Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Beschreibung zu bewerten, zwei Möglichkeiten, die davon abhängen, welchen Zugang man zur Wirklichkeit hat. Steht man mit beiden Füßen in der Wirklichkeit, erkennt man darin die pathologische Selbstüberschätzung. Stimmt man der Beschreibung zu und

verbreitet sie auch noch in Flugblättern und Anträgen, sollte man seinen Zugang zur Wirklichkeit überprüfen.

Genau das, Herr Apfel, empfehle ich Ihnen. Gehen Sie mit Ihrer Fraktion in Klausur und überlegen Sie gemeinsam, wie Sie Ihr Problem lösen, denn so kann es nun einmal nicht weitergehen. Man kann es einfach nicht mehr mit ansehen, wie Sie sich hier im Parlament quälen.

(Jürgen Gansel, NPD: Einmal zur Sache reden!)

Sie machen Politik, die fern jeder Realität ist. Sie haben eine Ideologie entwickelt, die in der Wirklichkeit kaum noch wahrnehmbar und somit auch nicht mehr gestaltbar ist. Bei Ihnen ergibt nun einmal zwei plus zwei gleich fünf. Sie formulieren wirklichkeitsferne Anträge, die dann auch noch Ihren eigenen Grundlagen widersprechen. Ich nutze heute die Chance und helfe Ihnen dabei, das zu erkennen. Ich helfe Ihnen und werde anhand Ihres Antrags dazu beitragen, Sie aus der geistigen Verstockung zu führen. Ich werde Ihnen ein Fenster zur Realität öffnen und Ihnen zeigen, wie wir hier im Landtag die Wirklichkeit gestalten.

(Alexander Delle, NPD: Das Elend gestalten Sie, das verursachen Sie letztlich!)

Obwohl das Thema „Rudolf-Harbig-Stadion“ zwischen RP und Stadt schon lange in der Lösung ist, werde ich Ihren Antrag so behandeln, als gäbe es diese Einigung nicht. Ich werde ihn so behandeln, als sei es wirklich ernst zu nehmen, was Sie schreiben. Das mag schizophren sein, entspricht aber Ihrer Denkweise, Ihren Versuchen, Wirklichkeit zu deuten, und genau dabei will ich Ihnen helfen.

Fangen wir mit der Realität an. Das Stadion ist marode. Fußball spielt eine wichtige Rolle in Dresden. Das Regierungspräsidium hatte Probleme mit den Neubauverträgen. So weit entspricht Ihre Wahrnehmung der Realität. Problematisch wird es allerdings, wenn Sie versuchen, die Realität zu deuten und Ihre Wahrnehmung in Politik umsetzen. Sie schreiben: „Die Einwände des Regierungspräsidium Dresden richten sich in erster Linie auf Details der Finanzierung. Die vom Regierungspräsidiums Dresden vorgebrachten rechtlichen Bedenken haben deshalb hinter dem überwiegenden öffentlichen Interesse an einer repräsentativen sportlichen Vertretung des Freistaates und der Landeshauptstadt zurückzutreten.“

Das Problem liegt in Ihrer Deutung von öffentlichem Interesse. Sind die „Details der Finanzierung“ wirklich nicht im öffentlichen Interesse? Warum hat das Regierungspräsidium denn den Vertrag kassiert? Weil in den „Details der Finanzierung“ nicht abgesichert war, dass die öffentliche Nutzung für Sportunterricht, Veranstaltungen und ähnliche Dinge öffentlichen Interesses gewährleistet ist. Eben weil die Risiken für den Haushalt, mit dem so nebensächliche Dinge des öffentlichen Interesses wie Schulsanierung, Theater, der Dresdner Kreuzchor, die Kindertagesbetreuung etc. finanziert werden, zu hoch waren.

Die Landesebene ist nur in einem Zusammenhang zuständig, und das ist die Rechtsaufsicht. Die Stadt hat in eigener Verantwortung alle anderen Fragen zu klären. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Staatsregierung den Stadionneubau verhindern will. Vielmehr geht es darum, im Rahmen der Rechtsaufsicht die Stadt vor einer einseitigen Risikoverteilung zu schützen.

Allein an der Vertragsgestaltung liegt es, weshalb das Investitionsvorhaben jetzt von einer Genehmigung des Regierungspräsidiums abhängig ist. Es ist die Vertragsgestaltung mit der Investorengruppe HBM, die der FDPProfi Ingolf Roßberg dilettantisch ausgehandelt hat. Um die öffentlichen Haushalte vor solch dilettantischen Verhandlungsergebnissen zu schützen, schreibt die Sächsische Gemeindeordnung berechtigterweise vor, dass für kreditähnliche Rechtsgeschäfte und die Eingehung von Bürgschaften eine Genehmigung durch die Rechtsaufsicht erforderlich ist. Dies heißt, die Stadt bräuchte keine Genehmigung des Regierungspräsidiums, wenn das Stadion ohne Bürgschaft auskäme. Die Stadt hat sich aber nun einmal für ein PPP-Modell entschieden, das am Anfang wenig kostet, aber langfristig in nicht unerheblichem Maße Zahlungen und Absicherungen erfordert. Lesen Sie dazu auch noch einmal die Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Dresden vom 4. Oktober 2006, in der deutlich wird, wie groß die Schieflage in den ausgehandelten Verträgen ist.

