Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir wollen mit unserem Antrag natürlich feststellen, welche Verantwortung die Staatsregierung in diesem Sachverhalt trägt. Es geht nicht nur, wie manche sagen werden, um eine Brücke über die Elbe. Es geht um viel mehr. Es geht darum, ob Sachsen internationales Ansehen dadurch einbüßt, dass es versäumt, sich darum zu kümmern, alles, was nötig und

möglich ist, dafür zu tun, dass der Welterbetitel, mit dessen Entzug gedroht worden ist, für uns erhalten bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In den letzten Wochen war die Kommentierung von der Seite der Staatsregierung immer, das sei eine rein kommunale Angelegenheit. Und dann hat doch – Herr Hatzsch, entschuldigen Sie diese saloppe Aussprache – die Staatsregierung immer den toten Käfer gespielt. Sie haben sich auf den Rücken gelegt, die Beine angewinkelt und gehofft, dass keiner Sie bemerkt, weil Sie sich nicht zucken. So ist es aber nicht.

Ende der neunziger Jahre hat die Staatsregierung – nur in Form anderer Minister – sehr wohl diese Brückenentscheidung forciert und sich sehr wohl eingemischt. Damals hieß es vom damaligen Wirtschaftsminister Kajo Schommer, Geld gäbe es nur für diese Brücke, für keine andere. Da waren Sie aktiv und kein toter Käfer.

Oder auch die Tatsache, dass Sie das Welterbe natürlich selbst als Antragsverfahren nach Paris weitergeleitet haben und dass Sie weitere Welterbestätten von Sachsen in Paris 2008/2010 anmelden wollen, heißt eigentlich auch, dass Sie aktiv werden. Das Geld, das für die Brücke mehrheitlich aus öffentlichen Geldern von Bund und Land stammt, liegt auch in Ihrer Hoheit über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Im § 2 wird deutlich ausgeführt, dass förderungsfähige Vorhaben natürlich auch der Bau und Ausbau von verkehrswichtigen innerörtlichen Straßen und verkehrswichtigen Zubringerstraßen zum überörtlichen Verkehrsnetz sind. Das heißt, es ist völlig schnuppe, ob es diese Brücke, ein Tunnel oder zwei kleine Brücken sind. Alle diese Dinge sind aufgrund ihrer innerstädtischen Verkehrsfunktion natürlich mit diesem Geld förderfähig und ich wünschte, Sie würden das heute klarstellen, Herr Wirtschaftsminister.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Das Einzige, was mit dem Geld nicht förderfähig wäre, sind kleine Anliegerstraßen, aber das sollte ja, so hoffe ich, die Brücke auch nie werden. Das Land will noch mehr. Der Freistaat Sachsen möchte 2008 die Montanregion Erzgebirge als Welterbestätte anmelden. Das Land Sachsen möchte bis 2010 Görlitz, Meißen, die Thomaskirche und die Bachstätte in Leipzig als Weltkulturerbe anmelden. Wenn Sie das alles vorhaben, brauchen Sie natürlich eine kommunikative Situation in Paris. Die werden Sie nicht bekommen, wenn Sie sich jetzt hier auf die Hinterbeine stellen oder „toter Käfer“ spielen.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion.PDS)

Der vor einer Woche in Vilnius getroffene Beschluss war eindeutig.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Das war übrigens kein Befehl einer übergeordneten Behörde, wie manche glauben machen wollen, sondern eine ganz einfache Entscheidungsaufgabe für alle Politiker, die hier tätig sind. Der Beschluss sagt aus: Wir fordern den Staat – und damit sind Sie gemeint – und die städtischen Autoritäten auf, dringend das Bauprojekt zu stoppen und Diskussionen mit allen Beteiligten aufzunehmen, um alternative Lösungen zu finden. Das ist ein Auftrag an die Staatsregierung, den Prozess zu moderieren.

