Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Ich stelle nun die Drucksache 4/3196 zur Abstimmung. Wer möchte seine Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt

worden. Meine Damen und Herren, ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds weiterhin gut ausstatten

Drucksache 4/7385, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Fortführung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und seiner Projekte

Drucksache 4/7188, Antrag der Linksfraktion.PDS, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war eine Sternstunde in der Geschichte unserer beiden Nachbarvölker, als Bundeskanzler Helmut Kohl und Ministerpräsident Václav Klaus nach anderthalb Jahren zäher Verhandlungen am 21. Januar 1997 in Prag die sogenannte DeutschTschechische Erklärung unterzeichneten. Meine Damen und Herren, es war ohne Zweifel eine Sternstunde in der 88 Jahre zählenden Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei beziehungsweise der Tschechischen Republik, die weniger durch Glanzlichter als vielmehr durch schwere Belastungen gekennzeichnet war, deren Schatten bis in die Gegenwart reichen.

Unter Ziffer 1 dieser Erklärung heißt es, dass sich beide Seiten bewusst sind, dass der gemeinsame Weg in die Zukunft ein klares Wort zur Vergangenheit erfordert, wobei Ursache und Wirkung in der Abfolge der Geschehnisse nicht verkannt werden dürfen. Nach den Worten von Bundeskanzler Helmut Kohl sollte die Erklärung helfen – ich zitiere –, „den Teufelskreis gegenseitiger Aufrechnung und Schuldzuweisung zu durchbrechen. Wir dürfen nicht Gefangene der Vergangenheit bleiben, sonst hätte die Vergangenheit letztlich gesiegt.“ – So Kohl wörtlich.

Nach der Unterzeichnung dieses im biblischen Sinne wahrhaft friedenspendenden Dokuments vor zehn Jahren haben rechte und linke Extremisten auf beiden Seiten der Grenze nichts unversucht gelassen, um mit ihren Verfälschungen der Geschichte den Versöhnungsprozess zwischen Deutschen und Tschechen zu torpedieren. Um diesen Brunnenvergiftern die Argumente zu nehmen, erlaube ich mir, die Ziffern 2 und 3 wörtlich zu zitieren.

In Ziffer 2 heißt es: „Die deutsche Seite bekennt sich zur Verantwortung Deutschlands für seine Rolle in einer historischen Entwicklung, die zum Münchner Abkommen von 1938, der Flucht und Vertreibung von Menschen aus dem tschechoslowakischen Grenzgebiet sowie zur Zerschlagung und Besetzung der Tschechoslowakischen Republik geführt haben. Sie bedauert das Leid und das Unrecht, die dem tschechischen Volk durch die national

sozialistischen Verbrechen von Deutschen angetan worden sind. Die deutsche Seite würdigt die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und diejenigen, die dieser Gewaltherrschaft Widerstand geleistet haben. Die deutsche Seite ist sich auch bewusst, dass die nationalsozialistische Gewaltpolitik gegenüber dem tschechischen Volk dazu beigetragen hat, den Boden für Flucht, Vertreibung und zwangsweise Aussiedlung nach Kriegsende zu bereiten.“

In Ziffer 3 heißt es: „Die tschechische Seite bedauert, dass durch die nach dem Kriegsende erfolgte Vertreibung sowie zwangsweise Aussiedlung der Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei, die Enteignung und Ausbürgerung unschuldigen Menschen viel Leid und Ungerechtigkeit zugefügt wurde, und dies auch angesichts des kollektiven Charakters der Schuldzuweisung. Sie bedauert insbesondere die Exzesse, die im Widerspruch zu elementaren humanitären Grundsätzen und auch zu den damals rechtlichen Normen gestanden haben, und bedauert darüber hinaus, dass es aufgrund des Gesetzes Nr. 115 vom 8. Mai 1946 ermöglicht wurde, diese Exzesse als nicht widerrechtlich anzusehen, und dass infolgedessen diese Taten nicht bestraft wurden.“ Gemeint sind damit die sogenannten Beneš-Dekrete.

