Protokoll der Sitzung vom 23.06.2006

Meine Damen und Herren! Herr Wehner und ich können beide aus eigener Kenntnis bestätigen, dass Betroffenen in aller Regel, von Ausnahmen abgesehen, behördliche und gerichtliche Hilfe effektiv zuteil wird. Ich möchte auch diesen Stellen namens der CDU-Fraktion, aber eben auch der Koalition, Herr Gerlach, ausdrücklich für schnelles und effektives Handeln danken.

Mit der Staatsregierung sind wir – hier im Gegensatz zu Ihrer Auffassung, Herr Wehner – vor allem der Überzeugung, dass das Gesetz zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen einen bedeutenden Beitrag zur Herstellung von Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit leistet. Wenn im Antrag der Linksfraktion.PDS mit diesem Gesetz nur ein allererster Schritt gesehen wird, sehe ich darin nur eher einen semantischen unglücklichen Worttext. Es bleibt rätselhaft, was Sie zwischen „erstens“ und „allererstens“ meinen. Richtig ist, meine Damen und Herren, dass das Gesetz zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen im Freistaat umfassende Möglichkeiten der Mitwirkung Betroffener gewährleistet und umfassende Möglichkeiten der Vertretung der Betroffenen und deren Belange. Die Umsetzung kommt voran. Ich nenne das Beispiel der Berufung des Beauftragten der Staatsregierung.

Wenn Sie die anstehende Konstituierung des Sächsischen Landesbeirates für die Belange von Menschen mit Behinderungen sehen, dann wird deutlich, dass das Integrationsgesetz tatsächlich der richtige Weg ist. Wir verfügen damit, meine Damen und Herren, über einen guten, ich möchte sagen: sehr guten Rahmen um Benachteiligungen für Menschen mit Behinderungen abzubauen, um Regelungen des Gleichstellungsgesetzes des Bundes hier im Freistaat umzusetzen und im Grunde genommen weiterhin an der Herstellung gleicher Standards zu arbeiten.

Politik für Menschen mit Behinderungen hat in einer Zivilgesellschaft, meine Damen und Herren, einen besonderen Stellenwert. Das ist die Botschaft unseres Entschließungsantrages. Wir, die CDU-Fraktion wie die Koalition, sind uns völlig darüber im Klaren, dass Menschen mit Behinderungen weithin gesetzlich abgesichert sind. Ich nenne das Beispiel der Einstellungsquote. Sie besteht seit geraumer Zeit. Trotzdem bestehen – das will ich und habe ich überhaupt nicht in Abrede zu stellen – Defizite beim Vollzug, also bei der Umsetzung. Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Menschen mit Behinderungen inmitten der Gesellschaft sind. Wir brauchen natürlich weiterhin die Arbeit daran, dass Vollzugsdefizite, so wie sie vereinzelt oder auch gerade im Bereich der Privatwirtschaft festzustellen sein mögen, bald nicht mehr in dem Ausmaß bestehen.

Wenn man allerdings die Einstellungsquote im öffentlichen Dienst gerade in dem Bereich des Freistaates Sachsen ansieht, muss man feststellen, dass die Vorgaben, wie sie in der Koalitionsvereinbarung zu Buche schlagen, tatsächlich im überwiegenden Teil erfüllt sind. Die Quote beläuft sich bei den Landesbehörden immerhin schon auf 4,5 % (2004) mit steigendem Gehalt. Bei den obersten Landesbehörden und damit im unmittelbaren Verantwortungsbereich der Staatsregierung liegen wir im Freistaat bereits seit geraumer Zeit nach der mir vorliegenden Zahl bei 5,4 %. Ein Vergleich zum Land MecklenburgVorpommern: Hier haben sie eine Beschäftigungsquote, die weit, aber auch weit darunter liegt. Ich bezeichne auch im bundesdeutschen Vergleich die Beschäftigungsquote, die im Bereich des öffentlichen Dienstes besteht, als eine Vorreiterrolle, die wir mittlerweile in Deutschland einnehmen. Ich kann auch sagen, dass die Vorreiterrolle im Bereich des Sozialministeriums in besonderer Weise zum Ausdruck kommt, wenn Sie sehen, dass die Quote dort 9,6 % beträgt.

