Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wenn die Staatsregierung nicht aufklärt!)

Hören Sie doch bitte zu, Herr Dr. Hahn, Sie verstehen manches nicht. Man muss es dann ständig doppelt und dreifach erklären. Ich habe hier gerade von Herrn Hilker gehört, dass es sehr viele Verpflichtungen gibt, die ein Minister hat. Es ist keine Missachtung des Wirtschaftsausschusses, wenn eine führende Mitarbeiterin des Hauses Ihnen das erklären will, Sie nachher noch einen schriftlichen Bericht bekommen. Ich frage mich, was Sie eigentlich noch wollen. Aber bitte, hören Sie doch erst einmal zu!

Schon allein der Titel „Subventionswahnsinn Ost – Millionen Arbeitsplätze für Polen“ zeigt, dass der journalistische Blickwinkel stark eingeschränkt und alles andere als vorurteilsfrei war. Gerade Sachsen als Beispiel dafür zu nehmen, dass in Ostdeutschland Solidarpaktmittel in Haushaltslöchern versickern, zeugt nicht gerade von einer sauberen und gründlichen Recherche.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Auf einer solch fragwürdigen Basis eine Subventionsdebatte zu entfachen halte ich für überaus gefährlich. Dadurch wird all jenen Vorschub geleistet, denen die notwendige Unterstützung der ostdeutschen Wirtschaft ein Dorn im Auge ist.

Lassen Sie uns die so genannten Abwege der WFS bei Lichte betrachten! Die Wirtschaftförderung Sachsen hatte die Anfrage eines Journalisten erhalten, der sich als Berater eines Investors aus Baden-Württemberg ausgab und Arbeitsplätze in Sachsen schaffen wollte. Dieser Anfrage ist die WFS sofort nachgegangen. Sie hat innerhalb weniger Tage den angeblichen Investor mit allgemeinen Informationen versorgt, Standortbesichtigungen organisiert und Partner vermittelt. Dabei ist zügig gearbeitet worden – so, wie wir alle uns das wünschen.

Was soll der Vorwurf, die WFS würde durch allzu bürokratisches Handeln Investoren verschrecken? Das Gegenteil war hier der Fall.

Wer behauptet, die Wirtschaftsförderung Sachsen verschleudere Fördermittel, verkennt die Aufgabe der WFS völlig. Die Wirtschaftsförderung Sachsen entscheidet nämlich nicht über die Vergabe von Fördermitteln. Sie führt noch nicht einmal eine Fördermittelberatung durch. Dafür ist in Sachsen allein die Sächsische Aufbaubank zuständig.

Die Wirtschaftsförderung Sachsen hat als Landesgesellschaft unter anderem die wichtige Aufgabe, Investoren zu akquirieren. Sie ist die erste Anlaufstelle bei Ansiedlungsfragen. Die Wirtschaftsförderung Sachsen unterbreitet potenziellen Investoren Standortangebote, begleitet sie bei

Standortbesichtigungen und fungiert als Mittler bei weiteren Gesprächen. Bei Förderfragen gibt sie lediglich allgemeine Erstinformationen.

Mehr als eine allgemeine Beratung war hier auch gar nicht möglich. Der Journalist, der sich als Unternehmensberater ausgab, überließ der WFS – auch auf Nachfrage – keinerlei Unterlagen zu dem geplanten Projekt. Auch die oft schwierig zu entscheidende Frage nach dem KMUStatus eines Unternehmens wird erst nach Vorlage von detaillierten Unterlagen von der Sächsischen Aufbaubank abschließend geklärt. Gerade das KMU-Kriterium erhält unser besonderes Augenmerk und wird von der Sächsischen Aufbaubank entsprechend den europäischen Definitionen streng geprüft.

Haltlos ist auch der Vorwurf, die WFS leiste einen Beitrag zur Steuerflucht. Richtig ist, dass die WFS – auf Nachfrage! – mehrere Steuerberater vorgeschlagen hat. Mit einem davon hat sich der Journalist in Verbindung gesetzt. Die vorgeschlagenen Steuerberater stehen in keinerlei vertraglicher Beziehung zur WFS und werden erst recht nicht von dieser bezahlt. Es ist im Übrigen legitim und Aufgabe eines Vertreters dieses Berufsstandes, seinen Mandanten im Rahmen des geltenden Steuerrechts zu beraten und zu versuchen, ihm die besten steuerlichen Bedingungen zu schaffen. Das ist nun mal sein Job.

Klarstellen möchte ich auch: Die Wirtschaftsförderung Sachsen wirbt keine Unternehmen aus den alten Bundesländern ab. Anders als im Beitrag dargestellt, ist in den Gesprächen nie von der Verlagerung eines Betriebes aus Baden-Württemberg die Rede gewesen, sondern von Investitionen in Polen und/oder Ostdeutschland sowie von einer Weiterproduktion in Baden-Württemberg. In diesem Zusammenhang hat die Wirtschaftsförderung Sachsen sogar deutlich gemacht, dass eine Verlagerung nicht ohne weiteres gefördert werden kann.

