Worum aber geht es? Es geht im Grunde um die Abschaffung des Regierungspräsidiums Leipzig und um nichts anderes. Reden wir einmal Klartext! Die Region Leipzig wird 540 Arbeitsplätze, die jetzt beim Regierungspräsidium angesiedelt sind, verlieren. Ich frage mich, wie das gehen soll. Sollen mit Beginn der Reform – ich habe gerade gehört: am 1. Januar 2008 – alle Mitarbeiter nach
Da sind die Umzugskosten. Ich glaube nicht, dass Sie tatsächlich planen, zum 1. Januar 2008 die 540 Mitarbeiter nach Dresden oder Chemnitz zu verschieben. Das heißt, es wird eine Außenstelle Leipzig geben. Wir haben also tatsächlich die Wahnsinnssituation, dass sich in Leipzig exakt gar nichts ändert. Im Übrigen kann man die in Dresden gar nicht ansiedeln. Soviel ich weiß, sind dort die Büromöglichkeiten auf der Stauffenbergallee 2 erschöpft. Das heißt, wir werden weiterhin das Regierungspräsidium Leipzig haben. Dort steht dann aber das Schild „Verwaltungsdirektion Dresden, Außenstelle Leipzig“. Super! Großer Erfolg! Die SPD hat sich durchgesetzt und Bürokratie abgeschafft.
Warum ist das so? Natürlich will die SPD ebenso wie die FDP die Großkreise. Sie hat sich dabei aber nicht durchsetzen können. Deswegen möchte sie jetzt einen kleinen formalen Erfolg erzielen, indem sie durchsetzt, dass man künftig nur noch zwei Verwaltungsdirektionen hat mit einem ungewissen Prüfauftrag.
Herr Staatsminister, ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir als GRÜNE stehen diesbezüglich auf Ihrer Seite. Wir halten im Grundsatz die Kreisstruktur hinsichtlich der Größe, wie Sie sie beschrieben haben, für richtig. Wir halten es auch für richtig, dass es weiterhin Mittelbehörden, veränderte Regierungspräsidien gibt. Wir sehen allerdings den Gewinn, der sich durch zwei Verwaltungsdirektionen, also, ganz klar gesagt, durch die Abschaffung des RP Leipzig, tatsächlich auch finanziell ergeben sollte, einfach nicht.
Auch nicht durchgehen lassen können wir die Tatsache, dass Sie keinerlei Aussage zur Klärung der Bündelung in Sonderbehörden, also auch auf der Mittelebene, machen. Dort gab es im Mai 2006 immer noch 3 000 Stellen. Das ist immerhin das allergrößte Bündelungspotenzial innerhalb der Staatsverwaltung mit einem Einsparpotenzial, wenn man der Expertenkommission glauben möchte, von 20 %, also immerhin 600 Stellen. Dazu gibt es keinerlei Aussage. Das führt dazu, dass wir sagen: Die von Ihnen und von uns angestrebte Einsparung an Personalkosten ist alles andere als durch oder entschieden oder auch nur geklärt.
Ich könnte das jetzt weiter machen. Kollege Martens hat es gesagt. Bei der Kommunalisierung haben Sie einmal von 3 500 Stellen gesprochen. Wenn ich das Papier richtig lese, sind es im Augenblick noch 3 000. Was eigentlich uns alle zum Nachdenken bringen sollte, ist der Umstand, dass, wenn ich es recht sehe, die meisten Aufgaben des Landesamtes für Familie und Soziales Chemnitz auf den Kommunalen Sozialverband übertragen werden sollen und eben nicht auf die Kreise übergehen sollen. Da frage ich mich: Sind diese Aufgaben tatsächlich kommunali
sierbar, wenn dort doch offensichtlich eine landesweite Institution erforderlich ist? Das heißt, wir als Parlamentarier haben jetzt nicht mehr die Möglichkeit, über Frau Orosz, die Staatsministerin für Soziales, das zu kontrollieren, sondern jetzt macht das der Kommunale Sozialverband. Gibt es dort eigentlich Kontrollmöglichkeiten über die Kreistage? Also, ich weiß nicht, ob das eine echte und auch begrüßenswerte Kommunalisierung ist.
Wenn ich jetzt versuche, dieses ganze Potenzial herunterzurechnen, komme ich darauf, dass, auf die alte Kreisstruktur umgerechnet, ungefähr 70 neue Stellen dauerhaft ankommen. Dazu können Sie mir gern andere Zahlen nennen. Wir bedauern es ja auch, dass Sie das Geschäft nie durchgerechnet haben. Wenn wir eine Kreisstruktur von 15 annehmen, dann kommen wir auf 138 neue Stellen. Wenn wir uns die Stellenstruktur anschauen, also 300 bis 420 Mitarbeiter in den jeweiligen Kreisen, dann frage ich mich, ob Ihre Kernthese tatsächlich bewiesen ist, dass nämlich diese neuen Aufgaben mit diesen neuen Stellen zwingend eine neue Kreisstruktur bedingen.
