Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Ein Ende der Neuverschuldung zeitgleich mit der deutlichen und ungeliebten Mehrwertsteuererhöhung – das ist ein echtes Signal für Glaubwürdigkeit. Wir nehmen die zusätzlichen Einnahmen jetzt, um unsere Schulden zu tilgen und um Spielraum für die Zukunft zu bekommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Dr. Hähle?

Bitte sehr.

Bitte.

Herr Kollege Hähle, Ihr Plädoyer für den Schlussstrich unter das Schuldenmachen in Ehren. Würden Sie mit gleichem Engagement jetzt einen Schlussstrich unter Steuererhöhungen fordern?

Das widerspricht sich ja.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS)

Sie wissen ganz genau – darauf komme ich noch zu sprechen –, dass unser Staat, die Bundesrepublik Deutschland, Milliardenschulden angehäuft hat. Damit ist etwas vorausgenommen und künftigen Generationen aufgebürdet worden, was wir oder unsere Vorfahren und Vorgänger bereits verbraucht haben.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Von CDU und SPD! – Volker Bandmann, CDU: Und von der alten DDR!)

Also kann man nicht generell sagen, es gibt keinerlei Steuererhöhungen mehr, sondern man muss sehen, dass man von den Lasten herunterkommt. Je weiter und je besser und schneller man davon herunterkommt, desto eher kann man auch zu anderen Prinzipien übergehen, zum Beispiel keine neuen Steuererhöhungen mehr vorzunehmen.

Wir haben jedenfalls den Bürgern gesagt, die erhöhte Mehrwertsteuer ist zur Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte notwendig. Wer bestreiten will, dass öffentliche Haushalte konsolidiert werden müssen, der lebt in einer Traumwelt, sehr geehrter Herr Kollege.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Habe ich das bestritten?)

Wo lässt sich die Einlösung dieses Versprechens besser ablesen als am Schuldenstand? 250 Millionen Euro betragen die jährlichen Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung in Sachsen, aber auf lediglich 50 Millionen Euro – wie es auf den ersten Blick aussieht – ist die Neuverschuldung gegenüber der früheren Finanzplanung im Haushaltsentwurf reduziert worden.

Der Haushaltsentwurf enthält allerdings noch an anderen Stellen Konsolidierungsschritte, die dazu dienen, die Belastungen künftiger Haushalte zu verringern. Je schneller wir uns von diesen Lasten befreien können, desto eher gewinnen wir weiteren Spielraum für notwendige Investitionen und eine sichere Finanzierung dauerhafter Ausgaben – meinetwegen eines Tages auch für ein kostenloses drittes Kindergartenjahr. Aber dazu müssen wir erst die entsprechenden dauerhaften Einnahmen gesichert haben.

Lassen Sie uns deshalb die kommenden Haushaltsberatungen dazu nutzen, wenn es irgend geht bereits für das Jahr 2007 eine Neuverschuldung von null zu erreichen. Der Ministerpräsident meint, dass wir das vielleicht sogar noch eher, also in diesem Jahr, schaffen könnten. Das

wäre ein Signal, das die Bürger verstehen. Ich bin mir sicher, dass wir dies gemeinsam bei gutem Willen erreichen können.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Nicht umsonst wird das Haushaltsrecht als Königsrecht des Parlaments bezeichnet. So mancher König oder Präsident hatte in der Vergangenheit große Ängste auszustehen, ob sein Budgetentwurf auch tatsächlich von den Ständen oder dem Parlament gebilligt würde. Denn jedem war klar, dass Mehrausgaben des Staates sofort Steuererhöhungen für die Untertanen zur Folge hatten.

Dieser ursprüngliche Zusammenhang ist in Deutschland leider ab den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts durch Flucht in die Verschuldung mehr und mehr verblasst. Regierungen und Parlamente haben dem Bürger suggeriert, dass neue Wohltaten nichts kosten. Zunächst fallen ja „nur“ Zinszahlungen an und von Tilgung der Staatsverschuldung spricht noch heute kaum jemand.

