Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht deshalb nur die Einreicherin, die Linksfraktion.PDS. Ich bitte um Einbringung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie merken schon, Mitbestimmung ist etwas, was in der Linksfraktion groß geschrieben wird. Ich werde jetzt auch zur Mitbestimmung sprechen, allerdings der auf einem anderen Gebiet.

Dem Sächsischen Landtag liegt heute ein Gesetzentwurf mit dem Titel: „Gesetz zur Regelung der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Sachsen“ vor.

Gerade in unserer Zeit wird häufig über Einbeziehung und Partizipation von Kindern und Jugendlichen gesprochen. Konkrete Schritte leiten sich aus diesen Debatten nicht ab. Deshalb hat die Linksfraktion im Sächsischen Landtag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der genau darauf reagieren soll.

Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf sollen verbindliche Vorgaben und Anforderungen zur Gewährleistung grundlegender Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Sachsen geregelt werden.

Stellen wir uns aber zunächst die Frage, warum es so wichtig ist, Kinder und Jugendliche in sie betreffende Entscheidungen einzubeziehen. In der Bundesrepublik Deutschland trat die UN-Kinderrechtskonvention am 22. Februar 1992 in Kraft. Trotzdem sind unsere Gesellschaft und die in ihr ablaufenden Entscheidungsprozesse wenig kinder- und jugendfreundlich.

Jungen Menschen wird heutzutage häufig Demokratieverdruss, Gewaltbereitschaft und fehlende Toleranz vorgeworfen. Diese Gefühle sind aber nicht selten Aus

druck von Machtlosigkeit, von sich „klein und fremdbestimmt“ fühlen, und oft auch auf einen fehlenden Selbstwert zurückzuführen. Genau an diesem Punkt setzt Mitbestimmung und Teilhabe junger Menschen an.

Wenn Kindern und Jugendlichen das Gefühl gegeben wird, von den Verantwortungsträgern ernst genommen zu werden bzw. selbst zu Verantwortungsträgern zu werden, hat das einen präventiven Charakter. In einer ernst gemeinten Partizipation wird nicht über die Jugendlichen geredet, sondern mit ihnen. Damit werden Diskussionen und Auseinandersetzungen unter Jugendlichen gefördert.

Die jungen Menschen selbst sind die Experten ihres Lebens, sie können und wollen Auskunft über ihre Bedürfnisse, ihre Wünsche, ihre Erwartungen und Probleme geben. Auf der gesellschaftspolitischen Ebene wird Partizipation deshalb notwendig, weil die Folgen aktueller Entscheidungen vorrangig von der nachwachsenden Gesellschaft getragen werden müssen.

Das sich abzeichnende Wählerverhalten, insbesondere der jüngeren Wähler, zeigt, wie wichtig es wird, die Themen junger Menschen anzusprechen und dies in jugendgemäßer Form zu tun. Aber nicht nur die Themen anzusprechen, sondern sie auch politisch zu vertreten muss zu einer neuen Maxime der Politik werden. Das sich verringernde Wahlinteresse kann ein Zeichen dafür sein, dass die Problemlösungskompetenzen politischer Szene nicht ausreichend bewertet werden.

Auch die politischen Jugendorganisationen verbuchen Rückgänge, sodass Partizipation aus sozialwissenschaftlicher Sicht eine Erfolg versprechende Gegenstrategie sein könnte. Gerade junge Bürger einer demokratischen Gesellschaft sind in besonderem Maße die Garanten für die mittelfristige Stabilität des politischen Systems. Darauf wird sehr oft hingewiesen. Aber das funktioniert nur, wenn sie sich mit diesem System identifizieren können und wenn sie sehen, dass sie gebraucht, dass sie gehört werden und dass ihre Anliegen Beachtung finden.

Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen setzt auf eine frühzeitige Einbeziehung in soziale Belange. Dies kann nachhaltig dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche ein positives und auch ein selbstverständliches Verhältnis zum demokratischen System entwickeln. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass sich Menschen lebenslang in konstruktiver Weise politisch und sozial engagieren.

Über konkrete Erlebbarkeit der demokratischen Strukturen lernen Kinder, Verantwortung zu tragen. Das ist eine Gegensteuerung zur viel beschworenen Individualisierung und zu dem sozialen Rückzug, der der jüngeren Generation zum Vorwurf gemacht wird.

