Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine solche Entwicklung wollen wir mit unserem Antrag Deutschland ersparen. Der weitere Weg der Bahnreform kann nach Ansicht der NPD-Fraktion keinesfalls eine immer weitergehende Privatisierung und Deregulierung sein. Vielmehr müssten der Bahn ein verlässlicher ordnungspolitischer Rahmen gesetzt und dauerhafte Finanzquellen gesichert werden, damit sie eine faire Chance im Wettbewerb der verschiedenen Verkehrsträger hat.
Nachdem ich nun versucht habe, die Schwächen des Reformprozesses aufzuzeigen, wird sich mein Kollege Apfel zu den Plänen der Bundesregierung äußern, die Deutsche Bahn vielleicht schon nächstes Jahr an die Börse zu bringen. Doch bitte ich Sie jetzt schon im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben ja heute am zeitigen Nachmittag schon intensiv über dieses Thema debattiert. Daher kennt die NPD-Fraktion auch die Meinungen der anderen Fraktionen. Wir halten es nicht
Die Linksfraktion.PDS hat keinen Redner gemeldet. Das bleibt so. – Die FDP ebenfalls nicht. – Die Fraktion der GRÜNEN ebenfalls nicht. – Staatsregierung? – Dann, Herr Apfel, haben Sie jetzt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es spricht wieder einmal Bände, wie Sie mit den Anträgen der NPD-Fraktion umgehen. Ich denke, der Abg. Delle hat doch einige neue Aspekte in die Debatte eingebracht, die durchaus diskussionswürdig wären. Aber Diskussionen mit der Opposition der NPD wollen Sie ja sowieso nicht führen.
Seitdem der Startschuss für die große Bahnreform gefallen ist, sieht die Führung der Deutschen Bahn AG ihr Unternehmen auf einem linearen Wachstumskurs mit Ergebnissen, die schnell Milliardendimensionen erreichen. Doch die Realität sieht anders aus. Die Geschäftsberichte stimmen entsprechend kritisch.
In der Vergangenheit hat der Konzern immer wieder optimistische Planungen zurücknehmen müssen, und die mit der Bahnreform beabsichtigte Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene hat nicht stattgefunden, wie jüngst auch der Bundesrechnungshof feststellte. Dieser kritisierte zudem, dass der Weg der Bahn bisher den Bundeshaushalt nicht entlastet hat. Die Vision von Bahnvorstand Hartmut Mehdorn wird offensichtlich immer mehr zum Trugbild.
So verkam die angekündigte Vorbereitung auf den Börsengang in den letzten Jahren zu einer dramatischen Gewaltaktion, geprägt durch Ausgabenstopps und Preiserhöhungen im Personennahverkehr. Die Bahn wirkt durch dieses Verhalten wie ein Unternehmen, das verzweifelt sein letztes Geld zusammenkratzen muss, um das Klassenziel zu erreichen, weit entfernt von einer kontinuierlich positiven Entwicklung.
Die Folgen dieses Sparkurses sind unübersehbar: Lange geplante Zukunftsinvestitionen in Fahrzeugpark und Netzinfrastruktur werden verschoben, Erhalt und Pflege der vorhandenen Substanz auf Sparflamme fortgetrieben. Das wirkt unmittelbar auf die Qualität des Angebots und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene. Diese Folge wird im Unternehmen durchaus gesehen, denn schon vor zwei Jahren warf Personenverkehrschef Rausch dem Netzvorstand Roland Heinisch vor, er habe wegen verschleppter Instandhaltungsmaßnahmen in Sachsen gravierende Fahrgastrückgänge zu verantworten.
Der Aufschrei von Verbraucherschützern angesichts solcher Entwicklungen zeigt: Die Bahn ist weit davon entfernt, in der öffentlichen Wahrnehmung als normales Unternehmen empfunden zu werden. Sie gilt immer noch – zu Recht – als ein Teil staatlicher Daseinsvorsorge, und
folglich wird – ebenso zu Recht – von ihr verlangt, dass sie bei ihren Preiskalkulationen soziale Aspekte zu berücksichtigen hat.
Vorwürfe müssen auch dem Bund als Eigentümer gemacht werden. Unter dem Diktat leerer Kassen hat er nämlich seine grundgesetzlich verankerte Pflicht verletzt, den Schienenwegeausbau zu finanzieren. Zwangsläufig musste die Bahn vor diesem Hintergrund eigene Investitionen überdenken und die Prioritäten anders setzen. Der letzte Schlag ins Kontor der Privatisierungslobbyisten war dann ein Bericht des Bundesrechnungshofes vom März 2006, in dem dieser vor den Milliardenrisiken beim Börsengang der Bahn gewarnt hat.
