Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Teile zum 01.01.2008, der Rest zum 01.07.08. Meine Damen und Herren, das ist alles reichlich unbefriedigend.

Vor allem ist hier kein Wort zu der Frage gefallen: Wann und in welcher Form gedenkt die Staatsregierung das Parlament und dabei a) die Mitglieder der Koalitionsfraktionen und b) den unbedeutenden Rest zu unterrichten?

Und dann schließlich: In welchem Zeitraum und bei welcher Gelegenheit möchte die Staatsregierung ihre Vorschläge in Gesetzesform beschlossen haben?

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Ist alles gesagt worden!)

Herr Hähle, Sie wissen da natürlich mehr als wir.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Nein, nein!)

Aber das ist bisher nicht klar. Hier ist alles im Unklaren geblieben, welche Köche welchen Brei anrühren oder ob der Brei nur verdorben wird. Wie heiß dort tatsächlich gekocht wird, das ist bisher nicht klar. Eines ist vor allem nicht klar: Wer ist hier Koch und wer ist Kellner?

(Beifall bei der FDP)

In dem ganzen Durcheinander, meine Damen und Herren – deshalb hatten wir den Antrag gestellt –, hatten wir die vielleicht etwas naive Vorstellung, dass wenigstens einer den Durchblick hat, das ist der „chef de cuisine“, der Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt, der leider abwesend ist.

Gerade eben ist wieder vom Staatsminister gesagt worden, dass die Verwaltungsreform wunderbar im Plan sei, und der Stand vom 19. Juni wurde vorgetragen. Nach mir werden Redner der Koalition vortreten und mitteilen, dass diese Verwaltungsreform ein Musterbeispiel für einen eisernen Reform- und Gestaltungswillen der Koalition sei und die historische Gestaltungsmacht der Koalition ausdrücke und dass alles nach Plan laufe.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Das weiß ich, Herr Brangs, Sie halten es mir schon entgegen.

Bisher, meine Damen und Herren, musste ich dem widersprechen. Bei dem, was wir bisher gesehen und gehört haben, ist nix Gestaltung, wenig Wille und vielleicht unter Umständen nicht einmal ein Plan vorhanden. Die Funktionalreform, lassen Sie mich dies sagen, ist bisher nur in Umrissen deutlich geworden, zum Beispiel beim Aufgabenverzicht: Die Kleine-Kommission hatte Vorschläge unterbreitet, die sich jetzt so ähnlich in dem wiederfinden, was Stand 19. Juni ist. Sehr viel mehr ist jedoch nicht hinzugekommen – im Gegenteil, es ist eher etwas weggekommen. Ob man sich dafür diese Zeit nehmen musste, die seitdem verstrichen ist, ist eine berechtigte Frage.

Am 31.03.2006 waren es zwar noch 226 Stellen beim Aufgabenverzicht – eine ziemlich geringe Anzahl, wie wir finden. Wir sind der Auffassung, dass im Bereich der Staatsverwaltung von 93 000 Stellen durchaus mehr als 226 Stellen hätten vollständig eingespart werden können. Wir werden auch weitere Vorschläge machen, wenn die Staatsregierung in ihrer Größe sie auch nur zur Kenntnis nehmen möchte.

(Beifall bei der FDP)

Am 15. Mai waren es 145 Stellen. Sie sehen, dass sich das Ganze innerhalb von sechs Wochen um 80 Stellen verringert hat. Am 19. Juni hat sich hierbei keine Änderung ergeben. Dies ist schon einmal ein Fortschritt und ein erstes Anzeichen von Verlässlichkeit.

Zur Privatisierung wurden von der Kleine-Kommission Vermessungsämter und anderes angeführt. Dies findet sich so ähnlich auch wieder. Aber am 31.03.2006 wurde von der Privatisierung von 244 Stellen berichtet. Die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ meldeten im April 2 000 Stellen. Am 15.05.2006 waren es 1 515 Stellen, die privatisiert werden könnten, und im Juni 2006 sind es – beschlossen – noch zehn Stellen. Der Rest wird geprüft.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP)

Wer mir hier erzählen will, wir hätten einen endgültigen Stand, der beschlussreif ist, muss ernsthafte Zweifel an meinem Urteilsvermögen haben – und zwar zu Unrecht.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Haben wir!)