Aber eine ernst gemeinte Partizipation setzt die Bereitschaft Erwachsener voraus, Entscheidungen und Verantwortung abzugeben; das bedeutet aber auch, in Teilbereichen eine Machtstellung abzugeben.

Widerstände gegen die Beteiligung von Kindern und Jugendliche entstehen meist dann, wenn sie als Störung bürokratischer Abläufe betrachtet oder wenn sie als zusätzlicher Zeit- und Arbeitsaufwand wahrgenommen werden.

Aber nun zum Gesetzentwurf konkret: Dieser Gesetzentwurf soll Kindern und Jugendlichen in Sachsen neue Möglichkeiten eröffnen, aktiv an den sie direkt und indirekt betreffenden Entscheidungen teilzuhaben. Dies ist nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig, und es ist längst überfällig.

Um diesem Bedürfnis junger Menschen Rechnung zu tragen, ist der Freistaat verpflichtet, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Junge Menschen müssen als Subjekte der Politik betrachtet und akzeptiert werden. Wir brauchen eine wirksame und effiziente Beteiligung. Dies ist mit zwei Mitteln zu erreichen: Erstens, mit der Absenkung des Wahlalters und zweitens, auf der anderen Seite, mit modernen Beteiligungsformen von Kindern und Jugendlichen.

Weiterhin soll die Schaffung förderlicher Lebensbedingungen für junge Menschen und deren Familien mit diesem Gesetzentwurf forciert werden.

Grundsatz unserer Herangehensweise ist dabei der Artikel 12 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Dieser besagt, dass Kindern, die fähig sind, sich eine eigene Meinung zu bilden, diese Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten frei äußern können müssen und dass ihre Meinung entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife angemessen zu berücksichtigen ist.

Die Bestimmung des Wahlalters soll laut unserem Gesetzentwurf nicht mehr unmittelbar in der Verfassung erfolgen, sondern in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen, also dem Sächsischen Wahlgesetz, dem Gesetz über den Volksantrag, das Volksbegehren und den Volksentscheid sowie in den Gemeinde- und Landkreisordnungen und des Freistaates.

Weiterhin soll die Rechtsstellung von Kindern und Jugendlichen in einer speziellen Verfassungsbestimmung festgeschrieben werden. Dadurch soll erreicht werden, dass Kinder und Jugendliche als eigenständige Grundrechtsträger eine nachhaltige Aufwertung ihrer Rechtsposition kraft der Verfassung des Freistaates Sachsen erfahren.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Besonders der kommunale Raum ist als unmittelbarer Lernort für die Demokratie wichtig. Dort ist es möglich und wichtig, Kinder und Jugendliche frühzeitig und umfassend zu beteiligen. So können ein selbstständiges Verantwortungsbewusstsein und Demokratieverständnis gefördert werden.

Dazu bedarf es aber flächendeckender Beteiligungsstrukturen. Deren Formen können offen, projektorientiert oder parlamentarisch sein. Wichtig ist, den Kommunen und vor allem den jungen Menschen, die in den Kommunen leben, die Wahl der geeigneten Form selbst zu überlassen, sodass sich diese den unterschiedlichen örtlichen Bedingungen oder gegebenenfalls bereits existierenden Kinder- und Jugendstrukturen anpassen können. Solche Vertretungen sind aber nur dann sinnvoll, wenn sie nicht nur Feigenblätter sind, sondern auch über entsprechende durchsetzbare Rechte verfügen.

Unser Gesetzentwurf sieht neben dem Recht auf Information sowie der Möglichkeit der Stellungnahme weiterhin ein Antrags- und Rederecht gegenüber der jeweiligen Vertretungskörperschaft vor. So soll eine tatsächliche Mitsprache gewährt werden. Das Alter für die Ausübung des aktiven Wahlrechts und die Ausübung des Stimmrechts soll in Land und Kommune künftig generell abgesenkt werden. Damit wird den Jugendlichen die Möglichkeit eingeräumt, sich früher als bislang an üblichen Entscheidungen zu beteiligen. Das stellt aber auch Anforderungen an Politik, an Schule und andere gesellschaftliche Institutionen, Jugendliche nämlich zeitiger als bisher an demokratische Entscheidungsprozesse und Handhabung grundlegender demokratischer Prinzipien heranzuführen.

