Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Das ist völlig normal. Hier geht es nicht um Sonderrechte, um das gleich von Anfang an klarzustellen,

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

weil immer wieder auf derselben Schiene versucht wird, hintenherum, durch die Verwendung von kleinen Wörtchen am Rande, das Ding genau auf die Gleise zu schieben, auf die Sie es hinhaben wollen, auf die Gleise, auf denen sich nachher der „Reichssonderzugführer“ Leichsenring austoben kann. Das ist mit uns nicht zu machen. Wir passen da auf.

Meine Damen und Herren, die jüdischen Gemeinden leisten wertvolle Beiträge zur Integration ihrer zugewanderten Mitglieder. Sie bereichern das kulturelle Leben in den Städten und sie wirken in umfangreicher Weise insbesondere sozial bei der Betreuung zum Beispiel von älteren Gemeindemitgliedern. Das begrüßen wir und deswegen stimmen wir auch der vorgesehenen Anhebung der jährlichen Dotation ausdrücklich zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich Herrn Gansel auf die Sprünge helfen. Ich zitiere aus dem Protokoll des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses: „Im Ergebnis der Beratung, in die die Äußerungen des Haushalts- und Finanzausschusses einbezogen wurden, empfiehlt der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss dem Landtag mit 16 : 0 : 0 Stimmen“

(Holger Apfel, NPD: Weil er demonstrativ gar nicht abgestimmt hat!)

„die Annahme des Gesetzentwurfes der Staatsregierung.“

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Karl Nolle, SPD: Lügner!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sächsische Verfassung sieht in Artikel 109 Abs. 2 Satz 3 ausdrücklich vor, dass die Beziehungen zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften durch Vertrag geregelt werden. Herr Dr. Martens hat schon darauf hingewiesen, dass das nicht nur die jüdischen Gemeinden betrifft, sondern auch alle anderen in Sachsen in nennenswerter Zahl vorhandenen Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt ausdrücklich, dass jetzt eine Fortschreibung des Vertrages von 1994 vorliegt, der die Dotationen für die jüdischen Gemeinden im Freistaat neu festlegt.

Im Schlussprotokoll dieses Staatsvertrages von 1994 hatten die Vertragsschließenden einvernehmlich festgehalten, dass diese Dotationen alle zehn Jahre überprüft und neu festgelegt werden sollten. Dabei sollten der Finanzbedarf des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden

sowie der Gemeinden selbst und die Haushaltslage des Freistaates Sachsen die Grundlage sein.

Im Vorblatt zu der uns heute vorliegenden Vertragsänderung heißt es, dass die Dotation nach nunmehr zehnjähriger Laufzeit neu festgelegt werden soll. Der Vertrag ist vom Sommer 1994. Die zehn Jahre sind also längst abgelaufen. Der jetzt vorliegende Entwurf datiert vom Februar dieses Jahres.

Mittlerweile, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht manchen Gemeinden das Wasser bis zum Hals. Sie sind schon seit geraumer Zeit auf höhere Zahlungen des Freistaates angewiesen. Wir haben es gehört und wissen, wie sich die Mitgliederzahlen der Gemeinden entwickelt haben. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ja ein Prozess. Deshalb steigen die Kosten für die umfängliche Arbeit der jüdischen Gemeinden seit Jahren. Der Gesetzentwurf liegt uns erst heute vor. Ursprünglich hatte der Landesverband im November 2003 eine stärkere Erhöhung der Dotationen angemahnt. Der nun vereinbarte Betrag orientiert sich am Bundesdurchschnitt der Länderzuweisungen. Dabei wurde eine mittelfristige Erhöhung der Mitgliederzahl um 130 Mitglieder einbezogen.

