Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Nichtraucherschutz in Sachsen

Drucksache 4/4/7610, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Nichtraucherschutz in Sachsen gewährleisten

Drucksache 4/7523, Antrag der Abgeordneten Bettina Simon, Regina Schulz, Horst Wehner, Astrid Günther-Schmidt, Elke Herrmann, Dr. Karl-Heinz Gerstenberg u. a.

Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Gruppe der Abgeordneten, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der CDU, das Wort zu nehmen. Frau Nicolaus, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Starke Unruhe)

Gestatten Sie mir zu Anfang ein Zitat des – –

Darf ich um Aufmerksamkeit bitten!

Das ist vielleicht kein Thema, das die anderen interessiert – da können wir ja gleich sagen, wir stimmen darüber ab und sagen, Nichtraucherschutz hat den Vorrang,

(Beifall bei der CDU und der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, und Dr. Johannes Müller, NPD)

und wir können das Rauchen dann überall verbieten; so ganz kurzum, da brauchen wir gar nicht auszuschweifen.

(Zurufe – Unruhe)

Also setzen wir noch einmal an; die anderen wollen ja noch das Entsprechende dazu beitragen.

Ich möchte an Patrick Reynolds anknüpfen, den Enkel des Gründers von Amerikas größtem Tabakkonzern. Dieser hat einmal gesagt – und das scheint zutreffend zu sein –: „Die Zigarette ist das einzige Industrieprodukt, das bei bestimmungsmäßigem Gebrauch zum Tode führt.“

Wir alle erinnern uns an die vor einiger Zeit sehr emotional geführte Diskussion über die Einführung eines Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und -rauchern auf der Bundesebene. Schlagzeilen wie „Einknicken vor der Tabaklobby“ oder „Gastronomie muss rauchfrei sein“ machen deutlich, dass das Thema Nichtraucherschutz in unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Leider hat sich die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Thematik nicht schwer, sondern sehr schwergetan; denn im gesamteuropäischen und internationalen Vergleich belegt Deutschland diesbezüglich einen der hinteren Plätze. So haben zum Beispiel Irland, Italien, Schweden, Malta oder Kanada ebenfalls ein Rauchverbot in Gaststätten erlassen und damit sehr gute Erfahrungen

gemacht. Allein in Irland, wo 2004 die rauchfreie Gastronomie eingeführt wurde, zeigte sich, dass das Verbot keinerlei Auswirkungen auf die Umsätze in Bars und Restaurants hatte und dass die Zustimmung innerhalb der Bevölkerung nach Einführung des Nichtraucherschutzes stark zugenommen hat.

Ich hoffe, dass das in Deutschland und speziell in Sachsen auch so sein wird – wenn wir uns denn mal dazu durchringen. Dabei sind die Gesundheitsgefahren durch das Rauchen seit Langem bekannt und durch Untersuchungen zweifelsfrei belegt. Tabakrauch enthält einige Tausend Stoffe, von denen viele bereits für sich genommen krebserregend sind. So ist das Einatmen von Tabakrauch unter anderem ein gesicherter Risikofaktor für verschiedene Arten von Krebs – zum Beispiel Lungen-, Magen- oder Blasenkrebs –, für Asthma, Schlaganfall oder chronische Lungenkrankheiten, aber auch für Potenzstörungen bis hin zur Impotenz.

(Angelika Pfeiffer, CDU: Siehste! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Oh, oh, oh – jetzt gehts los! – Weitere Zurufe – Leichte Heiterkeit)

Das wollen Sie nicht hören, Herr Prof. Porsch, was?! Ja, das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich rauche nicht! Ich habe drei Kinder und fünf Enkel – was will ich mehr?!)

Tabakraucher gefährden aber nicht nur sich selbst – auch anwesende Nichtraucher, also nicht rauchende Personen, können schwere gesundheitliche Schäden davontragen. So atmet ein Raucher circa 20 % des Tabakrauchs selbst ein und aus; die restlichen 80 % werden in die Umgebung abgegeben, welche wiederum durch die anwesenden Personen durch die Atmung aufgenommen werden. Dieses Passivrauchen zeigt massive, nachhaltige Schäden für die Gesundheit. Sie stellen ebenfalls ein hohes Krebsrisiko dar. So reizt der Stoff beim Passivrauchen akut die Atemwege und kann bis hin zu Asthmaanfällen, Kurzatmigkeit und höherer Infektanfälligkeit führen. Kopfschmerzen, Schwindel und all diese Symptome können dazu führen, dass man sich unwohl fühlt.

Verschiedene Substanzen im Tabakrauch lassen das Blut zusammenklumpen oder verstopfen die Herzkranzgefäße oder die dementsprechenden Hirngefäße. Laut einer Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg aus dem Jahr 2005 sterben jährlich 3 300 Nichtraucher an den gesundheitlichen Folgen des

Passivrauchens. Das übertrifft die Summe der Todesfälle durch Asbest und illegale Drogen.