Genau diesen zentralen Nachweis für Ihre Reform haben Sie nicht erbracht. Daher herrscht bei uns eine ganz erhebliche Skepsis, ob wir diesen Weg mitgehen können, weil wir alle wissen, dass größere Kreise auch größere Entfernungen und weniger Bürgernähe, weniger demokratische Kontrolle und auch weniger Möglichkeiten bedeuten, benachteiligte Regionen im Lande gezielt zu fördern.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zu der Frage von Herrn Dr. Martens: Wo ist der Ministerpräsident? Der Ministerpräsident ist heute auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin, um den Freistaat Sachsen ordentlich zu vertreten, wie er das bisher mit souveräner Leistung immer getan hat. Außerdem findet noch ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin statt.
Aber ich denke, Herr Dr. Martens, die Spitzenmeldung des Tages konnten Sie heute schon in der Zeitung lesen: „Erntezeit in Sachsen“. Sachsen hat von Anfang an konsequent und straff gewirtschaftet. Respekt! Genau das ist der Fall. Und worauf lag der Schwerpunkt dieses straffen Wirtschaftens? Es war die frühzeitige Anpassung an veränderte Struktursituationen. Ich denke, wir haben als CDU-Fraktion und jetzt auch als Koalition vor, auch künftig so straff zu wirtschaften, dass die Erträge insbesondere für unsere junge Generation auch in den nächsten Jahren in die Scheunen eingefahren werden können.
Herrn Lichdi sehe ich im Moment gar nicht. Er hat offensichtlich das Feld geräumt. – Ah, da kommt er wieder, schön. Herr Lichdi, es ist wichtig, dass man die
Kollegen anspricht. Herr Lichdi, es war schon wichtig, dass Sie uns gesagt haben, dass Sie grün sind, denn manchmal bin ich auf diese Idee überhaupt nicht gekommen.
Die Meinungsbildung der Regierung ist offen, unbefriedigend. – Herr Dr. Martens, Meinungsbildung ist immer ein ständiger Prozess und das, was uns bevorsteht – das kann ich Ihnen schon versprechen –, wird in den Sitzungsmarathons, die noch vor uns liegen, harte Arbeit werden und da wird sicherlich auch die eine oder andere Frage, die jetzt aufgeworfen worden ist, noch beantwortet.
Ich freue mich vor allem, dass es die FDP als antragstellende Fraktion mittlerweile geschafft hat, auf den Bänken vier Kollegen sitzen zu haben. Zu Beginn der Debatte waren es lediglich zwei, sodass ich fast den Eindruck hatte, dass der Informationsbedarf bei der FDP bereits befriedigt ist.
Die Linksfraktion.PDS scheint eine Sondersitzung zu haben, um die Probleme der Frau Bonk heute zu diskutieren.
Offensichtlich ist auch da der Bedarf schon gedeckt. – Herr Dr. Martens, ich gestatte im Moment keine Zwischenfrage.
Die Diskussion um die Funktional- und Verwaltungsreform dauert in der Tat schon eine geraume Zeit und ebenso lange drängen die Oppositionsfraktionen darauf, von der Staatsregierung über diese Reformvorstellungen informiert zu werden. Ein Teil der Informationen, die wir in der Zeitung lesen, stammt aber komischerweise – so mein Eindruck – immer wieder von selbigen Oppositionsfraktionen. Denn die Zahlen, die Sie da immer wieder aus dem Hut zaubern, hat der Innenminister so im Ausschuss nicht genannt.
Inzwischen liegen die Ergebnisse vor, die der Lenkungsausschuss erarbeitet hat. Die Staatsregierung wird sich in der nächsten Woche mit diesen Reformvorschlägen befassen. Einige wesentliche Punkte haben die Zeitungen herausgegriffen. Ich denke, der Minister hat da vorab informiert. Insoweit haben wir heute also einen neuen Sachstand erreicht. Die Reformvorstellungen der Regierung sind hinreichend konkret und die einzelnen Vorschläge sind bekannt. Wir haben jetzt den Zeitpunkt erreicht, zu dem es in der Tat sinnvoll ist, den Landtag als Ganzes zu beteiligen. Ich kann Ihren Ärger darüber, dass die Koalitionsfraktionen nicht eher informiert wurden als
Sie selbst, ja verstehen. Sonst hätten Sie hier schon wieder etwas mehr Budenzauber veranstalten können. Aber so ist der Gleichbehandlungsgrundsatz da. Das schmerzt den einen oder anderen Kollegen in unseren eigenen Reihen, aber so ist nun einmal das Verfahren.
