Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

(Zuruf des Abg. Falk Neubert, Linksfraktion.PDS)

Ein zweiter großer Baustein umfasst die bessere Gestaltung der Jugendarbeit. Es wurde gestern bereits von einigen Rednern aufs Tableau gerufen – von beiden Koalitionsfraktionsvorsitzenden sowie vom Ministerpräsidenten –, dass wir die Jugendpauschale von 10,99 Euro auf 14,00 Euro erhöhen. In diesem Zusammenhang wird auch das Förderinstrument „Weiterentwicklung der Jugendhilfe“ um 500 000 Euro erhöht werden.

(Beifall bei der CDU)

Es ist so, dass diese Weiterentwicklung der Jugendhilfe Landesprojekte beinhaltet, die bereits jetzt umgesetzt werden. Diese sollen weitergeführt werden. Aber es gibt natürlich auch neue Ideen dazu, wie zum Beispiel neue Formen in der Familienpflege oder ein Projekt für die Jugendfeuerwehren, da dort auch Nachwuchsschwierigkeiten zu verzeichnen sind. Davon will man Impulse ausgehen lassen.

Die Fortschreibung der Ausbildung der Gesundheitsfachberufe ist auch ein einzelnes Thema, das sich in der Beschlussvorlage wiederfindet. Der Sozial- und Gesundheitsfachbereich ist für viele junge Menschen im Freistaat Sachsen von großer Bedeutung, aber natürlich auch für die Einrichtungen, für die Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder Physiotherapien. Im Hinblick auf die Zukunft ist dieser durch einen hohen Bedarf an qualifiziertem Personal gekennzeichnet. Daher ist unser Anliegen, jungen Menschen eine notwendige Ausbildung im Freistaat Sachsen angedeihen zu lassen. Der Schwerpunkt soll dabei auf der Sicherung der Qualität dieser schulischen Ausbildung liegen. Es handelt sich also bei den Gesundheitsfachberufen immer um eine vollschulische Ausbildung, und dem muss natürlich Rechnung getragen werden. Um dies in Zukunft gewährleisten zu können, haben wir es in unserer Beschlussempfehlung ab dem Jahr 2008,

beginnend mit 500 000 Euro, aufsteigend auf 5 Millionen Euro bis zum Jahr 2011, so geplant und verankert.

Das Thema „Ambulant vor stationär“ ist ein großes Thema jeweils im Bereich der Pflege bzw. in den gesundheitsspezifischen Institutionen überhaupt. Nach diesem Grundsatz planen wir, dass in der offenen Behindertenhilfe sowie in der ambulanten Hospizarbeit eine weitere Unterstützung finanzieller Art gewährt werden soll. Ambulante Maßnahmen leisten in der Behindertenhilfe einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Selbsthilfekräfte, entlasten die Angehörigen und ermöglichen ein der jeweiligen Behinderung entsprechendes selbstständiges Leben. Das Gleiche lässt sich zu den ambulanten Hospizen sagen. Sie gewährleisten, vielfach unbemerkt, eine sehr wesentliche ehrenamtliche Tätigkeit: wohnortnahe psychologische Leistungen für hilfebedürftige Menschen und deren Angehörige. Vor diesem Hintergrund wollen wir die Mittel für die offene Behindertenhilfe in diesem Haushalt um 500 000 Euro sowie für die Hospize um 200 000 Euro aufstocken.

