und nicht denken, sie könnten sich billig mit dem Porzellan aus der Affäre ziehen, wenn sie einmal ein wenig klamm sind.
Zum Rechtsstaat, Herr Heitmann: Es hat eine Berufenere als ich schon einmal gesagt. „Wir wollten Gerechtigkeit, und wir haben den Rechtsstaat bekommen.“ Dazu muss ich sagen, man bekommt schon einige Probleme und merkwürdige Gedanken, wenn innerhalb von sechs oder sieben Tagen deutsche Gerichte entscheiden: 345 Euro im Monat reichen voll zum Leben, und dann ein Gericht in einem anderen Fall sagt: 8 000 Euro Rente sind zu wenig, wenn ein Gericht zulässt, dass sich Ackermann und Co. mit 3,8 Millionen Euro praktisch aus der Schuld herauskaufen. Das ist weniger als die Zinsen, die sie während der Zeit, als die Gerichtsprozesse liefen, für das Geld, das sie vorher verdient haben, bekommen haben. Wenn ein Hartz-IV-Empfänger – Arbeitslosengeld II – das Porzellan hätte, das die Wettiner haben, würde er das Arbeitslosengeld II niemals bekommen. Schon nur, wenn er drei Teller davon hätte, würde er es nicht bekommen, sondern müsste sie vorher verkaufen.
Die Welt sieht ein bisschen komplizierter aus und die Perspektive, die man jeweils auf die Dinge hat, hängt schon von der eigenen sozialen und menschlichen Lage ab. Ich meine, die Wettiner wären gut beraten, in diesen Fragen bescheidener aufzutreten. Wir haben hier nichts zu bitten. Das hat doch nichts mit Neid zu tun.
Es hat auch nichts mit Dankbarkeit oder sonst irgendwas zu tun. Das ist ein Rechtsanspruch. 1918 ist das Eigentum der Wettiner in hohem Maße an das Volk übergegangen – das Volk, das das vorher über viele Generationen hinweg im Schweiße seines Angesichts geschaffen hat. Das müssen die Wettiner akzeptieren.
Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen. Wenn die Wettiner ihre eigene Geschichte, die Geschichte ihres Hauses, reflektieren würden – mit Höhen und Tiefen, wie hier gesagt wurde, und mit Nutzen und Schaden, den sie vielleicht angerichtet haben –, dann müssten sie sagen, dass ein Argument ihrer nicht würdig ist: Wenn ihre Anwälte meinen, wenn Berlin sagt, wir wollen kein Raubgut in unseren Museen haben, wäre das beispielhaft dafür, dass man den Wettinern die Porzellansammlungen zurückgeben muss, dann muss ich sagen: Zynischer und makaberer geht es nicht mehr! Das, was in Berlin Raubgut ist, das ist jüdischen Familien durch die Nazis geraubt worden und ist dann zunächst irgendwie in staatliches Eigentum übergegangen. Berlin sagt, solche Kunstgüter wollen wir in unseren Museen nicht hängen haben, die wollen wir auch wieder zurückgeben. Das funktioniert heute weltweit. Es sind erst große Transaktionen mit Klimt-Gemälden gewesen, die den ursprünglich jüdischen Besitzern zurückgegeben worden sind. Wenn die Wettiner meinen, mit dem Argument hätten sie ein Argument dafür, dass sie das Porzellan bekommen, dann haben sie sich gegen die Geschichte ihres eigenen Hauses versündigt.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann Frau Staatsministerin Stange.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Man wird schon ein bisschen unruhig bei dieser Diskussion – das muss ich ganz ehrlich gestehen –, weil nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern offenbar auch hier im Hohen Hause des Landtages zahlreiche mehr oder weniger sachliche und emotionale Argumente vorgetragen werden. Ich möchte ein wenig zur Versachlichung beitragen.
Da die Darstellungen nicht immer vollständig und korrekt waren, möchte ich deshalb auch im Namen der Staatsregierung, aber auch zum Schutze meines eigenen Hauses, muss ich sagen, die Zeit für einige Klarstellungen nutzen. Denn es geht zum einen um entschiedenes – das ist vollkommen richtig –, es geht aber auch um rechtsstaatliches und verfassungsgemäßes Handeln. Diese drei Begriffe sind jetzt in der Diskussion gefallen. Genau darum geht es; denn durch Emotionen lösen wir die Probleme nicht.
Das Haus Wettin-Albertinische Linie hat in den Neunzigerjahren mehrere Anträge beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen auf Restitutionen von Mobilien und Immobilien gestellt, die sich früher in ihrem Eigen
tum befanden. § 31 Abs. 1a des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen ermöglicht es den Antragstellern und dem aktuellen Verfügungsberechtigten, Vergleiche über Restitutionsansprüche abzuschließen.
Zwischen dem Haus Wettin-Albertinische Linie und dem Freistaat Sachsen, vertreten durch das SMWK und das SMF, gab es bis 1999 zahlreiche Verhandlungen, die auf den Abschluss eines derartigen Vergleiches abzielten. Am 9. September 1999 wurde nach diesen langwierigen Verhandlungen der Abschluss des Vertrages unterzeichnet.
Die Verhandlungen sind – auch das möchte ich klarstellen – auf Augenhöhe geführt wurden, genau wie sie jetzt auf Augenhöhe geführt werden; denn sie werden in der Regel auf der einen Seite von Juristen des Finanzministeriums und des Wissenschaftsministeriums und auf der anderen Seite von Juristen der Wettiner e. V. geführt.
Der Vertrag von 1999 regelt die Zuordnung eines Großteils der dem Hause Wettin-Albertinische Linie zustehenden Mobilien. Durch den Vertrag wurde ein langwieriges Restitutionsverfahren vermieden und schon frühzeitig die weitgehende Rechtssicherheit zwischen dem Hause Wettin und dem Freistaat Sachsen geschaffen.
Die große Bedeutung der Kunstgegenstände für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, von denen heute schon oft die Rede war, und darüber hinaus für Sachsen sowie die Bedeutung für die Tradition des Hauses WettinAlbertinische Linie wurden mit diesem Vertrag anerkannt.
Frau Stange, Sie haben gerade von Rechtssicherheit gesprochen. Kann man davon ausgehen, dass der Vertrag, der 1999 zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Hause Wettin-Albertinische Linie abgeschlossen worden ist, Rechtssicherheit bedeutet, wenn jetzt laufend Rückforderungen kommen? Sind das Verträge, die Rechtssicherheit gewähren?
Die Vertragsparteien hoben in diesem Vertrag hervor, dass es in ihrem wohlverstandenen Interesse wie auch im Interesse der Öffentlichkeit liegt, einen umfangreichen Teil der Kunstgegenstände in den Museen und Ausstellungen in Dresden bzw. bei Dresden zu belassen bzw. für die Öffentlichkeit zugängig zu machen. Dem Hause
Wettin wurden die in den Anlagen dieses Vertrages detailliert aufgelisteten Kunstgegenstände in einem ersten Schritt zurückübertragen. In einem zweiten Schritt wurden zahlreiche dieser zurückübertragenen Kunstgegenstände durch den Freistaat Sachsen angekauft. Im Gegenzug zeigte sich der Freistaat Sachsen bereit, dem Hause Wettin-Albertinische Linie finanzielle Zahlungen und Immobilienkompensationen zu gewähren.
Für die durch den Vertrag vom Freistaat Sachsen erworbenen Kunstgegenstände wurde eine Gegenleistung von insgesamt 23,6 Millionen DM vereinbart. Der Vertrag sah hierzu folgende Regelungen vor: Durch den Freistaat Sachsen wurden 5,3 Millionen DM geleistet. Die Kulturstiftung der Länder und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, zahlen jeweils 2,84 Millionen DM. Ferner wird eine Immobilienkompensation von 12,6 Millionen DM geleistet. Der Freistaat Sachsen überträgt hierfür zwei Liegenschaften an das Haus Wettin. Die Notarkosten des Vertrages trugen beide Seiten je zur Hälfte. Grundstücksbezogene Kosten trug der Freistaat Sachsen ebenso wie die Kosten für behördliche Genehmigungen.
Ich komme zu Ihrer Frage. Der § 5 des Vertrages vom 9. September 1999 enthielt eine Öffnungsklausel. Nach dieser erstreckte sich der Vertrag ausschließlich auf die in den Vertragsanlagen aufgelisteten Kunstgegenstände und sonstigen beweglichen Sachen. Ansprüche des Hauses Wettin-Albertinische Linie hinsichtlich weiterer Kunstgegenstände und sonstiger beweglicher Sachen, die in den Anlagen zum Vertrag nicht aufgelistet waren, sowie hinsichtlich unbeweglicher Sachen nach dem Vermögensgesetz bzw. Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz sollten durch den Vertrag nicht berührt werden.
Sollte sich herausstellen, dass weitere Kunstgegenstände und bewegliche Sachen, die früher Eigentum des Hauses Wettin-Albertinische Linie e. V. bzw. einzelner Mitglieder des Vereins waren, sich im Verfügungsbereich des Freistaates Sachsen befinden bzw. würden sie dorthin gelangen, sollten diese wiederum dem Verfahren gemäß § 5 Ausgleichsleistungsgesetz, das ja noch immer Gültigkeit hat, in der damals gültigen Fassung unterliegen.
Wenn es konkrete Hinweise auf die Existenz weiterer Kunstgegenstände und sonstiger beweglicher Sachen geben würde, sollten sich die Parteien gegenseitig informieren und bei der weiteren Recherche unterstützen sowie erneut verhandeln.
Verhandlungen nicht beteiligt waren. Haben Sie dennoch Kenntnis darüber, was der Grund für den Freistaat Sachsen gewesen ist, eine solche Öffnungsklausel, die zu der jetzigen Situation geführt hat, zu akzeptieren?
Ich gehe davon aus, dass der damals federführende Jurist im Finanzministerium, Herr Janka, der leider sehr früh verstorben ist, und auch die unterzeichnenden Vertragsparteien sehr wichtige Gründe hatten, diese Öffnungsklausel zu erhalten. Im Übrigen gehe ich davon aus – ohne weitere juristische Kenntnisse zu haben –, dass diese Ansprüche auch ohne diese Öffnungsklausel aufrechterhalten worden wären, da das Ausgleichsleistungsgesetz immer noch gilt, auch wenn wir einen solchen Vertrag geschlossen haben. Wenn es konkrete Hinweise gibt – das hatte ich bereits gesagt –, würden die weiteren Recherchen zu erneuten Verhandlungen führen und damit diesen Punkt wieder aufleben lassen.
Erste Folgeverhandlungen zu diesem Vertrag von 1999 gab es in den Jahren 2005 und 2006 – also sechs bzw. sieben Jahre später – infolge eines Schreibens der Anwälte Wettin vom 11. April 2005. Das Haus WettinAlbertinische Linie forderte insgesamt zehn Porzellane aus dem Sammlungsbestand der Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen heraus. Aufgrund eingehender Recherchen in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wurde festgestellt, dass dem Herausgabeverlangen des Hauses Wettin hinsichtlich sechs dieser Porzellane nicht widersprochen werden konnte. In einem weiteren Vergleich wurde daher nach langwierigen Verhandlungen am 2. Oktober 2006 vereinbart, insgesamt fünf dieser Porzellane, von denen heute schon die Rede war, herauszugeben. Auf die Herausgabe eines Porzellans verzichtete das Haus Wettin unter gleichzeitigem Verzicht auf finanziellen Ausgleich. Bei diesem Exponat handelt es sich im Gegensatz zu den anderen um ein Unikat und damit um einen für den Sammlungsbestand der Kunstsammlungen unersetzlichen Gegenstand. Die Kosten des Vertrages und seiner Durchführung wurden von jeder Vertragspartei selbst getragen.
Nun zu den aktuellen Forderungen. Durch ein neuerliches Schreiben – zugegebenermaßen nach den langen Verhandlungen ein sehr überraschendes Schreiben – der Anwälte des Hauses Wettin-Albertinische Linie vom 30. Oktober 2006 wird die Herausgabe von insgesamt über 3 000 Exemplaren aus dem Bestand der Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlung Dresden verlangt. Um zu klären, ob diese Ansprüche zu Recht geltend gemacht werden, insbesondere ob das Haus Wettin bis zur Enteignung im Zuge der Bodenreform nach dem Zweiten Weltkrieg Eigentümer war, sind umfangreiche Recherchen erforderlich. Seitens der Staatsregierung wurde dem Hause Wettin mit Schreiben vom 5. Dezember 2006 mitgeteilt, dass die geltend gemachten Ansprüche derzeit von den Staatlichen Kunstsammlungen geprüft werden. In dem Schreiben wurde zugleich darauf hingewiesen, dass
diese Überprüfung einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Ferner wurde auf Bitte des Hauses Wettin die Bereitschaft erklärt, möglichst noch im Januar 2007 eine gemeinsame Besprechung dazu durchzuführen.
