Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Er wird heute seine Abschiedsrede im Sächsischen Landtag halten. – Für Herrn Porsch ist das wieder genügend

Gelegenheit, Zwischenfragen zu stellen oder Zwischenrufe zu platzieren. – Er wird dabei auf den kommunalpolitischen Aspekt des vorliegenden Entwurfs des Doppelhaushaltes 2007/2008 eingehen.

Übrigens, Herr Kollege, wenn man das alles, was Sie an Zwischenfragen und Zwischenrufen produzieren, zu Ihrer Redezeit addiert, haben Sie immer mehr als genug.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der NPD)

Uwe Albrecht übernimmt demnächst eine neue anspruchsvolle Aufgabe als Wirtschaftsdezernent der Stadt Leipzig. Dazu wünsche ich ihm auch im Namen meiner Fraktion viel Erfolg. Sein Erfolg wird unser aller Erfolg sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Prof. Weiss, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Fraktionen! Es ist eine Binsenweisheit, dass wir im Informationszeitalter leben. Ja, gelegentlich wird sogar von der heraufziehenden Wissensgesellschaft gesprochen. Umso erstaunlicher ist es daher für mich, dass in der Öffentlichkeit und damit auch im politischen Alltagsgeschäft immer wieder Mythen und Legenden entstehen und kursieren, die mit der Realität so gut wie gar nichts zu tun haben.

Ich habe mir im Zusammenhang mit der heutigen Haushaltsdebatte vorgenommen, mit einigen dieser Legenden aufzuräumen, also den Schleier vor der Wahrheit etwas zu lüften, denn ich habe den bösen Verdacht, dass diese Mythen dazu erfunden werden, entweder vordergründig die Sensationslust des allgemeinen Publikums zu befriedigen oder aber um irgendjemanden, zum Beispiel sich selbst, in ein besseres Licht zu rücken und sich dadurch interessanter zu machen, als man eigentlich ist.

So gibt es die Legende, die besagt, dass es in der Koalition pausenlos knirscht und kracht. Ich kann Sie alle beruhigen oder enttäuschen, je nachdem, denn es kracht relativ selten und nur dann, wenn es nötig ist. Sie können diese relativ friedliche Zusammenarbeit auch daran erkennen, dass der vorliegende Haushaltsentwurf reibungslos und ohne größeres Aufsehen von der Koalitionsregierung erarbeitet wurde. Natürlich müssen wir in der Koalition immer wieder über Sachfragen diskutieren, weil wir durchaus unterschiedliche Sichtweisen auf viele gesellschaftspolitische Sachverhalte und Probleme haben. Aber, Frau Hermenau, in der Politik wie in der Wissenschaft geht es nur voran, wenn Meinungen und Argumente klar formuliert und ausgetauscht werden. Daraus entsteht Fortschritt und nicht dadurch, dass wir uns immer einig sind und uns alle lieb haben.

Eine andere weitverbreitete Legende besagt, dass in Sachsen auch nach den Landtagswahlen 2004 CDUPolitik gemacht werden kann, ohne dass die SPD dabei groß stört. Hier muss ich Sie wieder enttäuschen. Die Handschrift der SPD in dieser Koalition und auch im Haushaltsentwurf ist deutlich zu erkennen. Wir haben jedenfalls in diesen Haushalt unsere Schwerpunkte eingebracht und wir werden in den bevorstehenden Verhandlungen noch einige weitere Vorschläge machen müssen. Ich kann also die Vorstellung, dass in Sachsen nach wie vor reine CDU-Politik gemacht wird, mit einigem Selbstbewusstsein – wie man so sagt – in das Reich der Fabeln verweisen.

Übrigens: Einige amüsante Legenden rankten sich seinerzeit auch um den von der PDS immer wieder gepriesenen sogenannten alternativen Haushalt – ein Haushalt, den meines Wissens kein Mensch je in materialisierter Form gesehen hat, der offenbar nur in den Köpfen von Herrn Porsch und Herrn Weckesser existierte,

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

also ein virtueller Haushalt. Nur gut, Herr Porsch, dass Sie ihn nicht wieder aus der Mottenkiste herausgezogen haben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir können keinen Haushalt einbringen!)

Ein Mythos schließlich ist, dass Menschen die Zukunft voraussagen können. Dabei bin ich genau beim Thema. Dass die Zukunft bei allem guten Willen und trotz ausgefeilter wissenschaftlicher Methodik nicht vorauszusehen ist, lässt sich an einem Phänomen festmachen, das in Zeiten knapper Kassen eigentlich nicht mehr zu existieren schien.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, Herr Porsch.