Hinzu kommen neben den gesundheitlichen Auswirkungen massive volkswirtschaftliche Schäden – das müsste auch die Wirtschaft auf die Matte rufen. Durch Arbeitsausfall oder verlorene Lebenszeit bezifferte Prof. Adams in einer Sendung von „ntv“ am 20.11.2006 die Kosten: auf 13 Milliarden Euro für rauchbedingte Krankheiten und auf 39 Milliarden Euro für verringerte Lebenserwartung. Das müsste uns eigentlich aufhorchen lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Schilderung macht eindrucksvoll deutlich, wie wichtig der Schutz vor Gefahren des Rauchens für Nichtraucher, aber auch für die Raucher selbst ist. Vor diesem Hintergrund setzen wir auf einen umfassenden Nichtraucherschutz im Freistaat Sachsen und in der Bundesrepublik Deutschland.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle steht dabei die Gewährleistung eines umfassenden Nichtraucherschutzes in allen öffentlichen Gebäuden sowie in den nachgeordneten Einrichtungen der Behörden des Freistaates im Vordergrund. Schon in der Debatte am 21. Juli des vergangenen Jahres haben wir ein öffentliches Rauchverbot in allen öffentlichen Einrichtungen gefordert; denn gerade hier zeigt sich, wie ein effektiver Maßnahmenschutz durchgeführt und plausibel nachvollzogen werden kann.

Jeder von uns kennt die Situation, dass man bei Behördengängen einige Zeit in den Warteräumen oder auf den Fluren verbringen muss. Dies ist meist schon schlimm genug; unangenehm wird es aber dann, wenn sich einer der Wartenden durch das Rauchen die Zeit verkürzen möchte. Neben der Belastung, welche durch das Einatmen des Rauches entsteht, werden auch die Kleidung und die Haare durch Rauchpartikel beeinträchtigt, und Tabakfeinstaubpartikel lagern sich in den Wänden, in den Decken und in den Böden ab und werden von dort wieder in die Raumluft abgegeben.

Kurz gefasst: Selbst wenn nicht geraucht wird, ist man immer den Schadstoffen und den Auswirkungen des Rauchens ausgesetzt. Mit der Einführung eines Rauchverbotes an diesen Orten stellen wir uns den eingangs geschilderten Gefahren entgegen und übernehmen gleichzeitig eine Vorreiterrolle zum besseren Schutz der Nichtraucher.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei diesen vorab sehr angeregten Diskussionen ging es immer wieder darum, ob die Raucher jetzt in eine Ecke gedrängt werden sollen. Es geht uns in der Koalition heute und hier darum, den Nichtraucherschutz in den Vordergrund zu stellen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der SPD und ganz vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Ausdehnung des Nichtraucherschutzes auf Schulen, Ausbildungs- und Sportstätten sowie alle sonstigen Einrichtungen, welche mit

Kindern und Jugendlichen zu tun haben und von diesen genutzt werden. Mit diesem Punkt setzen wir konsequent unser Bestreben zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren des Rauchens fort. Ausgehend von dem, was wir in dem Kindertagesstättengesetz bereits vor zwei Jahren festgeschrieben haben, wollen wir hier den Faden wieder aufnehmen und dies weiter übertragen auf die höheren Altersgruppen in den Schulen, Berufsschulen oder Sportstätten wie Sporthallen, Jugendklubs und ähnliche Einrichtungen; denn gerade Kinder und Jugendliche sind für die Gefahren des Rauchens besonders anfällig.

Wachstumsstörungen, eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten und das Risiko eines frühen Todes im Vergleich zu Nichtrauchern machen die Brisanz und die Wichtigkeit dieser Maßnahme deutlich. Ich denke, wir sind uns hier im Hohen Hause darüber einig, dass im Besonderen die Kinder und Jugendlichen unseres Schutzes bedürfen.

(Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Gleiches gilt natürlich auch für Krankenhäuser und die anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Verabschieden wir uns doch einfach vom Bild des Vaters, der auf die Geburt seines Kindes wartet und vor dem Kreißsaal mit der Zigarette im Mund hin und her pendelt. Er muss sich fragen lassen, an wen er denkt. Denkt der Vater nur an sich selbst oder auch an die Patienten, die er mit seinem Rauch belästigt? Die Nervosität wollen wir nicht in Abrede stellen, aber es wäre doch besser, wenn er die Hand seiner Frau hielte.

Die Gewährleistung des Nichtraucherschutzes wird nur dann konsequent verfolgt, wenn wir frühzeitig auf die Gefahren aufmerksam machen und jungen Leuten Prävention und Aufklärung angedeihen lassen. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Tabakindustrie hier nicht herausgenommen werden darf. Gleichzeitig müssen wir Maßnahmen gegen die Nikotinabhängigkeit ausbauen und denjenigen, die sich das Rauchen abgewöhnt haben und dieser Sucht nicht mehr frönen, eine Möglichkeit geben, bei dem Entschluss bleiben zu können, und nicht weitere Anreize schaffen, indem wir das Rauchen in allen öffentlichen Einrichtungen weiter zulassen. Das gilt für die Einrichtungen des Freistaates, so auch den Sächsischen Landtag.