(Beifall bei der CDU)

Ich hatte Sie eingangs auf die immer größer werdende Gefährdung der Gesellschaft durch den Konsum von Drogen hingewiesen. Dem zunehmenden Missbrauch und dem Abdriften junger Menschen in immer neue Süchte muss entschieden entgegengewirkt werden. Die aktuell geführte Debatte zum Rauchverbot in den öffentlichen Einrichtungen auf Bundes- und Landesebene betrachten wir als einen ersten Schritt. Auch das Hohe Haus wird sich natürlich mit dem Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich verweise an dieser Stelle auf die am 21. Juli in diesem Hohen Hause sehr emotional geführte Debatte zum Thema Suchtkrankenhilfe. Damals hatten wir ein generelles Rauchverbot auch in diesem Hohen Hause gefordert.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber nicht nur Tabakprodukte stellen eine Gefährdung dar, sondern eine Vielzahl von legalen und illegalen Suchtmitteln, wie zum Beispiel Alkohol oder Cannabis, bestimmen Verhaltensweisen junger Menschen, aber auch aller anderen gesellschaftlichen Schichten. Dazu gehören natürlich auch die Spielsucht und die Magersucht. Oftmals verinnerlichen falsche bzw. anscheinend falsche Bilder in den Medien, dass sich zum Beispiel junge Menschen – vor allem junge Mädchen – der Magersucht und der Bulimie hingeben. Auch diesen Aspekten wollen wir natürlich Rechnung tragen.

Das Staatsministerium hat in engagierter Arbeit und vor dem Hintergrund unserer Anträge Suchtpräventionspläne umgesetzt. Diese bedürfen selbstverständlich auch der finanziellen Untersetzung.

Das Land verfügt über ein flächendeckendes Netz an jeweiligen Suchtberatungsstellen. Ebenso gibt es eine Vielzahl von engagierten Selbsthilfegruppen. Diese leisten neben den Fachkliniken, welche für die Entgiftung zuständig sind, und den Reha-Zentren, welche für die Entwöhnungsbehandlung zuständig sind, einen wesentlichen Beitrag zur Wiedereingliederung in ein normales Leben. Diese sogenannte Tertiärprävention hat das Ziel, die Betroffenen dauerhaft suchtfrei in die Gesellschaft zu integrieren und ihnen wieder eine Perspektive zum Leben zu vermitteln. Dazu gehören zum Beispiel Arbeitsprojekte und die Möglichkeit, einen Schulabschluss nachzuholen, oder die Vorbereitung auf eine Ausbildung.

Gleichzeitig wird dadurch der Möglichkeit eines Rückfalls entgegengewirkt. Wir kennen diesen bekannten Drehtüreffekt, dass jemand eine Entgiftung und eine Entwöhnung wahrnimmt, dem aber keine Perspektive gegenübersteht, dass er keine Schulausbildung bekommt oder nicht in das jeweilige Arbeitsleben Eingang findet. Dem wollen wir Rechnung tragen, indem wir mit unserer Beschlussempfehlung jeweilige Arbeitsprojekte untersetzen und dementsprechend die Mittel für die Suchtberatungsstellen noch einmal um 50 000 Euro aufstocken.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsministerin Helma Orosz)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die vorliegende Beschlussempfehlung zeigt, dass selbst in Zeiten knapper Kassen die Kerngedanken im Bereich Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen, Senioren und Jugend gewahrt und sogar ausgebaut werden.

Die Schaffung finanzieller Rahmenbedingungen zu einem besseren Schutz des Kindeswohls durch Einführung des Modells des soziales Frühwarnsystems in Sachsen, die Stärkung der Familienbildung durch einen qualitativen und quantitativen Ausbau der Kindertagesstätten und die Schaffung der Grundlagen, welche gewährleisten, dass jedes Kind ganztägig das Schulvorbereitungsjahr besuchen kann, zeigen, dass wir unsere Hausaufgaben in diesem Hohen Hause, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Hinblick auf ein kinderfreundliches Sachsen gemacht haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die Arbeit der ehrenamtlich Tätigen, der Vereine und Verbände, der Drogenberatungsstellen und der Interventionsstellen zum Schutz vor häuslicher Gewalt verdient unseren höchsten Respekt.

Zum Abschluss, meine Damen und Herren der Oppositionsfraktionen, an Sie gerichtet: Sie haben wieder einmal umfangreiche Anträge in das Plenum eingespeist.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Ja!)

Diese Anträge haben wir bereits umfassend im Fachausschuss beraten.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Niemals!)