Herr Kollege Weiss, der Genauigkeit halber: Ist Ihnen bekannt, dass nur die Staatsregierung das Recht hat, hier einen Haushaltsentwurf einzubringen? Insofern haben Sie Recht, wenn Sie in Bezug auf existierende Drucksachen von virtuell in Bezug auf unsere alternativen Haushalte sprechen. Sie haben ihn real existierend auf Papier, nur nicht mit Drucksachennummer.

Also, stellen Sie mir doch nicht so triviale Fragen, Herr Porsch. Wir wissen doch genau, dass Sie von einem fraktionsinternen Papier und nicht von einem offiziellen Dokument im Landtag sprechen.

(Volker Bandmann, CDU: Das ist wie beim real existierenden Sozialismus!)

Ich möchte gern weiterreden, Herr Porsch, wenn Sie es gestatten.

Seit der Mitte des Jahres besteht kein Zweifel mehr daran, dass der Staat deutlich mehr Steuern einnimmt, als alle Finanzpolitiker und Wissenschaftler vorausgesehen haben. Die Einnahmen des Bundes in den ersten sieben Monaten dieses Jahres lagen um rund 20 Milliarden Euro höher als ein Jahr zuvor. Allein an Gewerbesteuern sind in dieser Zeit rund 2 Milliarden Euro mehr in die Staatskassen geflossen als geschätzt. Auch Sachsen profitiert glücklicherweise von dieser positiven Entwicklung. Ich kann mir deshalb die Freude des Kollegen Metz vorstellen, als sämtliche seiner durchaus maßvollen Schätzungen über die Einnahmensituation positiv übertroffen worden sind. Gleichzeitig könnte ich mir sogar vorstellen, dass er sich ärgert, weil die ihm vorgelegten Zahlen wieder nicht gestimmt haben. Aber zu Beginn des Jahres waren die zusätzlichen 400 Millionen Euro Steuereinnahmen, die wir zu verzeichnen haben, auch von einem Fachmann offenbar nicht voraussehbar.

Das Geld, meine Damen und Herren, ist natürlich nicht vom Himmel gefallen. Die konjunkturelle Lage hat sich deutlich verbessert, was nicht zuletzt auch – das möchte ich nicht unter den Tisch kehren – den unter der rotgrünen Bundesregierung durchgeführten Reformen geschuldet ist, allen voran der Unternehmensteuerreform.

Für uns bedeuten diese zusätzlichen Einnahmen jedoch nicht, neue Ausgaben nach dem Motto „Wünsch Dir was!“ – wie Sie, Herr Porsch – vorzuschlagen. Der sächsische Haushalt steht auf einem soliden finanzpolitischen Fundament, das wir nicht im Geringsten infrage stellen. Dieses Fundament nämlich ermöglicht es uns, einen ganz und gar schuldenfreien Haushalt anzupeilen, der uns in den kommenden Jahren die Spielräume verschafft, auch bei sinkenden Einnahmen handlungsfähig zu bleiben, und das ist dringend notwendig.

Die Fakten haben sich nämlich trotz des unerwarteten Geldsegens nicht geändert. Wenn wir die mittelfristige Finanzplanung im Auge behalten, steht uns ab 2009 ein massives Absinken der Mittel aus dem Solidarpakt um jährlich 200 Millionen Euro bevor, ein Absinken, das wir kompensieren müssen, und irgendwann müssen – ich hoffe: wollen – wir ja auch auf eigenen Beinen stehen.

Hinzu kommen die Belastungen durch die demografische Entwicklung. Sachsen hat seit 1990 über eine halbe Million Einwohner verloren. Dabei waren viele innovative Köpfe, die ihre Brötchen jetzt vor allem in Süddeutschland verdienen und die sicher nicht mehr ohne Weiteres in ihre alte Heimat zurückkommen werden. Wenn man davon ausgeht, dass jeder Mensch, der Sachsen verlässt, in den öffentlichen Kassen ein Loch von durchschnittlich 2 500 Euro hinterlässt, kann sich jeder selbst ausrechnen, wie viel Geld dem Freistaat damit verloren gegangen ist. Wir werden deshalb den Weg der Haushaltskonsolidierung unbeirrt weitergehen.

