Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Kommen wir also zu den weiteren Fragen, die wir noch zu regeln haben. Das heißt, aus unserer Sicht müssen wir uns auch damit auseinandersetzen, dass wir besondere Regelungen zum Vertrauensschutz brauchen. Wir brauchen, wenn wir mit den Beschäftigten – und nicht gegen sie – eine solche Reform umsetzen wollen, eine Art Schlichtungsverfahren. Wir brauchen also vor allem die Möglichkeit, dass die Beschäftigten, die glauben, mit ihrer neuen Stelle aus bestimmten Gründen nicht leben zu können, die Chance haben, dass ihre Argumente ernst genommen werden. Wir können uns durchaus vorstellen – und das haben wir in der SPD-Landtagsfraktion disku

tiert; ich denke, wir finden dabei mit dem Koalitionspartner und dem federführenden Staatsministerium zueinander –, dass wir über eine Stellenbörse sprechen und natürlich im Einzelnen darüber sprechen müssen, dass wir besondere Beteiligungsrechte bei stützenswerten Personen brauchen. Außerdem ist das Widerspruchsrecht ein Thema, das wir miteinander diskutieren wollen.

Was ich jedoch nicht verstehe – damit komme ich zum Antrag der FDP; Herr Martens macht es ja immer sehr eloquent in einer netten Art: Wenn Sie einen Berichtsantrag einbringen und davon sprechen, dass Sie nicht informiert sind und Ihnen keine offiziellen Papiere zugänglich gemacht worden sind, ist es zwar ein charmantes Bild und ich kann es mir gut vorstellen, wie Sie mit einem schwarzen Sack über dem Kopf durch den Landtag laufen, so haben Sie es ja gerade dargestellt;

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

doch tatsächlich ist es so, dass es eine Reihe von Papieren gibt, und Sie wollen mir doch nicht allen Ernstes sagen, dass Ihnen alle diese Papiere des Landkreistages, des SSG, der beteiligten einzelnen Landräte, Interessengruppen, Gewerkschaften, des Lenkungsausschusses etc. nicht bekannt sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Der Landkreistag und der SSG sind Beteiligte in diesem Prozess – da schließe ich mich den Ausführungen meines Kollegen Bandmann an –, und in diesem Beteiligungsprozess gibt es fortlaufend Schriftverkehr, Stellungnahmen, Berichte des Landkreistages und des SSG; und wenn Sie sagen, Sie kennen sie nicht, tut mir das leid. Ich kenne sie und ich denke, ein großer Teil derer, die sich mit dem Thema beschäftigen, auch.

Herr Brangs, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Herr Brangs, Sie erwähnen hier Papiere des Städtetages oder von Landkreisen. Können Sie mir sagen, welche Papiere es dazu von der Staatsregierung gibt,

(Beifall bei der FDP und der Abg. Michael Weichert und Johannes Lichdi, GRÜNE)

und können Sie mir sagen, ob Sie mitbekommen haben, dass sich dieser Antrag an die Staatsregierung und nicht an den Landkreistag und die Landkreise richtet?

Das ist Semantik und Rhetorik. Wenn Sie sich aber inhaltlich mit diesem Thema auseinandersetzen und hier keine Schaugefechte feiern wollen, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass es zwei Aktenordner von Informationen von Beteiligten in diesem Prozess gibt, und darum geht es mir, um nichts anderes. Ich habe noch einmal gesagt, zur Informationspolitik der Staatsregierung muss die Staatsregierung Stellung nehmen und

nicht ich als Parlamentarier. Aber so zu tun, als gäbe es hier nichts, halte ich wirklich nicht für seriös.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Zum Schluss noch einmal zwei bis drei Anmerkungen, wie wir in der Koalition weiter damit verfahren wollen. Ich gehe davon aus, dass wir uns im Vorfeld der Entscheidung und im Nachgang zum Lenkungsausschuss über die weiteren Schritte verständigen werden. Wir haben als SPD-Landtagsfraktion eine klare Position benannt. Dieses Papier ist unserem Koalitionspartner zugegangen. Klar und offensichtlich ist, dass wir – im Gegensatz zu unserem Partner – grundsätzlich auch im Einzelfall betriebsbedingte Kündigungen ausschließen wollen, und ich hoffe, dass wir darüber zu einer Verständigung kommen.