Die Situation der jüdischen Gemeinden in Sachsen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wohl mit der in den anderen ostdeutschen Bundesländern vergleichbar, keinesfalls aber mit der in den alten Bundesländern. Die jüdischen Gemeinden in den alten Bundesländern sind in einem ganz anderen Kontext entstanden; denn in den fünfziger Jahren haben sich jüdische Bürger zum Teil entschlossen, nicht nach Israel auszuwandern, sondern in Deutschland zu bleiben. Diese Menschen haben jüdische Gemeinden neu begründet oder aber belebt. Die Zusammensetzung der Gemeinden in den alten Bundesländern ist deshalb eine völlig andere als in Sachsen, und auch die Finanzausstattung ist eine andere. Bei den Gemeinden in Sachsen spielen sowohl Rückübertragungen von Immobilien und Grundstücken als auch Entschädigungsleistungen infolge der Nazidiktatur keine Rolle. Sie sind deshalb viel stärker auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Wir sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass die jüdischen Gemeinden in Sachsen sehr viel zur Integration von Familien und Menschen beitragen, die aus Ost- und Südosteuropa zu uns kommen. Diese Integrationsleistungen sind für die Gemeinden wesentlich schwieriger zu leisten, da diese ursprünglich – also im Jahr 1994, als der Vertrag zum ersten Mal aufgesetzt wurde – sehr klein waren.

Unsere Fraktion erwartet, dass diese Überlegungen bei der zukünftigen Anpassung der Dotationen eine Rolle spielen und dass diese Anpassungen rechtzeitig vorbereitet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind nichtsdestotrotz froh, dass uns dieses Gesetz heute vorliegt und nach der Verabschiedung im Landtag ratifiziert werden kann. Die jüdischen Gemeinden in Chemnitz, Leipzig und Dresden gehören zum religiösen und kulturellen Leben in Sachsen und in ihren Kommunen. Dies macht uns froh, und die weitere Entwicklung dieser Gemeinden ist für uns

alle ein Gewinn und sollte von uns allen unterstützt werden – gerade auch, wenn wir wieder die Ausfälle von Rechts gehört haben.

Das vorliegende Gesetz gibt dieser Entwicklung eine Grundlage, und deshalb werden wir ihm zustimmen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Wenn dies nicht der Fall ist, bitte ich die Staatsregierung, das Wort zu nehmen. Herr Staatsminister Mackenroth, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab eine Bemerkung zu dem wieder einmal unsäglichen Beitrag des Vertreters der NPD-Fraktion: Der unerträgliche Hinweis auf jüdisches Geld war nicht nur blanker Antisemitismus, sondern der Beitrag hat insgesamt gezeigt, dass der Vertreter der NPD-Fraktion das Wesen unserer repräsentativen Demokratie nicht verstanden hat oder nicht verstehen will.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Jürgen Gansel, NPD: Wir wollen eine Demokratie!)

Dass Ihnen dieses System nicht gefällt, kann ich nachvollziehen, verfügt doch ausschließlich unsere wehrhafte Demokratie über das Instrumentarium, mit dem Ihnen Ihre Grenzen gezeigt werden können, und das ist gut so.

Zur Sache. Am 23. Juni 1994 – der Abg. Schiemann hat darauf hingewiesen – haben diejenigen von Ihnen, die bereits dem 1. Sächsischen Landtag angehörten, dem Staatsvertrag des Freistaates mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden zugestimmt. Dieser Staatsvertrag sieht vor, dass die Staatsleistungen jeweils alle zehn Jahre überprüft und neu festgelegt werden. Die Staatsregierung hat deshalb mit dem Landesverband seit Mitte des Jahres 2004 Verhandlungen geführt, und am 17. Januar 2006 haben der Ministerpräsident, der Vorsitzende des Landesverbandes sowie die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden in Dresden, Leipzig und Chemnitz den von mir ausgehandelten Änderungsstaatsvertrag unterschrieben.

Dass es sich gelohnt hat, Herr Prof. Porsch, die Verhandlungen auch über einen etwas längeren Zeitraum sorgfältig zu führen, und dass wir dabei zu einem für alle Beteiligten angemessenen Ergebnis gelangt sind, zeigt nicht zuletzt das hohe Maß an Zustimmung, welches der Gesetzentwurf in den Ausschüssen dieses Hauses gefunden hat. So haben der federführende Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss dem Gesetzentwurf einstimmig und der Haushalts- und Finanzausschuss mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Möglicherweise

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

war dort der Vertreter der NPD etwas wachsamer als in unserem Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss.