Die nachgesprochene Vertonung der Aufnahmen verkürzt und verfälscht den tatsächlichen Gesprächsinhalt. Warum wurde nur das Bild, aber nicht der Ton aufgezeichnet? Dieser wäre doch viel beweiskräftiger gewesen. Das sollte uns alle nachdenklich stimmen.

Vorgetäuschte Investorenanfragen bei der Wirtschaftsförderung Sachsen kommen gelegentlich vor. Allerdings haben sie manchmal auch einen positiven Effekt. Auf diese Weise hat unlängst das Institut Investment Promotion Agency Benchmarking – kurz: IPA – die Arbeitsweise von Ansiedlungsagenturen international überprüft. Die Wirtschaftsförderung Sachsen erhielt eine Anfrage zu einem Investment im Biotechnologiebereich. Bei diesem Test hat die Wirtschaftsförderung Sachsen überdurchschnittlich gut abgeschnitten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie uns die hitzige Diskussion über diese Fernsehsendung als Sommertheater abhaken und uns den Themen zuwenden, die unser Land voranbringen! Eines davon ist, wie es uns noch besser gelingen kann, Investoren ins Land zu holen, damit neue Arbeitsplätze entstehen. Die Wirtschaftsförderung Sachsen beschäftigt sich damit Tag für Tag. Es wäre den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber mehr als ungerecht, wenn wir die Bewertung ihrer soliden und erfolgreichen Arbeit einem schlecht recherchierten, reißerischen Beitrag eines Fernsehmagazins überlassen würden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt 1 beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 2

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen

Drucksache 4/5888, Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS

Ich bitte um Einbringung.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine letzte Rede zur Einbringung eines Sächsischen Personalvertretungsgesetzes hielt ich an dieser Stelle vor fünf Jahren, am 20. Juni 2001. Im Gegensatz zu der heute von uns vorgelegten Gesetzesnovelle hatte ich damals nur die Hälfte der Zeit zur Verfügung, obwohl der Gesetzentwurf wesentlich umfangreicher war. Die Begründung ist einfach: Gemeinsam mit dem damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Jurk begründete ich 2001 den Gesetzentwurf von SPD und PDS für ein zukunftsfähiges Sächsisches Personalvertretungsgesetz. Es war damals

unser Ziel, in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften dafür zu sorgen, die Initiativ- und Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wesentlich aufzuwerten. Wir wissen: Dieses Vorhaben ist an der damals noch allein regierenden CDU gescheitert.

Umso erfreuter war meine Fraktion, in dem von SPD und CDU ausgehandelten Koalitionsvertrag einen eigenen Abschnitt zum öffentlichen Dienst zu finden. Ich möchte gern daraus zitieren:

„Eine moderne Verwaltung braucht motivierte, leistungsbereite Beschäftigte. Die Koalitionspartner treten für ein modernes Dienstrecht ein. Die Koalitionspartner streben eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften, Berufsver

bänden und Personalräten über die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung mit dem Ziel an, die Umsetzung sozialverträglich zu gestalten. Das Personalvertretungsgesetz wird im Vergleich zu bundeseinheitlichen Regelungen und zum Mitbestimmungsniveau in anderen Ländern überprüft.“

So weit meine Auszüge aus dem Koalitionsvertrag.

Leider mussten wir feststellen, dass seit der Landtagswahl vom Herbst 2004 auf dem Gebiet des Personalvertretungsrechts dem Landtag von der Staatsregierung nichts vorgelegt wurde. Dabei hätte nach Auffassung der Linksfraktion spätestens mit Beginn der Debatte zur Verwaltungs- und Funktionalreform auch die politische Diskussion für ein zeitgemäßes Personalvertretungsrecht geführt werden müssen. Wer wie die Koalition glaubt, Verwaltungs- und Funktionalreform in Angriff nehmen zu können, ohne auch nur einen Gedanken an die im Koalitionsvertrag vereinbarte Mitbestimmung der Beschäftigten zu verschwenden,

(Staatsminister Thomas Jurk: Das stimmt doch nicht!)

der hat die Bedeutung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für das Gelingen einer solchen Reform noch nicht verstanden. Es sind immer noch die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die für die Bürger die Leistungen kommunaler und staatlicher Daseinsvorsorge erbringen.

Diese Untätigkeit der Staatsregierung führt jetzt sogar dazu, dass der Fall eintreten kann, dass im nächsten Jahr anstehende Personalratswahlen, die bekanntlich von März bis Mai 2007 stattfinden, nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden können. Das hat zur Konsequenz, dass die Wahlvorbereitungen einige Wochen vorher erfolgen müssen. So beginnt beispielsweise die Bildung von Wahlvorständen bereits in diesem Jahr. Scheinbar hat aber auf der Regierungsbank niemand im Blick, dass mit dem am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst und dem beschlossenen neuen Tarifvertrag für die Landesbediensteten das derzeitige Personalvertretungsgesetz für die Neuwahl der Personalräte nicht mehr anwendbar ist. Von vielen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wurde ich in den letzten Monaten angesprochen, wann denn endlich der Sächsische Landtag diesen unhaltbaren Zustand beendet.

