Protokoll der Sitzung vom 20.07.2006

Ich habe nicht umsonst gesagt, Sie müssen mehr für Frauen tun. Wir hatten hier bereits familien- und frauenpolitische Debatten en masse. Aber eines ist doch ganz klar: Wer Sachsen zu einem guten Ort für Familien machen will, der muss es erst einmal zu einem guten Ort für Frauen machen. Die Debatte steht. Da kneifen Sie und verstehen es einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen glaube ich, dass man über die demografischen Entwicklungen auch einmal in diesem Zusammenhang nachdenken muss. Über Ressourceneffizienz und Umweltschutz rede ich nachher noch einmal.

Wenn wir uns zum Beispiel anschauen, wie es bei den Kostenremanenzen durch die demografische Entwicklung bei der Infrastruktur gerade im ländlichen Raum aussieht: Wir haben heute schon einmal über entsiedelte und entdichtete Räume gesprochen, wo es im Prinzip pro Nase immer teurer wird, überhaupt die Infrastruktur von staatlicher Seite zur Verfügung zu stellen. Was kommt dabei heraus?

Eigentlich müsste man doch einen bestimmten Teil der Anpassungsinvestitionen bei den Infrastrukturmaßnahmen mit hineinrechnen, 20 %, 25 %, das kann man ja ausrechnen und darüber streiten. Aber eigentlich müsste der

Rückbau zum Beispiel von Abwasser- oder Wasseraufbereitung mit gedacht und an der Anzahl der Nutzer orientiert werden, damit deren Pro-Kopf-Beiträge nicht ins Maßlose steigen. Das muss auch mit eingestellt werden. Das können wir nicht in dem entdecken, was bisher als Information vorliegt.

Die finanziellen Hilfen im ländlichen Raum sind unserer Meinung nach zum Beispiel maßgeblich daran zu koppeln, ob zwischen den Kommunen in der Umgebung und Nachbarschaft eine funktionable und wirklich verlässliche Zusammenarbeit stattfindet oder ob die sich gegenseitig irgendwelche Fördermittelkonkurrenz machen. Das müsste man, finde ich, genau erfassen.

Die zunehmende Bedeutung des lebenslangen Lernens ist unserer Meinung nach auch nicht genügend abgespiegelt in dem, was wir bisher wissen.

Die Wirtschafts- und Sozialpartner haben sich im Frühjahr darüber beklagt, dass sie nicht stark genug in die Erstellung der indikativen Finanzpläne einbezogen worden sind. Darin können Sie ja gern anderer Meinung sein, aber diese Meinung gibt es auch und die ist öffentlich. Dass dieses Parlament nicht ordentlich einbezogen wird, darüber haben wir schon gestritten und gesprochen. Aber auch das wird vielleicht weiter Gegenstand der Debatte sein müssen.

Wir haben also als wesentliche Schlussfolgerungen aus der Halbzeitbewertung der EU für die laufende Förderperiode gezogen: Die Chancengleichheit wird nicht stark genug reflektiert. Die Verbesserung der Ressourceneffizienz und der Umweltinfrastruktur ist nicht genügend reflektiert. Offensichtlich gibt es kein effektives Monitoring. Das wird also schwierig.

Was macht denn diese EU-Mittel eigentlich so attraktiv, dass wir gern darum streiten, es hier im Detail besprechen zu wollen? Nun, zum einen machen sie, wenn man die Landesmittel, die kofinanziert mit hineinkommen, ungefähr 5 % des Landeshaushaltes aus. Das ist ein enormer Batzen, über den man da diskutieren könnte. Das wissen Sie ganz genau, Herr Metz. Außerdem hat man bis 2013 sehr lange Steuerungszeiträume. Das heißt, man kann langfristig Dinge anpacken, die eben nicht immer schon nach einem Jahr verfallen. Das finde ich sehr wichtig.

