Die Olympischen Spiele in Athen 2004, meine Damen und Herren, haben gezeigt, wie reglementiert internationale Großereignisse stattfinden können. Viele Teilnehmer und Besucher haben Athen als Festung im Belagerungszustand empfunden, und trotz der gigantischen Show, die dort abgelaufen ist, hat Athen 2004 und haben viele Besucher die Freude an Olympia verloren. Angesichts dessen und angesichts der Erfahrungen aus Athen 2004 war es das Bestreben der FIFA und der Innenminister von Bund und Ländern, ein Sicherheitskonzept für die Fußball-WM 2006 zu erarbeiten, das zum einen eine größtmögliche Sicherheit bietet, aber zum anderen natürlich den Tausenden Menschen die Freude am Ereignis nicht nehmen sollte.
Diese Aufgabe war nicht nur anspruchsvoll, sie bedeutete manchmal nicht weniger als die Quadratur des Kreises, meine Damen und Herren. Denn wenn wir von innerer Sicherheit sprechen, dann bewegt diese sich immer im Spannungsfeld zwischen der individuellen Freiheit des Einzelnen auf der einen Seite und der globalen Verteidigung des Rechtsstaates auf der anderen Seite. Antworten zu Lösungen dieses Spannungsverhältnisses können quasi nur die Prinzipien unserer Verfassung geben.
Die SPD-Fraktion steht dabei auf dem Grundsatz, dass der Rechtsstaat nicht dadurch geschützt wird, indem man ihn abschafft.
Meine Damen und Herren, damit Sie mich aber nicht missverstehen: Ich bin auch nach der Großen Anfrage der GRÜNEN der Überzeugung, dass das Sicherheitskonzept für die Fußball-WM im Großen und Ganzen angemessen war.
Natürlich ist es hinterher leichter, vor allem wenn nichts Gravierendes passiert ist, wie es in diesem Fall war, anderes zu vertreten. Sicher gibt es auch an der einen oder anderen Stelle Punkte, bei denen man zumindest hinterfragen sollte, ob nicht einzelne Verbesserungen nottun.
Wenn ich das sage, dann scheint es mir vorrangig, das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Zusammenhang mit Großereignissen auf den Prüfstand zu stellen, nämlich wegen der zersplitterten Rechtslage, die wir in diesem Bereich haben. Wir sollten das Verfahren der Sicherheitsüberprüfung durch ein neues Gesetz transparent und klar regeln. Damit können wir auf der einen Seite mehr Rechtsklarheit schaffen und zum anderen natürlich auch einen größeren Rechtsschutz für die Betroffenen erhalten.
Vielen Dank, Herr Kollege Bräunig; aber stimmen Sie mir nicht insoweit zu, dass es sehr wichtig und richtig ist, auch wenn es mit der Fußball-WM gut gegangen ist, sich im Nachhinein tatsächlich noch einmal zu vergegenwärtigen, wie die Eingriffe – in welcher Anzahl, in welcher Intensität und in welchem Zusammenhang – vorgenommen wurden?
Ich habe Sie jetzt so verstanden, als ob Sie unsere Große Anfrage aufgrund dessen, dass alles gut gegangen ist, für relativ sinnlos betrachten. Oder habe ich Sie da missverstanden?
Herr Kollege Lichdi, Sie haben mich komplett missverstanden. Wir nehmen Ihre Große Anfrage zum Anlass, darüber zu debattieren. Ich habe gesagt, auch wenn ich der Meinung bin – ich muss noch einmal schauen, ob ich der Meinung war – –
Ich habe gesagt, dass ich der Meinung bin, dass das Sicherheitskonzept im Großen und Ganzen angemessen war, dass es aber aus meiner Sicht Kritikpunkte gibt.
Einer dieser Kritikpunkte ist eben, das Verfahren der Sicherheitsüberprüfung durch ein neues Gesetz klar und transparent zu regeln.
Mit einem neuen Gesetz könnten wir mehr Rechtsklarheit schaffen und größeren Rechtsschutz für die Betroffenen erhalten und gleichzeitig natürlich die Verzahnung der verschiedenen Sicherheitsbehörden, die daran beteiligt sind, voranbringen.
Noch eine andere Sache: Eine deutlich engere Einbindung der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern scheint uns zwingend. Bei diesen Sicherheitsüberprüfungen geht es um den Kern hoheitlicher Tätigkeit, deshalb möchten wir, dass die Ausrichter von Großereignissen zwar in die Planung, jedoch nicht in den Vollzug von Sicherheitsüberprüfungen einbezogen werden.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt eingehen. Wir haben es beim Fußball ja nicht nur mit terroristischen Gefahren zu tun. Ein wesentlicher Punkt sind die sogenannten Hooligans, die immer wieder versuchen, friedvolle Spiele zu stören. Hier sollten wir nicht nur auf Überwachungen und Repression setzen, sondern zum Beispiel auch auf aktive Fanarbeit.
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage der GRÜNEN ist durchaus legitim. Ihr Fazit gibt allerdings im Wesentlichen keinen Anlass dazu, das Sicherheitskonzept zur Fußball-WM kritisch infrage zu stellen.
Was wir daraus auch mitnehmen, ist, dass dieses Sicherheitskonzept ein Vorbild für künftige Ereignisse sein kann. Ich denke dabei besonders an die Fußball-EM 2008, die ja vor unserer Haustür, in Österreich und in der Schweiz, stattfinden wird.
