2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Neuregelung der Einwohnerbeteiligung und der Beitragserhebung für kommunale Verkehrsanlagen
Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Ich übergebe das Wort der Linksfraktion.PDS. Die Reihenfolge lautet danach: CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Herr Abg. Scheel, Sie erhalten das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kurz vor der Mittagspause versuche ich noch den Dreiklang der Mitbestimmungsgesetze oder -anträge, die die Linksfraktion.PDS heute einbringt, zu vollenden.
Kann sich irgendjemand von Ihnen noch erinnern, was im November 2004 Wichtiges für dieses Land passiert ist? – Niemand da? Herr Hähle? Sie haben den Koalitionsvertrag mit Ihrem Koalitionspartner von der SPD abgeschlossen, unterschrieben damals von Herrn Jurk und Herrn Milbradt. In diesem Koalitionsvertrag haben Sie ein paar wesentliche Punkte festgehalten, und ein paar Probleme, die schon geraume Zeit der Erfüllung harren, wollten Sie mit angehen. In diesem Koalitionsvertrag haben Sie zum Bereich der Straßenausbaubeiträge festgehalten: „Die Einnahmebeschaffungsgrundsätze sollen mit dem Ziel modifiziert werden, den Kommunen mehr Flexibilität bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu ermöglichen. Auch eine rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen kann damit entfallen.“
Das war Seite 69 – danke, Herr Bandmann – des Koalitionsvertrages vom 8. November 2004. Mehr als anderthalb Jahre sind ins Land gegangen und immer noch können wir keine Lösung eines so gravierenden Problems erkennen. In Ausschüssen wird gern davon geredet, dass Sie große Würfe produzieren wollen und alles im Rahmen einer großen Gemeindeordnungsnovellierung abhandeln wollen. Allein mir fehlt der Glaube. Wenn ich sehe, was uns in der Verwaltungsreform als große Würfe präsentiert wird, wage ich noch einmal daran zu zweifeln, dass dieser Entwurf kommen wird. Wir wollen und können nicht mehr warten, bis die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion in die Puschen kommen.
(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Volker Bandmann, CDU: Dass Ihnen Glaube fehlt, ist ohnehin bekannt!)
Wir haben also immer noch das alte Problem, das uns seit 1993 beschäftigt, Herr Bandmann, seit die CDU, damals noch in Alleinherrschaft, das Kommunalabgabengesetz in diesem Hause durchgepeitscht hat.
Es geht um Straßenbaumaßnahmen. Dabei geht es um zwei Teile: einmal den Neubau von Straßenbauten; damit hat das Land erst einmal nichts zu tun, denn dies regelt ein Bundesgesetz. Außerdem geht es um den Ausbau von Straßen. Dieser wurde durch Landesgesetz, durch das Kommunalabgabengesetz, geregelt.
Ich möchte Ihnen hierzu ein kleines Zitat mit auf den Weg geben und in ihre Denkräume schieben, das zur Erhebungsermächtigung der beitragsfähigen Maßnahmen zu § 26 des Kommunalabgabengesetzes als Begründung – ein Gesetzentwurf der Staatsregierung übrigens – angeführt wurde: „Der Regierungsentwurf überlässt es den Gemeinden, ob und in welchem Umfang sie von der Erhebungsmöglichkeit von Ausbaubeiträgen Gebrauch machen wollen.“ Weiter heißt es dort: „Aus dem Grundsatz des Vorranges spezieller Entgelte bei den kommunalen Einnahmenbeschaffungsgrundsätzen lässt sich aber keine Pflicht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen herleiten, da Verkehrsanlagen keine öffentlichen Einrichtungen, sondern öffentliche Sachen sind, für deren ihrer Widmung entsprechende Nutzung nach dem geltenden Recht keine Rechtsgrundlage zur Erhebung von Leistungsentgelten besteht.“ – So viel zum damaligen Willen des Gesetzgebers.