Was die Anträge der FDP und der PDS betrifft, so kann ich zum Antrag der PDS sagen: Dieser Antrag ist im Wesentlichen der Beschluss der SPD-Landtagsfraktion, und wir werden dafür eintreten, dass wir in Koalitionsverhandlungen mit unserem Partner gemeinsam dahin kommen, etwas davon umsetzen zu können. Zum FDP-Antrag habe ich meine Meinung bereits gesagt. Insofern werden wir beide Anträge ablehnen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die NPDFraktion Herr Abg. Dr. Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Tätigkeit der oppositionellen Systemparteien, auch der Antragsteller, bleibt im Wesentlichen auf das Hinterfragen von Einzelaspekten beschränkt. Ich behaupte nicht, dass diese Fragen an sich falsch sind. Es ist das gute Recht und auch die Pflicht der Opposition, die Regierung zu fragen, ob sie an alles gedacht hat, und sie zu ermahnen, die betroffenen Gruppeninteressen ausreichend zu berücksichtigen. Aber dies allein ist aus unserer Sicht zu wenig.

Auch die Regierung selbst hat einen ähnlich eingeschränkten Horizont bewiesen. Sie kann lediglich im Sinne der herrschenden politischen Klasse und im Rahmen der globalistischen Ordnung aus dem dramatischen Bevölkerungsrückgang, der globalisierungsbedingten Wirtschaftserosion, der Landflucht und der Abwanderung ihre „politisch korrekten“ Konsequenzen ziehen, damit das Land in den nächsten Jahrzehnten wenigstens halbwegs verwaltbar bleibt. Das versucht sie zum Beispiel durch die Herstellung möglichst großer Kosteneffizienz der Verwaltung unter den veränderten demografischen Bedingungen, was sie dann als Verwaltungsreform verkauft.

Aus Sicht der Nationaldemokratie ist allerdings ein umfassendes Programm zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wiederbelebung der sterbenden Landesteile notwendig. Dies wird allerdings weder dieser Landesregierung noch einer anderen Landes- oder Bundesregie

rung gelingen, solange sie sich den Bedingungen der Globalisierung unterwirft. Aber auch die der Opposition in diesem Hause zugehörigen Antragstellerinnen ordnen sich, wenn sie in der Regierungsverantwortung stehen, diesem Prinzip unter. Das bedeutet für uns Nationaldemokraten aber keineswegs eine Ablehnung der beiden vorliegenden Anträge; denn sie lenken durchaus die Aufmerksamkeit auf die Verwaltungsreform und auf einige notwendige Kriterien, die im Interesse der direkt betroffenen Bediensteten und ihrer Familien, aber auch für die das Personal zukünftig übernehmenden Körperschaften unbedingt zu beachten sind.

Ich werde nun auf Einzelaspekte eingehen. Die Linksfraktion hat unsere Unterstützung, wenn sie verbindliche Rahmenbedingungen für einen sozial verträglichen Personalübergang anmahnt, auch dann, wenn sich die Regierung selbst durchaus zur Sozialverträglichkeit und zur Einbeziehung der Interessenorganisationen in den Entscheidungsprozess bekennt. Papier ist bekanntlich geduldig, und die Praxis ist oft anders als die Theorie. Auch die Forderung nach einem einheitlichen Tarifrecht der Kommunen unterstützen wir, und zwar im Prinzip genauso wie von der Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst im September 2005 für alle Kommunen vereinbart.

Eine langfristige Beschäftigungsgarantie und der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen sind sowohl berechtigt als auch politisch sinnvoll. Hier fordern auch wir eine zwischen Freistaat, Kommunen, Personalräten und Gewerkschaften zu vereinbarende Beschäftigungsgarantie, zumindest für langjährig Beschäftigte. Dabei sollte unbedingt beachtet werden, dass der Schutz gegen betriebsbedingte Kündigung allein nicht ausreicht; denn nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte können heute sogenannte dringende betriebliche Erfordernisse auch außerordentliche Kündigungen begründen.

