Sie missbrauchen solche Symbole, um das andere zunächst zum Fremden und danach zum Minderwertigen und Zerstörbaren zu machen. Was schließlich daraus folgt, ist gerade im Dresdner Hygiene-Museum in einer bemerkenswerten Ausstellung zu sehen; und dieser Geist erhebt sein Haupt wieder, fragen Sie einmal unseren ehemaligen Kollegen Uwe Adamczyk. Übrigens wäre es schön gewesen, vorgestern unsere Beratungen für die Teilnahme an der bewegenden Eröffnungsveranstaltung zu unterbrechen; das möchte ich hier auch bemerken.
Den duseligen – und deshalb auch so gefährlichen dusseligen – Hüteranspruch der NPD weise ich jedenfalls ausdrücklich zurück, und ich gehe davon aus, dass mir darin die große Mehrheit in diesem Hause und in der Bevölkerung zustimmen wird. Offensichtlich wollen Sie
von der NPD das sogenannte Deutschlandlied hier und heute zu einem nationalen Symbol erheben – das sagt der Titel der Debatte.
Nun, dieses Land hat eine Hymne. Über diese kann man streiten. Ich habe mit ihr Probleme, ich könnte mir eine geeignetere vorstellen. Aber diese Hymne, auch das „Lied der Deutschen“ genannt, ist nicht identisch mit dem, was Sie hier „Deutschlandlied“ nennen.
Sie haben kein Recht zur Brandstiftung in Europa, wenn Sie Deutschland „von der Etsch bis an den Belt“ besingen wollen. Fragen Sie doch einmal die Südtiroler, was sie davon halten. Wir wollen dabei auch nicht vergessen, dass die geistig-politischen Ziehväter der NPD, Hitler und Mussolini, den Südtirolern die Heimat nehmen und den Garaus machen wollten. Sehen Sie sich einmal die Ausstellung „Südtirol im 20. Jahrhundert“ auf Schloss Tirol an. Dort werden Sie ein Flugblatt finden, mit dem Hitlers und Mussolinis Spießgesellen die Südtiroler zum Verlassen ihrer Heimat auffordern. „Südtiroler“, so heißt es auf diesem Blatt unter der Aufforderung zur Option für eine Umsiedlung nach Deutschland, „es geht jetzt um mehr als die Heimat, es geht um das Höchste, was Menschen haben, es geht ums Vaterland!“ – Das ist Ihr idiotischer Vaterlandsbegriff. Die Südtiroler sind in ihrer großen Mehrheit natürlich nicht auf diese falschen Töne europäischer Völkermörder hereingefallen, und wir werden ganz gewiss auch nicht auf Sie hereinfallen, meine Damen und Herren von der NPD, am wenigsten, Herr Gansel, übrigens die Sorben, denen Sie sich gestern anbiedern wollten.
Hoffmann von Fallersleben setzte mit seinem „Deutschland über alles“ die demokratischen und kulturellen Ansprüche der Menschen in Deutschland über die in Kleinstaatlichkeit verkommenen Interessen der Fürsten und Könige. Das war der historische Kontext. „Deutschland über alles“ ist dennoch heute aus vielen Gründen problematisch, zumal der Missbrauch des Verses durch die Nazis ihn mit Gewissheit für alle Zeit obsolet gemacht hat.
Bekanntlich – Herr Schiemann hat bereits darauf hingewiesen – hängten die Nazis an die erste Strophe des Liedes von Fallersleben und Haydn ihr „Die Fahne hoch“ an, und diese Fahne war nicht schwarz-rot-gold, sondern es war die Hakenkreuzfahne, jene Fahne also, die zum Leichentuch für über 50 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg wurde und für immer das Symbol für den Holocaust sein wird.
Diese Fahne haben Sie, meine Damen und Herren von der NPD, noch immer im Gepäck, diese und keine andere,
und das verrät Ihre Sprache immer wieder. „Volkskörper“ habe ich heute gehört. Nehmen Sie zur Kenntnis, ich will keinem Körper angehören, dem Holger Apfel angehört. Das wäre der hirnloseste Körper aller Zeiten.
Wissen Sie was? Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Machen Sie sich vom Acker, das wäre von hoher nationaler Symbolkraft; befreit es doch Deutschland vom Ruch des Wiedererstarkens von Faschismus, Rassismus und Nationalsozialismus!
Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. – Nicht. Die FDP, bitte. – Auch nicht. Die GRÜNEN? – Frau Hermenau, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Dass die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag eher an Symbolpolitik als an Landespolitik interessiert ist, erkennt man an dieser leicht schwachsinnigen Debatte; denn was ist das für ein quasi religiöses Geschwiemel, das die NPD geistig immer wieder durchdringt, wenn sie zum Beispiel – bei etwas wirklich Lächerlichem wie der AtlantisTheorie beginnend, bis hin zum verquasten Umgang mit der Hymne und der Flagge – versucht, hier im Landtag Symbolpolitik zu machen. Es hat nur noch gefehlt, Herr Apfel, dass Sie eine Träne über Ihre nationale Wange hätten rollen lassen und mit Ergriffenheit und gebrochener Stimme vorgetragen hätten, um diese Inszenierung nach Ihrem Gutdünken und für Ihre Kamera perfekt zu machen; aber es blieb lächerlich.
Natürlich haben wir Deutschen eine beschädigte Hymne. Hätten wir sie nicht, wären es drei Strophen. Aber das ist nicht das Problem. Es ist eine gute Vereinbarung gewesen – übrigens damals noch mit Herrn Adenauer abgesprochen –, dass man sagte, man nimmt die dritte Strophe des Deutschlandliedes heraus. Dies bedeutet nämlich, dass man begonnen hat, die Geschichte aufzuarbeiten und in ihrer Komplexität zu begreifen.
Wenn Sie versuchen, daraus wieder eine Hymne mit drei Strophen zu machen, und in der ersten davon gesprochen wird, Deutschland wieder auszudehnen, und Sie auch unverblümt zugeben, dass dies Ihr Wunsch ist, so sei Ihnen – mit Ihrem Substanzverlust, von dem Sie immer schwafeln; „Volkskörper“ oder was auch immer Sie sich ausdenken – einmal vorgehalten: Dieses „Volk ohne Raum“, das im letzten Jahrhundert so viel Leid über Europa gebracht hat, hatte 60 Millionen Angehörige. Das sind deutlich weniger, als heute in einem Deutschland
leben, das viel kleiner ist; und es gibt auch kaum Beschwerden über ein „Volk ohne Raum“, sondern es gibt Beschwerden darüber, dass wir entleerte Räume haben. Also, vor diesem Hintergrund finde ich ziemlich lächerlich, was Sie hier vortragen,
und ich bin stolz darauf, dass wir Deutschen es schaffen, mit Bezug auf die dritte Strophe des Deutschlandliedes aufrecht und selbstbewusst mit unserer sehr komplexen und sehr schwierigen Historie umzugehen und es so machen, dass wir sagen, wir lernen aus unseren Fehlern, anstatt diese Fehler wiederholen zu wollen, was nun wirklich ganz und gar absurd ist.
Es ist ein anhaltender Missbrauch von Ihrer Seite, wenn Sie versuchen, so zu tun, als ob das Deutschlandlied oder die dritte Strophe des Deutschlandliedes Ihnen gehören würde. Das ist mitnichten der Fall, denn die dritte Strophe bezieht sich auf Einigkeit, auf Recht und Freiheit. Einigkeit heißt auch solidarischer Umgang miteinander und friedlich mit seinen Nachbarn leben; auf Recht, das ist Rechtsstaats- und Verfassungspatriotismus – Herr Schiemann, damit haben Sie völlig recht –, und die Freiheit hat etwas mit individuellen Bürgerrechten zu tun, die uns sehr wichtig sind, und zwar allen hier im Hause – außer Ihnen natürlich.
Die NPD ist es, die in diesem Lande ein offensichtlich gebrochenes Verhältnis zu unserem Land hat, nicht die anderen Parteien. Das ist das Theater, das Sie immer aufführen wollen, wenn Sie versuchen, solche Symboldebatten zu führen. Aber das ist Quatsch. Warum hat Sie denn die Panik oder vielleicht auch die Verachtung und das Angewidertsein ergriffen, als zur Fußball-WM offenkundig geworden ist, wie munter die Deutschen inzwischen einen Umgang mit ihren nationalen Symbolen pflegen – gar nicht verkrampft, wie Sie zu unterstellen versuchen. Das stimmt überhaupt nicht. Sie waren angewidert, Herr Gansel hat Pamphlete geschrieben, warum das alles nicht geht und nicht richtig und nicht ordentlich ist. Aber wissen Sie, was das zur Fußball-WM war? Ein modernes, weltoffenes und demokratisches Deutschland, das friedlich mit allen zusammenleben will, und dies darf uns zu Recht mit Stolz erfüllen.