Meine Damen und Herren! Mit diesem umfangreichen Maßnahmenpaket schaffen wir die Grundlagen für einen umfassenden Nichtraucherschutz im Freistaat Sachsen. Durch die Konzentration auf den öffentlichen Bereich unterstützen wir eine Vorbild- und Vorreiterrolle in öffentlichen Einrichtungen. Unserer besonderen Verantwortung zum Schutz der Nichtraucher wollen wir mit diesen Initiativen Ausdruck verleihen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir auch die Initiative der Sächsischen Staatsregierung und der Ministerpräsidentenkonferenz, auf bundeseinheitlichen Nichtraucherregelungen zu bestehen, besonders in Verkehrseinrichtungen und Gaststätten, da es dort Probleme gibt.

Durch die Föderalismusreform wird das nicht unbedingt einfacher. Das darf hier auch ausgesprochen werden. Wir haben als Freistaat Sachsen zwar Zuständigkeiten, was den Gesundheitsschutz und das Konzessionsrecht betrifft, aber auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes ist zum Beispiel der Bund zuständig. Hier gibt es Potenziale, die nicht miteinander kompatibel sind, aber es muss Möglichkeiten für ein Zusammenspiel geben. Trotz der unterschiedlichen Zuständigkeiten brauchen wir, wie vorhin von mir angesprochen, auch Regelungen für die Gaststätten. Das Thema Nichtraucherschutz ist von hoher emotionaler Bedeutung.

Allerdings, und das muss an dieser Stelle auch ausgesprochen werden können, wollen wir das Rauchen nicht per se verbieten. Dieses Recht haben wir auch nicht. Es ist die Entscheidung jedes Einzelnen, ob er sich dieser Aufgabe stellt oder nicht, aber wir und im Besonderen die Sozial- und Gesundheitspolitiker haben im Vordergrund den Gesundheitsschutz und einen effektiven Schutz der Nichtraucher zu sehen. Mit diesem Antrag schaffen wir eine Grundlage, um den Nichtraucherschutz umsetzen zu können. Ich weiß, dass seitens der Regierung ein Gesetzentwurf in Arbeit ist. Wir unterstützen diese Initiative und wollen mit unserem Antrag den Grundstock dafür schaffen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Antrag der Koalition.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Faktenreihe, die Ihnen meine Kollegin vorgetragen hat, ließe sich noch ein ganzes Stück erweitern. Das brächte aber, wenn wir ehrlich sind, wenig Erkenntnisgewinn bei dieser Geschichte, denn die Fakten sind Ihnen allen zum großen Teil bekannt.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel von meiner ehemaligen Arbeitsstelle erzählen. Ich habe zehn Jahre in der Krebsbestrahlung gearbeitet und eine meiner schwierigsten Erfahrungen ganz am Anfang war, dass von den Röntgenassistentinnen, von denen keine älter als 30 Jahre war, mehr als die Hälfte geraucht hat, obwohl sie jeden Tag nichts anderes als Krebspatienten gesehen haben, von denen etwa 50 % ihren Krebs durch direkte oder indirekte Effekte des Rauchens bekamen. Das heißt, wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, bei dem das Wissen allein nicht ausreicht. Das Wissen ist oft vorhanden, aber es wird gern verdrängt, weil sich die negativen Folgen oft verzögert einstellen und manche in ihrem gesamten Leben überhaupt keine negativen Folgen bemerken. So wie jede Kaffeefirma mit einem 105-Jährigen wirbt, der jeden Tag zehn Tassen Kaffee getrunken hat usw., macht es die Tabakindustrie auch. Noch dürfen sie das.

Für Jugendliche ist das Gruppenverhalten wichtiger als Ermahnungen von außen oder die Aufnahme von irgendwelchem Wissen. Wir Menschen brauchen ein kollektives Korrektiv. Das ist nicht nur im Gesundheitswesen so, aber hier in besonderer Weise. Kinder und Jugendliche brauchen zusätzlich gute Vorbilder und Idole. Wildwestreiter, die nach tollen Bildern und waghalsigen Ritten endlich die Zigarette X anzünden, beeinflussen die Menschen im Kino mehr als alle gut gemeinten Worte. Ein James Bond mit oder ohne „cooler“ Zigarette im Mund schadet oder hilft mehr als hundert Aufklärungsveranstaltungen an Schulen. Das Rauchen wurde James Bond in den letzten Filmen abgewöhnt. Ich denke, das war ein guter und mutiger Schritt der Filmemacher, und in dieser Richtung sollte man weitermachen.

Meine Kollegin hat schon angedeutet, dass die Bundesrepublik viel zu lange mit Zigarre rauchenden Kanzlern das Problem ausgesessen hat, zuletzt mit dem bereits beim Einreichen zum Misserfolg verurteilten Versuch, das EUweite Verbot der Tabakwerbung aufzuhalten. Das ist natürlich gescheitert. Das war von vornherein schon klar.