Meine Damen und Herren! Unabhängig von alledem müssen wir auch sehen, dass insbesondere Frauen mit Behinderungen und mehrfach benachteiligte Menschen der besonderen und vorrangigen Hilfe bedürfen. Wir wollen uns mit unserem Entschließungsantrag gerade diesen Gruppen zuwenden. Das bedeutet, meine Damen und Herren, die Maßnahmen zur besseren beruflichen Integration und Rehabilitation weiter zu verfolgen, und zwar gerade unter Berücksichtigung der beiden von mir genannten betroffenen Gruppen.

Ich nenne weiterhin – da hätten Sie vielleicht, Herr Wehner, ergänzen können – die von der Staatsregierung eingerichtete Stellenbörse, eine Bewerberbörse. Ich nenne auch das sächsische Arbeitsmarktprogramm zum Abbau von Arbeitslosigkeit bei schwerbehinderten Menschen. Das sind alles Maßnahmen, die tatsächlich hier zu greifen beginnen und auf dem Weg sind.

Meine Damen und Herren! Gerade an dieser Stelle ist es das wesentliche Ziel unserer sächsischen Behindertenpolitik, also der Politik der Koalition, die Selbstverantwortung und Selbstbestimmung des Einzelnen zu stärken. Wir wollen den betroffenen Menschen mit Behinderungen Integration und Teilhabe ermöglichen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dieses Ziel nicht lediglich dadurch erreichen, dass wir immer neue Vorschriften schaffen oder bestehende Vorschriften beispielsweise vertiefen oder verschärfen. Richtig ist es vielmehr, dass wir mit der Politik gerade im Bereich des Freistaates darangehen, noch mehr zunehmend Arbeitgeber, Unternehmen und Betriebe zu gewinnen. Wir müssen sie dafür gewinnen zu erkennen, dass Integration von Menschen mit Behinderungen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Wenn dem so ist, dann sind wir auch in diesem Bereich, meine Damen und Herren, verpflichtet, die Ressourcen der Zivilgesellschaft zu nutzen. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, der in der öffentlichen Debatte bislang zu kurz gekommen ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wenn man das so sieht und an dieser Stelle ansetzt, dann werden wir wirklich mit Recht von einer gesamtgesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sprechen dürfen. Darüber besteht Einigkeit zwischen uns beiden, Herr Wehner, oder zwischen Ihnen und der Koalition. Aber im Antrag der Linksfraktion.PDS finde ich darüber nichts.

Meine Damen und Herren! Wenn wir sagen, Menschen mit Behinderungen stehen mitten in der Gesellschaft, dann ist auch klar, dass Rechtsordnung, Staatsverwaltung und Justiz gerade in diesem gesellschaftlichen Bereich eine Hilfe sind, aber auch nur bedingt eine Hilfe sein können. Wir mögen zu Recht sagen und feststellen, dass die nach 1990 gerade hier im Bereich des Freistaates erfolgte Gesetzgebung und der damit einhergehende Aufbau der Staatsverwaltung, der heutigen Integrationsämter, zweifellos ein herausragendes Beispiel für gelungene Behindertenpolitik sind. Das allein reicht aber nicht, sondern das ist nur ein Schritt des Weges. Wir wollen uns also mit dem bislang Erreichten zweifellos nicht zufrieden geben.

Worum geht es? Nun, es geht um einen gesamtgesellschaftlichen Prozess und einen gesamtgesellschaftlichen Wertewandel, zu dem wir als Politiker viel beitragen können und auch leisten wollen. Gerade hier wollen wir, die CDU-Fraktion, aber auch der Koalitionspartner, uns folgerichtig um Menschen mit Behinderungen in Integrationsbetrieben weiterhin verstärkt bemühen. Wir brauchen also mit anderen Worten flexible Lösungen für bedarfsgerechte Angebote. Stichworte sind: Abwenden von Behinderungen, die Überwindung von Erwerbsunfähigkeit, die Förderung der persönlichen Entwicklung und dann natürlich auch die Teilhabe am Arbeitsleben. All das – es sind nur Ausschnitte – müssen wir gemeinsam mit dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe weiter vorantreiben. Damit sind natürlich wir, also die Politik, aber auch die Verbände, die Verwaltungen und Gerichte angesprochen. Angesprochen sind auch Familien, Vereine, ehrenamtliches Engagement, Unternehmen und Arbeitgeber.