Diesen Willen des Gesetzgebers teilen wir sehr wohl. Nur – was hat sich ergeben? Die hier beschriebene NichtKonfliktsituation mit den Einnahmenbeschaffungsgrundsätzen und der Gemeindeordnung ist scheinbar vorhanden. Es benötigt also eine Klarstellung, dass eben diese Straßenausbaubeiträge nicht in diese Einnahmenbeschaffungsgrundsätze hineingehören. Insofern haben wir nach fast einem Jahr – so lange haben wir der Koalition Zeit gelassen, und sie hat nicht gehandelt – einen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt und gesagt: Wir nehmen uns dieses Problems an und werden diese notwendige Klarstellung in der Gemeindeordnung festschreiben; denn was in den Jahren nach 1993 passiert ist, ist einfach kein Zustand für dieses Land. Es kann nicht sein, dass das Sächsische Staatsministerium des Innern im Jahr 1995 einen Schnellbrief herausgibt, in dem es die Kommunen
darauf hinweist, dass sie bitte doch Satzungen erlassen sollen. Es kann nicht sein, dass sie 1997 einen Erlass herausgeben und 2000 einen Erlass herausgeben, die Regierungspräsidien auffordern, die Kommunen quasi zu zwingen, solche Satzungen zu erlassen und damit rückwirkend Beiträge von den Anwohnern zu erheben.
Es gibt ein Gerichtsurteil, das einschlägig bekannt ist. Wir wollen eigentlich nicht mehr und nicht weniger, als dass endlich wieder rechtsstaatliche Verhältnisse in diesem Land eintreten und dass diese ewigen Moratorien und dieses ewige Hinausgeschiebe endlich aufhört und wir endlich zu einer klaren Lösung kommen.
Diese Lösung, meine Damen und Herren, liegt Ihnen vor. Wir haben sie in den Ausschüssen beraten. Ich hätte mich natürlich gefreut, wenn der eine oder andere Änderungs- bzw. Ergänzungsvorschlag von irgendeiner Fraktion gekommen wäre, sodass wir diesen noch hätten einarbeiten können. Wir haben Ihnen die Möglichkeit eröffnet und immer darauf hingewiesen, dass wir gern bereit sind, über den einen oder anderen Punkt mit Ihnen zu debattieren. Leider kam dazu bis heute nichts, dies muss ich erst einmal festhalten.
Das eine Problem, das ein drängendes ist, soll nicht allein stehen. Wir wollen auch gern schauen, ob noch Weiteres notwendig zu regeln wäre, und wir nehmen in diesem Gesetzentwurf eine verstärkte Einwohnerbeteiligung auf. Diese soll in die Satzungen aufgenommen werden und es sollen auch Kriterien erfüllt werden, nämlich ein Verzeichnis der beitragsfähigen Straßen und welcher Kategorie sie angehören. Die Vor- und Nachteile der Ausbaumaßnahmen sollen deutlich gemacht werden und es sollen natürlich die finanziellen Auswirkungen auf den einzelnen Beitragsschuldner klargestellt werden. Diese Einbeziehung soll so früh wie möglich stattfinden. Ich denke, dies ist notwendig, da wir es nicht zulassen können, dass in diesem Lande vollkommen unterschiedliche Regelungen landauf und landab für die 41 % der Kommunen, die überhaupt Satzungen erlassen haben, gelten. Insofern denke ich, dass diese Form der Einbeziehung notwendig ist, und ich bitte Sie, diesem Anliegen zuzustimmen.
Ein letzter Punkt, den ich hier noch ansprechen möchte, ist: Wir haben vor, in unserem Gesetzentwurf den öffentlichen Anteil an Straßen zu erhöhen. Bisher gibt es bereits die Dreiteilung zwischen 25, 50 und 75 %. Wir sagen: Wir wollen, dass der öffentliche Anteil um jeweils 10 % erhöht wird. Es ist also keine Neuerung, die eingeführt wird, sondern eine Erhöhung des öffentlichen Anteils, um damit – erstens – die Belastungen für die Bürger zu minimieren und – zweitens – natürlich auch unsere kommunalen Abgeordneten ein wenig mehr in die Pflicht zu nehmen, um zu schauen, inwieweit Ausbaustandards und Ausbaumaßnahmen notwendig sind, und um zu verhindern, dass die um sich greifende Praxis, die In
standhaltung zu vernachlässigen, mit dem Wissen darum, dass eine Ausbaumaßnahme gefördert wird, endlich aufhört, damit wir in diesem Lande wieder klare Verhältnisse bekommen.