Bei der Kommunalisierung sieht es nicht anders aus. Am 31.03.2006 waren es 250 Stellen, die nach der Aufgabenkritik festgestellt und dem Lenkungsausschuss vorgelegt wurden. Die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ meldeten ein Volumen von 2 500 Stellen. Am 15.05.2006 waren es 3 410 Stellen, darunter unter anderem Teile des Landesamtes für Soziales und von den Regierungspräsidien der Vollzug abfall-, umwelt- und verkehrsrechtlicher Regelungen. Im Juni 2006 sollen auf die Kreise der Vollzug des sozialen Entschädigungsrechtes, das Landesblindengeld und noch eine weitere Leistung übertragen werden. Der Rest wird auf den Kommunalen Sozialverband übertragen.

Bei den Regierungspräsidien werden von den ursprünglich genannten Aufgaben nun nur noch Teile übertragen. Welche das sein sollen, ist aus der schönen 14-seitigen Folie, die hier zum Vortrag gekommen ist, auch nicht zu ersehen. Bei den Regionalschulämtern sind es 50 Stellen, die auf die Kommunen übergehen sollen – 50! Das Schicksal der Regionalschulämter insgesamt soll sich 2010 entscheiden, nach dem Auslaufen der Tarifverträge, da man nämlich prüfen möchte, ob man die Regionalschulämter auflösen sollte. Das „Sollen“ ist eine politische Entscheidung. Es hängt nicht davon ab, ob man etwas kann oder muss. Wenn sie aufgelöst werden sollen, dann ist vorher eine politische Entscheidung zu treffen. Dass diese Entscheidung nur getroffen werden kann, wenn die Tarifverträge ausgelaufen sind, ist unerfindlich. Ich habe das Gefühl, hier drückt man sich vor Entscheidungen. Man schiebt es nach hinten hinaus und einigt sich wieder nur auf das, was man seit jeher schon gemacht hat, nämlich den Minimalkonsens. Dieser wird aber dem Anliegen mit Sicherheit nicht gerecht.

Lassen Sie mich eines erwähnen: die Regierungspräsidien, ein ganz erheblicher Punkt. Der favorisierte B-Vorschlag der Kleine-Kommission sah vor, dass die Regierungspräsidien von jetzt 2 220 Stellen nach der Reform 2 218 Stellen hätten. Dies war in der Tat etwas unbefriedigend.

Im Mai 2006 war noch gesicherte Erkenntnis, dass die Regierungspräsidien bleiben. Das galt. Ab 19.06. gibt es keine Regierungspräsidien mehr. Stattdessen gibt es dann zwei Landesdirektionen. Was diese nun tun sollen und welche Aufgaben sie haben, bleibt weiterhin im Dunkeln. Wahrscheinlich weiß es auch von den Beteiligten noch keiner so richtig.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Die Umbenennung von Behörden, ohne klar zu sagen, welche Aufgaben sie haben, hilft hier nicht weiter, meine Damen und Herren. Zwei Landesdirektionen – was ist denn das? Ist das ein halbiertes Regierungspräsidium oder

ist es von der Aufgabenverteilung her anders angelegt? Oder ist es nur das so genannte Landesverwaltungsamt als ein Landesverwaltungsamt mit zwei Standorten und einer Außenstelle? – Alles weiterhin unklar, meine Damen und Herren.

Bei der Landkreisreform sieht es ähnlich aus. Die Kriterien, nach denen die Landkreisreform durchgeführt werden soll, sind zum einen sattsam bekannt: nach Größen, regionalen Verflechtungen, geografischen Begebenheiten, Landesentwicklungsplan und anderen. – Dies ist schön und gut, aber es gibt auch wirklich interessante Kriterien, über die man in dem Papier leider auch nichts findet. Das ist zum Beispiel die Frage der landsmannschaftlichen Verbindungen. Es wird von religiösen Zugehörigkeiten gesprochen. Aber von Landsmannschaften, historisch gewachsenen, traditionellen Beziehungen verschiedener Räume, von wirtschaftlichen Gegebenheiten und Wirtschaftsräumen findet sich dort recht wenig. Auch die Zuschnittmöglichkeiten, meine Damen und Herren: Die Größe, 200 000 Einwohner, war vorgegeben. Noch am 15.05.2006 war dies so. Am 19.06.2006 heißt es: 200 000, aber es können auch nur 170 000 sein. – Nun weiß man so viel wie vorher.