Die Aufforderung an die Staatsregierung, die Finanzierung der den Kommunen übertragenen Aufgaben zu sichern, ist ebenfalls durchaus berechtigt; denn nach eigener Aussage strebt die Staatsregierung für die vorgesehenen Bündelungen auf staatlicher Ebene und die Übertragung auf die kommunale Ebene im Ergebnis der Reform eine Einsparung an Personal- und Sachkosten von etwa 20 % an. Ein Teil dieser Einsparung soll durch Rationalisierung auf der staatlichen Ebene erzielt werden. Der Rest soll bei jenen Aufgaben eingespart werden, die den Kommunen übertragen werden sollen. Das ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Kommunen entweder mit zusätzlichen Kosten belastet werden oder aber, wenn auch hier Personal abgebaut werden soll. Beides ist für uns Nationaldemokraten inakzeptabel.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Zwar verweist der Innenminister in seinem Eckwertepapier auf Artikel 85 der Sächsischen Verfassung und damit auf den finanziellen Ausgleich der Kommunen. Da aber unter dem Strich eben gespart werden soll und die Kom

munen nicht noch stärker belastet werden können, muss man nach Adam Ries ganz klar mit dem Abbau von Arbeitsplätzen rechnen. Dabei will die Staatsregierung offenbar der kommunalen Ebene den Schwarzen Peter zuschieben, um selbst mit weißer Weste dazustehen. Diese Methode kennen wir ja von der Schulnetzplanung, bei der Herr Staatsminister Flath allen Ernstes erklärte, dass nicht sein Kultusministerium durch den Entzug der Mitwirkung, sondern die kommunale Ebene diese Schulen geschlossen habe.

Meine Damen und Herren! Die verwaltungsmäßige Organisation unseres Landes, die Einteilung in kommunale Gebietskörperschaften mit Verankerung in den jeweiligen Regionen und die Festlegung ihrer Aufgaben sind Fragen, die nicht nur für die Verwaltungsfachleute, sondern für das ganze Land wichtig sind, und zwar gerade in Zeiten der Landflucht und des Wegbrechens alter Wirtschaftsregionen, in denen es notwendig wird, eine unser Land erhaltende Gegenstrategie zur globalistischen Gleichschaltung zu entwickeln.

In den Anträgen der Linksfraktion und der FDP wird danach gefragt, wie die Staatsregierung den Personalübergang von der staatlichen zur kommunalen Ebene sozial verträglich zu gestalten gedenkt und wie das Ganze überhaupt rechtlich abgewickelt werden soll.

Warum fragen Sie nicht, wie die Staatsregierung die Verschiebung von insgesamt fast 6 400 Arbeitsplätzen der Landesverwaltung, darunter 3 500 zur kommunalen Ebene, für eine Belebung der unter demografischem und sozioökonomischem Verfall leidenden Landesteile nutzen will? Es handelt sich immerhin um sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze, die gezielt zur Stärkung der Entleerungsgebiete und zur Erhaltung der dortigen Infrastruktur und der sozioökonomischen Basis dienen könnten. Warum wird nicht die Frage gestellt, ob es überhaupt im Interesse der kommunalen Selbstbestimmung und der Überlebensfähigkeit der Regionen liegt, wenn die Kommunen bestimmte staatliche Aufgaben, wie etwa die staatliche Straßenbauverwaltung oder die staatliche Forstverwaltung, übertragen bekommen sollen?

Mit der Zerschlagung der Straßenbauverwaltung haben schon andere Bundesländer schlechte Erfahrungen gemacht. Zum Staatsbetrieb Sachsenforst kennen Sie den Standpunkt der NPD-Fraktion seit dem SeptemberPlenum.

Was Sie von der Regierung vorhaben, scheint nicht die Stärkung bereits strukturschwacher Gebiete zu sein, sondern vielmehr ein radikaler Abbau der kommunalen Selbstbestimmung im Zuge der gleichzeitig geplanten Kreisgebietsreform. Die neuen Landkreise sollen offenbar nicht zur Konsolidierung der Wirtschaft und der kommunalen Selbstbestimmung in den Regionen dienen, sondern zur kostenmäßigen Aufteilung der Landesverwaltungen auf die Landkreise. Dadurch bekommen wir keine sinnvolle Kommunalisierung von bisher staatlichen Aufgaben, sondern eher eine Verstaatlichung der Kommunen.

In Sachen Übertragung der staatlichen Aufgaben auf die Kommunen beruft sich die Staatsregierung ausdrücklich auf den Artikel 85 der Sächsischen Verfassung. Darin heißt es konsequenterweise: „Bei Übertragung öffentlicher Aufgaben kann sich der Freistaat ein Weisungsrecht nach näherer gesetzlicher Vorschrift vorbehalten.“

Das unterstreicht, dass es sich keineswegs um eine Stärkung der kommunalen Selbstbestimmung, sondern, wie bereits gesagt, um eine reine Instrumentalisierung der Kommunen für staatliche Aufgaben handelt, also in der Tat um eine Art Verstaatlichung der Kommunen.