Das Nächste ist, dass es natürlich einfacher ist, weil man wesentlich freier mit diesen Geldern umgehen kann als zum Beispiel mit Solidarpaktmitteln, die ja einen ganz starken investiven Verwendungszwang in der Anwendung haben. Gerade wenn es um diese betriebliche Forschung und Entwicklung geht – das ist für uns eine wesentliche wachstumswirksame Aufgabenkategorie – wäre vieles über die EU-Mittel förderfähig, was Sie wahrscheinlich über die Solidarpaktmittel nicht auf die Reihe bekommen. Also ist es sehr wichtig, dass wir uns hier darüber unterhalten.

Die Informationspolitik der Staatsregierung war mühsam. Bei EFRE haben wir einen Antrag gestellt. Darüber ist im Wirtschaftsausschuss berichtet worden. Ein paar Tage

später wurde der indikative Finanzplan nachgereicht. Eine Debatte war dann nicht mehr möglich.

Wie soll man denn zu einer kritischen Würdigung dessen, was Sie sich überlegt haben, kommen, wenn es keine Möglichkeit gibt, das in vernünftigen Zeiträumen aufzuarbeiten und zu bewerten?

Beim ESF ist es noch schlimmer. Da wissen wir zwar, dass, nachdem Herr Jurk den Beutezug bei ESF erfolgreich beendet hat und von EFRE ein bisschen Geld in ESF hinübergeschoben hat, die ganze Beute unter allen Kabinettsmitgliedern verteilt worden ist. Wir wissen auch, zu welchen Prozentsätzen. Aber was dann folgt, das wissen wir nicht. Es gibt hier und da mal eine verkümmerte Einzelinformation zum Beispiel über Bildungsangebote der Schulen oder ein Innovationsassistenzprogramm, das von EFRE nach ESF gewechselt ist. Aber eine Gesamtschau der Punkte ist nicht möglich. Eine kritische Würdigung dessen, was Sie erarbeitet haben, ist nicht möglich.

Ich glaube, wenn man sich überlegt, wie bisher die Debatten über diesen Bereich gelaufen sind, dann muss man deutlich machen: Wenn man betriebliche Forschung und Entwicklung nicht zum Innovationsschwerpunkt bei EFRE macht, hat man etwas falsch gemacht. Die zwölf Millionen Aufwuchs, die Sie, Herr Jurk, drin haben, sind unserer Meinung nach nicht ausreichend. Das ist in der Zukunft ein Wachstumshemmnis.

Bei Straße haben Sie nichts dazugelernt: 550 Millionen Euro, das sind 18 % der EFRE-Mittel, machen Sie zum zentralen Förderschwerpunkt. Sie machen weiter, obwohl es ganz klare Anzeigen gibt, übrigens auch von der EU, ich rede nicht nur von Herrn Dohnanyi und seinen Anmerkungen zum Straßenbau und zur Straßendichte im Osten. Auch die EU hat deutlich gemacht, dass sie sich wünscht, dass man weniger in die Straßen und mehr in die Bildung und Forschung steckt. Das könnte man tun. Die Möglichkeit bestünde.

Beim Hochschulbau haben Sie 200 Millionen Euro drinstehen. Da schleicht sich ein bisschen der Verdacht ein – den können Sie ja heute in der Debatte ausräumen –, hier würde der Wegfall der Bundesmittel durch die Föderalismusentscheidungen mit EFRE kompensiert. Sie wissen ja, dass die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau jetzt natürlich durch die Entscheidung der Föderalismuskommission abgeräumt ist. Da kann man den Eindruck gewinnen, dass man einfach so weitermachen will wie bisher. Man nimmt halt nur das andere Geld dafür.

Warum haben Sie dafür nicht Solidarpaktmittel genommen? Das wäre richtig gewesen, das wäre auch gegangen. Das verwundert mich.

Ich vermute einmal, dass Sie, Herr Metz, als Finanzminister großen Wert darauf legen, eine hundertprozentige zweckentsprechende Verwendung der Solidarpaktmittel sicherzustellen; weil zum Beispiel auch Switch I im KFAG weggefallen ist. Aus diesem Grunde sind Sie ganz zufrieden, wenn die Solidarpaktmittel nicht in den Hoch

schulbau gehen, sondern die EFRE-Mittel. Aber das wollen wir nicht.