Ehrliche Frage: Was ist mit der Möglichkeit der Umgliederung von Gemeinden von einem Landkreis in neu zu bildende andere Kreise? – In Randgebieten ein durchaus ernst zu nehmendes Problem. Zuerst hieß es: Das geht nicht. Im Mai hieß es: Es geht doch. Jetzt heißt es wieder: Es geht nicht. In dieser Situation sollen sich die Landkreise, bitte schön, bis Oktober 2006 umfassend informieren, die Probleme im Wesentlichen erkennen, behandeln und im Rahmen einer freiwilligen Vorgabe Entscheidungen treffen. Wie soll das rein technisch bis Oktober 2006 gehen? Das ist eine völlig irreale Vorgabe, meine Damen und Herren.

Ähnlich die Frage der Umsetzung, ich habe es bereits angesprochen. Zuerst war die Freiwilligkeitsphase bis 2011 angedacht. Danach hieß es: Das machen wir bis Ende 2008. Dann hieß es: zum 01.01.2008. Nun sind wir beim 30.06.2008. Aber heute haben wir zum ersten Mal gehört, es gibt auch Teile, die zum 01.01.2008 in Kraft gesetzt werden.

Sie sehen, es gibt reichlich Fragen, die unbeantwortet sind, und ich würde mir als Parlamentarier wünschen, dass der Ministerpräsident begreift, dass diese Verwaltungsreform ein ernstes und wichtiges Vorhaben ist, und dass er vor diesem Parlament eine Erklärung für die gesamte Staatsregierung abgibt, wie die Staatsregierung insgesamt inhaltlich und zeitlich mit der Verwaltungsreform umzugehen gedenkt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die zweite Einreicherin, die GRÜNEN, Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Buttolo, ich glaube tatsächlich, Sie haben etwas zu sagen. Aber ich bitte Sie wirklich, einmal ernsthaft zu erwägen, ob es aus Ihrer Sicht nicht der richtige Umgang sein müsste, hier nicht nur Papiere, die Sie gestern sehr kurzfristig ausgereicht haben, einfach vorzulesen. Dies war nun das zweite Mal und ich glaube, Sie haben das nicht nötig.

Herr Lichdi, zur Verwaltungsreform kann es nur einen Standpunkt geben. Ich kann nicht am gestrigen Tag ein Papier austeilen und am heutigen Tag etwas anderes sagen. Wenn ich Sie über den Sachstand informiere, kann es nur das Gleiche sein.

Herr Lichdi, Sie bekommen noch eine Minute Zeitgutschrift.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP)

Vielen Dank. – Herr Innenminister, Sie haben den Eindruck erweckt – jedenfalls war dies der Presse am Dienstagmorgen zu entnehmen –, dass die Reform in Sack und Tüten sei. Nachdem wir nun das Papier studieren konnten – jedenfalls diese 14-seitige PowerPoint-Präsentation, die uns zugänglich gemacht wurde, von der Kollege Martens gesprochen hat –, muss ich Ihnen sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Die Reform ist alles andere als in Sack und Tüten. Sie haben die Baustellen noch einmal beschrieben, haben sie aber zum Großteil nicht entschieden. Aber Sie mussten natürlich vor der Öffentlichkeit und der Presse – da die Öffentlichkeit zu Recht drängt – ein Ergebnis vorlegen.

Ich bin, vielleicht zu Ihrem Erstaunen, nicht so hart wie Kollege Martens, sondern möchte ausdrücklich anerkennen, dass die Leitlinien zum Tagesordnungspunkt 7 der kreisgebietlichen Neuordnung zum ersten Mal eine wirkliche Diskussionsgrundlage sind.