Diese Informationen hat der federführende Minister, Herr Buttolo, uns heute – wie ich denke, zu Recht – auch vorab gegeben. Denn bevor Sie mit der Kritik beginnen – und dieser Antrag ist eine solche Kritik –, ist es richtig, hier sachgerecht zu informieren. Damit wird dem Informationsinteresse der Opposition Rechnung getragen und Ihre Anträge haben sich damit inhaltlich erledigt. Es genügt uns auch, wenn wir aus dem Munde des federführenden Ministers informiert werden. Eine Regierungserklärung aus dem Munde des Ministerpräsidenten würde zum heutigen Zeitpunkt kein anderes Ergebnis bringen.
Ich kann Ihnen sagen, warum: weil in diesem Lenkungsausschuss die kommunale Familie mit am Tisch sitzt.
Die Abstimmungen in Vorbereitung des heutigen Tages haben gezeigt, dass man sich in der Tat aufeinander zu bewegt hat. Ich möchte an dieser Stelle Albrecht Buttolo ausdrücklich danken, dass er diesen Prozess so moderat hinbekommen hat. Sonst wäre der Aufschrei viel größer und die Reihen wären hier voll besetzt. Dass das nicht der Fall ist, zeigt mir, dass die Aussage, die ich eben getätigt habe, offensichtlich der Wahrheit sehr nahe kommt.
Ich halte allerdings – und damit kommen wir zu dem, was noch vor uns steht – eine vertiefte inhaltliche Debatte zum gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht. Aber wir werden diese Debatte, auch die Anhörung, hier im Landtag führen, denn es ist alles, was hier an Stellungnahmen aufläuft, sorgfältig zu erörtern. Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle auch auf einige allgemeine Anmerkungen zu den Vorschlägen, die bisher vorliegen, beschränken.
Natürlich ist eine Funktional- und Verwaltungsreform eine Aufgabe, die einen enormen Kraftakt bedeutet. Sie bedeutet, wenn sie ernsthaft durchgeführt wird, zahlreiche strukturelle Veränderungen – darauf sind meine Vorredner schon eingegangen –, die oft genug auf Vorbehalte der betroffenen Fachverwaltungen und Fachbruderschaften stoßen und auch gegen deren Interessen durchgesetzt werden müssen. Oft genug spielen dabei eben weniger fachliche Fragen eine Rolle als vielmehr die Frage um die persönliche Zukunft, so berechtigt diese Frage auch sein mag. Ich denke, dass wir hier im Hohen Haus – vor allem und gerade in die Verwaltung hinein – die Verantwortung haben, für Entspannung zu sorgen, und dass wir diesen Prozess nicht aufheizen sollten. Aber wer diesen Prozess sorgfältig verfolgt, weiß, dass alles andere als Panik am Platz ist.
Gleichwohl kommen wir angesichts der demografischen Entwicklung und der finanziellen Situation unseres Freistaates und unserer Bundesrepublik Deutschland nicht umhin, uns für die nächsten Jahrzehnte fit zu machen. Eine möglichst bürgernahe und vor allem effektive Verwaltungsstruktur ist das Ziel. Die Bürger wollen an der Stelle, an der sie ihre Anliegen vortragen, kompetente Personen sitzen haben und wollen eben nicht von Pontius zu Pilatus geschickt werden.
Dass dies im Einzelfall auch schmerzhafte Einschnitte bringen mag, liegt auf der Hand. Auch Selbstkritik ist an manchen Stellen nichts Verkehrtes.
Solange die Gesellschaft besteht, hat sich dieser Zuwachs an Wissen zunächst immer auf Irrtümern gegründet. Ohne Irrtum sind Sie – zumindest Ihre Mannschaft – offensichtlich 40 Jahre durch die Welt gegangen. Dass sich Ihr Erkenntniszuwachs in Grenzen hält, können wir anhand dieses Fahnenthemas bestens erleben.
(Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS: Herr Bandmann, ich bin Baujahr 75! – Gegenruf des Abg. Uwe Leichsenring, NPD)
Dennoch werden wir nicht um den Schritt herumkommen, die Vorschläge auch hier kontrovers zu diskutieren. Dass diese Reform eine Reform von erheblicher Auswirkung ist, dass die staatliche Behörde zugunsten kommunaler Entscheidungsebenen abspeckt, dass auch da eine dritte Mittelebene weitestgehend herausgezogen wird, das ist in den Zeitungen und auch in dem Papier heute nachzulesen.