Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer im Innern mehr Sicherheit haben will, muss Formen der Zivilgesellschaft und der Gewaltprävention stärken, eine vernünftige Politik machen. Dazu gehört im Übrigen auch, dafür zu sorgen, dass eine qualifizierte Polizei ihre Arbeit macht und nicht durch die Billigvariante Sicherheitswacht mit einer 60-Stunden-Ausbildung ersetzt wird. Wir halten es für völlig abartig, als Schlussfolgerung aus der WM den künftigen Einsatz der Bundeswehr auch im Innern nach wie vor im Auge zu behalten. Aus welchem Grund denn eigentlich? Aus gutem Grunde – das ist eine Lehre aus unserer Geschichte – ist zwischen Militär und Polizei zu trennen.

Ein Letztes. Während sich einen Monat lang Fußballer und Fans in Fairness übten, tat die Koalition in Berlin das ganze Gegenteil: Im Schatten der Spiele boxte sie die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik locker durch und gleich auch noch eine Verschärfung der Hartz-Gesetze. Brot und Spiele statt Recht und Wohlstand. Wo sind wir eigentlich gelandet?!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Heinz Eggert, CDU: Das wird Frau Bonk schon erklären, wo wir gelandet sind!)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es gibt sie, die Zeit nach der WM. Die schöne Zeit ist vorbei. Wir haben sie sicherlich alle genossen und den sportlichen Erfolg natürlich auch. Aber haben Sie eigentlich etwas bemerkt? Es hat etwas gefehlt.

(Heinz Eggert, CDU: Der Führer! – Heiterkeit bei der CDU und der Linksfraktion.PDS)

Nein, die Gespenster, die überall gezeichnet wurden, Herr Eggert, haben gefehlt. Was haben wir nicht alles gehört! Rechtsradikale werden stören. Herr Brangs hat es gerade noch einmal wiederholt. In Sachsen ist niemals an irgendetwas dergleichen gedacht worden. Ich sage Ihnen, Wahrnehmungsstörungen sind therapierbar. Fangen Sie an, Herr Brangs!

(Beifall bei der NPD – Widerspruch des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Es wurde von verletzten und getöteten Fußballtouristen gesprochen. No-go-treas wurden angesprochen, besonders in der Sächsischen Schweiz, 170 Kilometer entfernt vom Spielort. Nein, meine Damen und Herren, diese Schwarzmalerei hatte keinen rationalen Hintergrund. Sie diente einzig der Stimmungsmache. Nichts dergleichen ist eingetreten, und zwar nicht, weil die Polizei so gut war, sondern weil es Hirngespinste irgendwelcher Ministerialen waren. Trotzdem gilt natürlich unser Dank der Polizei für den besonnenen Einsatz. Eines dürfen wir nicht verleugnen, der Hooliganismus hätte auftreten können. Hooligans hätten zuschlagen können. Wer zum Fußball geht, weiß, dass das überall und an jeder Stelle passieren kann. Deswegen unser Dank an die Polizei.

Wir haben nicht nur eine schöne WM erlebt, weil es keine gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Fans gab, sondern weil Normalität Einzug gehalten hat. Wir haben erlebt, dass es eine neue Empfänglichkeit für nationale Symbole gibt, für die Nationalflagge, nicht nur an der Krawatte von Kamerad Winkler in der WM-Zeit abzulesen. Nein, die einzige Spaßbremse, der einzige Spielverderber, war die PDS. Da wurden Fahnen verbrannt, da gab es diese unsägliche Debatte, die wir hier nicht noch einmal anzetteln müssen. Da war leider Polizeieinsatz notwendig. In Pirna wurden nach dem Argentinien-Spiel Fahrzeuge, die beflaggt waren, von Linken mit Steinen beworfen. Solche Dinge, die das Bild etwas getrübt haben, sind am Rande zu sehen gewesen.

Aber wir müssen trotzdem beim Sicherheitskonzept noch etwas Wasser in den Wein gießen. Ich habe jetzt sehr dezidiert erfahren, dass der Digitalfunk, der eingeführt wurde, weil er abhörsicher sein soll, gar nicht so abhörsicher ist. Das hätte mich auch gewundert. Auch Eurobanknoten sollen fälschungssicher sein, und trotzdem treten sie in Massen gefälscht auf. Auch der neue Digitalfunk ist nicht abhörsicher. Persönlich hat mich ein bisschen die Inflation dieser RFID-Technologie gestört, dass man jegliche Eintrittkarten personalisiert hat. Das mag vielleicht bei einer WM noch einen Sinn gehabt haben, aber wir wissen nicht, was in Zukunft mit dieser RFIDTechnologie passieren wird, ob wir hier Richtung Orwell unterwegs sind. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir ihn schon überholt haben.