Ich hoffe auf Ihre Zustimmung, freue mich auf die nun stattfindende Debatte und bitte Sie um Ihre Zustimmung.
– Aufgepasst! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor zehn Wochen, an einem strahlenden Maientag dieses Jahres, fand die Hochzeit meiner Tochter in unserer Heimatstadt in der Oberlausitz statt. Da mein Schwiegersohn ein Bayer ist, waren auch zahlreiche Angehörige dieses robusten Volksstammes als Festgäste eingeladen.
Die Meisten waren zum ersten Mal in Sachsen und kamen überhaupt nicht aus dem Staunen heraus über die blühenden Landschaften,
Herr Porsch, hören Sie zu und schwatzen Sie nicht immer rein! – Schließlich machte sich einer der bayerischen Verwandten zum Wortführer und fragte mich – sozusagen als Politiker –, warum er noch Solizuschlag und der Freistaat Bayern Transferzahlungen an den Osten erbringen soll, wo es doch hier im Osten besser aussehe als bei ihm zu Hause im Bayerischen Wald.
Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte aus meinem Familienleben? Deshalb, weil sie einiges mit dem heute zur Debatte stehenden Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS zu tun hat. Nachdem sie unser Land über 40 Jahre lang heruntergewirtschaftet und das System der kollektiven Verantwortungslosigkeit bis zum Kollaps praktiziert hat,
will uns die SED-Nachfolgepartei mit oft wechselndem Namen heute ein juristisch geschickt verpacktes Patentrezept für die Sanierung der Infrastruktur unserer Städte und Gemeinden anbieten.
Dabei ist aber noch lange nicht vergessen: Als Sie noch das Sagen hatten, wurden anstelle von Straßen Mauern und Todeszäune gebaut.
Nein. – Man ließ die Altstädte verfallen und errichtete seelenlose Wohnsilos. Die Umweltverschmutzung von Luft und Gewässern war Staatsgeheimnis. Die Früchte des Fleißes der Werktätigen fraßen die horrenden Rüstungsausgaben auf oder wurden auf dem Weltmarkt zu Dumpingpreisen verschleudert.
Meine Damen und Herren! Die mangelnde Seriosität dieses Gesetzentwurfes zeigt sich bereits in der Aussage zu den zu erwartenden Kosten auf Seite 2 des Vorblattes – ich zitiere –: „Kosten zulasten des Staatshaushaltes fallen nicht an, Kosten für die Städte und Gemeinden sind ebenfalls nicht zu erwarten. Allenfalls könnte es zu Mindereinnahmen kommen, wenn auf die Erhebung von Straßenbaubeiträgen verzichtet wird und gleichzeitig Alternativeinnahmen nicht realisiert werden können.“ Das heißt, meine Damen und Herren: heile Welt zum Nulltarif.
Dass unser Land in den letzten 16 Jahren schöner und lebenswerter geworden ist, wie unsere bayerischen Verwandten bewundernd feststellten, hat sehr viel Geld gekostet, Geld aus den öffentlichen Kassen, die zu einem ansehnlichen Teil aus den Transferleistungen gespeist wurden. Meine Damen und Herren, dieses Geld wird in Zukunft weniger üppig zur Verfügung stehen. Wenn wir in Sachsen unser deutschlandweit anerkanntes Aufbauwerk fortsetzen wollen, müssen wir auch den Bürger einbeziehen, wofür wir nicht unbedingt Begeisterungsstürme ernten werden.