Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

(Frank Kupfer, CDU: Herr Porsch oder wer?!)

Wir hatten eine große Debatte. Ich will das auch nicht noch einmal massiv vertiefen. Es sind ein paar Argumente gekommen, zum Beispiel dieses Grundsätzliche, das Bundesverfassungsgericht vor sich herzutragen. Es gibt Aussagen in den Zeitungen der letzten Zeit, dass es zum Beispiel möglich ist, andere Formen der Besteuerung zu finden. Es ist nicht so, dass man sich da festhält und ausschließlich dort hängen bleiben muss, um dem Bundesverfassungsgericht trotzdem gerecht zu werden.

Man muss dazusagen – Herr Porsch hat es schon ausgeführt –: Es geht um Ehe und Familie im Grundgesetz. Wenn Familie auf Ehe reduziert wird, wie es Herr Hähle getan hat, ist das einfach zu kurz gegriffen und entspricht nicht mehr der heutigen Zeit.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Kinderförderung insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, über Steuern zu regeln halten wir für falsch.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dies hat immer zur Folge – das war das, was ich in meiner Anfrage an Sie, Frau Staatsministerin, formuliert hatte –, dass jemand, der viel verdient, auch mehr von der Steuer absetzen kann und mehr erhält. Ich denke, wenn man viel verdient, hat man natürlich auch Verantwortung in der Gesellschaft, mit seiner Steuer dazu beizutragen, dass es zu einer gerechten Verteilung kommt – damit sind wir bei den Verteilungskriterien –,

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

zu einer gerechten Verteilung von Unterstützungsleistungen für Kinder. Das ist sozusagen unser Anliegen.

Das sind jetzt einfach ein paar Dinge, die darzulegen noch nötig gewesen ist. Ich kann nur noch einmal dafür werben, unserem Antrag zuzustimmen, der an dieser Stelle einmal eine Bundesratsinitiative ist. Dass wir auf Landesebene im familienpolitischen Bereich schon genügend Vorschläge unterbreitet haben, werden Sie sicherlich nicht abstreiten – weil das auch ein Vorwurf war.

Danke schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Letzte von Frau Herrmann möchte ich ausdrücklich unterstützen, muss aber trotzdem leider sagen, dass wir Ihren Antrag inhaltlich ablehnen, und zwar aus zwei Gründen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Jetzt gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Herrmann möchte ihn noch einmal ausdrücklich einbringen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Änderungsantrag ist zum Punkt 1 Ehegattensplitting. Wir begehren, dass dort eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Höchstbetrag eingeführt wird. Individualbesteuerung heißt, dass künftig jeder Steuerpflichtige mit seinem persönlichen Einkommen besteuert wird. Auch Eheleute werden grundsätzlich genauso besteuert wie Unverheiratete. Die Steuerklassen III, IV und V können damit entfallen. Das ist eine erhebliche Erleichterung.

Allerdings ist jede Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft eine Unterhaltsgemeinschaft – das wurde hier schon gesagt –, die füreinander einstehen muss. Deshalb ist die Steuerbegünstigung nach unserer Meinung weiterhin notwendig. Die wollen wir auf diese Weise sicherstellen.

An Frau Schütz gerichtet: Die 10 000 Euro sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie enthalten 7 664 Euro steuerliches Existenzminimum plus derzeit 2 100 Euro pro Jahr steuerfreie Summe für die Altersversorgungsbeiträge. Das haben wir aufgerundet, denn das steuerfreie Existenzminimum wird ja auch fortgeschrieben.

In dem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu dieser Debatte. Ich finde sie zum Teil sehr absurd. Sie von der CDU haben so getan, als ob eine Ehe automatisch die bessere Partnerschaft sei. Sie haben wohl noch nie erlebt, in welcher Art und Weise Ehen scheitern können und welche schlimmen Verhältnisse auch da herrschen. Es geht nämlich in der Debatte überhaupt nicht darum,

(Zurufe von der CDU)

welche Partnerschaft die bessere ist, sondern es geht ganz eindeutig darum, wie wir Kindern gerecht werden können.

Frau Herrmann, Sie bringen Ihren Änderungsantrag ein!

Ja, okay.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wer möchte dazu sprechen? – Herr Neubert.