Wir hoffen, dass diese EM sicherheitspolitisch und natürlich auch in spielerischer Hinsicht ein voller Erfolg wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der überhaupt einzige Punkt des Ab- schnitts VIII der hier zur Debatte stehenden Großen Anfrage spürte der Frage nach, ob die Staatsregierung eine Bewertung oder Analyse der Sicherheitsvorkehrun
gen bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 durchführt, um herauszufinden, welche Sicherheitsvorkehrungen zweckmäßig und welche gegebenenfalls überflüssig waren. Die schlichte Antwort der Staatsregierung lautete: Ja.
Was aber das uns alle interessierende Ergebnis dieser Bewertung der Sicherheitsvorkehrungen ist, das erfahren wir nicht; denn das wurde von den GRÜNEN ebenso wenig wie die Frage nach dem voraussichtlichen Termin des Abschlusses der Analyse und Bewertung abgefragt.
Meine Damen und Herren! „Mit den Worten ‚Wir werden das so gestalten, dass kein Besucher den Eindruck hat, er lebe in einem Polizeistaat’ versprach Ex-Bundesinnenminister Otto Schily seinerseits der Öffentlichkeit, das schönste Fußballfest aller Zeiten so sicher wie möglich zu gestalten.“ – Ich habe gerade die Zeitschrift „Jungle World“ zitiert.
Große Wahrheiten liegen manchmal in den kleinen, unbedachten Redewendungen verborgen. Die WMBesucher sollen nicht den Eindruck haben, sie lebten in einem Polizeistaat, sagte der Ex-Bundesinnenminister Schily.
Vielleicht sollen sogar alle Deutschen den Eindruck gewinnen, sie lebten nicht in einem Polizeistaat. Was aber anlässlich der Fußball-WM auch im Freistaat Sachsen abgezogen wurde, das ist nicht einmal Orwell in seinem Roman „1984“ eingefallen.
Eines möchte ich vor allem Herrn Innenminister Buttolo mit auf den Weg geben: Bei den Olympischen Spielen 1936 sind die Zuschauer nicht dermaßen durchleuchtet und genötigt worden, wie das 70 Jahre später unter vorgeblich demokratischen Verhältnissen –
Es wurde davon gesprochen, dass die an einer Akkreditierung Interessierten, also zum Beispiel die kleinen gewerbetreibenden Eis- und Bratwurstverkäufer, ihrer geheimdienstlichen Durchleuchtung zustimmen würden. Da ist von einer angeblichen Freiwilligkeit die Rede.
Meine Damen und Herren! Hatten diese Menschen eine andere Wahl, als ihrer Durchleuchtung zuzustimmen? In Abwandlung eines Sprichwortes kann man hier sagen: Wer der geheimdienstlichen Überprüfung zustimmte, der konnte verlieren, aber wer ihr nicht zustimmte, der hatte von vornherein schon verloren.
Dann die angeblichen Rechtsschutzmöglichkeiten für diejenigen, denen die Akkreditierung versagt worden war, so nach dem Motto: „Der zum Tode Verurteilte kann Berufung einlegen“. Nur das Bedauerliche ist: Die Beru
Was nutzt es einem Angestellten eines Lebensmittelgroßversorgungsbetriebes, dem die Akkreditierung versagt wird? Wie erklärt er dies seinem Chef? Dieser Angestellte, der vielleicht vor vielen Jahren einmal in seiner turbulenten Jugendzeit anlässlich einer ausufernden Demonstration ins Fadenkreuz des BRD-Inlandsgeheimdienstes gekommen ist, hat dann eine Familie gegründet und führt inzwischen ein bürgerliches Leben. Allein durch diese Versagung der Akkreditierung wird sein Chef nun irritiert, und dies vor dem Hintergrund der derzeitigen Arbeitsmarktlage mit vielen wartenden potenziellen Nachrückern. Was nützt es dann dem Nichtakkreditierten, wenn er hinterher, nach der WM, von irgendeiner Stelle Recht bekommt?
Die Frage ist, ob gerade diese Maßnahme der Akkreditierung wirklich so wesentlich für die Gewährleistung der Sicherheit der WM 2006 war. Waren denn ansonsten die anderen Bereiche dieses Sportereignisses so lückenlos gesichert, dass es gerade auf die Akkreditierungsmaßnahmen ankam?
Mitnichten ist das so. Gerade im Bereich der RFIDchipbewehrten Eintrittskarten, die ja schon lange vor der Fußball-WM neben den Akkreditierungsmaßnahmen in den Brennpunkt der Kritik durch Datenschützer geraten sind, traten gravierende Sicherheitslücken auf. „Spiegel online“ beschreibt am 20. Juni 2006 – ich zitiere –: „Durch ein ausgeklügeltes Vergabesystem wollte die FIFA den Ticket-Schwarzhandel unterbinden, doch vor den Stadien wird kaum kontrolliert – der Schwarzmarkt blüht.“
Ich zitiere weiter: „Dabei hatten Innenministerium und Organisationskomitee vor der WM darauf bestanden, die Eintrittskarten zu personalisieren, um professionelle Schwarzhändler auszuhebeln und etwaige Gewalttäter schon im Vorfeld herauszufiltern. Interessenten mussten Namen, Geburtsdatum und Personalausweisnummer nennen, um an den insgesamt fünf Verlosungsphasen der FIFA teilnehmen zu dürfen. Doch etwa 10 % der Tickets wurden von vornherein ohne Namensangabe verkauft, und Identitätsüberprüfungen vor den Stadien finden ebenfalls stichprobenartig statt.“