Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Diese Erfolgsgeschichte hatten wir vor Augen, bevor und während die deutsche Wiedervereinigung zustande kam.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Was ist jetzt?)

Das war vor 16 Jahren. Ich werde Ihnen alles erklären. Nicht so ungeduldig, Herr Kollege!

Meine Damen und Herren! Es gab wohl keine so kurze Zeitspanne zuvor, in der sich die Welt so gravierend verändert hat wie in den zurückliegenden 16 Jahren: Der Zusammenbruch des sozialistischen Lagers, der Wegfall des Eisernen Vorhangs, die Völker Mittel- und Osteuropas haben sich für die Freiheit entschieden – niemand hat sie übrigens gezwungen, sich vom Sozialismus abzuwenden –, die Europäische Union ist größer und stärker geworden, wenngleich sie – das muss man einräumen – den neuen Anforderungen noch nicht ausreichend gerecht wird.

Trotz allem holen die neu hinzugekommenen Staaten wirtschaftlich in einem rasanten Tempo auf. Dies alles bleibt nicht ohne Auswirkung auf Deutschland und auf Sachsen. Grenzen spielen keine große Rolle mehr, nicht nur innerhalb Europas, auch weltweit. Das, was wir allgemein „Globalisierung“ nennen, ist ein Prozess, der zwar schon vor längerer Zeit begonnen hat, aber durch das Ende der Teilung Europas noch einmal einen enormen Schub bekommen hat. Die Völker Asiens drängen mit Macht in den internationalen Markt und entwickeln sich zu enormen Wirtschaftsmächten. Der Energiehunger Chinas lehrt uns das Fürchten, die Stahlpreise haben astronomische Höhen erreicht. Vieles, was wir meinten im eigenen Land nicht mehr vorhalten zu müssen, da es auf den Weltmärkten billiger zu beziehen war, wird plötzlich knapp. Der Produktionsstandort Deutschland sieht sich enormer Konkurrenz ausgesetzt. Nachdem die hemmenden Schranken ideologischer Bevormundung weggefallen sind, erweisen sich die Menschen des ehemaligen sozialistischen Lagers als nicht weniger klug und nicht weniger leistungsfähig als diejenigen in der westlichen Welt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Weil sie gut gebildet waren!)

Hinzu kommt ein schwindelerregendes Tempo der technischen Entwicklung und des technologischen Fortschritts in der ganzen Welt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie bedürfen eines Äquivalents!)

Die Welt ist über das Internet komplett vernetzt. Die Speicherkapazität und Verarbeitungsgeschwindigkeit der

Mikro- und Nanochips scheinen kaum noch Grenzen zu kennen. Die menschliche Arbeit verliert als Produktionsfaktor gegenüber Wissen und Kapital an Bedeutung.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Europa steckt in der demografischen Falle. Die Geburtenzahlen reichen nicht aus, um die Bevölkerungszahlen zu halten, und das Durchschnittsalter steigt. Eine neue Bedrohung erschüttert die Welt: die des internationalen Terrorismus, dem die auf Freiheit gründenden Staaten letztlich nichts Wirkungsvolles entgegenzusetzen haben, wenn sie ihre gewohnte Freiheit nicht einschränken wollen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das sehen Sie beim Landeshaushalt!)

Es gibt ernsthafte Anzeichen eines Klimawandels,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Richtig! – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wie in der Koalition!)

jawohl, liebe Freunde von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das ist nicht zu leugnen. Also, nichts erscheint mehr sicher. So sieht die Welt von heute aus – mit ihren negativen, aber eben auch positiven Seiten. Klar ist: Die Probleme von heute lassen sich nicht mit den Rezepten von gestern lösen; und dieses Gestern, liebe Zwischenrufer, ist kaum 16 Jahre her.

(Beifall bei der CDU)

Das Gestern war die Bundesrepublik Deutschland – von der DDR will ich gar nicht mehr reden – mit dem Privileg einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, während hinter kaum durchlässigen Grenzen ein wenig leistungsfähiges Wirtschaftssystem keine wirkliche Konkurrenz darstellte, sodass weltweit begehrte westdeutsche Qualitätsprodukte nicht dem heutigen Preisdruck ausgesetzt waren. Ein wenig gewerkschaftlicher Druck auf die Unternehmer hat immer wieder zum Erfolg der angemessenen Teilhabe der Arbeitnehmer am Gewinnzuwachs der Unternehmen geführt. Ich muss das nicht weiter ausführen. Deutschland-West gehörte zu den reichsten Ländern der Welt und konnte sich manchen Traum und manchen teuren Sonderweg leisten, ohne dass sich dies spürbar auf den allgemeinen Wohlstand ausgewirkt hätte, heute aber, meine Damen und Herren, zu Buche schlägt. Ich will nicht sagen, dass das heutige wiedervereinigte Deutschland arm ist. Aber durch die veränderte Situation in der Welt müssen wir alles, was wir uns gönnen, äußerst spitz abrechnen.

