Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

(Heinz Eggert, CDU: Und die Waldschlößchenbrücke!)

Nun ist es natürlich so, dass die gesamte Debatte durch die Frage der Nationalfarben etwas aufgeplustert bzw. „angehübscht“ wurde. Da gibt es die einen, die sagen, wir haben einen neuen Patriotismus – dies wird sehr überhöht diskutiert –, und dann gibt es Frau Bonk, die meint, dass man die Farben der revolutionären demokratischen Bewegung des 19. Jahrhunderts – das ist Schwarz-RotGold –

(Beifall bei den GRÜNEN)

in einen Zusammenhang stellen könnte, in den sie nicht passen, und ich denke, das kann ich auch sagen. Aber an die anderen gewandt, die einen neuen, unbefangenen, positiven Patriotismus darin erkennen möchten: Jeder Fan, jeder Dynamo-, Schalke- oder Bayern-Fan schwenkt seine Fahne und seinen Schal, und wenn Deutschland in Deutschland spielt, schwenke ich natürlich als Fan die deutsche Fahne. Das ist völlig selbstverständlich.

(Zurufe der Abg. Dr. Cornelia Ernst und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das muss ich doch nicht national überhöht in die eine oder andere Richtung tun. Ich finde die gesamte Debatte von beiden Seiten ziemlich absurd. Seien wir doch einmal entspannt und überhöhen die Geschichte nicht auf die eine oder andere Seite!

(Allgemeine Heiterkeit)

Meine Herren, darf ich um Aufmerksamkeit bitten?!

Aber die Koalitionsfraktionen haben gemeint, sie müssten hier eine Debatte zur Auswertung ansetzen, deshalb möchte ich einige Worte dazu sagen. Es ist für eine Auswertung viel zu früh. Ich habe natürlich großes Verständnis dafür, dass sich die Koalitionsfraktionen den Erfolg der Polizei auf ihre Fahnen schreiben möchten und den Kritikern aus unserer Fraktion gern noch eine mitgeben wollen. Aber ich sage Ihnen: Es ist einfach viel zu früh, Sie kennen die ganze Sache nicht. Es wurde in dieser Debatte die Frage der Überstunden angesprochen. Nach meiner Kenntnis ist bis jetzt noch nicht vorgelegt worden, wie viele es tatsächlich sind. Ich möchte Ihnen nur mitteilen: Wir haben eine Große Anfrage eingereicht, die im Oktober beantwortet sein wird, denke ich. Danach werden wir sie hier gegebenenfalls wieder aufrufen, und wir haben die Datengrundlage, um uns ernsthaft mit diesem Thema zu befassen.

Aber es wurde auch von uns kritisch angemerkt, dass es sich hierbei um einen Großversuch der Überwachung in einer neuen Qualität handelt. Sie haben das nicht ernst genommen, deshalb möchte ich einmal berichten, wie es weitergeht.

Wir erwarten im September den Besuch des Papstes in Bayern. Wenn man auf die Homepage schaut, kann man das Motto lesen: „Wer glaubt, ist nie allein!“ Offensichtlich ist damit die Polizei gemeint, denn es wird auch dort wieder ein Akkreditierungsverfahren und eine Zuverlässigkeitsüberprüfung wie bei dem WM-Modell geben. Sie merken, dass das allmählich Standard werden wird. Auch dort wird es so sein, dass alle Helfer, die mitmachen wollen, nach dem üblichen Verfahren überprüft werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Fragebogen!)

Das bedeutet, wenn Sie in einer polizeilichen Datei drinhängen, auch dann, wenn Sie drinhängen, weil Ihr Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist oder Sie sogar freigesprochen worden sind, kann die Polizei sagen: Aus unserer Sicherheitsanalyse heraus sind diese Personen nicht zuzulassen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie wirklich, sich das noch einmal zu Herzen zu nehmen und zu fragen, ob das noch ein Rechtsstaat sein kann, wenn mich eine anonyme Behörde, gegen die ich definitiv keinen Rechtsschutz habe, in einem Fall, in dem ich freigesprochen worden bin, von einem solchen Großereignis ausschließen kann. Deshalb denke ich, dass wir diese Debatte führen müssen und keine vordergründige Jubeldebatte, wie sie die Koalition offensichtlich beabsichtigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Herr Seidel, bitte.

Es ist schön, dass ich als Leipziger jetzt zu Wort komme.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Klasse, dass sich die Dresdner hier zu ihren unterschiedlichen Vorstellungen prügeln. Nun die Leipziger Sicht der Dinge. Wir alle haben die Fußballweltmeisterschaft entweder vor dem Fernseher oder wie ich vor Ort erlebt und haben uns dieser fröhlichen Begeisterung nicht entziehen können. Wir Leipziger haben eine wunderschöne, außerordentlich friedliche WM erlebt. Natürlich, meine Damen und Herren, hat die Polizei in Leipzig auch vereinzelt Straftaten registriert. So gab es während der WM-Tage und im Zusammenhang damit insgesamt 296 Strafanzeigen, die meisten wegen Diebstahls.