In seiner berühmten Rede vor dem Deutschen Bundestag und Bundesrat am 24. April 1997 würdigte der von den Kommunisten über fünf Jahre inhaftierte Staatspräsident Vaclav Havel die Deutsch-Tschechische Erklärung mit folgenden Worten: „Niemand von uns ist natürlich so naiv zu glauben, die Erklärung sei ein Zauberstab, der all die bitteren Erfahrungen, die im 20. Jahrhundert unser Zusammenleben beeinträchtigten, und all den traditionellen und traditionsgemäß genährten Irrglauben, der über dieses Zusammenleben und diese Erfahrungen auf beiden Seiten besteht, auf einmal verschwinden lassen wird. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Erklärung von großer Bedeutung ist und vielleicht von größerer Bedeutung, als manchem von uns bewusst ist.

Diese Erklärung schafft, indem sie uns alle von der Angst vor der Wahrheit befreit, sowohl für die Entwicklung unseres nachbarlichen Zusammenlebens als auch für unsere Zusammenarbeit auf der europäischen Bühne ein außerordentlich günstiges Klima.“

Ein wichtiger Beitrag zu dieser Klimaverbesserung, in deren Folge die Tschechische Republik Nato-Mitglied

wurde und der Europäischen Union beitrat, ist der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds, der Ende 1997 für zehn Jahre gegründet wurde. Deutschland stellte für den Fonds 70 Millionen Euro zur Verfügung – natürlich waren das damals noch D-Mark –, Tschechien 440 Millionen Tschechische Kronen.

Satzungsgemäß wurde die Stiftungsarbeit in zwei Bereiche eingeteilt. Der erste umfasste Projekte, die insbesondere den Opfern nationalsozialistischer Gewalt bzw. der Entschädigung von Zwangsarbeitern dienen sollten. Der zweite Bereich konzentrierte sich auf die Förderung von Projekten im gemeinsamen Interesse Deutschlands und Tschechiens.

Angesichts des verheerenden Hochwassers im August 2002 beschloss der Verwaltungsrat des DeutschTschechischen Zukunftsfonds ein Programm unter dem Titel „Solidarität nach der Flut“, das mit einem Gesamtbetrag von 500 000 Euro und 15 Millionen Tschechischen Kronen Flutopfern beiderseits der Grenze helfen sollte.

Meine Damen und Herren! Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds, der auf der Grundlage der Gemeinsamen Erklärung entstanden ist, die ich zu Anfang ausführlich gewürdigt habe, war und ist ein wichtiges Element im fortschreitenden Aussöhnungsprozess unserer beiden Völker. Die zahllosen Projekte, die mit seiner Hilfe gefördert wurden, haben Deutsche und Tschechen einander nähergebracht und versucht, Wunden zu heilen, die nationalsozialistische Menschenverachtung und chauvinistische Racheakte geschlagen haben.

Mit unserem Nachbarn im Süden pflegen wir als Alliierte im Nordatlantikpakt und als Partner in der EU aufrichtige Beziehungen, die sich von der einstigen erzwungenen Freundschaft und Mitgliedschaft im Warschauer Pakt und RGW diametral unterscheiden.

85 lebendige Partnerschaften von sächsischen und tschechischen Städten und Gemeinden sind ein überzeugender Beweis dafür, wie Menschen von hüben und drüben gegenseitige Kontakte suchen und mit Herz und Verstand weiterentwickeln. So wie zur entscheidenden Verbesserung des deutsch-französischen Verhältnisses, als späterer Keimzelle des gemeinsamen Europas, kommunale Partnerschaften den Anfang bildeten, wird es auch an unserer südlichen und östlichen Grenze weiter vorangehen. Die Autobahn nach Prag ist dafür ein überzeugender materieller Beweis.

Vorbildlich ist auch das Zusammenwirken tschechischer und sächsischer Polizeikräfte bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, wie es Staatsminister Buttolo und der tschechische Innenminister Langer vergangene Woche vereinbarten. Der Minister sprach heute darüber.