Ich hoffe, dass es uns gelingt, schon im nächsten oder übernächsten Jahr davon zu sprechen, dass man Staatsschulden auch einmal tilgen muss. Zinszahlungen des Staates beim Bund sind inzwischen der zweitgrößte Ausgabenposten mit weit über 50 Milliarden Euro jährlich. Auch in Sachsen sind es immerhin 630 Millionen Euro. 1970 betrug die Gesamtschuldenlast in der Bundesrepublik weniger als 20 % des Bruttoinlandsproduktes – 2005 betrug sie 68 %, das sind 1 500 Milliarden Euro.

Der finanzpolitische Sündenfall, der in den Siebzigerjahren begann, blieb nicht ohne weitere Folgen: In Westdeutschland wurden öffentlicher Dienst und Sozialsysteme ausgebaut und vieles andere mehr. Im Bereich der Beamten hat man es nicht einmal für notwendig gehalten, Vorsorge für die unausweichlich anfallenden späteren Pensionszahlungen zu treffen.

Jede Unternehmensbilanz, die so aussehen würde, wäre beim Wirtschaftsprüfer durchgefallen. Bund, Länder und Gemeinden haben dies allesamt billigend in Kauf genommen, und jetzt bestehen Pensionslasten in Milliardenhöhe, sehenden Auges verursacht. Kurzfristige Wahlgeschenke – das können wir ganz nüchtern so sehen – waren oft wichtiger als nachhaltige Politik.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das fing mit Adenauer an!)

Wir wollen unsere Vorfahren hier nicht in Grund und Boden verdammen, aber wir sind ja nun auch erst seit 16 Jahren dabei und können es mitgestalten, und diese 16 Jahre haben wir genutzt, um diese Fehler möglichst nicht zu wiederholen – ich habe ja begründet, dass in der Aufbauzeit Kreditfinanzierung durchaus sinnvoll war – bzw. dass wir von diesen Lasten möglichst schnell wieder herunterkommen. Ich denke, das ist ein Ausdruck sehr vernünftiger Politik.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Gunter Hatzsch, SPD, und bei der Staatsregierung)

Was in den alten Ländern die Pensionslasten sind, schlägt bei uns durch die Zahlungsverpflichtungen in die Sonder- und Zusatzversorgungssysteme – unser Erbe aus DDRZeiten – zu Buche. Bis 2020 müssen hierfür rund 10 Milliarden Euro aufgebracht werden.

Die finanzielle Vorbelastung des Freistaates ist daher nicht auf 12 Milliarden Euro Schulden begrenzt, sondern allein unter Berücksichtigung der Sonder- und Zusatzversorgung mit 22 Milliarden Euro fast doppelt so hoch wie der offizielle Schuldenberg.

Diese unangenehme Wahrheit wird jetzt wenigstens offiziell angesprochen, nachzulesen in der Mittelfristigen Finanzplanung auf Seite 39. Wir begrüßen es daher außerordentlich, dass mit dem Doppelhaushalt 2007/2008 der Finanzierungsfonds für künftige Pensionszahlungen an sächsische Beamte erheblich erweitert wird. Immerhin soll die Rücklage künftig für 15 % der sächsischen Beamten ausreichen. Man könnte auch sagen: erst für 15 %. Das bedeutet also, dass für den Großteil der heutigen verbeamteten Staatsdiener noch immer keine Vorsorge im Haushalt getroffen werden kann. Wir tun deshalb gut daran, künftige Spielräume zur weiteren Ausweitung dieses Pensionsfonds zu nutzen.

