Meine Kollegin hat schon angedeutet, dass die Bundesrepublik viel zu lange mit Zigarre rauchenden Kanzlern das Problem ausgesessen hat, zuletzt mit dem bereits beim Einreichen zum Misserfolg verurteilten Versuch, das EUweite Verbot der Tabakwerbung aufzuhalten. Das ist natürlich gescheitert. Das war von vornherein schon klar.
Wir müssen bei diesem Thema natürlich auch über die Verlierer sprechen. Das sind zum Beispiel diejenigen, die in Dresden Zigaretten herstellen und uns Briefe geschrieben haben mit der Frage, was aus ihren Arbeitsplätzen wird. An dieser Stelle bin ich gern bereit, mich in besonderer Weise dafür einzusetzen, dass diese wegfallenden Arbeitsplätze an anderer Stelle wieder aufgebaut werden, aber nicht für Zigaretten. Es muss klar sein, dass es an dieser Stelle nicht nur Gewinner, sondern – wie bei allen Prozessen – auch Verlierer gibt.
Ich bedanke mich dafür, dass sich im Hause nach einem längeren Prozess, den wir in den verschiedenen Fraktionen mit unterschiedlichen Emotionen geführt haben, doch eine Mehrheit abzeichnet. Ich danke besonders meinen rauchenden Kollegen, die das mittragen.
Wer sich heute im europäischen Ausland aufhält, erlebt viel mehr Nichtraucherbewusstsein als in Deutschland. Die Menschen gewöhnen sich an die gesündere Lebensweise, auch wenn das Rauchen zu den ureigenen menschlichen Riten gehört, die sich wahrscheinlich so schnell nicht wegwischen lassen. Wir sollten einfach damit beginnen, und ich halte den heutigen Tag für einen guten, um damit anzufangen.
Wer möchte von der Gruppe der Abgeordneten, die den Antrag eingebracht haben, sprechen? – Bitte, Frau Simon.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter! Der Nichtraucherschutz gehört zu den Themen, mit denen sich über Jahrzehnte Politikverdrossenheit züchten ließ; denn krasser als auf diesem
Gebiet wurde wohl nur selten das Ausgeliefertsein von Politik an die Wirtschaft, in diesem Fall an die Tabakindustrie, verdeutlicht. Trotz gigantischer Zahlen an Todesopfern und nicht minder gigantischer Gesundheitskosten, die deutlich über den Einnahmen aus der Tabaksteuer liegen, gab es über Jahrzehnte hinweg in Deutschland auf diesem Gebiet keinerlei Bewegung – im Gegensatz zu anderen Ländern.
In den Neunzigerjahren sorgten insbesondere die in den USA durchgeführten spektakulären Haftungs- und Schadenersatzprozesse gegen die Tabakindustrie für sehr viel Aufsehen. Das waren nicht nur Einzelverfahren, mit denen Betroffene um Schadenersatzansprüche kämpften, sondern auch der Staat ging gegen die Tabakindustrie vor. Das war eine neue Qualität. Immerhin musste sich die Tabakindustrie bereits 1998 gegenüber 40 US-Bundesstaaten zur Zahlung von 200 Milliarden Dollar Schadenersatz verpflichten.
Während die deutsche Politik immer sehr gern auf das Vorbild USA verweist, wenn es um Sozialabbau geht, sah sie in dieser konkreten Frage der Gesundheitspolitik jedoch leider keinerlei nachahmenswerte Vorgabe. Lieber legten sich erst die Kohl- und dann die SchröderRegierung mit der EU an, um das geplante Werbeverbot für Tabakwaren zu verhindern, selbstverständlich nur, um die vermeintliche Kompetenzüberschreitung der EU in der Frage der Werbung prüfen zu lassen. Als die Richtlinie nach gerichtlichen Misserfolgen für Deutschland im Jahr 2003 nicht mehr zu verhindern war, setzte die Regierung des Zigarrenrauchers Schröder sie nicht in nationales Recht um. Als letztes EU-Land schaffte dies Deutschland im Jahr 2006. Kein Wunder, dass die Bundesrepublik auf dem Gebiet des Nichtraucherschutzes völlig ins europäische Hintertreffen geriet.
