Protokoll der Sitzung vom 20.07.2006

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Prekär ist die Situation an den Förderschulen, die viele andere Schulsysteme gar nicht kennen. Es ist nicht nur so, dass Lehrer fehlen, um den Förder- und Ergänzungsbereich zu bedienen, es ist auch so, dass wir nach wie vor nur zirka 40 % förderpädagogisch qualifiziertes Personal an diesen Schulen haben. Wir werden hier in nächster Zeit drei Probleme zu lösen haben:

Zum Ersten müssen wir kurzfristig Entspannung in die Lehrerversorgung bringen. Gerade bei denen, die auf Förderung angewiesen sind, dürfen wir an derselben nicht sparen. Das zahlen wir auf jeden Fall am Ende mehrmals drauf.

Zum Zweiten müssen wir endlich eine förderpädagogische Fortbildungsinitiative auf die Beine stellen. Förderschulen im Lern- und Erziehungsbereich sind nicht dazu da, die Mittelschulen zu entlasten. Nichts gegen das Engagement der Lehrkräfte an Förderschulen. Ich weiß, wie hoch das oftmals ist. Aber nur wollen reicht manchmal nicht. Wir wissen heute schon viel mehr als noch vor 20 Jahren und müssen dies in den Schulen produktiv umsetzen. Unter anderem wissen wir auch, dass es für viele Fälle wichtig ist, ein entsprechendes Anregungspotenzial zu haben.

Das und viele soziale und psychische Gründe müssen uns veranlassen, zum Dritten über eine neue Struktur der förderpädagogischen Unterstützung nachzudenken. Sie wissen, dass wir dafür plädieren, Förderklassen und -gruppen an Regelschulen anzugliedern und diese Regelschulen zugleich zu förderpolitischen Kompetenzzentren zu machen. Wir hätten dann zwar nach wie vor das Problem der nötigen Qualifizierung, aber wir hätten kein Problem mehr mit der Lehrerversorgung. Nur Insidern wird bekannt sein, welches Hickhack es um die Abord

nung oder Versetzung von Regelschullehrern an Förderschulen gibt. Das wäre dann strukturell gelöst und vom Tisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass wir im förderpädagogischen Bereich noch viel zu tun haben. Kurzfristig werden wir die nötigen Stellen zu sichern haben. Das wird in den nächsten Haushaltsberatungen geschehen müssen. Für das kommende Schuljahr erwarten wir von der Kultusverwaltung, die Ressourcen der Schulen mit der beschlossenen Flexibilisierung über die Schularten hinweg zu nutzen.

Schließlich der berufsbildende Bereich. Dieser wird sich in den nächsten Jahren sehr dynamisch gestalten. Deshalb war es uns schon bei der letzten Haushaltsberatung gleich, ob Stellen oder Mittel für Lehrer im Haushalt stehen, wenn nur die Schulen damit flexibel ihren Bedarf decken können. Schulleiter der Berufsschulzentren haben uns bestätigt, dass dies ein gangbarer Weg ist.

Ein Problem bleibt hier wie im Förderschulbereich: Es sind teilweise nicht genügend ausgebildete Fachlehrer verfügbar. Wir wissen, dass sich diese Situation auch in Zukunft nicht verbessern wird. Die Ausbildungszahlen an den Universitäten sind viel zu niedrig und der Sog in den Westen ist zusätzlich groß.

Aus diesem Grund brauchen wir wirksame Seiteneinstiegsprogramme, die für verschiedene qualifizierte Bewerber am Ende die notwendige Qualifikation sichern. Kurz gesagt, geht es einerseits darum, Fachleuten das nötige pädagogische und bildungswissenschaftliche Rüstzeug zu geben und andererseits Lehrern anderer Schularten die entsprechende berufsfachliche Kompetenz. Wir haben ein solches Qualifizierungsprogramm für Seiteneinsteiger im Koalitionsvertrag vereinbart und halten es für an der Zeit, den Stand der Umsetzung, die Perspektiven zur Kenntnis zu nehmen. Wir bitten deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.

Den Antrag der Linksfraktion.PDS lehnen wir ab und verweisen auf die Möglichkeit der Administration, von den Flexibilisierungsvermerken Gebrauch zu machen. Im Übrigen werden wir die Diskussion bei der Behandlung des Haushalts 2007/2008 fortsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kerstin Nicolaus und Rolf Seidel, CDU)

Die NPDFraktion; Herr Abg. Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Tragen wir die Fakten zusammen: Im Schuljahr 2006/2007 werden in Sachsen 1 723 Lehrer fehlen, wie das Kultusministerium unlängst einräumte und damit zweifellos einen weiteren schulpolitischen Offenbarungseid leistete.