Dies unterstreicht, dass es uns gelungen ist, insbesondere auch in haushaltspolitischer Hinsicht zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen. Die Zuwendungen an die Gemeinden erhöhen sich um etwa ein Drittel. Dem steht jedoch nahezu eine Verzwölffachung der Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinden im Freistaat gegenüber. Vor diesem Hintergrund erscheint die Höhe der Dotation, die im Gegensatz zur bisherigen Regelung nunmehr auch die Zuwendungen für den Landesrabbiner einschließt, als sachgerecht und finanzpolitisch vertretbar.

Aber die Dotation ist nun wahrlich nicht das Entscheidende an diesem Vertrag. In ihm haben wir zudem einvernehmlich nicht nur ein Prüfungsrecht des Rechnungshofes verankert, sondern auch eine Regelung, wonach der Landesverband den Freistaat von Forderungen möglicherweise neu entstehender Gemeinden freistellen wird. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass mögliche Gründungen weiterer Gemeinden keine finanziellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben werden. Diese im Ergebnis der Verhandlungen ebenfalls einvernehmlich getroffenen Regelungen haben für alle Seiten Rechtssicherheit und Berechenbarkeit geschaffen.

Meine Damen und Herren! Der geänderte Staatsvertrag bildet damit eine tragfähige Grundlage für die weitere aktive Gestaltung jüdischen Lebens im Freistaat Sachsen. Darüber freue ich mich. Ich danke dem Landesverband und den einzelnen jüdischen Gemeinden für das Engagement, mit dem sie sich in den letzten Jahren nicht zuletzt der Aufnahme und der Integration der jüdischen Zuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion gewidmet haben.

Obgleich dies auch für die eigenen, internen Strukturen zahlreiche neue Herausforderungen mit sich brachte, haben die jüdischen Gemeinden in Sachsen den Zuwanderern immer wieder deutlich gemacht, dass sie in unserem Land willkommen sind, und sie bei der Entfaltung ihres religiösen, kulturellen und sozialen Lebens unterstützt. Vor diesem Hintergrund kommt der Tätigkeit der Gemeinden nicht nur in religiöser, sondern auch in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht eine wichtige Bedeutung zu. Sie bereichern unsere sächsische Kultur und unser sächsisches Leben.

Ich wünsche dem Landesverband und den jüdischen Gemeinden weiterhin viel Erfolg bei ihren vielfältigen Aktivitäten. Sie werden mit der Gestaltung des jüdischen Lebens in Sachsen auch künftig einen wichtigen, entscheidenden Beitrag dazu leisten, das Bild eines modernen und weltoffenen Freistaates in die Welt zu tragen.

Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache zu dem Gesetzentwurf abgeschlossen. Wir kommen nun zu den Einzelberatungen. Ich frage, ob der Berichterstatter des Ausschusses, Herr Weichert, das Wort nehmen möchte. – Dies ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu beraten. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Dies ist nicht der Fall; dann werden wir es so durchführen.

Aufgerufen ist das Gesetz zum Vertrag zur Änderung des Vertrages des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses, Drucksache 4/5399.

Wir stimmen nun über die Überschrift ab. Wer der Überschrift zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dagegen ist der Überschrift zugestimmt worden.

Ich lasse abstimmen über Artikel 1. Wer dem Artikel 1 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Gleiches Abstimmungsverhalten, damit Zustimmung.

Ich lasse abstimmen über Artikel 2 der Beschlussempfehlung. Wer dem Artikel 2 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Gleiches Abstimmungsverhalten. Dem Artikel 2 ist damit zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren! Damit ist die 2. Beratung abgeschlossen. Da es keine Änderungsanträge gegeben hat, stelle ich nun den Entwurf Gesetz zum Vertrag zur Änderung des Vertrages des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in der in 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer dem Entwurf des Gesetzes seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dagegen ist dem Entwurf zugestimmt und dieser damit als Gesetz beschlossen worden.

Der Tagesordnungspunkt 1 ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

2. und 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Abwasserabgabengesetz

Drucksache 4/4556, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD