Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

1. Die Eigenkapitaldecke der sächsischen Kleinunternehmer ist viel zu gering, um „schlechte Zeiten“ einfach auszugleichen.

2. Die Lohnnebenkosten sind zu hoch und damit der Faktor Arbeit einfach zu teuer.

3. Zusätzlich werden mittelständische Betriebe und Handwerker mit enormen bürokratischen Kosten belastet.

Zur Bekämpfung der vorgenannten Probleme ist nicht ein „Teilzeit-plus“-Projekt gefragt; hier sind ganz andere Lösungen gefordert. Die sächsischen kleinen und mittelständischen Unternehmen müssen vielmehr von unnützen Bürokratiekosten entlastet und die Lohnnebenkosten spürbar gesenkt werden, ohne dass auf der anderen Seite Steuern und Abgabenerhöhungen drohen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch einige Anmerkungen zu den beiden Punkten des Antrages der Linksfraktion.PDS machen.

Punkt 1. Der Bundesrechnungshof hat nicht umsonst die Möglichkeiten der Projektförderung bzw. Maßnahmenfinanzierung im Rahmen des § 10 des SGB III beanstandet und gestrichen. Das Mittel der sogenannten freien Förderung ist ein dezentrales Instrument, das es der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit ermöglicht, eigenverantwortlich individuelle Fördermaßnahmen angepasst an die sächsischen Verhältnisse vorzunehmen. Der eigentliche Sinn des § 10 des SGB III ist es, dass die Regionaldirektion Sachsen selbst Einfluss auf die Ausge

staltung der Maßnahmen und die Entscheidung über die Vergabe hat. Der Bund soll gerade nicht vorschreiben, wozu die finanziellen Mittel zu verwenden sind.

Zu Punkt 2 des vorliegenden Antrages. Die Stellungnahme der Staatsregierung aufgreifend, ist es zunächst sinnvoll, die morgige Antragsdebatte zu den Eckpunkten des Operationellen Programms abzuwarten und die konkreten Maßnahmen im Rahmen der Haushaltsdebatte einfließen zu lassen.

Nicht nachvollziehbar ist dagegen die Antwort des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit, dass erst im kommenden Jahr über die Ausgestaltung von Richtlinien diskutiert werden soll. Die parlamentarische Auseinandersetzung über die Ausgestaltung von Richtlinien muss noch in diesem Jahr stattfinden.

Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen wird die FDP-Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Danke schön. – Die Runde der Fraktionssprecher beschließt Frau Herrmann von den GRÜNEN.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Betrachtet man die aktuelle Situation von kleinen und mittelständischen Betrieben in Sachsen, dann macht der Antrag der PDS durchaus Sinn und man kann ihm positive Punkte abgewinnen. Folgt man der Intention des Antrages, so können Handwerksbetriebe, deren Auftragslage momentan schlecht ist, ihre Mitarbeiter weiter bezahlen und müssen sie nicht entlassen. Damit bleiben ihnen die Fachkräfte erhalten und sie müssen sich nicht bei Besserung der Auftragslage unter Umständen neue Arbeitskräfte suchen, weil gut ausgebildete natürlich auch bereit sind, in andere Bundesländer abzuwandern. Sie müssen sich keine neuen Arbeitskräfte suchen und diese einarbeiten und sind somit beweglicher am Markt.

Für die Mitarbeiter bringt das Modell zum einen Sicherheit und zum anderen müssen sie nicht auf dem Arbeitsmarkt vorstellig werden, um für eine relativ kurze Zeit Arbeitslosengeld zu beantragen. Unnötige Bürokratie wird vermieden. Gemeinnützige Vereine können indessen von der vorübergehenden Unterstützung durch diese Mitarbeiter profitieren.

Folgende Punkte sind allerdings unklar bzw. ungenau: Das Modell in Dresden, das am Anfang erwähnt wird, richtet sich nur an Handwerksbetriebe. Einbezogen war die Kreishandwerkervertretung. Diese steht im Übrigen hinter dem Projekt und das schließt Verdrängungsprozesse am ersten Arbeitsmarkt aus. Davon ist allerdings im PDSAntrag nicht die Rede.