Warum wurde eigentlich der Einsatz der RFIDTechnologie nicht bei der Vorstellung des Sicherheitskon

zeptes genannt? Sollte hier ein Überwachungstest am lebenden Objekt unter Missbrauch der WM stattfinden? Dazu hätte ich dann doch gern etwas vom Staatsminister gehört. Wie auch immer – wir haben eine schöne WM erlebt. Sachsen war trotz des übertriebenen Sicherheitskonzeptes ein guter Gastgeber.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir danken natürlich den vielen Polizistinnen und Polizisten, die in Leipzig echte Klassearbeit geleistet haben. Dies hat unserem Freistaat zur Ehre gereicht. Ich muss wirklich sagen, ich bin stolz auf diese Polizei. Sie hat gezeigt, über welche Leistungskraft sie verfügt. Dafür auch von uns ein herzliches Dankeschön!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich hoffe, dass sich die von der Regierungskoalition geäußerten Dankesbezeugungen auch materiell umsetzen lassen; denn unsere Polizistinnen und Polizisten haben zum Teil enorme Überstunden geleistet, Überstunden, bei denen man sich auch ein wenig fair zeigen und eine vernünftige Lösung finden sollte, wie man damit umgeht, meine Damen und Herren.

Eines muss ich jedoch sagen: Auch wenn in Leipzig alles geklappt und sich der Freistaat gut präsentiert hat, können wir als FDP nicht ungeteilt in den Lobgesang der Staatsregierung auf das sächsische Sicherheitskonzept einstimmen; denn leider hat die Hasenfüßigkeit unseres Innenministers dazu geführt, dass die WM-Begeisterung als gemeinsames Erlebnis Tausender Fußballfans nicht überall in diesem Land zu genießen war.

(Staatsminister Dr. Albrecht Buttolo: Das ist doch Quatsch, was Sie da sagen!)

Durch das vorschnelle und für uns nicht nachvollziehbare Verbot der Staatsregierung von drei Public-ViewingVeranstaltungen, zum Beispiel hier in Dresden, hat die Politik zumindest den Dresdner Fußballbegeisterten, Herr Buttolo, dieses einmalige Erlebnis, das die Meisten von uns vielleicht nur einmal im Leben haben, genommen und dem Staat eine gute internationale Werbemöglichkeit geraubt. Das ist Ihre Verantwortung, Herr Buttolo! Sie allein haben das entschieden.

(Beifall bei der FDP und der NPD)

Ich möchte es nur verdeutlichen; wir können es gern noch einmal rekapitulieren, wir haben uns ja lange darüber unterhalten. In Leipzig waren – Herr Bandmann sagte es – über 800 000 Menschen im Stadion, aber auch bei den Public-Viewing-Veranstaltungen. Deutschlandweit kamen insgesamt 11,7 Millionen Menschen zu Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen. Egal, ob es in Saarlouis war, wo

täglich 8 000 Besucher gekommen sind, oder in Berlin, wo es über 100 000 waren – nirgendwo gab es gravierende Sicherheitsprobleme, an keiner einzigen Stelle gab es Ausschreitungen, meine Damen und Herren. Kein anderes Bundesland ist so restriktiv mit Public-Viewing-Veranstaltungen umgegangen wie Sachsen. In keinem anderen Bundesland – außer die Stadtstaaten, das räume ich ein – hat sich die WM derart stark auf einen Ort konzentriert und die Fläche völlig vernachlässigt; und das, obwohl es in Dresden – das wissen Sie selbst – überzeugende Angebote gegeben hat: beispielsweise am Schloss, aber auch auf dem Gelände am Königsufer, wo regelmäßig Veranstaltungen mit mehr als 10 000 Besuchern friedlich vonstatten gehen. Sie, Herr Buttolo, haben diese Projekte untersagt, zur Fragestunde am 12. Mai tief in die Fragekiste gegriffen und für den Standort Königsufer in unverantwortlicher und völlig unnötiger Weise Sicherheitsrisiken konstruiert.