Die fünf sächsischen Regionalschulämter haben einen Mehrbedarf von 300 Grundschullehrern, 380 Förderschul

lehrern und 565 Berufsschullehrern ermittelt. Für den Ethikunterricht fehlen insgesamt 478 Stellen. Nach Adam Ries weist das einen Mehrbedarf von 1 723 Lehrerstellen für das kommende Schuljahr aus. Allein in Leipzig fehlen 200 Lehrer an Förderschulen.

Das Kultusministerium ist zwar der Meinung, dass sich die Lehrerversorgung und damit die Unterrichtsversorgung an Berufsschulen gegenüber dem Vorjahr gebessert habe. Fasst man aber die Angaben der Regionalschulämter Bautzen, Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau zusammen, so ergibt sich im Landesdurchschnitt eine Grundbereichsabdeckung von 94 bis 98 % und im Ergänzungsbereich von null bis 11,5 %. Mit diesen Zahlen ist die NPD-Fraktion nicht zufrieden und fordert die Schaffung weiterer Lehrerstellen, damit mit dem Beginn des neuen Schuljahres Anfang September die gesetzlich geforderte Unterrichtsversorgung an Grund-, Förder- und Berufsschulen sichergestellt werden kann.

Hinsichtlich der Unterrichtsversorgung im Grundbereich von Förder- und Berufsschulen hat der Landesrechnungshof bereits im Jahr 2000 konkrete Verbesserungen bei der Lehrereinstellung angemahnt. Das scheint im Kultusministerium bis heute nicht umgesetzt worden zu sein oder aber die ergriffenen Maßnahmen verpufften wirkungslos. Elternvertreter beklagen deshalb seit Längerem den Unterrichtsausfall an sächsischen Schulen. Ausweichfloskeln und Rechenübungen der Staatsregierung, nämlich dass so und so viel Prozent Unterrichtsausfall akzeptabel seien, sind nicht akzeptabel, wenn man in Rechnung stellt, wie viele Lehrkräfte dem aktiven Schuldienst durch Abordnung in die Verwaltung und/oder Altersteilzeit entzogen werden.

Für die NPD-Fraktion ist es nicht hinnehmbar, dass die Anzahl der Lehrerstellen – und damit die Gewähr für eine ordentliche Beschulung – massiv hinter dem von den Regionalschulämtern ermittelten Bedarf zurückbleibt. Wir unterstützen deshalb den vorliegenden Hauptantrag, im Rahmen des Haushaltsvollzuges im kommenden Schuljahr weitere Lehrerstellen im Bereich der Grund-, Förder- und Berufsschulen bereitzustellen.

Die Schulpolitik – dies zeigt sich an den Schulschließungen selbst und an den Folgewirkungen, zum Beispiel der Anhebung der Klassengrößen, der Inkaufnahme immer längerer Schulwege und dem Unterrichtsausfall infolge des Lehrermangels – ist längst zum Sparschwein der Koalitionäre aus CDU und SPD geworden.

(Rolf Seidel, CDU: Unsinn!)

An den Bildungschancen der jungen Sachsen wird gespart, während für andere Bevölkerungsgruppen staatliche Zuwendungen weiterhin erhöht werden. Ich mute Ihnen die Erinnerung daran zu, dass in der letzten Plenarwoche des Landtages von den Altparteien in trauter Einigkeit die Erhöhung der Zuwendung an die jüdischen Gemeinden auf insgesamt 725 000 Euro im Jahr beschlossen wurde.

Das hat aber damit nichts zu tun!

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das hat damit nichts zu tun!)

Frau Präsidentin – –

Nein, das hat damit nichts zu tun, Herr Gansel. Ich bitte Sie, dass Sie zum Thema zurückkehren.

Es wird sofort ein Schuh draus, Frau Präsidentin. Und zwar geht es – ich wiederhole es – –

Ich sage es Ihnen jetzt noch einmal: Sie wiederholen es bitte nicht. Es hat damit nichts zu tun; Sie kommen bitte zum Thema zurück!

(Uwe Leichsenring, NPD: Unverschämtheit!)

Das ist auch keine Unverschämtheit, Herr Leichsenring.

Frau Präsidentin! Dann werde ich die genannten Zahlen nicht wiederholen, aber es zeigt die Alarmiertheit und die Aufgeregtheit des Landtagspräsidiums, wenn man nur die Zahlen der Zuwendungen an die jüdischen Gemeinden nennt. Das Einzige, was ich nennen wollte, ist: Es geht hier nicht um die absolute Zahl, sondern es geht einfach um das verheerende politische Signal, das hier ausgesandt wird. Dieses Signal zeigt sich daran, dass an den Bildungschancen unserer Jugend und damit an der Schulpolitik gespart wird, während gleichzeitig die Mittel für bestimmte Minderheiten schamlos erhöht werden.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Unverschämt!)