Im Beschluss von Vilnius steht auch, dass man den Staat auffordert, unverzüglich die Projekte in der Kernzone noch einmal zu überdenken. Auch das ist ein klarer Handlungsauftrag an die Staatsregierung. Wer das immer

noch bezweifelt oder – wie Sie, Herr Buttolo, es vor wenigen Tagen getan haben – infrage stellt, der sollte sich anschauen, wie das Dresdner Regierungspräsidium heute über die Presse versucht hat, deutlich zu machen, wie sehr es doch befugt ist, sich einzumischen. Da ist angedroht worden, den Bau der Brücke zu vollziehen, falls der Stadtrat eine andere Entscheidung trifft. Insofern sind Sie als Innenminister und oberste kommunale Aufsichtsbehörde allerdings mit im Boot und müssen eingreifen.

Es ist doch nicht das Problem, durch eine Verhandlungslösung zu einem Vollzug des Bürgerentscheids zu kommen, der den Vorgaben der UNESCO entspricht. Das ist doch möglich. Das Beispiel dafür heißt übrigens Kölner Dom.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Im Zuwendungsbescheid des Regierungspräsidiums vom 28.10.2004 wird deutlich gemacht, woher die Mittel stammen und dass die Inanspruchnahme dieser Gelder für die Stadt Dresden bis zum Jahr 2008 möglich ist. Das heißt, man kann in Ruhe alles diskutieren und neu planen. Es ist eine unverbindliche Bereitstellung, für die kein Rechtsanspruch besteht und die an den Haushalt gekoppelt ist.

Sie hatten jetzt große Verteilungsprozessionen für das Geld der nächsten zwei Jahre. Deshalb gehe ich davon aus, dass das Geld auch im nächsten Jahr noch zur Verfügung steht. Das kann also nicht das Problem sein.

Es gibt ein Gutachten von Prof. Dr. Ulrich Fastenrath vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Juristischen Fakultät der TU Dresden. Das ist taufrisch, vom 11. Juli 2006. Dort heißt es auf Seite 4: „Es gibt keinen Glaubensschutz... wie im deutschen Verwaltungsrecht, wonach die Verwaltung unter Umständen eine rechtswidrige Entscheidung aufrechterhalten muss, wenn die Bürger auf sie vertraut haben.“ Es heißt darin weiter: „Die Aufnahme eines Objekts in die Rote Liste dient als Mahnung an den betreffenden Staat...,“ – das ist hier der Freistaat Sachsen – „etwaige Planungen mit negativen Auswirkungen fallen zu lassen.“ Der Bewilligungsbescheid des Regierungspräsidiums wird in diesem Gutachten auch untersucht. Dazu heißt es sinngemäß, dass auch hier bei der Planung die Einbeziehung aller öffentlichen Belange vorgesehen ist. Das heißt, völkerrechtliche Verpflichtungen – damit sind wir beim Kern – sind natürlich zu berücksichtigen.

Nun muss man davon ausgehen, dass der Bewilligungsbescheid des Regierungspräsidiums nicht genügend Rücksicht auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sich aus dem Beantragen des Welterbetitels ergeben haben, genommen hat und deshalb der Planfeststellungsbeschluss wahrscheinlich falsch ist. Wenn dem so ist, dann muss das Regierungspräsidium als Planfeststellungsbehörde prüfen, ob der Beschluss zurückzunehmen ist. Nach der Entscheidung von Vilnius muss das innerhalb Jahresfrist getan werden.

Der Stadtrat ist übrigens nicht an die Planungen gebunden, die dem Planfeststellungsbeschluss vom Februar 2004 zugrunde liegen.

Wir können das alles weiter ausdiskutieren, wenn morgen nicht der Baubeginn vom Stadtrat Dresden beschlossen wird. Im Moment gehe ich nicht davon aus, dass dieser Beschluss morgen gefasst wird.