Die Behörde kritisierte, dass der Erfolg des Unternehmens von langfristigen staatlichen Zuschüssen abhänge und die Kapitalmarktfähigkeit und die Rentabilität des Konzerns somit auf langfristigen Zahlungsverpflichtungen zulasten des Steuerzahlers basieren würden. Tatsächlich, meine Damen und Herren, treibt die Finanzierungsvereinbarung das asoziale Prinzip der Privatisierung von Gewinnen bei gleichzeitiger Sozialisierung von Verlusten auf die Spitze, da der Bund für die nächsten zehn Jahre eine Garantiezahlung von zweieinhalb Milliarden Euro pro Jahr zusagen soll. Das heißt im Prinzip nichts anderes – darauf hatte auch der Vize des Rechnungshofes, Norbert Hauser, hingewiesen –, dass der Bund die Dividenden der Anteilseigner durch Steuergelder finanzieren wird.
Meine Damen und Herren! Spätestens an diesem Punkt ist die Grenze zur Durchführung illegaler Tätigkeiten überschritten; denn Steuergelder dürfen nicht in die Taschen privater Investoren fließen. Angesichts zunehmender sozialer Not im eigenen Lande kann man eigentlich nur noch sagen: Pfui Teufel!
Schon Monate zuvor hatte der Rechnungshof dem Konzern schwere Vorwürfe gemacht, da die Bahn nur scheinbar eine steil ansteigende Erfolgskurve zu verzeichnen habe und vielmehr mit einer gezielten Rückstellungspraxis die Ergebnisentwicklung jahrelang geschönt hat. Mit einer solchen Bilanzkosmetik sind Fehleinschätzungen mit Blick auf die geplante Privatisierung geradezu vorprogrammiert.
In schlechter Erinnerung ist auch der Streit um den Geschäftsbericht für das Jahr 2003. Da der Einfluss von Umsatz und Ertrag des Logistikunternehmens Stinnes auf die Zahlen des Konzerns durch die bilanzielle Konsolidierung von Stinnes nicht mehr erkennbar sei, sprachen viele Verkehrspolitiker damals davon, dass der Jahresabschluss das Papier nicht wert ist, auf das er gedruckt wurde.
In den letzten Tagen flammte dann ein erneuter heftiger Streit um ein Tochterunternehmen auf, nämlich um das Speditionsunternehmen Schenker, das in den Bahnkonzern integriert werden soll, obwohl ihm 2002 bei der Übernahme weitgehende Unabhängigkeit zugesagt worden ist. Doch die Bahnverantwortlichen wissen, dass sie nur mit der Schenker-Gruppe an die Börse gehen können, da sie nur mit deren Gewinnen in der Lage ist, das defizitäre Kerngeschäft der Bahn zumindest halbwegs
auszugleichen. Das ist ähnlich wie bei der Sächsischen Landesbank, die nur durch die Erträge ihrer Dubliner Tochter über die Runden kommt. Ein wirklich tragfähiges Geschäftsmodell wird aber daraus noch lange nicht.
Eine Eisenbahngesellschaft eignet sich von ihrer Struktur einfach nicht für die Privatisierung. Deshalb sollte man auf mögliche Kniffe wie die Zwangsintegration geschäftsfremder Sparten zum Zwecke des Verlustausgleichs verzichten. Dadurch wird nur das Risiko des bösen Erwachens erhöht, das genau dann eintritt, wenn die scheinbar sicheren Ertragsbringer auf einmal in eine Krise kommen.
Meine Damen und Herren! Schon im September soll über den endgültigen Zeitpunkt des Börsengangs entschieden werden, obwohl erhebliche Zweifel an wichtigen Datenangaben bestehen und positive Ergebnisse bei der Bahn nur durch staatliche Zuschüsse zustande kommen können. Eine solche Vorgehensweise ist nicht im Interesse des Freistaates Sachsen. Sie ist unverantwortlich. Es ist höchste Zeit, dass diesem wirtschaftspolitischen Unfug ein Ende gesetzt und über neue Wege für die Bahn nachgedacht wird.