Wenn ich von Schieflage spreche, meine ich, dass der Private sich nur die Chancen sichert, während bei der Stadt auf der anderen Seite allein die Risiken des Investitionsvorhabens hängen bleiben. Das ist die Realität. Die Dresdner, Herr Despang – Sie haben ja ein interessantes Flugblatt herausgegeben –, wollen ein neues Stadion, aber nicht um jeden Preis und vor allen Dingen dann nicht, wenn die finanzielle Zukunft Ihrer Stadt gefährdet wird.

Sie schreiben: „Sollten dem sofortigen Beginn der Baumaßnahmen finanzielle und rechtliche Gründe entgegenstehen, dann verpflichtet sich die Staatsregierung, diese Hindernisse unverzüglich durch eigene Maßnahmen aus dem Weg zu räumen.“ Wie soll das denn funktionieren?

Wir wissen ja alle, dass Sie vom Führerstab träumen, und wir alle bedauern das außerordentlich. Aber mit der Wirklichkeit hat das nun nichts zu tun. Wachen Sie auf! Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Da kann sich die Regierung nicht über die politischen Spielregeln hinwegsetzen. Das funktioniert einfach nicht.

Es geht noch weiter in Ihrem Antrag: „Sachsen braucht einen erfolgreichen Fußballverein in der Landeshauptstadt Dresden“ Richtig! Hier sind Sie einmal wieder auf dem Boden der Tatsachen, um ihn gleichzeitig wieder zu verlassen. In den Wünschen einiger Fans funktioniert es so: neues Stadion gleich Dynamo Dresden in der Champions League. Leider gehört in Wirklichkeit viel mehr als ein gutes Stadion zum Erfolg. Was hilft das beste Stadion, wenn die Mannschaft schlecht spielt? Glauben Sie mir, Dynamo ist erst dann wieder erfolgreich, wenn Dynamo wieder besser spielt. Mit dem Zukauf einiger afrikani

scher Stammspieler könnte man beispielsweise das Problem ja auch beheben. Erkennen Sie die Wirklichkeit, Herr Despang? Erkennen Sie, wie weit Sie davon entfernt sind? Doch das ist nicht das einzige Problem. Neben Ihrer Wahrnehmungsstörung kommt auch noch eine gewisse schizophrene Widersprüchlichkeit zum Ausdruck. Kehren wir noch einmal zu den „finanziellen Details“ zurück und bringen das mit Ihren eigenen Aussagen in Zusammenhang. „Die eiserne Wirtschaftsmaxime des Nationalismus lautet: Das Kapital hat der Wirtschaft und die Wirtschaft dem Volk zu dienen und nicht umgekehrt.“

(Beifall bei der NPD)

So die intellektuelle Lichtgestalt der Dresdner Schule Jürgen Gansel.

Und nun Ihr Antrag: „Die Staatsregierung wird ersucht, das Regierungspräsidium anzuweisen, das bestehende Finanzierungskonzept der Stadt Dresden für den Neubau des Rudolf-Harbig-Stadions in der eingereichten Form zuzulassen.“ Und weiter: „Nach dem Verkauf der Woba verfügt die Stadt Dresden über eine ausreichende Bonität, um die finanziellen Risiken aus dem derzeitigen Vertragsentwurf mit der Bietergemeinschaft HBM über den Ersatzneubau des Rudolf-Harbig-Stadions problemlos zu tragen.“

Wie jetzt?

Sind Ihre Kameraden nicht noch Anfang dieses Jahres auf die Straße gegangen und haben gegen den Woba-Verkauf protestiert: „Die Woba muss in Volkeshand bleiben“?

Erkennen Sie die Widersprüchlichkeit? – Nein. Ich erkläre es Ihnen gerne.

Noch einmal von vorn. Ihr Prinzip lautet: Die Wirtschaft muss dem Volk dienen. Aus diesem Grund waren Sie gegen den Woba-Verkauf. Nun kritisieren Sie, dass das Regierungspräsidium den HBM-Vertrag kassiert, weil es die Interessen des Volkes nicht berücksichtigt sah. Und Sie verlangen, dass das Woba-Geld dafür ausgegeben werden soll, gegen die Interessen des Volkes zu handeln. Herr Apfel, ich mache mir wirklich ernsthaft Sorgen um den Geisteszustand Ihrer Fraktion. Sie haben Verantwortung für Ihre Kameraden. Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und tun Sie etwas dagegen! Wir können Ihnen dabei aber leider nicht helfen, obwohl – vielleicht sollten wir genau das tun, sehr geehrte Damen und Herren. Vielleicht sollten wir von den demokratischen Fraktionen in den kommenden Monaten etwas nachsichtiger mit der NPD umgehen und ihr Stück für Stück in die Wirklichkeit zurückhelfen.

(Alexander Delle, NPD: Oh ja, bitte!)

Am Ende dieses Heilungsprozesses kann schließlich nur eines stehen: die Selbstauflösung dieser zutiefst gestörten Partei – dann wird es auch dem Fußball in Dresden wieder besser gehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Die Linksfraktion.PDS verzichtet nicht? – Nein, Sie hatten sich vorhin nicht gemeldet, aber es ist Ihr gutes Recht. Natürlich. Herr Dr. Hahn, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob Nachsicht bei der NPD weiterhilft, daran habe ich meine Zweifel.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich will es ganz kurz machen: Ja, Dynamo Dresden braucht ein neues Stadion, aber dafür braucht es keinen Antrag der NPD.

(Jürgen Gansel, NPD: Wenn von Ihnen keiner kommt!)

Es gibt im Dresdner Stadtrat, der dafür zuständig ist, eine Mehrheit für den Stadionneubau, und zwar ohne das sogenannte Nationale Bündnis. Das Stadion wird also kommen. Auch die demokratischen Oppositionsparteien hier im Landtag erwarten, dass die Stadt Dresden und das Regierungspräsidium ihre Hausaufgaben machen und den Weg zum Stadionneubau schnell freimachen.

Ich wiederhole: Dresden braucht ein neues Stadion. Was Dresden, was Dynamo nicht braucht, sind rechtsradikale Hooligans, die Woche für Woche in den Stadien randalieren.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wenn man von einer Bedrohung für Dynamo Dresden spricht, dann sind diese Hooligans die wahre Bedrohung, für den ostdeutschen Fußball und auch in Sachsen. Niemand wird es deshalb gerade der NPD abnehmen, wenn sie sich hier als Retter von Dynamo Dresden aufspielen will. Die wahren Fans wollen mit Nazis nichts zu tun haben!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die SPD bleibt bei ihrer Absprache. – Herr Zastrow, Sie sprechen für die Freien Demokraten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich wollte ich nicht dazu sprechen, weil ich es – ich habe das an anderer Stelle schon einmal gesagt – für nicht besonders zuträglich halte, dass wir hier im Sächsischen Landtag permanent kommunalpolitische Diskussionen führen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Als Stadtrat in Dresden habe ich Ihnen beim letzten Mal schon aufgezählt, wie oft ich dort mit dem Thema Waldschlößchenbrücke – ich glaube, es waren 16 Mal – drangsaliert worden bin. Über die Woba haben wir auch im Stadtrat x-mal gesprochen. Auch das Stadion war mehrfach Thema. Dort wird darüber entschieden. Deshalb sind

das keine Themen, die in den Landtag gehören. Sie müssen dort entschieden werden, wo sie hingehören, nämlich im Dresdner Stadtrat.

Wir tun uns damit oft schwer. Der Dresdner Stadtrat gibt bei einigen Themen gewiss kein besonders gutes Bild ab. Aber wir werden das hinbekommen. Wir werden das richtig entscheiden, meine Damen und Herren.

(Volker Bandmann, CDU: Das glaube ich nicht!)

Ich will noch etwas sagen, weil Lars Rohwer die FDP angesprochen hat. Lassen wir die Kirche im Dorf und bleiben wir bei der Wahrheit.

Lars, Ingolf Roßberg, mein Parteifreund, der FDP-Profi,

(Lachen des Abg. Volker Bandmann, CDU)

hat den Vertrag mit der HBM nicht empfohlen. Das ist eure Entscheidung gewesen. Ihr als CDU habt im Stadtrat etwas gemacht, was sehr ungewöhnlich und schlichtweg ein Fehler gewesen ist. Das will ich ganz klar sagen. Die große Anzahl der Verwaltungsexperten hat im Dresdner Stadtrat eine andere Firma empfohlen. Bei den Ausschreibungen gab es nämlich ein Ranking. Dabei ist die Firma Hellmich auf Platz 1 gesetzt worden, eine andere war auf Platz 2 und die Firma HBM auf Platz 3.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist wieder Kommunalpolitik!)

Man hat sie seitens der Verwaltung, seitens der Profis – wie du es gesagt hast, lieber Lars – auf Platz 3 gesetzt, weil man von vornherein gewusst hat, dass das Vertragskonstrukt, welches hinter HBM steht, kompliziert ist und weil man damit gerechnet hat, dass es zu Recht Nachfragen vom Regierungspräsidium geben wird. Deswegen hat die Verwaltung ein anderes Angebot empfohlen. Leider ist es aufgrund der CDU-Intervention nicht dazu gekommen. Das ist, wenn man ehrlich ist, ganz klar ein Ergebnis eurer Politik im Dresdner Stadtrat.

Herr Rohwer hat eine Zwischenfrage.