Wenn wir Zeit haben, das alles über die Sommerpause in Ruhe zu diskutieren, dann ist die Frage der Bundestreue in diesem Fall zu stellen. Das ist zwar verfassungsrechtlich schwammig formuliert, das gebe ich gern zu, aber natürlich ist der Freistaat Sachsen als der Handelnde zum Beispiel bei der Weiterreichung der Gelder aus dem Verkehrswegefinanzierungsgesetz verpflichtet zu prüfen, dass der Erhalt des Welterbetitels nicht durch eigenes staatliches Handeln in Gefahr gerät.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS, und Karl Nolle, SPD)

Wenn Sie das in Ruhe prüfen wollen, können Sie im Übereinkommen der UNESCO über den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972 noch einmal nachschlagen. Im Artikel 4 ist festgelegt: „Jeder Vertragsstaat erkennt an, dass es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des Kultur- und Naturerbes sowie seine Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen.“ Es ist weiterhin in Artikel 5 ausgeführt: „Um das zu gewährleisten, wird sich jeder Vertragsstaat bemühen, geeignete rechtliche,... Verwaltungs- und Finanzmaßnahmen zu treffen, die für die Erfassung, den Schutz, die Erhaltung in Bestand und Wertigkeit sowie Revitalisierung eines Erbes erforderlich sind.“ Dabei sind Sie gefordert.

Kulturgüter sind Träger von Werten und Bedeutungen. Sie sind ein öffentliches Gut. Brücken tragen nur Autos.

(Proteste bei der CDU)

Die Staatsregierung hat in diesem Fall für Sachsen quasi außenministerielle Aufgaben. Sie sind als Staatsregierung dafür verantwortlich, wie Sachsen international wahrgenommen wird.

Wenn Sie bezweifeln, dass es eine internationale Dimension gibt, dann sage ich Ihnen, dass sich sogar die BBC bemüßigt fühlte, mich aus London anzurufen, um einen Kommentar zur Waldschlößchenbrücke zu bekommen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das ist also nicht nur ein kommunales Projekt, sondern hat sich weltweit herumgesprochen. Darauf sollten Sie Rücksicht nehmen.

Man kann sich auf der Welterbeliste ansehen, woran es liegt, dass vereinzelte Welterbegüter auf die Rote Liste kommen. Das ist interessant. Meistens verursachen das Naturkatastrophen. Manchmal sind es auch Bürgerkriege oder wirtschaftliche Gründe. Man möchte zum Beispiel in Ägypten eine Autobahn bis zu den Pyramiden bauen.

Daraus ergibt sich natürlich ein Gefährdungspotenzial. Auf der Roten Liste stehen zum Beispiel die BuddhaStatuen von Bamiyan in Afghanistan. Die haben die Taliban zerschossen. Auf der Liste steht der Palast des Khan von Schirwan aus Baku in Aserbaidschan. Das war ein Erdbeben. Darauf stehen auch die Königspaläste von Abomey in Benin. Das war ein Tornado.

Seit letzter Woche steht der Kölner Dom nicht mehr darauf. Er hat es geschafft, wieder von der Liste herunterzukommen. Das war ein Bauvorhaben. Natürlich steht jetzt das Dresdner Elbtal auf der Liste. Das ist auch ein Bauvorhaben, kein Tornado, kein Erdbeben, kein Bürgerkrieg, einfach nur ein kommunales Bauvorhaben, das so groß ist, dass man sagt: Große Brücke – großer Ärger, wenn man Welterbeträger ist, kleine Brücke – kleiner Ärger.

(Volker Bandmann, CDU: Aber ein Bürgerentscheid!)

Nun überlegen Sie sich, wie die Verhandlungslösung aussehen muss.

Ich glaube, diese Angelegenheit erfordert Staatsmänner und keine ministeriellen Mikadostäbchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Der zweite Antrag wird von Frau Mattern für die Linksfraktion.PDS eingebracht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das aktuelle Verhalten der Regierungspolitik im Dresdner Brückenstreit hat bereits jetzt dazu geführt, dass der Ansehensverlust für ein Land wie Sachsen, das sich als Kulturland versteht, immens ist. Das beweist auch das außerordentliche Medienecho, bei dem Sachsen keineswegs gut wegkommt, sondern als zänkisch und borniert dargestellt wird.

