Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

2. Lesung des Entwurfs Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2007 und 2008 (Haushaltsgesetz 2007/2008) und die Festlegung der Finanzausgleichsmassen und der Verbundquoten in den Jahren 2007 und 2008 (Finanzausgleichsmassengesetz – FAM-G) (S. 7 bis S. 41 Gesetzestext und Begründung)

Drucksache 4/6174, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 4/6817, Ergänzungsvorlage der Staatsregierung

Drucksache 4/7158, Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Behandlung des Haushaltsgesetzes 2007/2008 in seinen Einzelplänen. Die sich jeweils anschließende Abstimmung hierzu wird über die Haushaltsjahre 2007 und 2008 insgesamt erfol

gen und auch immer die zugehörigen Stellenpläne umfassen.

Meine Damen und Herren! Aufgerufen ist der

Tagesordnungspunkt 1.1

Einzelplan 02 – Staatskanzlei

Für die Aussprache erhält der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Herr Prof. Dr. Milbradt, das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! „Der Haushalt ist seit eineinhalb Jahrzehnten ausgeglichen. Sachsen ist weitgehend schuldenfrei. Die Belastung für die Bürger sinkt.“ So sollte im Jahr 2020 die Haushaltsrede des Ministerpräsidenten beginnen und sie sollte dann so weitergehen: „Sachsen ist nach wie vor das dynamischste Bundesland, ein modernes, attraktives, lebenswertes Land im Herzen Europas, ein Land, das seinen Bürgern eine gute Heimat ist und ein gutes Auskommen bietet.“

Das ist das Ziel, auf das wir seit 1990 Kurs nehmen. Der neue Doppelhaushalt, den meine Regierung in dieser Woche zur Abstimmung stellt, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu diesem ehrgeizigen Ziel.

Uns allen war von Anfang an klar: Der Wiederaufbau unseres Landes ist kein Hundertmetersprint, sondern ein Marathonlauf, bei dem man sich die Kräfte über die ganze Distanz einteilen muss. Nun liegt etwas mehr als die Hälfte der Strecke hinter uns. Wir liegen vor den anderen neuen Bundesländern, mit denen wir damals gestartet sind, in Führung. Und wir haben noch genug Kraft für den Rest der Strecke. Sachsen gehört zu den dynamischsten deutschen Regionen im 21. Jahrhundert. Die Industrie und insbesondere der Export verzeichnen in diesem Jahr zweistellige Rekordzuwachsraten, und auch im langfristigen Vergleich liegt Sachsen vorn. Die sächsische Wirtschaft ist seit dem Jahr 2000 doppelt so schnell gewachsen wie die deutsche Wirtschaft insgesamt.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Sachsens Wirtschaft ist breit aufgestellt. Die Palette der Branchen reicht von der Mikroelektronik, Automobilindustrie und Biotechnologie über den Maschinen- und Anlagenbau, die IT- und Kommunikationstechnik, die Umwelt- und Energietechnik bis hin zu Logistik, Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Sachsens Wirtschaft ist nicht nur zu Hause und in Deutschland erfolgreich, sondern auch auf den internationalen Märkten. Der Exportanteil an der sächsischen Wertschöpfung steigt kontinuierlich und erklimmt Jahr für Jahr neue Rekordwerte. Unsere Industrie verdient jeden dritten Euro mittlerweile außerhalb unserer Landesgrenze. Sachsen ist für die Globalisierung gerüstet, und entgegen allen Unkenrufen aus der rechten und linken Ecke sage ich deutlich: Unser Land profitiert von der Globalisierung. Natürlich ist die Schließung von Biria ein Rückschlag, aber wir sollten über internationale Investoren nicht pauschal urteilen. Unsere Wirtschaft braucht internationale Unternehmen, die hier investieren, und ohne ausländische Investoren sähe manches anders aus. Wir könnten nicht einmal Möbel von IKEA kaufen.

Den Nutzen der Globalisierung spüren wir vor allem am Arbeitsmarkt. Sachsen bietet bezogen auf die Einwohnerzahl mehr Arbeitsplätze als Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz, und die Arbeitslosigkeit ist die niedrigste der letzten zehn Jahre.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Da wollen wir mal nächstes Jahr gucken!)

Mehr noch: Dank der starken Industriedynamik nimmt die Zahl der Arbeitsplätze stetig zu. Seit letztem Jahr wurden 20 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen und es geht mit Umsatz und Beschäftigung weiter aufwärts. Dies zeigt: Wir haben von Anfang an die richtigen Entscheidungen getroffen, und was noch wichtiger ist: Alle im Land haben mitgezogen. Politik und Wirtschaft, wagemutige Unternehmer und fleißige Arbeitnehmer haben alle ihren Anteil am Wiederaufbau unseres Landes. Dafür möchte ich allen an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich Dank sagen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Der Freistaat bietet auch künftig günstige Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung. Jeder vierte Euro der rund 33 Milliarden Euro des neuen Doppelhaushaltes fließt in Investitionen. Das sind 8 Milliarden Euro, mit denen wir dafür sorgen, dass beispielsweise unsere Verkehrsinfrastruktur weiter ausgebaut oder Schulen saniert werden.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Es werden auch welche geschlossen!)

Wir haben aber nicht nur die höchste staatliche Investitionsquote aller Bundesländer, sondern wir geben zugleich pro Kopf mehr für Kultur aus als alle anderen Flächenländer. Das schönste Beispiel dafür ist die Wiedereröffnung des Historischen Grünen Gewölbes vor zweieinhalb Monaten. Es ist ein faszinierendes Zeugnis sächsischen Traditionsbewusstseins und sächsischer Innovationskraft, und wir dürfen stolz darauf sein, es Besuchern aus aller Welt zu präsentieren.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Auch bei der Bildung ist Sachsen Spitzenreiter. Unsere Schüler belegen in bundesweiten Rankings Spitzenplätze. Unserer Bildungserfolge sind für andere neue und alte Bundesländer Ansporn, besser zu werden.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Davon träumen Sie!)

Auch im europäischen Vergleich liegen wir in der Spitzengruppe.

Die Gemeinden profitieren von den Erfolgen des Landes. Wir haben von Anfang an darauf geachtet, dass sie fair an den Einnahmen beteiligt werden. Der sächsische Gleichmäßigkeitsgrundsatz, den andere Länder jetzt zum Vorbild nehmen, sorgt dafür, dass beide Seiten jeweils an Steuerzuwächsen der anderen Seite partizipieren. Dies gibt unseren Städten, Gemeinden und Landkreisen Planungssicherheit. Im Sinne dieser bewährten Partnerschaft haben wir den kommunalen Finanzausgleich vor dem Hintergrund der November-Steuerschätzung aufgestockt und schaffen damit mehr Spielraum für kommunale Investitionen.

Nicht zuletzt steht Sachsen auch bei der inneren Sicherheit gut da. Die Polizeidichte liegt erheblich über dem Durchschnitt der alten Flächenländer,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Deshalb wird ja gekürzt!)

die Zahl der Straftaten liegt dagegen deutlich darunter.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Da holen wir noch auf!)

Sachsen ist ein sehr sicheres Land.

Herr Porsch, ich verstehe ja, dass Sie gute Nachrichten nicht hören wollen. Ihnen wäre lieber, es wäre alles schlecht.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir kommen darauf zurück!)

Wir haben uns diese Erfolge ehrlich erarbeitet. Uns ist nichts in den Schoß gefallen, und wir leben auch nicht auf Pump. Der Freistaat hat heute die zweitniedrigste ProKopf-Verschuldung aller Bundesländer. Wir haben dadurch im vergangenen Jahr im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern, die wie wir 1990 ohne Schulden gestartet sind, 740 Millionen Euro an Zinsen gespart. Dank dieser Konsolidierungsdividende können wir entsprechend mehr investieren. Darum sind wir seit 1990 weiter gekommen als die anderen Bundesländer. In Sachsen ist von Anfang an Kurs gehalten und es ist eine ehrliche Politik gemacht worden. Wir haben nie falsche Wohltaten verteilt, und dies tun wir auch in diesem Haushalt nicht.

Wir hatten in diesem Jahr 620 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen, als noch vor zwei Jahren geschätzt. Was gibt es nicht alles für Vorschläge, wie wir sie verwenden sollen! Wir lassen uns davon nicht beirren und treffen mit diesem Geld Vorsorge für die Zukunft. Andere Bundesländer können zum Beispiel die Frage nicht beantworten, wie sie die Pensionen ihrer Beamten in zehn bis 20 Jahren bezahlen. Wir bauen vor.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Weingut Schloss Wackerbarth! Unglaublich!)

Der Finanzierungsfonds für künftige Pensionslasten wird in diesem Jahr um 314 Millionen Euro aufgestockt. Das Zusatzversorgungssystem von Land und Gemeinden für die Angestellten und Arbeiter ist bereits auf Kapitaldeckung umgestellt. Mit Blick auf Hartz IV sorgen wir für künftige Verpflichtungen gegenüber den Gemeinden vor und haben deshalb eine Wohngeldrücklage in Höhe von 23 Millionen Euro gebildet. Wir haben immer gesagt, dass nur eine offene und ehrliche Politik für unser Land Gewinn bringt. Heute streichen wir die Dividende ein, und wir ernten heute die Früchte dessen, was wir in den vergangenen Jahren gesät haben. Ich möchte mich beim Landtag sehr herzlich für die Unterstützung unserer nachhaltigen Finanzpolitik bedanken, insbesondere bei Kollegen Weckesser als langjährigem Vorsitzenden des Finanzausschusses.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Es ist aber damit nicht getan, die Ernte einzubringen und sich an den unbestreitbaren Erfolgen zu erfreuen. Das Feld muss neu bestellt werden; denn die Ernte der Zukunft hängt von unseren Arbeiten heute ab. Wir wissen auch, mit einem herzhaften „Weiter so!“ wie bisher ist es nicht getan. Wir müssen für künftige Erfolge härter arbeiten. In diesem Punkt sind sich die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen völlig einig.

Sie alle wissen, dass die Mittel aus dem Solidarpakt ab dem Jahre 2009 und die EU-Mittel ab dem Jahre 2013 deutlich zurückgehen werden. Die Bevölkerungszahl nimmt ab und damit auch die Einnahmen aus Steuern und dem Länderfinanzausgleich. Darauf müssen wir vorbereitet sein, nicht nur, indem wir rechtzeitig reagieren, sondern indem wir vorausschauend handeln. Risiko und Chance sind zwei Seiten einer Medaille. Wir müssen die Chancen sehen und zum Nutzen unseres Landes ergreifen.

Der Blick in die Zukunft braucht uns keine Angst zu machen. Wir haben seit 1990 bewiesen, dass wir große Herausforderungen erfolgreich meistern können, dass wir das Ziel fest im Blick haben und unbeirrt Kurs halten. Die Sachsen haben uns vertraut und sie werden uns wieder vertrauen, wenn wir heute die richtigen Entscheidungen treffen. Das tun wir mit diesem Doppelhaushalt. So stellen wir die Weichen für die Zukunft Sachsens.