Also: Keine Demokratiefestigkeit mit dem Schwerpunkt Infrastruktur. Die Anpassungsinvestitionen bei Abwasser und Trinkwasser sind nicht ausreichend vorhanden – sehr wichtig für die Gebührenentwicklung für die Bürger im ländlichen Raum. Wenn man möchte, dass die Bürger im ländlichen Raum bleiben, muss man ihnen dort eine billige Existenz ermöglichen und keine verteuerte im Vergleich zur Stadtbevölkerung. Das geht nicht.

Natürlich ist die Frage der Revitalisierung von Brachflächen und von Stadtentwicklung für uns unzureichend beantwortet. Die EU selbst bietet nämlich Instrumente dafür an, zum Beispiel bei der integrierten Städtepolitik. Sie hat selbst Angebote gemacht, die auch den spezifischen Beitrag der Städte zu Wachstum und Beschäftigung abspiegeln würden. Man kann jedoch nicht erkennen, dass dies in dem, was wir bisher wissen und was bisher vorliegt, abgespiegelt ist. Aber Sie können nun gern in der Debatte das Wort ergreifen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun die Aussprache. Herr Hermsdorfer für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Hermenau! Wir beschäftigen uns heute zum vierten Mal in diesem Hohen Hause im Rahmen einer Plenardebatte mit der Ausgestaltung der Strukturfonds in der neuen Förderperiode 2007 bis 2013.

Stets erhalten wir eine neue Version einer Ideensammlung, wie die operationellen Programme aus Ihrer Sicht aussehen sollen. Sie gehen dabei an einigen Zielstellungen vorbei, Sie haben auch Dinge übersehen. Ich darf Sie gleich einmal korrigieren: Die Frage Wasser und Abwasser ist im ELER-Programm bereits enthalten.

Haben wir uns zuerst bei Ihren Anträgen im März und April mit terminlichen Fragen beschäftigt, so setzen wir uns heute mit einer Sammlung von inhaltlichen Vorstellungen und Wünschen auseinander. Dabei wird der Programmschwerpunkt Umwelt gefordert, eine stärkere Orientierung an Innovationen, der Verzicht auf die weitere Ausgestaltung der Infrastruktur oder eine umfassende Qualifizierung unserer Menschen – ohne Rücksicht darauf, ob der Beruf, welcher ihnen vermittelt wird, nun sinnvoll ist und am Markt nachgefragt wird oder auch nicht. Darüber hinaus wird von Gender Mainstreaming und daraus abzuleitenden spezifischen Maßnahmen, Zielen adäquater Vergabepraxis, Beteiligungen von Verbänden bei der Erarbeitung der operationellen Programme, Monitoring und neuen Beihilferegelungen gesprochen. So verworren meine Aufzählung ist, so verworren ist auch der Antrag der GRÜNEN-Fraktion.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das geht quer durch den Gemüsegarten, von Grundsätzen bis zu Einzelmaßnahmen, von gesonderten Programmen

bis zu Förderrichtlinien und Erfolgskontrollen. Es tut mir Leid, aber dieser Antrag ist qualifiziert nicht verwendbar und er gibt auch aus dem aktuellen Stand der Erarbeitung der Grundsätze keinen verfolgenswerten Ansatz für die kommende Förderperiode. Details der Aufzählung sind durchaus nachvollziehbar und zu unterstützen. Zusammengefasst heißt der Antrag aber nichts anderes als: Wir fördern erst einmal alles und jeden, jede Maßnahme, außer Infrastruktur, und dann wird alles gut.

Die Ergebnisse der Kabinettsbefassung vom 11. Juli dieses Jahres, welche auch Ihrer Fraktion bekannt sein dürften, wie wir gerade gehört haben, geben einen ersten Ausblick auf die inhaltliche Ausgestaltung der Schwerpunkte des EFRE sowie die voraussichtliche Verteilung der Mittel des Europäischen Sozialfonds auf die Fachressorts der Staatsregierung.