Meine Damen und Herren! Darauf zielt unser Entschließungsantrag. Ein besonderes Augenmerk möchte ich auf ein Beispiel richten, das auch Herr Wehner genannt hat und das mir ebenfalls am Herzen liegt. Wenn wir sagen, dass Menschen mit Behinderungen inmitten der Gesellschaft sind, und wenn wir das zu Recht sagen, dann gilt das erst recht und gerade für den Bereich der schulischen Übereinstimmung. Das bedeutet, dass die Betroffenen – in diesem Fall Schülerinnen und Schüler – soweit wie möglich in die übliche schulische Ausbildung zu integrieren sind.

Ich will Ihnen in aller Kürze das Beispiel eines jungen Menschen aus Wurzen nennen, dessen Familie ich vor Kurzem kennen gelernt habe. Das Kind leidet an einem Down-Syndrom und besucht derzeit ungeachtet seiner Behinderung eine ganz normale staatliche Grundschule. Es geht jetzt um die Frage des Übergangs von der Grund-

zur Mittelschule. Nach all den Kenntnissen, die ich bislang gewonnen habe, scheint vorbehaltlich fachlicher sozialmedizinischer Prüfung der Übergang zu einer regulären Mittelschule angezeigt. Der Besuch einer Förderschule könnte in diesem Fall womöglich zu kurz greifen, und zwar deshalb, weil gemessen an den bestehenden Lernfähigkeiten die weitere Entwicklung an einer Förderschule nicht angezeigt ist. An dieser Stelle haben wir, denke ich, in Deutschland, aber auch in den Verwaltungen und vielen Betroffeneneinrichtungen selbst, Nachholbedarf.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion.PDS)

Vielleicht müssen wir einfach einmal diese Fälle überdenken. Wenn wir diese Fallgestaltung betrachten, dann sollten wir sie nicht nur und nicht lediglich auf den Bereich der staatlichen Verwaltung, der Schulämter beispielsweise, beschränken, sondern uns selbst einmal vor Ort die Frage stellen: Wie gehen wir mit Menschen mit Behinderung um? Das ist eine Sache, die jeder einzelne Mensch mit sich selbst abmachen muss. An dieser Stelle, glaube ich, wird deutlich, was ich eben versucht habe zu vermitteln: dass die Politik für Menschen mit Behinderungen eine besondere Aufgabe ist, eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Diese Aufgabe allein der Staatsverwaltung zuzuweisen wäre zu kurz gegriffen. Es geht um die Wahrnehmung der Verantwortung – siehe dieses Beispiel des jungen Menschen in Wurzen – durch die lokalen Akteure. Dazu gehört auch der Mut zu Entscheidungen vor Ort.

Ich will hinzufügen, dass ich mich mit der Familie weiterhin dafür einsetzen werde, dass der junge Mensch seine Fähigkeiten auch künftig auf dem gebotenen schulischen Weg nutzen kann.

Nun, meine Damen und Herren, all dies lässt sich zu dem Thema Menschen mit Behinderungen nur in aller Kürze sagen. Die Politik für und mit diesen Betroffenen bleibt eine Daueraufgabe. Sie wird nicht nur diesen Landtag, sondern auch seine Nachfolger mit Recht weiterhin beschäftigen. Politik für Menschen mit Behinderungen ist mit einem einmaligen Zutun nicht erledigt.

Menschen mit Behinderungen können ganz überwiegend und ohne Weiteres beruflich eingegliedert werden. Ich will herausstellen, dass eine richtig verstandene Behindertenpolitik nicht nur Aufgabe des Staates ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. Bitte, meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft gerade an dieser Stelle nutzen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und Beifall der Staatsministerin Helma Orosz)

Unser Entschließungsantrag zielt darauf, an den zweifellos erreichten Erfolgen anzuknüpfen, dabei aber nicht stehen zu bleiben. Wir freuen uns darüber, dass uns die Staatsregierung ihre Unterstützung zugesichert hat. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, uns dabei ebenfalls

Ihre Unterstützung zu geben, gerade auch bei unserem Entschließungsantrag.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der SPDFraktion das Wort. Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort auf die Große Anfrage lohnt, dass man sie gut und gern im Land weiterverbreitet. Ich kann Ihnen versichern, ich habe das meinige getan, Frau Ministerin, dass das in den Gremien, mit denen ich etwas zu tun habe, bei all denen ankommt, die sich mit der Problematik beschäftigen und davon betroffen sind. Sie haben in Ihrem Haus – ich kann nur wiederholen, was die anderen schon gesagt haben, aber das ist es wert – eine Menge Arbeit aufgewendet, um viele Daten zusammenzutragen; auch wenn man sich noch manch andere Daten – Herr Wehner, da gebe ich Ihnen Recht – wünschen würde. Aber ich denke, hier ist das Machbare geleistet worden.