Diese Regelung zollt einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung Tribut. Es ist heute so, dass sich Kinder bereits im Alter von zwölf bis 13 Jahren beginnen von der Herkunftsfamilie zu lösen. Drei Viertel der 14-Jährigen verfügen über ein eigenes Konto inklusive Geldkarte. Auch die geschlechtliche Reife hat sich nach vorn verlagert. Häufig führen Jugendliche mit 14/15 bereits eine feste Partnerschaft. Jugendliche übernehmen bereits im Alter von 15 bis 16 Jahren Verantwortung für die Gesellschaft, indem sie zum Beispiel Steuern auf ihre Ausbildungsvergütung zahlen.

Aber, und jetzt kommt das große Aber, von politischer Entscheidung bleiben sie nach wie vor ausgeschlossen. Mit der Absenkung des aktiven Wahlrechts bei Landtagswahlen, des aktiven und passiven Rechts bei Wahlen zu Gemeinde- und Kreistagen sowie des Stimmrechts bei

Bürgerbegehren und -entscheiden würde Sachsen eine Vorreiterstellung bei der Stärkung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen einnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die viel zitierte Politikverdrossenheit ist nur eine Ausrede. Sie ist ein Ruhekissen, um Politik nicht kinder- und jugendgemäß gestalten zu müssen, um Inhalte von Politik nicht jugendgemäß kommunizieren zu müssen. Kinder und Jugendliche müssen endlich als Subjekte im politischen Raum und nicht als Objekte begriffen werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Mit diesem Gesetzentwurf können wir alle ein Zeichen setzen. Es kann ein Schritt hin zu mehr Demokratie sein. Ich wünsche uns allen eine konstruktive und produktive Diskussion dieses Gesetzentwurfs und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Regelung der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Sachsen an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss – federführend – und mitberatend an den Innenausschuss, den Haushalts- und Finanzausschuss und an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend zu überweisen. Wer dem Vorschlag des Präsidiums seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – 2 Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist diese Überweisung beschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 4

2. und 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Sächsischen Ingenieurgesetzes

Drucksache 4/4799, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 4/5831, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort? – Das ist nicht der Fall. Dann, meine Damen und Herren, schlage ich Ihnen entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu beraten und abzustimmen. Wenn es keinen Widerspruch dagegen gibt – das kann ich nicht erkennen –, dann verfahren wir so.

Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Ingenieurgesetzes in der Drucksache 4/4799, Gesetzentwurf der Staatsregierung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Drucksache 4/5831. Wir stimmen zunächst über die Überschrift ab. Wer der Überschrift seine Zustimmung geben kann, den bitte ich das jetzt anzuzeigen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Gibt es Stimmenthaltungen? – Waren das Stimmenthaltungen oder Gegenstimmen?

(Uwe Leichsenring, NPD: Gegenstimmen!)

Also bei einigen Gegenstimmen – das war nicht rechtzeitig geschehen – und ohne Stimmenthaltungen ist der Überschrift mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich rufe den Artikel 1 auf. Wer dem Artikel 1 seine Zustimmung geben kann, den bitte ich jetzt um das

Handzeichen. – Danke schön. Wer ist dagegen? – Danke. Wer enthält sich der Stimme? – Es gab keine Stimmenthaltungen und einige Gegenstimmen. Dem Artikel 1 ist mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich rufe den Artikel 1 a auf. Wer dem Artikel 1 a seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen. – Einige Gegenstimmen. Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist Artikel 1 a mehrheitlich beschlossen.

Ich rufe den Artikel 2 auf. Wer dem Artikel 2 zustimmen kann, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Gleiches Stimmverhalten wie vorher. Artikel 2 ist mehrheitlich beschlossen.

Damit rufe ich die Beschlussempfehlung in ihrer Gesamtheit auf. Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben kann, den bitte ich das jetzt anzuzeigen. – Danke schön. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Gleiches Stimmverhalten wie in den Artikeln vorher. Demzufolge ist dieser Gesetzentwurf mehrheitlich beschlossen.

Damit, meine Damen und Herren, können wir den Tagesordnungspunkt 4 abschließen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5