Besonders beeindruckend sind schon die Beispiele aus anderen europäischen Ländern, zum Beispiel aus Italien. Dort wurde schon 1975 das Rauchen an Schulen und Krankenhäusern verboten. 1980 folgte das Rauchverbot in Eisen- und Straßenbahnen, auf Bahnsteigen und an Haltestellen. 2003 wurde ein Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Passivrauchen beschlossen. Der Vollzug war für 2005 geplant und wurde tatsächlich vollzogen, nämlich mit Inkrafttreten am 10. Januar. Seitdem sind in Italien alle öffentlichen Einrichtungen, Privatbüros, Bars, Restaurants und Diskotheken rauchfrei.
Unberührt von den damit in reichem Umfang vorliegenden praktischen Erfahrungen, dass der konsequente Nichtraucherschutz durchsetzbar ist und nicht zum Zusammenbruch der Gastronomie führt, sondern eher zu steigenden Umsätzen und Gästezahlen und damit zu einer wachsenden Zahl an Arbeitsplätzen in dieser Branche, wird in Deutschland erst einmal weiter verbissen um den Unterschied zwischen Restaurant und Kneipe gerungen.
Die im Vorjahr diesbezüglich zu erlebende Posse von bundespolitischer Dimension ergab sich, weil die Arbeitsgruppe von Experten aus den Regierungsfraktionen und den Bundesministerien kein generelles Rauchverbot in der
Gastronomie wollte. So konnte das in der Kompetenz der Bundesregierung liegende Arbeitsschutzgesetz nicht angewendet werden. Aber das Gaststättenrecht stand nicht mehr zur Verfügung, weil die entsprechenden Kompetenzen im Rahmen der Föderalismusreform an die Länder gegangen waren. Der Versuch, die Zuständigkeit der Bundesebene mit dem vorsorgenden Gesundheitsschutz zu begründen, scheiterte an verfassungsrechtlichen Bedenken.
Damit sind also die Länder gefragt, was bedeutet, dass über den Nichtraucherschutz in Gaststätten 16 Landtage beschließen müssen und ebenso vor 16 Landesverwaltungsgerichten geklagt werden kann. Was das zu bedeuten hat, kann niemand mehr nachvollziehen. Der Kniefall vor der Tabakindustrie hat somit nicht nur die jahrelange Ignoranz des Nichtraucherschutzes hervorgebracht, sondern führte nun auch noch zu einem generellen Ansehensverlust der Politik und der föderalen Ordnung unseres Landes.
Trotz dieser Folgen von Pleiten, Pech und Pannen können wir uns von der Bundesebene doch noch ein kleines Scheibchen abschneiden. Immerhin hat es der Bundestag fertiggebracht – man höre und staune –, einen Antrag auf die Beine zu stellen, an dem sich im Interesse der Sache fraktionsübergreifend weit über 100 Abgeordnete beteiligten. Das hätte auch für unser Hohes Haus Maßstäbe setzen können, hoffte ich einst. Mit anderen Worten: Wenn zum Beispiel Wolfgang Thierse oder den ExBundesministern Schwanitz und Riester das Anliegen wichtiger ist als die parteipolitische Abgrenzung, dann sollte es doch auch für die SPD-Fraktion kein Problem geben. Gleiches gilt für die CDU. Wenn zum Beispiel Ihr Mitglied des Bundestages Eberhard Gienger, Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbundes und Mitglied im Präsidialausschuss der Stiftung Deutsche Sporthilfe, oder die Professorin Monika Grütters, frühere stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, lieber für die Gesundheitspolitik einen Pflock einschlagen statt überholten Abgrenzungsritualen zu folgen, dann sollten auch Sie, meine sehr geehrten Abgeordneten von der SPD und der CDU, sich angesprochen und angespornt fühlen.
Aber die Abgeordneten der sächsischen Koalitionsfraktionen waren leider nicht stark genug, sich eine eigene Politikposse in dieser Frage zu ersparen. Bis auf einen, dem mein besonderer Respekt und Dank gebührt – ich kann ihn leider namentlich nicht nennen, denn er hatte deswegen wohl sehr viel Ärger in seiner Fraktion –, aber es weiß ja sowieso jeder, dass es sich nur um Karl Nolle handeln kann. Alle anderen nichtrauchenden Mitglieder von CDU und SPD ließen sich lieber von ihren rauchenden Kolleginnen und Kollegen vor den parteipolitischen Karren spannen, als ein ihnen wichtiges Anliegen zum Wohle Sachsens und seiner Bürgerinnen und Bürger fraktionsübergreifend zu klären.
