht.
Angesichts der vielen Preiserhöhungen, mit denen jetzt die Leute konfrontiert sind, sei es im Gesundheitswesen, sei es bei der Bahn, trifft die Preiserhöhung bei Strom die einkommensschwächeren Haushalte besonders hart. Vielleicht wirkt in so mancher Haushaltskasse diese Preiserhöhung wie der berühmte Tropfen.
Hinzu kommt – und das ist für mich das eigentliche Kriterium –, dass die angezeigten Strompreiserhöhungen
mitnichten auch nur irgendwie sachlich begründet sind. Da werden als erster Grund die gestiegenen Brennstoffpreise angeführt, also die Preise für Erdgas und Erdöl seien daran schuld. Aber die Brennstoffkosten machen nun einmal nur einen geringen Prozentsatz der gesamten Energiekosten aus. Lediglich 18 % des Strompreises sind überhaupt auf die Stromerzeugung zurückzuführen. Der Rest geht für Gewinne, Steuern und Netzdurchleitungsgebühren drauf.
Von diesen 18 % Stromerzeugungskosten macht aber wiederum nur ein Drittel den Brennstoffpreis aus, also die Kosten für Erdgas und Erdöl, so dass man sagen kann: Überhaupt nur 6 % der Energiekosten sind vom Brennstoffpreis und damit den Weltmarktpreisen für Erdgas und Erdöl abhängig.
Besonders hanebüchen wird es dann, wenn die erneuerbaren Energien als Sündenbock für Preistreiberei herhalten müssen. Der Vorsitzende des Verbandes für Erneuerbare Energien weist zu Recht darauf hin, dass aufgrund des schwachen Windaufkommens in den letzten zwei Jahren die Konzerne den Verbrauchern rund 500 Millionen Euro zu viel für die Einspeisung erneuerbarer Energien berechnet haben.
Ernst zu nehmen ist der dritte Grund, der angeführt wird: die hohen Netznutzungsentgelte. Diese drücken die monopolistisch organisierten Netzbetreiber den Stadtwerken einfach aufs Auge. Die Stadtwerke glauben dann keine andere Wahl zu haben, als diesen Druck an die Verbraucher in Form von Strompreiserhöhungen weiterzureichen. Insofern verkennen wir nicht, dass unser Anliegen die kommunalen Stromversorger, also die Stadtwerke, zumindest zeitweilig in eine gewisse Bedrängnis bringen kann.
Aber wir meinen, dass der Druck, den die Monopole auf die Stadtwerke ausüben, eben nicht an die Verbraucher weitergereicht, sondern zurückgewiesen werden sollte. Die neue Regulierungsbehörde, die auf Bundesebene angedacht ist, wird hier zukünftig gefragt sein. Bei der Debatte im Bundestag waren sich im Übrigen die verschiedenen Parteien darüber einig, dass es eine Aufgabe dieser Regulierungsbehörde sein wird, unredliche Preiserhöhungen bei den Netznutzungsentgelten zu unterbinden. Man plant die Einrichtung einer solchen Regulierungsbehörde, die sämtliche Strompreiserhöhungen zukünftig von vornherein, also ex ante, prüfen soll. Bei der Debatte im Bundestag wurde auch deutlich, dass angedacht ist, sämtliche Strompreiserhöhungen, die in den letzten Monaten, etwa seit 1. August dieses Jahres, vorgenommen wurden, im Nachhinein, also ex post, zu prüfen, also nachträgliche Missbrauchsverfahren durchzuführen.
Die Verbraucherzentrale Sachsen rät allen, die höhere Strompreise bezahlen müssen, ihre Stromrechnungen nur unter Vorbehalt zu bezahlen, damit später die Möglichkeit besteht, auf Rückzahlung zu klagen. Stellen Sie sich vor, die Anträge auf Strompreiserhöhung werden nicht zurückgestellt, die Strompreiserhöhung findet statt, die dann in Bälde eingerichtete bundesweite Regulierungsbehörde stellt ex post fest, dass die Strompreiserhöhung rechtswidrig war, nicht begründet war. Was passiert
dann? Dann stehen Rückzahlungen an. Das ist im Übrigen für die Stadtwerke, die sich dann schon auf die höheren Preise eingerichtet haben, nicht besonders gut.
Herr Jurk, ich möchte Sie auffordern: Stellen Sie angesichts der bevorstehenden bundesweiten Regelung alle Anträge der Energieunternehmen auf Strompreiserhöhung zurück! Damit helfen Sie, ein möglicherweise drohendes heilloses Durcheinander sowohl in den Portmonees der Verbraucher als auch in den Kassen der Energieunternehmen und vor allen Dingen juristische Flickschustereien im Nachhinein zu vermeiden.
Mit unserem Antrag gehen Sie auch kein Risiko ein. Das zeigt ein Blick nach Bayern. Dr. Wiesheu, der bayerische Wirtschaftsminister, charakterisierte im Bundesrat die Situation wie folgt – ich zitiere –: „Die angekündigten Strompreiserhöhungen sind wirtschaftspolitisch problematisch und in ihrer Begründung nicht überzeugend. Das wird schon daran deutlich, dass einige Unternehmen auf die öffentliche und politische Kritik hin in Aussicht gestellt haben, angeblich unabweisbare Preiserhöhungen nicht in vollem Umfang oder jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt vorzunehmen.“
Meine Damen und Herren, wir können damit rechnen, dass sich der Widerstand der Energieunternehmen gegen eine Zurückstellung der Anträge sowieso in Grenzen halten wird. Im Übrigen hat man in Bayern in puncto Strompreiserhöhungen mehrmals eingegriffen. Die Zuständigen in Bayern begründen das vor allem wirtschaftlich. Da verweist man auf die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die unter den höheren Strompreisen ebenfalls zu leiden hätten.