Herr Gansel, ich bitte Sie, dass Sie sich jetzt mäßigen!

Das Schreikonzert der Linken gibt mir ja Recht. Es gibt gewisse Zahlen und Ausgabenposten, die tabuisiert sind.

Ich komme jetzt wieder zur eigentlichen Schulpolitik, weil ich nur andeuten wollte, welche falschen Signale ausgesandt werden.

Noch einige Worte zum Antrag von CDU und SPD für ein Seiteneinstiegsprogramm an berufsbildenden Schulen. Wenn man sich diesen wirklich minimalistischen Antrag anschaut, kann man sich ein bitteres Lachen fast nicht verkneifen. Der Antrag unterbietet in der Dürre und der Kürze seiner Begründung – drei ganze Sätze werden dafür aufgewendet – selbst noch einmal das sowieso schon niedrige Niveau eines gewöhnlichen Berichtsantrages.

Immerhin wurde im Koalitionsvertrag die Prüfung eines Seiteneinstiegsprogramms erwogen, um die Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen zu verbessern. Das Ansinnen, Fachleute ohne pädagogischen Abschluss und zusätzliche Lehrer anderer Schularten für das entsprechende berufstheoretische Fach einzusetzen,

findet unsere Zustimmung. Diese Gruppe kann in einer Verbindung aus pädagogischem Schnellstudium und Mentorenbetreuung sehr wohl für den Einsatz an Berufsschulen fit gemacht werden, um die Berufsschulqualität zu stärken.

Die NPD-Fraktion begrüßt alles, was die Abwanderung junger Sachsen stoppen und ihnen eine Ausbildungs-, Berufs- und Lebensperspektive in ihrer Heimat bieten kann. Ein Seiteneinstiegsprogramm, wie von der Koalition ins Spiel gebracht, für die Verbreiterung des Lehrerangebotes an Berufsschulen könnte einen kleinen, ganz bescheidenen Beitrag leisten. Die NPD-Fraktion stimmt diesem Berichtsantrag deswegen – trotz seines minimalistischen Charakters – zu.

Den hier debattierten Hauptantrag vermag er allerdings in keiner Weise zu ersetzen. Wir brauchen mehr Lehrer an Grund-, Förder- und Berufsschulen. Das haben selbst die Angaben des Kultusministeriums erwiesen. Jetzt ist das Kultusministerium in der Pflicht, die entsprechenden Lehrerstellen für ein funktionierendes Schuljahr 2006/ 2007 zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Faktion, bitte; Herr Abg. Herbst.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das angesprochene Problem des Lehrermangels ist nicht neu. Wer sich an die letzten Haushaltsberatungen erinnert, wird feststellen, dass wir es damals schon thematisiert und auf die Rechenfehler der Regierung hingewiesen hatten.

Es fehlt an Lehrerkapazitäten – man kann sich darüber streiten, ob es immer Lehrerstellen sind – an den Grund-, Förder- und Berufsschulen. Die Folgen sind klar: Wir haben immer noch einen erheblichen Unterrichtsausfall. Wir kennen die Zahlen, auch dank des FDP-Antrages; denn wir haben es geschafft, dass landesweit wenigstens ein Stück Transparenz beim Unterrichtsausfall geschaffen wurde.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Aber Herr Seidel hat das nicht gelesen!)

Er hat vielleicht die Chance, dass er es mal erklärt bekommt, sich die entsprechenden Zahlen zu ziehen, bzw. auf dem Server des Kultusministeriums findet man dankenswerterweise ebenfalls die Zahlen.

Im Ergänzungsbereich, mit Ausnahme der Grundschulen, ist der Bedarf nicht annähernd gedeckt. Auch das haben die Kleinen Anfragen unserer Fraktion gezeigt. Wir haben drittens im Grundschulbereich – Frau Falken hat es angesprochen – in einigen Regionen einen Trend zu sehr großen Klassen. Das betrifft beispielsweise die Dresdner Region und Coswig. Überall dort, wo die Schülerzahlen steigen, übt das Regionalschulamt Druck aus, große Klassen zu bilden, obwohl wir eigentlich der Meinung

sein müssten, dass gerade an den Grundschulen Klassen mit über 25 Schülern nicht das Optimum sind.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Herr Flath, wenn Sie sagen, dass der Unterrichtsausfall noch höher ist, stimmt mit Ihren Lehrerzahlen etwas nicht. Damit muss es zusammenhängen. Wir sind der Meinung, dass wir individuell besser fördern wollen, gerade im Grundschulbereich. Wenn man das politisch will und es wirklich verfolgt, muss man dafür auch die Kapazitäten bereitstellen, sonst funktioniert das Ganze nicht.