Im Rahmen der Restitution wird selbstverständlich auch geprüft werden, ob die Kunstgegenstände nach dem Gesetz zum Schutz nationalen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen werden können. Die Eintragung hätte zur Folge, dass für die betroffenen Kulturgüter während des Eintragungsverfahrens ein absolutes Ausfuhrverbot und nach der Eintragung ein Ausfuhrverbot mit Genehmigungsvorbehalt bestehen würde. Eine Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes gewährleistet nicht, dass diese bei den Staatlichen Kunstsammlungen oder im Freistaat Sachsen verbleiben müssen, sondern lediglich auf dem Gebiet der Bundesrepublik.
Inwieweit eine solche Eintragung für die herausgeforderten Objekte überhaupt infrage kommt, kann gegenwärtig noch nicht gesagt werden, sondern muss in jedem Einzelfall geprüft werden, sobald Klarheit gewonnen worden ist, welche Stücke dem Hause Wettin-Albertinische Linie zustehen.
Klarstellen möchte ich auch, dass es das legitime Recht des Hauses Wettin ist, seine Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz in Verbindung mit dem Vermögensgesetz geltend zu machen. Dem Hause Wettin geht es nicht darum, neue Ansprüche infolge der Abdankung des Königshauses im Jahre 1918 zu stellen. Infolge der Abdankung des sächsischen Königshauses im Jahre 1918 wurde – darauf wurde schon Bezug genommen – zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Königshaus im Jahre 1924 ein Vertrag geschlossen. Dieser Vertrag wurde durch das Gesetz über die Auseinandersetzung zwischen dem Freistaat Sachsen und dem vormaligen Königshaus vom Juli 1924 genehmigt.
In dem Auseinandersetzungsvertrag wurde auch geregelt, welche Mobilien und Immobilien dem Freistaat und welche dem vormaligen Königshaus gehören. Nach 1945 kam es im Zusammenhang mit der Bodenreform zur Enteignung des Hauses Wettin. Um das damit erlittene
Unrecht auszugleichen, hat sich der Bundesgesetzgeber mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz – das übrigens nicht nur für das Haus Wettin gilt; das muss man noch einmal klarstellen – sowie dem Vermögensgesetz hinsichtlich der Mobilien bewusst für eine Restitution und nachrangig für eine Entschädigung entschieden.
Mit der Zuordnung der vom Hause Wettin geforderten Gegenstände befassen sich derzeit zugegebenermaßen auch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Das wird bei 3 000 Gegenständen einige Zeit in Anspruch nehmen. Ob die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden für die Recherchen zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen benötigen, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingeschätzt werden, sondern muss im Einvernehmen mit den Staatlichen Kunstsammlungen geklärt werden.
Sollte sich erweisen, dass die vom Hause Wettin geltend gemachten Ansprüche zu Recht bestehen, handelt es sich bei der Rückübertragung der Gegenstände aus dem Hause Wettin nicht um einen Ausverkauf sächsischen Kulturgutes, sondern um die Erfüllung eines legitimen Rechtsanspruches – so bedauerlich die Konsequenzen daraus im Einzelfall für den Freistaat Sachsen auch sein mögen.
Gestatten Sie mir eine persönliche Anmerkung: Ich würde mich freuen, wenn es gemeinsam gelänge, mit dem Hause Wettin eine abschließende, einvernehmliche und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Sachsens gute Lösung zu finden.
(Beifall bei der SPD, der CDU, vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS, des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, und der Staatsregierung)
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von der Linksfraktion.PDS zum Thema „Rettung sächsischer Kulturgüter vor dem Zugriff des Hauses Wettin“, abgeschlossen.