Bereits damals haben wir Ihnen die Gründe für unsere Ablehnung dargelegt. Ich sehe es als unverständlich an, dass die Anträge dann wieder herausgezaubert werden, um sie hier erneut vorzutragen.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Es ist völlig klar, dass wir diese Anträge vor dem Hintergrund dessen, was wir mit unserer Beschlussempfehlung geschaffen haben, ablehnen werden.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Es ist wider die Vernunft, diese Anträge an diesem Tag und zu dieser Stunde erneut vorzutragen.

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Es ist Ihnen zwar unbenommen, aber ich kann natürlich auch mein Unverständnis darüber zum Ausdruck bringen.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Ich werbe hier und heute für die Zustimmung zu unserer Beschlussempfehlung.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die Linksfraktion.PDS erhält das Wort. Herr Abg. Dr. Pellmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Nicolaus, kommen wir mal zur Tagesordnung. Denn das, was Sie hier dargestellt haben, mag Ihre Meinung sein, spiegelt aber aus unserer Sicht, insbesondere was die strategische Position betrifft, nicht ausreichend das wider, was den Haushalt insgesamt ausmacht.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich sage Ihnen, dass ich mir, nachdem ich heute das vierte Mal Gelegenheit habe, zum Sozialhaushalt der Staatsregierung – ich muss sagen, der jeweiligen Staatsregierung – zu sprechen, einigermaßen ein Urteil darüber erlauben kann, was dieser Haushaltsplanentwurf wirklich wert ist. Ich will das wegen der begrenzten Redezeit lediglich an fünf Positionen darstellen. Mit den meisten Dingen, die Sie hier vorgetragen haben, wird sich mein Kollege Falk Neubert noch etwas ausführlicher befassen.

Das Erste. Welchen Beitrag leistet dieser Haushaltsplan – Sie haben dazu nicht eine Silbe gesagt – zumindest zur Linderung von Armut? – Fehlanzeige, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das hängt einfach auch damit zusammen, dass die wissenschaftlichen Einschätzungen dessen, was als Armut zu bezeichnen ist, offensichtlich von der Staatsregierung nicht geteilt werden. Ansonsten

müsste auch bei der Staatsregierung ein Aufschrei ertönen, denn die jüngsten Studien des Bundesamtes für Statistik beweisen es geradezu, dass auch in Sachsen unter Ihrer Regierung die Armut zugenommen hat.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Dabei ist noch nicht einmal Hartz IV berücksichtigt. Es wird noch schlimmer. Ich sage Ihnen: Im Unterschied zu den Zahlen aus dem Jahr 2004, die veröffentlicht wurden, liegt die Armutsrate in Sachsen mindestens bei einem Fünftel, wenn nicht einem Viertel der sächsischen Bevölkerung. Ich denke, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen und können es nicht durch politische Phrasen übertünchen.

(Kerstin Nicolaus, CDU: Also, Herr Dr. Pellmann, das verbitte ich mir!)

Das Zweite. Wir haben die Frage zu stellen: Wie reagiert dieser Haushalt auf den sozialen Ausgleich zwischen den Generationen? Wir hören immer wieder, Frau Nicolaus, insbesondere von Ihren Nachwuchskadern,

(Lachen der Abg. Kerstin Nicolaus, CDU)

dass ab einem bestimmten Alter bestimmte medizinische Versorgungen gar nicht mehr nötig oder sinnvoll seien.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Ich sage Ihnen hier, und das in aller Deutlichkeit: Insbesondere was die älteren Bürgerinnen und Bürger – ihre Anzahl nimmt statistisch noch zu – betrifft, gibt dieser Haushalt keine zukunftsträchtige Antwort. Mehr noch, diese Staatsregierung hat kein Konzept dafür, wie etwa mit drohender und zunehmender Altersarmut umzugehen ist. Wie reagieren wir darauf? Die paar hunderttausend Euro, die Sie hier hervorgeholt haben, werden das Problem in keiner Weise lösen.