Deshalb sah sich die Linksfraktion in der Pflicht, mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf für Rechtssicherheit zu sorgen. Den dringlichsten Handlungsbedarf sehen wir in folgenden Punkten:

Erstens. Der in Kraft getretene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der Kommune und im Land enthält nicht mehr die bisherige Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern. Deshalb ist eine neue Gruppenabgrenzung für die Durchführung rechtlich korrekter Beteiligungsverfahren ebenso erforderlich wie für die Durchführung von Wahlen zu den Personalvertretungen. Künftig gibt es statt bisher drei nur noch zwei Gruppen von Beschäftigten: Arbeitnehmer und Beamte. Aus diesem

Grund sind entsprechende Änderungen im Sächsischen Personalvertretungsgesetz sowie in der Wahlordnung dringend geboten. Wie bisher werden die Beschäftigten, die nicht Beamte sind, im Wesentlichen nach dem für die Dienststelle maßgebenden Tarifvertrag bzw. der dort geltenden Dienstordnung als Arbeitnehmer eingestuft. Ist für eine Dienststelle kein Tarifvertrag oder keine Dienstordnung maßgebend, soll es für die Zuordnung zur Gruppe der Arbeitnehmer auf den Abschluss eines außertariflichen Arbeitsvertrages ankommen.

Zweitens. Die in § 44 Abs. b SGB II genannten Arbeitsgemeinschaften zwischen den Agenturen für Arbeit und kommunalen Trägern werfen eine Reihe von Fragestellungen auf, um deren Beantwortung sich der Gesetzgeber bisher nicht gekümmert hat. Durch die von der Linksfraktion vorgeschlagene Ergänzung in § 13 Abs. 4 Personalvertretungsgesetz soll sichergestellt werden, dass für die in Arbeitsgemeinschaften entsandten Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Sie sollen daher bei den Dienststellen wahlberechtigt bleiben, mit denen sie einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, zugleich aber auch in den Arbeitsgemeinschaften wahlberechtigt sein, die Personalräte bilden können.

Hier kommen zu den von Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und SPD, noch nicht genannten und gemachten Hausaufgaben Versäumnisse auf Bundesebene hinzu. Auch in Berlin ist die Koalition in der Pflicht, endlich klare Organisationsstrukturen zur Umsetzung des SGB II zu schaffen und damit die vertretungsrechtlichen Lücken zu schließen.

Drittens will ich noch darauf verweisen, dass wir in unserem Gesetzentwurf der zum 1. Januar 2005 wirksam gewordenen Neuorganisation Rechnung getragen haben. Da nunmehr in Sachsen sieben Polizeidirektionen gebildet wurden, sind logischerweise auch in Zukunft Personalvertretungen zu wählen. Überdies haben wir berücksichtigt, dass ein Aus- und Fortbildungsinstitut der sächsischen Polizei eingerichtet wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es eingangs angesprochen: Uns geht es mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht um eine grundsätzliche Auseinandersetzung über die Mitbestimmungsrechte von Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Ich kann Ihnen aber heute von dieser Stelle aus versprechen: Die Linksfraktion wird im nächsten Jahr dazu im Sächsischen Landtag wieder initiativ werden. Das werden wir übrigens unabhängig davon tun, ob die Staatsregierung aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht ist und ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst nimmt.

Uns geht es heute erst einmal um die Absicherung der anstehenden Personalratswahlen. Aus diesem Grunde werden wir auf eine zügige Behandlung im Innenausschuss drängen, sodass dieses Gesetz so schnell wie möglich vom Hohen Haus beschlossen werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf den zu Beginn meiner Rede erwähnten Gesetzentwurf der SPD von vor fünf Jahren

zurückkommen. In seiner Einbringungsrede hat der damalige Fraktionsvorsitzende und heutige Staatsminister Jurk einen Satz gesagt, der heute noch ebenso für den vorliegenden Entwurf gelten könnte: „An einer schnellen Lösung müsste also allerseits ein berechtigtes Interesse bestehen, gerade um keinen weiteren Schaden für den Freistaat Sachsen entstehen zu lassen und die im öffentlichen Dienst Beschäftigten nicht im Regen stehen zu lassen.“

In diesem Sinne wünsche ich mir eine konstruktive Begleitung unseres Gesetzentwurfes.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen an den Innenausschuss zu überweisen. Wer der vorgeschlagenen Überweisung an den genannten Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist einstimmig so beschlossen. Der Tagesordnungspunkt 2 ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Regelung der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Sachsen

Drucksache 4/5915, Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht deshalb nur die Einreicherin, die Linksfraktion.PDS. Ich bitte um Einbringung.