Ich möchte einmal daran erinnern, was Sie gesagt haben. Sie haben beispielsweise gesagt, die weichen Elbwiesen wären ein sehr, sehr schlimmes Sicherheitsrisiko, da sie durch schwere Technik, zum Beispiel Wasserwerfer, nicht befahrbar wären. Sie haben damals – dies können Sie im Protokoll nachlesen – gesagt, das Gelände am Königsufer wäre nicht ausleuchtbar.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Sie haben gesagt, die Polizisten könnten von den Brücken beworfen werden.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Lichdi, hören Sie mir bitte zu! – Die Polizei hat Ihre Argumentation am 25. Mai bei der guten Bewältigung der Himmelfahrtskrawalle ad absurdum geführt, da sie genau das, wovon Sie gesagt haben, dass es nicht geht, an diesem Standort getan hat: Sie hat von den Brücken aus das Gelände ausgeleuchtet, ist mit schwerer Technik dort vorgerollt, das heißt, es waren konstruierte Sicherheitsrisiken, die wir nicht gesehen haben und die auch nicht zu verantworten sind.

(Beifall bei der FDP)

Der Dresdner Sportbürgermeister, meine Damen und Herren, übrigens Parteifreund von Ihnen, hat im Stadtrat etwas ganz Tolles erzählt: Es gebe gesicherte Erkenntnisse, dass 10 000 gewaltbereite Polen, polnische Hooligans, nach Dresden kommen würden und in dieser Stadt, unserer Heimatstadt, randalieren wollten. Diese Angstmacherei hat vielen Menschen hier in Dresden das WMErlebnis doch ein Stück versauert, und das, muss ich sagen, liegt in der Verantwortung der Politik, es liegt in Ihrer Verantwortung, Herr Buttolo! Ich will Ihnen nur sagen: Der Veranstalter, der dies am Königsufer durchgeführt hat, hat es an anderen Stellen in Deutschland auch durchgeführt, zum Beispiel in Halle. In Halle kamen 100 000 Besucher, und es gab keine einzige Ausschreitung, wie an keinem anderen dieser 14 Standorte. Ich

frage mich bis heute, warum dies in Dresden nicht möglich gewesen ist.

Wer nichts tut, kann auch keine Fehler machen. Auch dies gehört zu einer ehrlichen Analyse des sächsischen Sicherheitskonzeptes.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN das Wort. Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Üblicherweise rege ich mich ja immer am meisten über Kollegen Bandmann auf, aber ich muss Ihnen sagen, jetzt rege ich mich am meisten über Kollegen Zastrow auf.

(Volker Bandmann, CDU: Da habe ich wohl etwas falsch verstanden?! – Beifall des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Ich bin es wirklich Leid, diese alte Leier zu hören, aber ich fange mit meiner Rede an. Auch wir bedanken uns sehr herzlich bei der sächsischen Polizei. Wir sind sehr froh, dass es keine Störungen der öffentlichen Sicherheit in Größenordnungen gegeben hat, und wir sind durchaus in der Lage und sehr gern bereit, dies als große Leistung anzuerkennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Herr Zastrow, Sie haben dem Herrn Innenminister – wir hatten die Debatte bereits öfter in diesem Hause – Hasenfüßigkeit vorgeworfen. Ich tue jetzt auch etwas Antizyklisches: Ich verteidige ihn einmal.

(Vereinzelt Heiterkeit bei den GRÜNEN und der CDU)

Ich finde es richtig billig, wenn ich im Vorfeld eine polizeiliche Gefahrenanalyse durchführe und danach sage: Ja, siehste, es ist ja nicht eingetreten; die Gefahrenanalyse war falsch. Herr Zastrow, ich sage Ihnen: Sie haben das Wesen polizeilicher Gefahrenanalysen offensichtlich nicht verstanden,

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

und ich sage Ihnen auch ganz ausdrücklich: Es gab auch aus meiner Sicht genügend Anhaltspunkte dafür, dass der Ort Königsufer aufgrund der Ereignisse absolut ungeeignet ist. Sie wissen vielleicht nicht – Sie sind ja aus Dresden –, dass es ein Landschaftsschutzgebiet, ein FFHGebiet, ein Vogelschutzgebiet ist. Ich weiß, Sie interessiert das nicht, aber uns interessiert es.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Sie wissen auch, dass der Stadtrat Dresden einvernehmlich jemanden nicht mit 100 000 Euro subventioniert hat, der damit Geld macht, sondern dass wir damit lieber die

Badeeintrittspreise niedrig gehalten haben, und ich sage Ihnen, dazu stehe ich, auch als Dresdner Stadtrat.

(Heinz Eggert, CDU: Und die Waldschlößchenbrücke!)