Jetzt noch etwas Prinzipielles, Herr Staatsminister Buttolo. Was die Bediensteten und vor allem die Kommunen kurzfristig brauchen, sind zunächst verlässliche Informationen zur Planungssicherheit. Dafür reicht das Eckpunktepapier nicht aus. Die über die Medien kolportierten Gerüchte sind ebenso wenig hilfreich. Dies gilt für die Verwaltungsreform und gleichlautend für die geplante Kreisgebietsreform.

Wodurch ist die von Ihnen propagierte Freiwilligkeitsphase bis zum Ende dieses Monats für den Kreiszusammenschluss legitimiert? Sind die pro Landkreis avisierten 10 Millionen Euro für die freiwillige Kreisfusion zu verstehen oder sollen sie allen Landkreisen als kurzfristiger Ausgleich für die durch die Verwaltungsreform verschobenen Angestellten und Beamten zukommen? Wann sollen die Landkreise diese Gelder erhalten? Wodurch sind diese versprochenen Gelder legitimiert? Im derzeitigen Landeshaushalt sind sie nicht vorhanden und ein neuer Haushalt ist noch nicht beschlossen. – Sie sehen, es gibt mehr Fragen als Antworten.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Meine Fraktion wird den vorliegenden Anträgen zustimmen, da wir den Landtag als Gesetzgeber in der Pflicht sehen, zu gestalten und sein Recht auf Information sicherzustellen. Wir erwarten jedoch von der Regierung zukünftig eine wesentlich stärkere und zeitnahe Einbeziehung des Parlaments.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Lichdi für die Fraktion der GRÜNEN, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Friedrich und Herr Dr. Martens haben mit ihrer Einschätzung über die bisherige Informationspolitik der Staatsregierung schon recht. Das hat mit dem offenen demokratischen Prozess, wie man sich ihn bei einer so wichtigen Reform wie der Verwaltungsreform wünschen würde und voraussetzen müsste, gar nichts zu tun.

Herr Brangs, Ihr Hinweis auf die zwei Ordner der SSG oder die Papiere des Landkreistages ist völlig fehl am Platz. Ich habe in der Sächsischen Verfassung nachgelesen. Dort steht, dass wir als Parlament die Staatsregierung kontrollieren und nicht den SSG oder den Landkreistag. Von daher war das völlig daneben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der FDP – Stefan Brangs, SPD, steht am Mikrofon.)

Nein, ich beantworte keine Zwischenfrage des Kollegen Brangs.

Meine Damen und Herren! Zentraler Knackpunkt ist, dass die kommunalisierten Aufgaben vollständig mit dem Personal auf die Kreisbehörden übertragen werden sollen. Das Personal soll mit den kw-Vermerken – so jedenfalls der Innenminister in der Pressekonferenz im Juli 2006 – mitgehen. Auf diese Art und Weise möchte die Staatsregierung den von ihr angepeilten Personalabbau realisieren. Hier rächt sich bei diesem etwas seltsamen Vorgehen, dass sich die Staatsregierung geweigert hat, eine fundierte Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik vorzunehmen, auf deren Grundlage ein sinnvoller Aufgabenabbau durch Optimierung der internen Ablauforganisation hätte eingeleitet werden können. Das, was Sie uns als sogenannte Aufgabenkritik zugeleitet haben, verdient diesen Namen beileibe nicht.

Der Behördenumzug verändert die dringend reformbedürftigen Verwaltungsstrukturen nicht, sondern verschiebt die Verwaltungsaufgaben und das Personal nur von Amt zu Amt bzw. vom Land auf die Kommunen.

Trick der geplanten Verwaltungsreform ist es, dass die mit der Reform einhergehenden und erhofften Einsparungen auf die Kommunen abgewälzt werden. Die Staatsregierung schreibt der Kommunalisierung eine Effizienzrendite von 20 % zu. Anstatt selbst den Mut aufzubringen und sich die Mühe zu machen, durch einen gezielten und wohlüberlegten Aufgaben- und Personalabbau eine Senkung der Verwaltungskosten zu erreichen, übt die Staatsregierung auf die Städte und Landkreise diesen harten Spardruck aus.