Die NPD ist es doch, die sich in unserem Land nicht zu Hause fühlt. Sie haben doch ein Findungsproblem. Sie merken doch, dass Sie hier nicht hineinpassen. Jetzt versuchen Sie, das Ganze umzudrehen. Ich finde es gut, dass die NPD das Gefühl hat, sie passt nicht in unser Land. Das kann ruhig so bleiben.
Um Ihr gestörtes Verhältnis noch einmal zu demaskieren und deutlich zu machen, weil es wirklich so offenkundig
ist: Sie verwenden zum Beispiel die jeweilige Flagge immer anlassbezogen. Manchmal nehmen Sie auch die schwarz-rot-goldene, wie ich sagte; anhaltender Missbrauch durch Ihre Seite. Das ist Ihre Biedermanntarnung. Damit versuchen Sie so auszusehen, als würden Sie irgendwie zu den modernen Deutschen gehören, und nehmen die schwarz-rot-goldene Fahne.
Aber eigentlich, wenn man genau hinschaut und Sie mit den Militanten aus den freien Kameradschaften marschieren sieht, dann sind Sie wieder sehr schnell mit schwarzweiß-rot dabei. Dann weiß man sehr genau, was das in diesem Land bedeutet.
Wissen Sie, ich habe das Hambacher Schloss mit Interesse besucht. Schwarz-rot-gold ist die Fahne der demokratischen Revolutionäre des Deutschlands von 1830 und 1840,
und es ist die Fahne der Weimarer Republik, die Sie so bekämpft haben. Deswegen ist die schwarz-rot-goldene Fahne in Ihren Händen anhaltender Missbrauch eines nationalen Symbols.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schiemann, Sie haben es wieder einmal geschafft, aus einer Aktuellen Stunde eine historische Stunde zu machen. Es sind immer wieder die Mitglieder Ihrer Fraktionen:
Es war zum Beispiel auch Herr Nolle, der hier das HorstWessel-Lied intonieren wollte, es war nicht irgendein Abgeordneter der NPD. Herr Porsch kommt auch immer wieder auf die Historie zu sprechen. Wo ist der Historienbezug bei der NPD?
Frau Hermenau, nun zu Ihnen. Sie sollten jetzt einmal meiner Rede zuhören, denn dann können Sie noch etwas über die „Historie“ lernen.
Meine Damen und Herren! Mit dem Einzug der NPDFraktion in den Sächsischen Landtag wurde der jahrzehntelang in Deutschland misstrauisch beäugte Patriotismus plötzlich zum Thema im Freistaat.
(Zurufe von der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Zum missbrauchten Thema!)
Vor allem die CDU versuchte auf diesem Gebiet gerade die Türen einzurennen, die seit dem Einzug der NPD in
den Landtag ohnehin weit offen stehen. Unter großem Getöse verabschiedet sie Leitanträge und Thesenpapiere zum Thema Patriotismus und leistet sich sogar den Posten eines eigenen Patriotismusbeauftragten. Das Ganze kann man jedoch leider getrost unter der Rubrik „Viel Lärm um nichts!“ verbuchen, wie der Streit um die Einladungskarte des CDU-KV „Sächsische Schweiz“, auf der alle drei Strophen des Deutschlandliedes abgedruckt waren, nun wieder einmal eindrücklich gezeigt hat.
Alles kam, wie es kommen musste, und wie es eigentlich auch immer wieder kommt: Nachdem das gesamte Deutschlandlied auf der Einladung zum politischen Zankapfel der Landes- und sogar der Bundespolitik wurde, machte die CDU natürlich das, was sie in solchen Fällen grundsätzlich immer macht: Sie knickte feige und würdelos ein.
So wurde die Druckerpresse erneut angeworfen und man stellte neue Programme für die CDU-Feier zum Nationalfeiertag her. Auf denen war dann nur noch die dritte Strophe des Deutschlandliedes zu lesen. Dabei waren die Argumente ihrer Kritiker so erbärmlich und so weit an den Haaren herbeigezogen, dass man sie auf einfachste Art und Weise hätte widerlegen können. Da stellte Dr. André Hahn von der PDS-Fraktion seine Unkenntnis demonstrativ zur Schau, indem er den Abdruck des Deutschlandliedes allen Ernstes als ahistorisch, als instinktlos und als unentschuldbare Entgleisung bezeichnete und als Sahnehäubchen dann auch noch den Rücktritt von Landrat Michael Geisler forderte.