Aber, meine Damen und Herren, wenn man bedenkt, dass in Leipzig über 800 000 Menschen die Spiele der WM verfolgten, ist das ausgesprochen wenig. Bei jedem Weihnachtsmarkt und bei jedem größeren Volksfest in Leipzig registriert die Polizei in Leipzig, wie diese mir bestätigte, weit mehr Straftaten als bei der diesjährigen Weltmeisterschaft.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Dabei ist natürlich in erster Linie den Fußballfans selbst zu danken, und zwar nicht nur den deutschen Fans, sondern auch den vielen tausend ausländischen Besuchern: vor allem den 40 000 Mexikanern, den 35 000 Niederländern, die unsere Stadt in orange färbten und besonders unsere anrückenden Müllmänner mit stehenden Ovationen begrüßten.

(Beifall bei der CDU)

Gedankt sei auch den 20 000 Koreanern, die nachts mit Mülltüten durch Leipzig zogen und gleich selbst ihren Dreck wegräumten, den 20 000 umjubelten Spaniern, den 15 000 Iranern und Argentiniern, den Ukrainern, den Franzosen, den Angolanern und den SerbienMontenegrinern, die wir alle in Leipzig zu unseren Spielen begrüßen durften und die allesamt gemeinsam mit den deutschen Fans ein großes, konfliktfreies Fest feierten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Und den Muldentalern!)

Auf einen Muldentaler könnten wir in Leipzig durchaus verzichten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es ist der konsequenten Umsetzung des Sicherheitskonzeptes durch die Polizei zu verdanken, dass während dieser Tage eine unaufdringliche, aber ständige Präsenz der Polizei vorhanden war. Der personelle Aufwand war hoch; immerhin kamen in diesen Tagen in Leipzig fast 24 000 Polizeibeamte aus ganz Deutschland zum Einsatz. Aber dieser Einsatz hat sich gelohnt. Dabei kam meines Erachtens dem Einsatz von nicht uniformierten Beamten besondere Bedeutung zu, die ganz leger und locker gekleidet mögliche Störer in der Menge gezielt ansprachen und so einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten, dass potenzielle Gefahrensituationen erst gar nicht entstehen konnten bzw. bereits im Ansatz bereinigt wurden.

Ebenso hat sich der Einsatz von insgesamt 68 Polizisten aus den an den Spielen in Leipzig beteiligten Staaten, die die deutschen Beamten unterstützten, bei der Überwindung von Sprachschwierigkeiten halfen und notfalls beschwichtigend auf ihre Fans einwirkten, gelohnt.

Ich denke, dass dieses Vorgehen der Polizei genau die richtige Methode war, die auch in Zukunft für ähnliche Großereignisse durchaus beispielgebend sein kann. Die Polizei war präsent, sie war ständig ansprechbar, aber sie setzte gezielt und erfolgreich auf Deeskalation.

Die Hauptaufgabe der uniformierten Polizei war die Lenkung der Verkehrsströme vor und nach den Spielen. Die sicherheitshalber bereitgehaltenen Polizeikräfte im Einsatzanzug mussten nicht eingreifen und waren während der gesamten Zeit der Spiele in Leipzig praktisch nicht zu sehen. Das gilt für den Einsatz im Stadion selbst, vor allem aber natürlich auf der Straße, auf der Fan-Meile und in Public-Viewing-Einrichtungen. Übertriebene

Sicherheitskonzepte, Herr Leichsenring? Die Fakten sprechen dagegen.

Die friedliche Bevölkerung, die Leipziger danken es der Polizei. Dieses Konzept ist voll und ganz aufgegangen. Die Zusammenarbeit der Leipziger Polizeiführung mit Vertretern des Innenministeriums, dem Regierungspräsidium, dem Oberbürgermeister unserer Stadt, mit der Bundespolizei, die auf dem Hauptbahnhof und dem Flughafen eingesetzt war, und mit den Polizisten aus Thüringen, aus Sachsen-Anhalt, aus Brandenburg und aus Mecklenburg-Vorpommern klappte reibungslos und hervorragend. Dafür an dieser Stelle noch einmal unser herzlicher Dank an alle diese Kräfte! Mein ganz besonderer Dank geht an den Polizeipräsidenten Leipzigs, dem mit der Mannschaft seiner Polizeidirektion die Gesamteinsatzführung oblag.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich würde mir wünschen, dass dieser Geist der Fußball-WM weiter ausstrahlt und die Fußballkrawalle der so genannten Fans – auch unserer zwei Leipziger Mannschaften – in Zukunft der Vergangenheit angehören. Das wäre mein größter Wunsch.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wird von der SPD-Fraktion das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Linksfraktion.PDS? – Auch nicht. NPD? – Auch nicht. FDP? – Nein. GRÜNE? – Nein. Dann bitte die Staatsregierung; Herr Dr. Buttolo, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zurückblickend auf den Verlauf der Fußball-WM in Sachsen kann man heute in der Tat ein sehr positives Resümee ziehen. Ich möchte aus diesem Grund allen Einsatzkräften, ganz gleich, ob Polizei-, Feuerwehr-, Katastrophen- oder Rettungsschutzleute, meinen Dank aussprechen. Sie haben Hervorragendes geleistet. Wir sollten das entsprechend würdigen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das Sicherheitskonzept wurde mit hoher Einsatzbereitschaft und professionellem Herangehen der Einsatzkräfte umgesetzt. Auch für den Freistaat zeigte sich, dass sich ein hohes Maß an Sicherheit auf der einen Seite und ein friedliches und ausgelassenes Fußballfest auf der anderen Seite nicht ausschließen.