Der eine ist, dass wir perspektivisch insgesamt keine Unterhaltsverpflichtung zwischen Erwachsenen haben wollen. Das, was Sie vorschlagen, ist im Grunde genommen ein Familiensplittingmodell, Familienrealsplitting. Ein weiterer Punkt, der dazukommt: Es ist ziemlich schwierig, sozusagen die verschiedenen Formen von Familie zu erfassen. Sie haben gerade noch einmal deutlich gemacht, dass es hier um Ehen und um eingetragene Lebenspartnerschaften geht. Das greift natürlich noch um einiges zu kurz.

Danke.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gibt es weiteren Aussprachebedarf zu diesem Änderungsantrag? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag. Meine Damen und Herren, ich lasse jetzt abstimmen über die Drucksache 4/5946, eine Neufassung des Punktes 1 des Originalantrages. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Die Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmen dafür und einigen Enthaltungen ist er mit übergroßer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zum Originalantrag. Die Fraktion der NPD hat punktweise Abstimmung begehrt. Der Originalantrag besteht aus drei Punkten. Ich nenne noch einmal die Drucksachennummer: 4/5562. Wir beginnen logischerweise mit Punkt 1. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Die Stimmenthaltungen? – Bei Enthaltungen und ProStimmen wiederum mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe den Punkt 2 des Antrages der Linksfraktion.PDS auf. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer größeren Anzahl von Jastimmen und einer Enthaltung ist die Mehrheit gegen diesen Punkt.

Und der Punkt 3: Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei Pro-Stimmen und Enthaltungen wiederum mehrheitlich abgelehnt. Damit ist der Gesamtantrag abgelehnt und der Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 11

Bundesratsinitiative des Freistaates Sachsen gegen eine Privatisierung des Unternehmens „Deutsche Bahn AG“

Drucksache 4/5863, Antrag der Fraktion der NPD

Die Einreicherin hat das Wort und danach die gewohnte Reihenfolge. Herr Delle, bitte, für die NPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir vorhin bei der Debatte zur Großen Anfrage der Linksfraktion.PDS zum fast gleichen Thema letztendlich nur geredet haben, bieten wir Ihnen jetzt mit unserem Antrag die Möglichkeit, zu handeln und noch etwas Handfestes zu beschließen.

Meine Damen und Herren! Es ist nunmehr fast zwölf Jahre her, dass die Privatisierung der beiden Staatsunternehmen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn in Angriff genommen wurde. Der erste Schritt bestand darin, DB und DR zur Deutschen Bahn AG zusammenzufügen und später in einzelne Geschäftsbereiche zu zergliedern. Mit der Übergabe der Urkunde zur Gründung am 10. Januar 1994 durch den damaligen Verkehrsminister Wissmann sollte eine umfangreiche Reform eingeleitet werden, die bis heute noch nicht beendet ist.

Nun, heute, in einer Zeit, in der die Krise zum Dauerzustand geworden ist, grassiert eben auch die Reformitis, ohne dass wirklich spürbare Verbesserungen erzielt werden. Die damals politisch Verantwortlichen waren jedoch Getriebene der Brüsseler EU-Bürokratie. Das Reformprogramm der Europäischen Gemeinschaft – später dann Europäischen Union – für den Eisenbahnsektor der Mitgliedsstaaten begann mit der Richtlinie des Rates 91/44/EWG vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft.

Als Folge dieser Richtlinie musste das Grundgesetz geändert werden und die Deutsche Bahn AG, organisiert als private Aktiengesellschaft, per Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1994 aus dem Bundesbahnvermögen mit getrennten Tochtergesellschaften für den Personenfernverkehr, den Personennahverkehr, den Güterverkehr, die Personenbahnhöfe und den gesamten Fahrweg ausgegliedert werden. Dies war schon zum damaligen Zeitpunkt kurzsichtig, denn der öffentliche Dienstleistungsauftrag dieser Unternehmen kann nicht allein mit betriebswirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden und passt daher nicht zur privatrechtlichen Organisationsform.

Der Beitrag der Bahn zur Strukturpolitik und zur Sicherung gleicher Lebensverhältnisse für alle Bürger im gesamten Bundesgebiet geriet dabei völlig aus den Augen. Die Entwicklung Deutschlands hin zu einer Zweiklassengesellschaft im Bereich der öffentlichen Daseinvorsorge, wie sie sich heute schon in der Rede von den so genannten Entleerungsräumen manifestiert, wird mit einem Rückzug der Bahn aus der Fläche dann schließlich besiegelt werden.