Ich freue mich darüber, dass endlich einmal öffentlich offen gelegt worden ist, nach welchen Kriterien Sie diese ganze Diskussion, die läuft und im Grunde schon abgeschlossen ist, eigentlich bestreiten wollen. Dafür bedanken wir uns herzlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist der TOP 7. Es gibt aber auch die TOP 1 bis 6. Zu diesen TOP 1 bis 6 liegen uns keinerlei interne Unterlagen vor. Ich glaube nicht, dass Sie allein jetzt diese PowerPoint-Präsentation auf der einen Seite aufgeschrieben haben, sondern ich glaube, dass in Ihrem Hause noch weitere Unterlagen vorliegen. Wir hätten es begrüßt, wenn Sie uns auch diese Unterlagen zugänglich gemacht hätten; denn nach meinem Verständnis war das auch Teil unserer Absprache. Nun gut!

Aber wir können uns jetzt zum ersten Mal in diesem Haus mit Inhalten befassen. Der Kollege Martens hat es angesprochen. Es gibt die verschiedenen Baustellen: Verzicht

auf Aufgaben, Bündelung von Aufgaben, Kommunalisierung von Aufgaben, gebietliche Neustrukturierung.

Ich komme zum Verzicht. Kollege Martens hat mir schon den Spaß genommen, den Vergleich zwischen der Expertenkommission, dem internen Mai-Papier, das sich dann auf CDU-Homepages befand, aber nicht offiziell war, und dem Papier, das wir jetzt offiziell bekommen haben, anzusprechen. Es reicht wohl – Sie haben vielleicht etwas zu viel des Guten getan –, auf den einzigen Punkt hinzuweisen.

Der größte Brocken beim Verzicht ist die Privatisierung der Staatsbetriebe SIB, also Sächsischer Immobilienbetrieb, und Schlösser und Gärten mit insgesamt 1 425 Stellen, mit Prüfaufträgen bis zum 1. September 2006 versehen. Nun gut, das muss man sorgfältig prüfen. Dafür haben wir Verständnis. Ich frage mich allerdings, was Sie im letzten halben Jahr getan haben. Da hätten Sie eigentlich auch prüfen können.

Ich bin mir im Übrigen nicht sicher, ob diese Privatisierung wirklich befürwortet werden sollte – ja, Herr Kollege Martens, Sie sind FDP, ich bin grün –, denn das Ergebnis wäre, dass wir als Landtag die demokratische Haushaltskontrolle endgültig aus der Hand geben würden. Ich weiß auch nicht, was Privatisierung bei Schlössern und Gärten heißen soll. Soll das bedeuten, dass wir Pillnitz oder Königstein privatisieren?

Kommen wir zur Bündelung. Es wurde immer verkündet, die Bündelung sei sozusagen die Mutter aller Reformen, das Herzstück aller Reformen. Wenn wir dort hineinschauen, sehen wir – und das ist nun tatsächlich eine Frechheit – unter TOP 6, dass Verwaltungsdirektionen eingerichtet werden. Sie heißen „Verwaltungsdirektionen“, Herr Kollege. Das war alles zur Bündelung. Ich meine, das ist doch ein gravierender Vorgang. Herr de Maizière hat hier immer erklärt: Wir machen keine Kreisgebietsreform, wir machen eine Reform der Staatsverwaltung, indem wir bündeln. – Dazu finden wir jetzt, nachdem die Reform angeblich in Sack und Tüten und abgeschlossen ist, nichts. Wir finden nur, dass es Verwaltungsdirektionen geben wird. Jeder in diesem Haus weiß, dass das lediglich ein Feigenblatt ist, damit sich die SPD sozusagen auf diese Reform, die natürlich im SMI und in der CDU konzipiert worden ist, einlässt.

Betrachten wir doch einmal diese Verwaltungsdirektionen näher. Im Gegensatz zu Kollegen Martens stehe ich nicht an zu sagen: Es sind natürlich die alten Regierungspräsidien, die durch die verschiedenen Bündelungen und Kommunalisierungen verändert sind. Es sind also doch nicht ganz die alten Regierungspräsidien. Das muss man dazusagen. Aber im Grunde ist das identisch.