Wenn wir höhere Umweltstandards haben wollen, muss jeder die Kosten dafür tragen, und zwar in der Weise, dass es auch jeder spüren wird. So leisten wir uns zum Beispiel den Luxus, noch leistungsfähige Atomkraftwerke, deren Grenzlaufzeit noch lange nicht erreicht ist, einfach abzuschalten, obwohl die Strompreise in Deutschland ohnehin beinahe die höchsten sind. Parallel dazu verpflichten wir uns natürlich zu Klimaschutzzielen und verringertem

CO2-Ausstoß, ohne zu wissen, wie wir dies erreichen können. Ist es denn nicht Augenwischerei, wenn stattdessen der zu erreichende Anteil an erneuerbaren Energien auf immer höhere Prozentsätze an der Gesamtenergieerzeugung – ich muss sagen – erträumt wird? Denn auch hier gibt es Grenzen, auch natürliche Grenzen. Ich will damit sagen, dass es eben nicht mehr geht, bestimmte Tatsachen einfach aus der politischen Betrachtung auszublenden, und dass das Wohl und Wehe unseres Landes nicht nur von unserer kleinen Landespolitik, sondern mehr von bundespolitischen Entscheidungen und zunehmend auch von den von der EU vorgegebenen Standards und Vorschriften abhängt.

Eine kluge Landespolitik muss jedoch ihre Möglichkeiten ausschöpfen, sich an den gegebenen und zukünftig zu erwartenden Bedingungen orientieren und sich rechtzeitig auf das Absehbare vorbereiten. Im Freistaat Sachsen haben wir dies von Anfang an getan. Wir hatten, wie die anderen neuen Länder auch, eine doppelte Herausforderung zu bewältigen: den Wandel von der sozialistischen Plan- und Misswirtschaft hin zur sozialen Marktwirtschaft und parallel dazu die Anpassung an den rasanten technologischen Fortschritt und die neue Konkurrenzsituation in der Welt. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen: Ohne die Hilfe des Bundes und der westdeutschen Länder hätten wir das nicht geschafft, und hierbei meine ich nicht nur die finanzielle Hilfe. Diese war und ist natürlich immer noch äußerst wichtig.

Wenn die Bundesrepublik Deutschland insgesamt gegenüber anderen westlichen Staaten wirtschaftlich etwas zurückgefallen ist, hat dies auch etwas damit zu tun, was an Unterstützungsleistungen in den neu hinzugekommenen östlichen Teil Deutschlands geflossen ist. Dafür, dass diese Solidarität bis heute anhält, ist immer wieder Dank zu sagen, und dies hat nichts mit Unterwürfigkeit zu tun, sondern mit Anstand.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Es sind ja nicht die Regierenden, die diese Mittel zur Verfügung stellen, sondern es ist die Bevölkerung, die die Finanzen für die Hilfe für die neuen Länder aufbringen muss; und es ist nicht zu verkennen, dass es auch in Westdeutschland nicht überall zum Allerbesten steht und es auch dort Bedürftige gibt. Umso notwendiger ist es, die uns zur Verfügung gestellten Mittel sinnvoll und zweckentsprechend einzusetzen; denn es handelt sich um Hilfe zur Selbsthilfe mit dem Ziel, dass eines nahen Tages keine derartigen Hilfen mehr nötig sein sollen. Auf dieses Ziel arbeiten wir hin, auch und besonders mit dem zur Debatte stehenden Doppelhaushalt 2007/2008.

(Beifall bei der CDU)

Nun ist allenthalben die Rede davon, Sachsen schwimme aufgrund der nicht erwarteten höheren Steuereinnahmen im Geld. In der „Welt“ stand ein Artikel mit der Überschrift: “Georg der Reiche“. Anscheinend kennt man sich

in der sächsischen Geschichte nicht ganz aus, es war Otto der Reiche.