Die bisherigen Privatisierungsmaßnahmen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge haben gezeigt, dass private Unternehmen eben nicht in der Lage sind, eine qualitativ und quantitativ wenigstens gleichbleibende Leistung auf Dauer und ohne Nachteil für sozial schwache Bevölkerungskreise preiswerter erbringen zu können. Keinesfalls darf das bisherige staatliche Leistungsangebot um den Preis zusätzlicher Subventionen oder unzumutbarer Einschränkungen des bisherigen staatlichen Leistungsangebots privatisiert werden.

Im Bereich der Privatisierung öffentlichen Eigentums macht sich nämlich eine gefährliche Rosinenpickerei breit, bei der öffentliche Aufgaben in gute und schlechte Risiken aufgeteilt werden, um dann gewinnbringende Bereiche zu privatisieren und unwirtschaftliche Leistungsbereiche weiter dem Staat zuzuordnen. Deshalb fordert die NPD schon seit Jahren einen totalen Paradigmenwechsel im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, der unserer Ansicht nach nicht nach dem Prinzip „So viel Wettbewerb wie möglich“, sondern nach dem Motto „So viel öffentliches Eigentum wie nötig“ gestaltet werden sollte.

Mit Blick auf die Deutsche Bahn lässt sich feststellen, dass es in dem nunmehr zwölfjährigen so genannten Reformprozess nicht gelungen ist, der stetigen Verringerung des Güterverkehrs seit den sechziger Jahren Einhalt zu gebieten. Auch der Personenverkehr weist nur bescheidene Zuwächse aus. Allein aus dieser Sicht muss die Bahnreform bislang als weitestgehend gescheitert betrachtet werden. Im Beschäftigungsbereich wirkte sich der Privatisierungsprozess als gigantisches Arbeitsabbauprogramm aus. Die Anzahl der Mitarbeiter reduzierte sich seit Beginn der Reform von zirka 390 000 auf nunmehr 225 000 – mit entsprechenden Auswirkungen auf Arbeitslosigkeit sowie Qualität und Umfang der angebotenen Dienstleistungen.

Schneller als erwartet stieß die Privatisierung der Bahn an Grenzen. Das Postulat der Eigenwirtschaftlichkeit führte dazu, dass die Bahn risikobehaftete Angebote abstieß und sie den Ländern über die Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs dann wieder aufbürdete. Gleichzeitig trat der Bund gegenüber der Deutschen Bahn AG in der Rolle eines fordernden Shareholders auf, kürzte ständig die im Bundesschienenwegeausbaugesetz vorgesehenen Mittel und verhandelte darüber hinaus über die Möglichkeiten einer Gewinnabschöpfung bei der Bahn.

Praktisch vollständig geopfert wurde der früher vorhandene wichtige Mittelstreckenverkehr zwischen 50 und 250 km, der mit der Trennung in Fern- und Nahverkehr nahezu aufgerieben wurde. Die Einstellung des InterRegio-Betriebes war dafür lediglich noch ein letztes Indiz.

Private Bahngesellschaften, wie etwa InterConnex, bieten nur regional begrenzte Alternativen an und sind somit eben kein echtes Substitut für eine Bahn in öffentlicher Hand.

Diese bedauerliche Entwicklung hätte verhindert werden können, wenn Bund und Länder ihre Marktmacht als Großkunden der Bahn besser und gezielter eingesetzt hätten.

Meine Damen und Herren! Neben der stärkeren Verlagerung des Personen- und Gütertransports auf die Schiene bestand das wesentliche Ziel der Bahnreform in der Kostenreduzierung. Doch wie beim leichtfertigen Verkauf ehemaliger DB-Flächen gestalteten sich auf diesem Gebiet viele Versuche, einseitig die Kosten zu minimieren, nur als kurzfristig erfolgreich, mittel- und langfristig jedoch als problematisch. Ein übersteigerter Preisdruck auf die Zulieferer von Schienenfahrzeugen brachte diese mehrfach in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Aber der Kostendruck ging zulasten der Qualität. Nicht einsatzfähige Billigfahrzeuge verursachen nicht nur kurzfristige Zusatzkosten, sie sind schlicht und einfach auch kein Mittel zur Erschließung weiterer Kunden.

Noch weitaus schwerwiegendere Konsequenzen werden sich aus der anstehenden Privatisierung der Infrastruktur und des Schienennetzes ergeben. Die Erfahrungen aus Großbritannien warnen. So musste nach dem Konkurs des dortigen Infrastrukturbetreibers Railtrack wieder zur staatlichen Verantwortung für das Schienennetz zurückgekehrt werden.