Meine Damen und Herren! Ergibt sich daraufhin weiterer Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte die NPD-Fraktion mit dem Schlusswort. Herr Delle, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Freistaat Sachsen gibt es insbesondere in den strukturschwachen und ländlichen Gebieten zahlreiche Nebenstrecken, welche die Bewohner an das Land und die Welt anbinden. Nun soll diese Bahn, die für viele hunderttausend Menschen im Erzgebirge, in der Oberlausitz, in Niederschlesien oder im Zittauer Gebirge der einzige Weg zur Mobilität ist, an die Börse gebracht werden. Das heißt aber auch, dass sie ihre Eigentümerstruktur ändert.
Da die vielen kleinen Strecken im Freistaat keine Aussicht darauf haben, jemals profitabel zu werden, ist ihr Schicksal abzusehen. Sie werden verschrottet und ausgeschlachtet. Ein privater Busunternehmer wird vielleicht eine Ersatzlinie einrichten. Ob sie so pünktlich fährt und die gleichen sozialen Schülertarife anbietet, steht in den Sternen. Egal, ob es sich um Post- oder Bahnkunden, um Krankenhauspatienten oder um Schüler handelt, überall muss mit steigenden Preisen und mit sinkender Qualität gerechnet werden. Das Aktionärsinteresse steht im alleinigen Mittelpunkt.
Dabei wird aber vergessen, dass eine Institution der öffentlichen Daseinsvorsorge wie die Bahn, deren Rentabilität von den übergeordneten prinzipiellen Entscheidungen mitbestimmt wird, gar nicht für einen ShareholderValue-Ansatz geeignet ist.
Meine Damen und Herren! Wer wissen will, wie die Privatisierung einer staatlichen Eisenbahngesellschaft zwangsläufig enden muss, der kann einmal nach Großbritannien fahren. Eine Fahrt in einem britischen Zug, der je nach Strecke einem von 25 Betreibern gehört, ist laut Medien und denen, die es schon einmal erlebt haben, eine ganz eigene Erfahrung für sich. Überfüllte, veraltete und verdreckte Waggons strapazieren die Geduld der Bahnfahrenden. Verspätungen sind an der Tagesordnung, annullierte Züge nicht selten. Die Preise sind im europäischen Vergleich „Spitzenklasse“.
Die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ bezeichnete die Privatisierung der Eisenbahn in Großbritannien als Desaster. Ich zitiere: „Das fragmentierte, unübersichtliche System, das geschaffen wurde, ist ineffizient, kennt keine Verantwortungsstruktur und kann gelegentlich lebensgefährlich sein.“ Weiter heißt es: „Nicht alle staatlichen Dienstleistungen eignen sich zur Privatisierung, vor allem nicht natürliche Monopole. Eine zivile Gesellschaft braucht kommerzfreie Zonen.“ Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass in England derzeit die Wiederverstaatlichung der britischen Eisenbahn diskutiert wird.
Der Zug, meine Damen und Herren, für eine Bürgerbahn statt eine Börsenbahn ist noch längst nicht abgefahren. Das jüngste Gutachten des Bundesrechnungshofes sollte von allen verantwortungsbewussten Kräften als letzter Warnruf und entscheidender Wendepunkt wahrgenommen werden.
Nach dem mittlerweile zwölfjährigen Privatisierungsprozess stellte der Bundesrechnungshof fest, dass die mit der Privatisierung der ehemaligen Deutschen Bundesbahn und der Reichsbahn verfolgten Ziele bisher nicht erreicht
worden sind. Dieses vernichtende Urteil wird noch präzisiert. So sei es nicht gelungen, durch die Bahnreform den Bundeshaushalt zu entlasten. Ebenso sei die Mitfinanzierung des Schienennetzes durch die Bahn ausgeblieben. Eine Änderung dieser Situation zeichnet sich nicht ab – so das Fazit des Bundesrechnungshofes.
Der Rechnungshof regt unter anderem an zu ermitteln, welchen Umfang das Bahnnetz haben muss, um „die Gemeinwohlverpflichtung des Bundes zu erfüllen und wie eine geeignete Struktur mit auf Bund und Ländern verteilten Zuständigkeiten aussehen könnte“.
Letzter Satz. – Meine Damen und Herren! An diesen Rat des Bundesrechnungshofes sollten wir uns alle halten. Ich bitte Sie deshalb nochmals um Zustimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Das war das Schlusswort. Somit kommen wir zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/5863, Antrag der NPD-Fraktion, zur Abstimmung. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Und die Gegenprobe! – Die Stimmenthaltungen? – Bei keinen Enthaltungen und wenigen Pro-Stimmen mit übergroßer Mehrheit abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.
In der ersten Runde beginnt die Fraktion der GRÜNEN, danach die Linksfraktion.PDS und die gewohnte Reihenfolge. Frau Hermenau, bitte.