(Heiterkeit des Abg. Heinz Lehmann, CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Aber ich meine, wir haben schon verstanden, dass dabei etwas Neid mitspielt und durchaus der Unterton spürbar war: Die haben jetzt genug, die brauchen nichts mehr. Jetzt wollen wir uns erst einmal um uns selbst kümmern. – Das sind gefährliche Töne, meine Damen und Herren, die durch nichts gerechtfertigt sind; denn der Freistaat hat immer noch circa 12 Milliarden Euro Schulden, die Verschuldung der Kommunen nicht eingerechnet. Unser Ziel, dass spätestens im Jahr 2020 unsere laufenden Einnahmen nicht nur die laufenden Ausgaben decken müssen, sondern auch noch etwas für Investitionen zur Verfügung stehen muss, ist noch längst nicht erreicht. Dies bedarf noch enormer Anstrengungen in den kommenden Jahren. Aber wir tun doch wohl gut daran, die jetzige fast einmalig günstige Situation zu nutzen, um diesem Ziel näherzukommen. Das Gebot der Stunde ist also nicht, die laufenden Ausgaben durch gesetzliche Dauerverpflichtungen weiter zu erhöhen, sondern es gilt, Vorsorge zu treffen und von laufenden Verpflichtungen wie Zinszahlungen und Pensionsleistungen ohne Rücklagen herunterzukommen. Das ist unser Beitrag zur gesamtdeutschen Solidarität. Es wäre töricht, uns zu kritisieren, weil wir mit dem vorhandenen Geld gut wirtschaften.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Ich bin unserem Koalitionspartner dankbar, dass er diesbezüglich mit uns einer Meinung ist, nachdem er sich das wohl überlegt hat.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Hört auf mit euren Diskriminierungen! Das ist einer ordentlichen Debatte im Landtag unwürdig. Sie sind natürlich frei in Ihrer Meinungsäußerung, aber so gewinnen Sie keinen Koalitionspartner.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich sehe auch keinen! – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir können uns ja mal zusammensetzen, Herr Hähle! – Beifall bei der CDU)

Ich will auch nicht darauf hinweisen. – Ich jedenfalls bin unserem Koalitionspartner dankbar.

Dass wir uns in dem vorgestellten Sinn auf eine gemeinsame Haltung zum Haushaltsentwurf und über die Verwendung der Mehreinnahmen einigen konnten, ist durchaus etwas wert. Ich denke, das wird in der Bevölkerung auch positiv gesehen.

Ich weiß, dass es zwei Jahre her ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, als Sie sich daran beteiligt haben, die Haushaltspolitik der CDU, wie unsere Politik überhaupt, auf das Schärfste zu kritisieren. Kritik

wird uns auch dieses Mal nicht erspart bleiben; sie hat sich bereits etwas angedeutet. Allerdings müssen wir diese Kritik nun als Koalition gemeinsam aushalten und zur Kenntnis nehmen, dass eine regierungskritische Haltung eine notwendige Aufgabe einer demokratischen Opposition ist, wozu ich – wohlgemerkt – nicht alle im Landtag vertretenden Fraktionen zähle.

Ich will nicht sagen, dass es gut wäre, gegen Kritik unempfindlich zu sein; aber wenn die Praxis das Kriterium der Wahrheit ist, müssen wir uns nicht fürchten.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Sachsen ist wieder zu einem führenden Automobilstandort geworden. Sachsen hat den Ruf und die Leistungsfähigkeit eines kleinen, wenn nicht sogar großen Silicon-Valley erworben. Am Flughafen Leipzig/Halle entsteht das größte Logistikzentrum und Luftfrachtdrehkreuz Europas. Der Maschinenbau hat sich mit neuesten Qualitätsprodukten wieder etabliert und unsere Hochschulen genießen einen hervorragenden Ruf. Ich kann und will nicht alles aufzählen, was in den Einzelberatungen noch zur Sprache kommen wird und was der Ministerpräsident schon eindrucksvoll dargestellt hat.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Eindrucksvoll war das nicht!)

Diese wirtschaftlichen Erfolge, mit denen wir, wohlgemerkt, noch nicht endgültig zufrieden sein können, sind erreicht worden, ohne dass sich Sachsen auf irgendeinem anderen Gebiet verstecken müsste.

Im deutschlandweiten Vergleich der Schülerleistungen liegen wir nun einmal vorn, auch wenn das die PDS, die Linke, noch so sehr stört. Wir können außerdem sagen: Durch Neubau, Umbau und Sanierung von Schulen existieren vielerorts hervorragende Lernbedingungen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Vielerorts, aber noch nicht überall!)

Auch dort, wo es noch nicht so ist, werden wir in wenigen Jahren so weit sein.

Unsere Kinderbetreuungseinrichtungen, die zugleich frühkindliche Bildung vermitteln, sind weitgehend vorbildlich. Zu einer weiteren Qualitätsverbesserung wird der kommende Doppelhaushalt beitragen.

Unsere Krankenhauslandschaft ist in Ordnung. Die Lebenserwartung der ostdeutschen Bevölkerung ist seit dem Jahre 1990 deutlich gestiegen und nähert sich allmählich der durchschnittlichen Lebenserwartung der westdeutschen Bevölkerung an; also kann die medizinische Versorgung nicht so schlecht gewesen sein.

Polizei und Justiz erfüllen ihre Aufgaben erfolgreich. Auch wenn jüngst ein gefährlicher Häftling auf dem Gefängnisdach stand – weiter ist er dann doch nicht gekommen.

Landwirtschaft und Umweltschutz tragen zur Wertschöpfung, zur Landschaftspflege und zum allgemeinen Wohl