Meine Damen und Herren! An diesem Zustand ist etwas zu ändern. Wir müssen uns an die Grundlagen erinnern, nach denen das Weltkulturerbe vereinbart worden ist. 1972 hat die UNESCO das Internationale Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt verabschiedet. Inzwischen haben es 180 Staaten unterzeichnet. Es ist das international bedeutendste Instrument, das jemals von der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres kulturellen und natürlichen Erbes beschlossen wurde.

1992 wurde von der UNESCO das Welterbezentrum gegründet. Es hat seinen Sitz in Paris. Ziel des Zentrums ist es, die internationale Zusammenarbeit für einen wirksamen Schutz des Natur- und Kulturerbes zu fördern und zu intensivieren.

Die UNESCO hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kultur- und Naturgüter der Menschheit, die einen außergewöhnlich universellen Wert besitzen, zu erhalten. Bisher sind 812 Stätten weltweit auf der UNESCO-Liste

des Welterbes verzeichnet. Es wird dabei allgemein zwischen Natur- und Kulturerbestätten unterschieden. Gerade einmal 24 Stätten in der Welt bekamen einen Status zuerkannt, bei dem diese beiden Werte vereint sind. Eine dieser Stätten ist seit 2004 das Dresdner Elbtal, in dem Natur und Kultur zu einem einzigartigen Ensemble verschmolzen sind.

Aus einer solchen Aufgabe ergibt sich natürlich zuerst auch mehr Arbeit, und zwar entsprechend den Verpflichtungen, die Deutschland mit der Unterzeichnung der Konvention eingegangen ist. Frau Hermenau hat aus dieser Konvention bereits zitiert. Es wird dort ausgeführt, dass jeder Vertragsstaat hierfür alles in seinen Kräften Stehende tun muss, unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung der ihm erreichbaren internationalen Unterstützung und Zusammenarbeit, insbesondere auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet. Alles in seinen Kräften Stehende soll getan werden, nicht etwa von einer Kommune, sondern vom Staat.

Die UNESCO richtete einen Welterbefonds ein. Daraus kann im Fall von Naturkatastrophen oder mangelnder Möglichkeit zur Eigenleistung Unterstützung gegeben werden. Vor allem aber nutzt Dresden diesen Fakt als internationalen Werbeeffekt, der mit der Aufnahme in das Welterbe verbunden ist.

Die Linksfraktion.PDS hat schon im Januar 2006 einen Antrag in das Hohe Haus eingebracht, der die Staatsregierung auf ihre Verantwortung für die Welterbestätte Dresdner Elbtal aufmerksam macht. Dieser Antrag steht jetzt gemeinsam mit dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Diskussion. Ich meine, dass wir recht spät, nicht nur von der Uhrzeit her, über diese Thematik diskutieren, aber es ist womöglich noch nicht zu spät.

Das Dresdner Elbtal – einige Monate auch von den Vertretern der CDU und FDP als stolzes Welterbe vor sich hergetragen – steht nunmehr auf der Roten Liste der UNESCO. Anstatt diese neue Herausforderung anzunehmen, werden die Mitglieder der UNESCO-Welterbekommission von den Herren Vaatz, Lämmel und Rohwer kurz und klein geheißen und beleidigt. Dafür, meine Damen und Herren, schäme ich mich.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Dass Sie nicht Manns oder Frau genug sind, mit einer solchen Tatsache so umzugehen wie zum Beispiel in Köln und nach einem Ausweg, einem anderen gangbaren Weg zu suchen, ist nicht nur enttäuschend, sondern wirft auch ein sehr erhellendes Licht auf Sie. Der Ministerpräsident lehnt sich zurück – wer weiß, wo – und schiebt die Verantwortung für die Waldschlößchenbrücke der Kommune zu. Merkwürdig nur, meine Damen und Herren, wie viele CDU-Landes- und -Bundespolitiker sich in der Sache äußern und sich wie eh und je, seit es um diese Brücke geht, in die kommunalen Angelegenheiten der Stadt Dresden einmischen. Vor fünf oder sechs Jahren hätte