Sachsen soll ein Hightech-Standort sein, der im globalen Wettbewerb erfolgreich mithält und Unternehmern ausgezeichnete Bedingungen für erfolgreiches Wirtschaften bietet. Sachsen soll ein familienfreundliches Land sein, in dem junge Eltern ein Auskommen für sich und ihre Kinder finden und dabei die Familie gut mit Ausbildung und Beruf vereinbaren können. Sachsen soll ein Land des Wissens sein, in dem Schüler und Studenten in exzellenten Schulen und Hochschulen lernen. Lebenslanges Lernen wird alle Berufstätigen in die Lage versetzen, mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten und deutlich länger als bisher produktiv und kreativ zu sein. Sachsen soll ein umweltfreundliches Land sein, in dem Ökologie und Ökonomie im Gleichklang stehen. Die Bewahrung der Schöpfung ist in Sachsen mehr als eine Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen. Die ist eine Chance für unsere Wirtschaft, auf den Zukunftsmärkten der Umwelt und der Energietechnik dabei zu sein.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Sachsen soll auch im Jahre 2020 noch ein Kulturland sein, das seine Traditionen und seine Identität pflegt und zugleich innovativ weiterentwickelt. Kurzum: Sachsen soll ein Land sein, in dem es sich gut lebt und das Menschen aus ganz Deutschland und dem Ausland anzieht, und zwar nicht nur Touristen, Studenten, Rückkehrer oder Ruheständler, sondern auch Neu-Sachsen, die dauerhaft hier leben und arbeiten, die in Sachsen eine zweite Heimat finden und unser Land bereichern, wie so viele Zuwanderer in den vergangenen Jahrhunderten.

Meine Damen und Herren! Damit ist klar, worum es geht. Es geht um ein attraktives, lebenswertes Sachsen, um Arbeitsplätze, um Bildung und um Familie. Das sind die entscheidenden Handlungsfelder unserer zukünftigen Politik. Wir haben auf allen drei Feldern bisher schon gute Arbeit geleistet und werden dies auch zukünftig tun.

Wir haben die Bedingungen dafür geschaffen, dass Sachsen für Investoren hoch interessant ist. Ansiedlungen wie AMD, BMW oder DHL zeigen: Erfolgreiche Unternehmen kommen an Sachsen nicht vorbei. Dafür gibt es viele Gründe. Einer lautet: Die sächsischen Arbeitnehmer sind die flexibelsten und oft die produktivsten in Deutschland. Das kann man zum Beispiel daran ablesen, dass die Arbeitsplätze im VW-Werk Mosel nie zur Diskussion standen, während in Brüssel Stellen abgebaut werden. Diesen Vorsprung müssen wir sichern, denn nur er erhält und schafft Arbeitsplätze. Es reicht nicht aus, gleich gut zu sein, wenn man aufholen will, sondern wir müssen besser sein.

Deshalb sage ich mit Blick auf die aktuelle Debatte um höhere Löhne: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Wenn sich die Lohnforderungen an der Produktivität orientieren, ist das in Ordnung. Alle darüber hinausgehenden Forderungen gefährden Arbeitsplätze und machen das Bisherige zunichte; denn sie vergessen die Arbeitslosen, die davon nichts haben. Für sie, die Arbeitslosen, heißt Gerechtigkeit, dass sie aus eigener Kraft für sich und ihre Familie sorgen können und neue Arbeitsplätze entstehen. Deshalb gilt für mich: In Sachsen muss der Abbau von Arbeitslosigkeit weiterhin höchste Priorität haben.

(Beifall bei der CDU, der FDP, vereinzelt bei der SPD und der Staatsregierung – Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Investoren sollen auch künftig um Sachsen nicht herumkommen. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sollen weiterhin gute Wachstumsbedingungen vorfinden und hier neue Arbeitsplätze schaffen. Sie haben oft nicht die Marktmacht der internationalen und westdeutschen Großbetriebe; das heißt, sie müssen die Möglichkeit haben, hier Gewinne zu machen, mit denen sie ihre Investitionen finanzieren und die Zukunft ihrer Mitarbeiter sichern können. Was die Staatsregierung dafür tun kann, das tut sie. Wir werden auch künftig auf jeden Euro aus GA-Mitteln des Bundes einen Euro drauflegen. Wir können es als Erfolg unserer Politik verbuchen, dass die EU-Kommission die Investitionszulage bis zu dem Jahre 2009 genehmigt hat.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)