Sachsen und insbesondere Leipzig haben sich als hervorragende Gastgeber präsentiert. Die Einsatzkräfte haben sich durch ihr freundliches, tolerantes und wenn notwendig konsequentes Handeln ausgezeichnet. Der Grundsatz „Die Welt zu Gast bei Freunden!“ wurde mit Leben erfüllt.

Die Vorbereitungen zum Einsatz bei der Weltmeisterschaft im Freistaat Sachsen liefen auf ministerieller sowie auf örtlicher Ebene in Leipzig frühzeitig an. So wurden beispielsweise im Bereich Verkehrsmaßnahmen einzusetzende Polizeibeamte speziell geschult. Ein weiterer Schwerpunkt war die Fortbildung im fremdsprachlichen Bereich. Ergänzt wurden die Vorbereitungen durch Übungen im Bereich polizeilicher Einsatzmaßnahmen sowie übergreifend und im Zusammenwirken mit allen Beteiligten anlässlich erdenklicher Szenarien, wie größerer Schadensereignisse oder ähnlicher Zwischenfälle. Diese umfassende und akribische Vorbereitung war letztlich ausschlaggebend für den Erfolg des Gesamteinsatzes.

Eckpunkte des sächsischen Sicherheitskonzeptes waren der bundesweite polizeiliche Informationsaustausch, polizeiliche Maßnahmen zur Einsatzbewältigung, Maßnahmen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr und die Zusammenarbeit mit externen Partnern, wie der Bundespolizei, städtischen Behörden und den Veranstaltern.

Wesentlich zum Gelingen der Einsatzmaßnahmen anlässlich der WM trug der umfassende bundesweite Informationsaustausch im Bereich Hooliganismus und politisch motivierte Kriminalität bei. Alle sächsischen Polizeidienststellen waren in diesen Informationsfluss eingebunden. Damit war sichergestellt, dass relevante Informationen unkompliziert und zeitnah über die Ländergrenze hinweg und bei Bedarf auch an andere Teilnehmerländer gereicht werden konnten.

Der Informationsaustausch der Bundesländer und die Einrichtung entsprechender Zentralstellen haben sich aus Sicht des Freistaates bewährt.

Gleichermaßen von Bedeutung war der bundesweite länderübergreifende Austausch von Fachleuten im polizeilichen Bereich. Szenekundige Beamte aus dem gesamten Bundesgebiet, so auch aus Sachsen und allen Teilnehmerländern, waren an den Spielorten der WM 2006 eingesetzt. Rechtzeitig getroffene präventiv-polizeiliche Maßnahmen gegenüber potenziellen Störern wie Gefährdeansprachen, Meldeauflagen und Aufenthaltsverbote trugen dazu bei, dass bekannte Störer aus Sachsen weder in Leipzig noch in anderen WM-Spielorten durch Störungen in Erscheinung treten konnten.

Im Vorfeld des Einsatzgeschehens wurden sachsenweit präventiv-polizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung von Störungen im Zusammenhang mit der WM durchgeführt. Diese umfassten 584 Gefährdeansprachen, 102 Aufenthaltsverbote für die Stadt bzw. bestimmte Gebiete der Stadt Leipzig und 36 Meldeauflagen.

Auch das zwischen Bund und Ländern abgestimmte Akkreditierungsverfahren war ein wesentlicher Beitrag zur Gewährleistung der Sicherheit bei der WM. Dieses Verfahren betraf die Zutrittsberechtigung für einen bestimmten Personenkreis zu den Spielstätten. Die Bewerber für eine Akkreditierung wurden gebeten, ein Antragsformular auszufüllen und dieses dem Organisationskomitee zu übersenden.

Dieses Formular beinhaltete eine umfassende Datenschutzinformation, mit der die Bewerber über ihre Überprüfung aufgrund der bei den Sicherheitsbehörden vorliegenden Erkenntnisse unterrichtet wurden sowie eine Einwilligungserklärung zu der beabsichtigten Datenerhebung und -verarbeitung.

Das Verfahren wurde bereits am 8. Februar 2005 dem Bundesbeauftragten für Datenschutz vorgestellt, der es für vertretbar gehalten hat. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hat sich hierzu allerdings kritisch geäußert und für künftige Großveranstaltungen die Schaffung einer Rechtsgrundlage für Akkreditierungsverfahren gefordert. Mein Haus wird dies bei der anstehenden Novelle des Sächsischen Polizeigesetzes berücksichtigen.