Deshalb haben wir folgende Bedenken: Die von der Linksfraktion geforderte Förderung schließt Wettbewerbsverzerrung und Verdrängung regulärer Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht aus. Wie wird sicherge

stellt, dass Vereine künftig ihre Reparaturarbeiten auch noch durch „normale“ Handwerksbetriebe des ersten Arbeitsmarktes erledigen lassen und sich nicht nur der günstigeren, weil geförderten Arbeitskräfte bedienen? Diese Erfahrung von Beschäftigungsverdrängung auf dem ersten Arbeitsmarkt ist bei Ein-Euro-Jobs deutlich geworden; auch diese sind eigentlich für gemeinnützige Tätigkeiten gedacht. Ver.di Sachsen hat bereits 2005 darauf hingewiesen, dass einige Kommunen reguläre Arbeitsverhältnisse durch Ein-Euro-Jobs ersetzen. Zuletzt hat der Bundesrechnungshof im Juni 2006 den Missbrauch der Ein-Euro-Jobs gerügt. Danach verstößt ein Viertel der Ein-Euro-Stellen gegen die gesetzlichen Anforderungen der Gemeinnützigkeit und Wettbewerbsneutralität.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lohnkosten in Dresdner Projekten wurden auch nicht aus Mitteln des ESF bestritten, sondern durch das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur.

Auch wenn die Staatsregierung passend zum Thema zwar gestern endlich das Operationelle Programm zum ESF übersandt hat, so stehen die Programmdiskussionen dazu noch aus.

Zum Programm „Teilzeit plus“ in MecklenburgVorpommern, das sich an kleine und mittelständische Betriebe richtet. Generell fehlt im vorliegenden Antrag das Thema Qualifizierung der Beschäftigten. So werden die Teilnehmer an „Teilzeit plus“ in MecklenburgVorpommern – auf das sich die Linksfraktion bezieht – auch nicht im gemeinnützigen Sektor eingesetzt, sondern weiterqualifiziert. Wir begrüßen einen solchen präventiven Ansatz, der im vorliegenden Antrag jedoch völlig ausgeblendet wird.

An der Stelle will ich auf die schon bestehenden Instrumente verweisen. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt im Rahmen der Förderung nach § 417 SGB III Zuschüsse zur Weiterbildung für von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer. Nach unseren Informationen wird diese Maßnahme verlängert und der förderfähige Personenkreis ausgeweitet. Allenfalls könnte man also über eine ergänzende Förderung mit ESF-Mitteln für diejenigen Personen nachdenken, die nicht über die Bundesagentur förderfähig sind. Hierzu müssen wir uns erst einmal das gestern eingetroffene Operationelle Programm zum ESF ansehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Eindruck ist, dass die PDS zwei verschieden ausgestaltete Projekte miteinander vermischt. Wir regen deshalb eine Rücküberweisung an den Ausschuss an – was Herr Pecher schon angedeutet hat – und dann eventuell die Durchführung einer Anhörung. Ansonsten werden wir uns aufgrund der geschilderten Bedenken enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die erste Runde der Abgeordneten. Die einreichende Fraktion hat angedeutet, dass sie noch einmal sprechen möchte. Frau Lay, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beiträge von Herrn Hermsdorfer und Herrn Pecher haben mich provoziert, doch noch einmal das Wort zu ergreifen.

Herr Hermsdorfer, Sie haben doch im Ernst behauptet, Sachsen hat erfolgreich mit dem ESF gewirtschaftet, Sachsen hat erfolgreich agiert.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: So ist es!)

Ich höre Sie auch zum ersten Mal zu diesem Thema sprechen, ich frage mich aber schon, woher Sie diese Erkenntnis nehmen; denn immerhin liegt uns die abschließende Bewertung noch nicht vor. Das ist der erste Punkt.

Zweitens bin ich gespannt auf die Ergebnisse, denn die Kleinen Anfragen, die Frau Mattern und ich hierzu eingereicht haben, werden mit beeindruckender Regelmäßigkeit nicht zielführend beantwortet, weil dort dann eben steht: Uns fehlen Angaben, uns fehlen statistische Evaluierungen..., und zwar zu den zentralen Zielgruppen, die eigentlich mit den ESF-Geldern erreicht werden sollten.

Woher nehmen Sie Ihre Erkenntnisse? Ich stelle diese Frage insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir diese Gelder in Größenordnungen zurückgegeben haben.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Weil Sachsen gut dasteht! Daher nehmen wir die Erkenntnisse!)

Ich entnehme Ihrer Rede, dass Sie sich zu wenig mit dem Thema ESF befasst haben. Es geht nicht darum, Ansiedlungsförderung zu betreiben. Das ist nicht Gegenstand der ESF-Förderung. Man muss das wissen, bevor man hier zu diesem Thema spricht.

Wenn behauptet wird, die Handwerker seien dagegen, ist festzustellen: Die Kreishandwerkerschaft hat das Projekt in Dresden koordiniert. Sie haben mit uns gemeinsam, Herr Pecher, einen fachpolitischen Workshop durchgeführt und stehen bereit, das Projekt weiterhin zu betreiben. Ich bin deshalb erstaunt, dass Sie andere Signale aus der Handwerkerschaft bekommen haben. Ich bin gespannt, was die Handwerkerschaft zu Ihrem heutigen Redebeitrag sagen wird.

Noch einmal zu Ihrem Beitrag, Herr Pecher. Die engagierte Rede, die Sie hier gehalten haben, hätte ich mir in der Ausschusssitzung gewünscht. Dort haben Sie geschwiegen. Während der gesamten Zeit haben Sie keinen Ton gesagt und im Grunde zugesehen, wie die Opposition – im Übrigen in trauter Eintracht mit der FDP, Herr Dr. Schmalfuß, der nicht mehr anwesend ist – eingefordert hat, uns etwas vorzulegen. Nachdem wir beantragt hatten, den Tagesordnungspunkt zur Haushaltssitzung abzusetzen, enthielt sich die gesamte Koalition und ließ damit den Antrag passieren. Dieser Hinweis gehört zur Wahrheit, wenn Sie sich heute hinstellen und sich so produzieren, wie Sie es getan haben.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ihren Vergleich mit Kriminellen finde ich unpassend. Seien Sie doch froh, dass ich es heute thematisiere und Ihnen – auch der Fantasielosigkeit Ihrer Arbeitsmarktpolitik – auf die Sprünge helfe.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Lachen bei der SPD)

Bei einer Sache haben Sie vielleicht recht.

(Unruhe bei der SPD)

Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit; ich beziehe mich gerade auf Sie, Herr Pecher.

Vielleicht ist „laxer Umgang“ die falsche Formulierung gewesen. „Gar kein Umgang“ wäre treffender gewesen. Sie geben das Geld nicht aus. Es gehört aber zu einer systematischen Arbeitsmarktpolitik, Geld, das man von der Europäischen Union bekommt, auszugeben.

Meine Damen und Herren! Es wäre möglich, die Finanzierung dieses Projektes rechnungshofkompatibel zu gestalten. Es geht nicht um die individuelle Förderung einzelner, von Arbeitslosigkeit bedrohter Handwerker, sondern um die Finanzierung der Projektkoordinatoren. Warum man diese aus ESF-Mitteln nicht finanzieren kann, konnte mir niemand – auch Sie nicht, Frau Herrmann – erklären, insofern, als der bisherige Entwurf vorsieht, auch Arbeitsmarktkoordinatoren zu finanzieren. Sie müssen mir einmal erklären, warum das eine finanziert werden kann und das andere angeblich nicht.

Meine Damen und Herren! Es geht allein um den politischen Willen in dieser Sache. Ich denke, Sie sollten die Gelegenheit haben, heute zu sagen, ob Sie es mit diesem politischen Willen ernst meinen oder nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gibt es seitens der Sprecher der Fraktionen noch einmal Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall. Ich weiß aber, dass Staatsminister Jurk dringend reden möchte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will auf die grundsätzlichen Ausführungen zum ESF nicht eingehen. Dafür gibt es einen guten Grund: Ich weiß, dass im Rahmen der morgigen Tagesordnung genügend Zeit ist, sich insbesondere mit diesen Fragen zu befassen.

Zunächst möchte ich einige grundsätzliche Dinge zum Operationellen Programm klarstellen. Das Operationelle Programm des Europäischen Sozialfonds ist ein strategisches Programm, das bekanntermaßen für sieben Jahre konzipiert ist. Es enthält keinerlei Beschreibungen konkreter Einzelmaßnahmen oder gar Bestimmungen zum Fördergegenstand.

Mit dieser von der Europäischen Kommission vorgeschriebenen Herangehensweise wird nämlich sichergestellt, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten im gesamten

Programmzeitlauf flexibel auf Veränderungen der Beschäftigungssituation und am Arbeitsmarkt reagieren können. Die Beschreibung von konkreten Fördermaßnahmen – wer und was wird wie gefördert? – findet erst im Rahmen der Richtlinienerstellung zur ESF-Förderung statt. Dies wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2007 erfolgen und gehört im Übrigen zum Aufgabenbereich der Exekutive.