So wie jeder Arbeitgeber für seine Angestellten heute Rentenversicherungsbeiträge leistet oder Rückstellungen bildet, so muss dies auch der Staat tun. Für diesen Doppelhaushalt und alle weiteren muss gelten: Mit einmaligen oder kurzfristig höheren Einnahmen dürfen keine dauerhaften Ausgaben begründet werden, sondern der Staat muss Vorsorge für die mageren Jahre treffen, die unausweichlich vor uns liegen. Nachhaltige Politik, die auch das Wohl unserer Kinder und Enkel im Auge hat, ist zugegebenermaßen oft nicht populär und taugt schlecht für mediale Schlagzeilen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: So wie Sie es machen!)

Dass wir uns dennoch darum bemühen, zeigt, dass wir es mit der Verantwortung für unser Land ernst meinen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Herr Hähle, niemand klatscht!)

Zur finanziellen Nachhaltigkeit gehört auch, dass wir uns rechtzeitig auf künftige Änderungen einstellen. So schmerzhaft der Abbau von Personal auf Landesebene in der Vergangenheit war und künftig sein wird, so gibt es nach unserer festen Überzeugung hierzu keine vernünftige Alternative.

Im Übrigen, Herr Porsch, auf Ihren Zwischenruf will ich gern antworten. Ich habe gerade gesagt, dass unpopuläre Maßnahmen nicht dazu animieren, dass man klatscht, aber sie zu treffen und durchzustehen ist eine Frage der Verantwortung, die uns allen zusammen auferlegt ist. Verantwortungslose Politik haben wir lange genug erlebt, jetzt wollen wir hier eine andere machen.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ein Blick in die Mittelfristige Finanzplanung des Freistaates für die Jahre 2006 bis 2010 macht es noch einmal deutlich: Die Pro-Kopf-Finanzausstattung der neuen Länder einschließlich der Kommunen liegt mit 112 % noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Darauf hat der Finanzminister schon hingewiesen. Trotz der immer noch bestehenden Gehaltsunterschiede liegen die Personalausgaben je Einwohner über dem Durchschnitt der Westländer. Nun frage ich mich, wie wir das auf Dauer rechtfertigen sollen. Das können wir nicht rechtfertigen! Es wird auch niemand mehr bereit sein, uns auf Dauer diese erhöhten Kosten mitzufinanzieren, vor allem diejenigen nicht, die sich längst eine Maßhaltekur verordnet haben. Es bleibt uns daher gar nichts anderes übrig, als uns konsequent dem Niveau der alten Länder anzunähern. Allein schon der befristete Solidarpakt zwingt uns dazu.

Wir bekennen uns daher erneut zu der für 2010 angepeilten Zielzahl von 80 000 Stellen im Personalsoll A, wie wir es bereits im geltenden Haushaltsgesetz verankert haben. Ich weiß, dass die Erreichung dieses Ziels mit vielen Mühen verbunden sein wird und für die betroffenen Mitarbeiter alles andere als einfach ist. Doch ist es gerecht, meine Damen und Herren, wenn Hunderttausende in der freien Wirtschaft dem täglichen Wandel unterworfen sind, im öffentlichen Dienst dagegen die notwendigen Anpassungen unterblieben? Ich meine: nein, zumal ja die Beschäftigten der Privatwirtschaft mit ihren Steuern den öffentlichen Dienst finanzieren. Grundsätzlich muss gelten: Was die Beschäftigten in der Privatwirtschaft an Rahmenbedingungen vorfinden, daran muss sich auch der öffentliche Dienst messen lassen.

Bei allen notwendigen Personalanpassungen müssen wir jedoch sicherstellen, dass auch künftig junge Menschen eine Chance bekommen, in der Staatsverwaltung tätig zu sein. Fachkräftemangel wird kein Phänomen sein, das auf die freie Wirtschaft beschränkt bleibt. Auch der Staat muss rechtzeitig vorsorgen. Es ist deshalb richtig, dass sich der Freistaat dazu bekennt, auch künftig jungen Menschen die Chance einer soliden Ausbildung im bisherigen Umfang zu geben.