Letzte Woche saß ich in der Straßenbahn, als eine Familie mit einem geistig behinderten Sohn in einem Rollstuhl „hereinrollte“. Er freute sich wie ein Kleinkind, das noch nicht sprechen kann, über die vielen bunten Dinge, die draußen vorbeirauschten. Als er allerdings seine Freude mit tiefer Männerstimme zum Ausdruck brachte, waren die meisten Menschen in der Bahn ziemlich verlegen. Es war ungewohnt, glucksende, gurgelnde Laute aus dem Mund eines tief glücklichen Erwachsenen, dessen geistige Entwicklung aber nicht seiner Körpergröße entsprach, zu vernehmen. Diese Art von Verlegenheit ist noch die angenehmste Seite des Umgangs mit Behinderungen.

In den letzten Wochen haben mehrfach Berichte über die Misshandlung von Behinderten und über Überfälle auf sie in der Zeitung gestanden. Das Einprügeln auf die Schwächsten, bei denen sich vielleicht am leichtesten und feigsten der nicht verarbeitete Frust abladen lässt, ist für mich als Verantwortlicher der Lebenshilfe ein Skandal. Die Würde des Menschen ist unantastbar, umso unantastbarer ist die Würde der schwächsten Mitmenschen.

(Beifall bei der SPD, der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, und Johannes Lichdi, GRÜNE, und der Staatsministerin Helma Orosz)

Die Ungleichheit und Verschiedenheit ist die Normalität des Menschen. Da rede ich nicht von der wunderschönen Verschiedenheit auf unseren Straßen, die sich im Moment recht wohltuend auf unsere deutsche Verklemmung auswirkt. Es wird Zeit, dass dieser Muff in Deutschland etwas abgelegt wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich rede hier und heute von Menschen mit Behinderungen, deren Fähigkeit zur Teilhabe an ihrer Umwelt mehr oder weniger stark eingeschränkt ist. Teilhabe ist ein

gegenseitiger Prozess. Er setzt Hineingehen und Hereingenommensein voraus. Hier ist die eigentliche Herausforderung für unser Menschsein: den anderen, auch als „Nächster“ bezeichnet, mit in unsere Lebenswelt hineinzunehmen. Da spreche ich nicht über zu hohe Türschwellen, fehlende Fahrstühle oder fehlende Rillen im Boden für den Blindenstock. Ich spreche von versperrten Herzen.

Jeder Mensch hat Fähigkeiten. Mein verstärkter Umgang mit Menschen mit geistigen Behinderungen hat mich erstaunliche Dinge erleben lassen: Bilder, die man diesen Menschen nicht zutrauen würde, Musik, die man bei ihnen nicht erwartet, und vieles andere mehr.

Mit dem Behindertenbeauftragten, dessen Berufung unter großer Einbeziehung der betroffenen Verbände erfolgte, haben wir zwar nicht die Amtsstelle geschaffen, die wir als SPD wollten, aber wir haben mit ihm einen hoch sensiblen und fähigen Mann, dessen Wirken schon bald Früchte tragen wird.

Natürlich kann ich mir in unserem Gesetz zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen noch viele schöne Dinge vorstellen, deren Umsetzung mehr als gerechtfertigt erschiene. Aber mit diesem Gesetz, so denke ich und so schätze ich das ein, haben wir in der Koalition das Machbare erreicht. Das kann und darf uns aber nicht daran hindern, immer wieder nach neuen und besseren Teilhabemöglichkeiten zu suchen.