Es ist enttäuschend und lächerlich zugleich, zum einen, weil damit zum Schaden des Ansehens der Politik und im Gegensatz zu üblichen Erklärungen, dass es stets zuerst um das Land und dann erst um die Partei geht und dass es sowieso weder Koalitions- noch Fraktionszwang gäbe, die Parteiräson wieder einmal über alles gestellt wurde.
Zum anderen, weil der schnell nachgeschobene CDU/SPD-Antrag deutlich macht, dass der Wert unseres fraktionsübergreifenden Antrages unbestritten ist. Sonst wäre sein Anliegen ja auch nicht aufgegriffen worden. Es zeugt jedenfalls nicht gerade von staatsmännischem, sondern eher von provinziellem Format, Ähnliches noch einmal im eigenen Namen zu fordern. Wie gesagt, da sind Ihre Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene schon ein Stück weiter. Zum Glück!
Nun ja, es gehört zur Tradition unseres Hauses, dass Anträge meiner Fraktion abgelehnt und später in abgeänderter Form – gehen Sie bitte auch ans Mikrofon, Herr Pecher – als eigene wieder eingebracht werden. Dieses Spielchen erleben wir heute erneut. In diesem konkreten Fall können wir mit Genugtuung – Frau Weihnert, gehen Sie doch ans Mikrofon, wenn Sie Fragen haben –
feststellen, dass sich die Fraktionen von CDU und SPD durch unseren Antrag offensichtlich enorm unter Zugzwang gesetzt sahen.
Initiativen zur Verbesserung des Nichtraucherschutzes wenigstens in den Ministerien gab es ja von Ministerin Orosz schon vor längerer Zeit. Aber sie konnte sich damit leider weder bei ihren rauchenden Kabinettskollegen durchsetzen, noch hielt es ihre offensichtlich von Rauchern dominierte Landtagsfraktion für nötig, sie zu unterstützen.
Als drei Abgeordnete der Linksfraktion.PDS die Initiative ergriffen, war es plötzlich höchste Zeit. Unser vor allem mit Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachter Antrag datiert vom 9. Januar. Die Regierungsfraktionen ließen ihren Antrag sechs Tage später, am 15. Januar 2007, folgen. Das nenne ich nicht nur eine prompte Reaktion, das ist auch ein schlagkräftiger Beweis dafür, wie wirksam die Opposition in Sachsen ist, denn ohne unsere Initiative hätte es ihren nachgeschobenen Antrag gar nicht erst gegeben.
Sie haben von Ihrer Rolle als Opposition gesprochen. Ich bin immer davon ausgegangen, dass es sich um einen Abgeordnetenantrag handelt. Haben Sie hier jetzt Abgeordnete für einen Oppositionsantrag missbraucht?
Es wäre zu schön gewesen, wenn es ein Abgeordnetenantrag geworden wäre. Das war unser Sinnen und Trachten. Es ist unter dem Gesichtspunkt, dass Sie alle miteinander zum Beispiel aus der CDU und SPD sich nicht angeschlossen haben, eben leider ein Oppositionsantrag geworden.
Frau Simon, ich muss jetzt aber einmal Korrektur reden. Der Antrag ist als fraktionsübergreifender Antrag in den Landtag eingebracht worden. Deswegen können Sie hier nicht von der Opposition reden.
Ich stelle fest: Wenn es Ihnen wichtiger ist, dass wir uns jetzt streiten, ob Opposition zu sein die Grundlage für den Nichtraucherschutz ist oder nicht, und es nicht mehr um die Sache geht, dann lasse ich mich gern belehren.
Frau Kollegin Simon, stimmen Sie mir zu, dass dieser Abgeordnetenantrag, den Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen unterschrieben haben, letztlich aber nur von Abgeordneten der Oppositionsfraktionen unterschrieben wurde?
Herr Professor, außer bei Karl Nolle ist das zutreffend. Ich danke Ihnen für diese Klarstellung; genauso ist es.