Die Schwerpunkte im EFRE sehen eine stärkere Förderung von Innovationen sowie Forschung und Entwicklung unter Minimierung der Förderung der Infrastruktur und die weitestgehende Beibehaltung der Investitionen im Wachstum vor. Dieser Verteilung können wir uns grundsätzlich anschließen, wenngleich noch Fragezeichen in den einzelnen Unterpositionen stehen, die auszuräumen und gegebenenfalls durch Verschiebungen zu lösen sind.

Diese Diskussion werden wir aber genau zu dem Zeitpunkt führen, zu dem es auch notwendig ist,

(Antje Hermenau, GRÜNE: In der Haushaltsdebatte!)

nämlich in der kommenden Haushaltsberatung, in der die Strukturen des EFRE- und des ESF-Fonds im Kontext mit den Haushaltsansätzen, besonders im Hinblick auf die Verwendung der Mittel aus dem Solidarpakt, zu analysieren sind.

Der vorliegende Antrag der GRÜNEN-Fraktion möchte Entscheidungen der bevorstehenden Haushaltsdiskussion vorweg nehmen, ohne den Entwurf des kommenden Doppelhaushaltes oder den Entwurf der operationellen Programme für ESF und EFRE zu kennen. Wir sind gespannt auf die Beiträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in diesem Diskussionsprozess und hoffen, mit klareren und zielorientierteren Vorstellungen konfrontiert zu werden.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Keine Sorge!)

Das denke ich schon. – Der Antrag der GRÜNEN enthält keine neuen Erkenntnisse zu Schwerpunkten bezüglich der Strukturfondsausgestaltung, denen unsere Fraktion folgen könnte, und wird daher von uns abgelehnt.

Um jedoch zum Ausgangspunkt zurückzukommen: In einem Punkt finden wir heute sicher zusammen, Frau Hermenau. Nach Beendigung der Sommerpause erwartet auch unsere Fraktion die detaillierte Vorstellung der operationellen Programme mit fachlicher Abstimmung im Landeshaushalt. Einen Verzug zum Beginn der neuen Förderperiode wollen wir – damit spreche ich

sicher für die gesamte Koalition – auf keinen Fall zulassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Linksfraktion.PDS gab es eine kleine Umbesetzung. Herr Scheel spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Dezember 2005 setzte meine Fraktion das Thema der neuen EU-Strukturfondsperiode zum ersten Mal auf die Tagesordnung des Landtages.

Es folgte eine ausführliche Debatte im Wirtschaftsausschuss, gemeinsam mit den Fondsverantwortlichen in den Ministerien. Das Gleiche geschah im Landwirtschaftsausschuss hinsichtlich des ELER. Danach diskutierten wir im Landtag einen weiteren Antrag unserer Fraktion. Es folgten Debatten in den Ausschüssen. Nun, nachdem das Kabinett über die sächsische Programmplanung beschlossen hat, kommen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem Antrag.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Wir waren schon im April da, Herr Scheel!)

Ich habe Ihnen gerade den Hergang noch einmal dargelegt, Frau Hermenau, aber jetzt kommen Sie mit Ihrem Antrag, und ich sage Ihnen: Sie kommen leider zu spät.

Jetzt ist nichts mehr zu ändern, das Kabinett hat vollendete Tatsachen geschaffen. Nicht umsonst hat man uns als Abgeordneten sogar einige Zahlen per E-Mail-Verteiler des Ausschussdienstes zukommen lassen. Es ist also nichts mehr zu ändern, und daran kann leider auch Ihr Antrag nichts mehr ändern.

Ja, wir sind mit diesem Vorgehen der Staatsregierung nicht einverstanden. Wir sind nicht damit einverstanden, dass wir erst im Nachgang informiert werden. Wir sind nicht damit einverstanden, dass wir als Parlament nicht über die Prioritäten mitentscheiden können, und wir sind nicht damit einverstanden, dass ein solch großer Teil des Haushaltes vor der Haushaltsdebatte gebunden wird.