Wenige Worte, Herr Wehner, zur Schulintegration. An dieser Stelle sehe ich noch deutliche Defizite. Aber ich erlebe auch, dass oft sogar in Behördenstuben Unwissenheit oder einfach Unsicherheit im Umgang mit vorhandenen Regelungen vorhanden ist, die dazu führt, dass manche Eltern auf eine Rundreise durch irgendwelche Behörden geschickt werden, wobei es dann des Anrufs eines Abgeordneten bedarf, und dann geht es plötzlich. Kann das nicht auch ohne einen solchen Anruf gehen?

Ich denke, da haben wir noch eine Menge offen und da kann ich Ihnen nur zustimmen.

Der erstmalig vom Wirtschaftsministerium unterstützte Versuch, mehr Verständnis bei der Wirtschaft einzuwerben, ist ein solches Beispiel, wie man es besser machen kann. Integrationsbetriebe werden nur dann zu einer weiteren Entlastung im Werkstättenbereich beitragen können, wenn dieses Feld nicht mehr als alleiniges soziales angesehen wird. Sie sind auch darauf eingegangen. Dazu hat sich diese Koalition in ihrem Vertrag festgelegt.

Werkstattplätze. Natürlich haben wir ein Problem, das sagen wir. Wie geht es mit dem ganzen Aufbau der Werkstätten weiter? Ich denke, dass wir im Moment eine Grenze erreicht haben, wo wir weiteren Zubau nicht mehr brauchen. Wir brauchen eine andere Organisation und wir brauchen im Vorfeld noch eine ganze Menge.

Es kann nicht sein, dass sich jetzt eine Verschiebung derjenigen ergibt, die zum Beispiel aus den L-Schulen kommen, dass die vielleicht ganz schnell als Arbeitslosengeld-II-Empfänger abgetan werden usw. Hier ist im

Vorfeld noch eine Menge da. Wir wissen, dass sich etwa 2012/2013 diese Kurve, die im Moment noch leicht nach oben geht, wieder absenken wird. Es wäre unverantwortlich, heute Dinge hinzubauen, die wir in fünf Jahren nicht mehr brauchen.

Die Arbeitslosenquote von Behinderten ist kleiner als die auf dem „normalen“ Arbeitsmarkt. Wir, die wir im sozialen Bereich tätig sind, müssen uns immer wieder rechtfertigen, warum Behinderte eine so geringe Arbeitslosenquote haben. Ich sage das einmal so, ungeschützt. Äußert man das auf der anderen Seite, dann werde ich böse und sage, es braucht sich jeder nur eine Behinderung zuzulegen, dann kann er gern in diesen niedrigen Bereich hinein.

Das ist eine falsche und verlogene Diskussion, an die ich auch keine Luft lassen möchte. Ich halte es für richtig, dass diese Quote niedriger ist als in dem anderen Bereich. Diese Menschen haben schon genug zu tragen.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD)

Wir haben noch eine Menge zu tun, aber auch viel erreicht. Im Baubereich hat es in letzter Zeit Bewegung gegeben, auch in diesem Landtag. Was mir immer noch Probleme bereitet, ist das oft einseitige Festhalten am Privileg des Denkmalschutzes vor dem Menschenschutz. Kein Rollstuhlfahrer erwartet, dass alle Eingangsportale unserer Schlösser mit Rampen ausbetoniert werden. Aber ein bisschen mehr Kreativität würde manchmal schon reichen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ein schönes Beispiel ist die Restaurierung der Meißner Burganlage, in der sich die Evangelische Akademie befindet. Man kann jedem empfehlen, sich das einmal anzusehen, wie man beides gut miteinander verbinden kann. Natürlich reden wir hier von körperlicher Behinderung. Es gibt noch sehr viel mehr Arten von Behinderungen.

Auch wenn die Rechtsverordnung, Herr Wehner, noch nicht vorliegt, ist der Zugang zur Gebärdensprache aus meiner Sicht ebenfalls ein gutes Beispiel dafür, dass diese Koalition sensibel mit dem Thema „Verbesserung der Teilhabe“ umgeht. Sachsen ist hierbei ein Vorreiter in Deutschland. Das dürfen wir bitte nicht vergessen.

Ich habe an diesem Pult schon einmal von meinem Traum von einer guten Politik in diesem Bereich gesprochen. Ich möchte es gern wiederholen: Sie ist dann erreicht, wenn wir aufhören, von behinderten-, alten- oder kindgerechter Politik zu sprechen, sondern einfach nur von menschengerechter Politik, die im Einklang mit der sie umgebenden Umwelt steht.