Die Koalition hat einige Projekte, die diesem Ziel dienen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur beispielhaft die Funktionalreform nennen. Im ganzen Land und zwischen den beiden Koalitionspartnern heiß diskutiert, muss sie

zum Ziel haben, mehr Bürgernähe bei gleichzeitiger Straffung der Strukturen zu erreichen, ein Ziel, das gelegentlich bei allen Beteiligten aus dem Blick geraten zu sein scheint. Hier sind auch längst noch nicht alle Klippen umschifft. Aber ich bin mir sicher, dass alle strittigen Fragen zu lösen sind, wenn man es will, und dass am Ende des Prozesses alle Beteiligten die Reform mittragen werden.

Die viel zitierte Handschrift der SPD im Doppelhaushalt 2007/2008 sehe ich unter anderem in folgenden Punkten:

1. Die Investitionen sind konsequent auf Innovation, Forschung und Bildung, angefangen von der Kita über die Schule bis zur Hochschule, ausgerichtet.

2. Wir investieren weiter in den Schulbau und geben über 300 Millionen Euro für Hochschulen aus. Wir stellen über den Europäischen Sozialfonds insgesamt mehr Geld für die Bildung zur Verfügung.

3. Die Wirtschaftsförderung wird auf hohem Niveau fortgeführt und durch viele neue Instrumente ergänzt. Energieeffizienzprogramme, Herr Porsch, sind keine Marginalien. Da sollten Sie bitte einmal Ihre Fachpolitiker fragen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die haben mir das gesagt!)

Was Sie zu den Technologiezentren gesagt haben, hätten Sie sich sparen können. Sie sitzen, so viel ich weiß, selbst im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur. Dort wurden die Probleme ausführlich diskutiert. Sie kennen genau die Hintergründe.

Insgesamt, Herr Porsch: Alles, was Sie zu den Förderprogrammen und zur Arbeit des Wirtschaftsministers gesagt haben, war grob populistisch und stand auf vollkommen schwachen Füßen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Jetzt rufen Sie: „Haltet den Dieb!“)

Ich fahre weiter fort mit dem, was uns in diesem Haushalt an Schwerpunkten wichtig war. Es wurden einige unserer Essentials aus dem letzten Doppelhaushalt verstetigt. Ich erwähne hier das Kita-Investitionsprogramm mit 30 Millionen Euro, das Kulturraumgesetz, mit 56 Millionen Euro weitergeführt, die Mittel für Volkshochschulen auf gleichbleibendem Niveau stabilisiert; ganz wichtig für uns: das Programm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ weiterhin mit 2 Millionen Euro ausgestattet. Auch hier ist zu erwähnen: Die Förderung der Verbraucherzentrale Sachsen ist verstetigt worden.

Natürlich gibt es auch Dinge, die wir kritisch sehen. Kritisieren muss ich, dass im Bereich der Jugendhilfe wieder einmal gekürzt werden soll.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wer macht das denn?)

Mit schöner Regelmäßigkeit tauchen im Vorfeld zu den Haushaltsberatungen Schlagzeilen über bevorstehende

Kürzungen in diesem Bereich auf, und ich muss sagen, mit schöner Regelmäßigkeit ärgere ich mich darüber.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das haben doch Ihre Minister mit beschlossen! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Denn eine konsequente, aber sicher nicht umsonst zu habende Jugendpolitik ist von größter Wichtigkeit, um den Rechtsradikalen nicht das Feld zu überlassen. Wir müssen es uns leisten, gerade auf dem flachen Land Angebote zu machen, die für Jugendliche attraktiv sind, damit sie nicht in die Fänge von Neonazis geraten, die ihnen mit ihren gefährlich einfachen Rezepten die Welt erklären wollen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Neben dem, was wir erreicht haben, gibt es natürlich noch weitere Wünsche und Visionen, die wir verfolgen und die wir verwirklichen wollen und für die wir beim Koalitionspartner, aber auch bei allen anderen demokratischen Parteien im Sächsischen Landtag mit Nachdruck werben.

Für die SPD ist Bildung ein sehr wichtiges Thema, und mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass hier vor allem auch der vorschulische Bereich gefördert werden muss. In Sachsen sind mit der verbindlichen Einführung des Bildungsplanes und dem gesondert geförderten Schulvorbereitungsjahr wichtige Weichen dafür gestellt worden, dass Kindertagesstätten zu Bildungseinrichtungen qualifiziert werden. Für uns ergibt sich daraus als logische Konsequenz die zwingende Notwendigkeit, allen Kindern eine kostenfreie Inanspruchnahme zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD hat deshalb das klare Ziel formuliert, das kostenfreie Vorschuljahr in Sachsen einzuführen.