Erfreulich ist für uns die Stärkung des Bildungshaushalts. Künftig ist mehr Geld für lernschwache Schüler, den Schulhausbau und den Sport vorgesehen. Dass unser Schulsystem allen Unkenrufen der Opposition zum Trotz deutschlandweit keinesfalls schlecht dasteht, um es einmal bescheiden und zurückhaltend auszudrücken, hatte erst kürzlich das Bildungsmonitoring der Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ ergeben. Sachsen ist auf Platz 1 und hat deutschlandweit die größten Fortschritte erzielt.

Wir wissen allerdings, dass auch andere Länder große Anstrengungen unternehmen und wir insofern diesen Spitzenplatz nicht gepachtet haben. Aber eines wollen wir festhalten: Nirgendwo ist die Betreuungsrelation von Lehrern zu Schülern besser als in Sachsen. Wir tun deshalb gut daran, auf diesem Weg der Kontinuität weiterzumachen. Mehr ganztägige Bildungsangebote sowie die gezielte Förderung leistungsschwacher Schüler auch

aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds setzen die richtigen Signale. Das gute Abschneiden Sachsens beim Bildungsmonitoring oder bei „Pisa“ wäre ohne die vielfältigen Leistungen der sächsischen Lehrerinnen und Lehrer nicht denkbar, deshalb an dieser Stelle ein ganz herzlicher Dank für ihren unermüdlichen Einsatz auch unter schwierigen Bedingungen.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Viele von ihnen arbeiten verkürzt – mit entsprechend weniger Gehalt – als Reaktion auf den deutlichen Schülerrückgang. Auch dafür, dass sie diese notwendigen Einschnitte – wenn auch schweren Herzens – mittragen, gebührt den Lehrerinnen und Lehrern unser Dank und unsere Anerkennung. Ich denke, mit dem Ausbau von Ganztagsschulen und weiteren Bildungsangeboten ergeben sich wieder neue Chancen für unsere Lehrerinnen und Lehrer in Teilzeit.

Nach Abschluss der schmerzlichen Schulnetzanpassung an die halbierten Schülerzahlen

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

gilt es jetzt, an den gesicherten Standorten moderne Gebäude mit guter Ausstattung zu schaffen. Auch das motiviert Lehrer und Schüler. Die aufgestockte Schulhausbauförderung leistet hierzu ganz sicher ihren Beitrag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt unterstreicht der vorliegende Haushaltsentwurf, dass in Sachsen weiterhin kluge und vernünftige Politik von vielen Menschen guten Willens gemacht wird. Da schließe ich auch die vielen Ehrenamtlichen in den kommunalen Vertretungskörperschaften ein.

Der Haushalt ist sicherlich ein abstraktes Zahlenwerk und nicht von jedem so einfach zu verstehen. Allerdings machen allein die Eckwerte, wie Neuverschuldung, Investitionsquote, Ausgaben für Bildung, Forschung und Innovation, deutlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich wünsche mir deshalb in den kommenden Monaten sachliche und faire Beratungen, in denen wir vor allem auf die Nachhaltigkeit der Entscheidungen Wert legen sollten. Vielleicht gelingt es ja wie in alten Zeiten, dass Parlamente nicht auf mehr, sondern auf weniger Staatsausgaben dringen, damit den Bürgern künftig wieder ein größerer Anteil von den Früchten ihrer Arbeit zur eigenen Verfügung steht.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Dank aussprechen, nämlich an den langjährigen finanzpolitischen Sprecher und Vorsitzenden des Arbeitskreises Haushalt und Finanzen der CDU-Fraktion Uwe Albrecht, der wesentlichen Anteil daran hat, dass wir heute auf eine so erfolgreiche Bilanz verweisen können.

(Beifall bei der CDU)

Er wird heute seine Abschiedsrede im Sächsischen Landtag halten. – Für Herrn Porsch ist das wieder genügend