Ich wiederhole: Die Deutsch-Tschechische Erklärung war eine Erfolgsgeschichte und der aus ihr vor zehn Jahren erwachsene Zukunftsfonds hat trotz aller Anfechtungen seine Bewährungsprobe bestanden und sollte weitergeführt werden, denn es gibt noch viel zu tun. Es gibt

deutliche Hinweise, dass dies auch seitens der Bundesregierung und der tschechischen Regierung so gesehen wird. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen.

Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPDFraktion Frau Abg. Weihnert, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon einmal über Sachsens Rolle in Europa und die besondere Brückenfunktion zu Tschechien gesprochen. Insofern schließt sich die Debatte zur Fortführung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds nahtlos an dieses Thema an.

Mein Kollege Schowtka hat noch einmal deutlich gemacht, warum so wichtig war, was hier aufgegriffen wurde; denn das deutsch-tschechische Verhältnis hat in der Geschichte des vorigen Jahrhunderts schwer gelitten.

Unvergessen sind für viele Tschechen die Bilder des deutschen Einmarsches 1938. Die sich anschließenden Jahre der Besatzung waren mit unbeschreiblichen Gräueltaten verbunden, die historisch einmalig sind. Das Unrecht des Nationalsozialismus als Ausgangspunkt für Europas Martyrium im 20. Jahrhundert zeigt sich auch an der Vertreibung der Sudetendeutschen, einem weiteren schwierigen Kapitel im deutsch-tschechischen Verhältnis.

Aber auch der Einmarsch der NVA im August 1968 trug nicht dazu bei,

(Proteste bei der Linksfraktion.PDS)

das Verhältnis zwischen der deutschen und der tschechischen Bevölkerung zu entschärfen. Umso wichtiger ist es, dass mit dem Fall des Eisernen Vorhangs – und hier wird Deutschland Tschechiens maßgeblichen Beitrag nie vergessen – ein neues Kapitel für die wechselseitigen Beziehungen aufgeschlagen werden konnte.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS, tritt ans Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Weihnert?

Nein, jetzt nicht.

Sachsen war und ist – natürlich auch bedingt durch seine Grenzlage zu Tschechien – mehr denn je daran interessiert, heute eine neue und stabile Partnerschaft mit seinem Nachbarn aufzubauen. In wirtschaftlicher Hinsicht sind Sachsen und Tschechien zwar Mitbewerber, aber auch Partner auf den zunehmend globalisierten Märkten. Ich bin optimistisch, dass sich Partnerschaft, Verständigung und der rege Kulturaustausch zwischen Sachsen und Tschechien auch in Zukunft positiv entwickeln werden und jene Gräben und Wunden schließen helfen, die uns noch trennen.

Der Ende 1997 von der Bundesregierung und der tschechischen Regierung ins Leben gerufene DeutschTschechische Zukunftsfonds war und ist ein deutliches und ermutigendes Ergebnis und Signal der DeutschTschechischen Erklärung. Auch das wurde bereits genannt.

Es ist aufgrund unser beider komplizierten Geschichte gut und wichtig, dass ein Schwerpunkt die Förderung von Partnerschaftsprojekten und grenzüberschreitenden Konzepten zugunsten von Opfern nationalsozialistischer Gewalt ist. Gleichzeitig ist der Zukunftsfonds als Partnerorganisation der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ als Schaltstelle für die Bearbeitung von Anträgen und Auszahlung von Leistungen im Zusammenhang mit der Entschädigung von Zwangsarbeit und anderen Formen nationalsozialistischen Unrechts tätig.

Seit seiner Gründung konnten über 4 000 Projekte unterstützt werden, die auf vielfältige Weise die Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen fördern. So werden mit dem Fonds auch Projekte in den Bereichen Jugend- und Schüleraustausch, kulturelle Begegnungen, Minderheitenförderung, Städtepartnerschaften sowie Pflege und Renovierung von Denkmälern gefördert.

Ziel der Koalition ist es, den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds deutlich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Gleichzeitig wollen wir aus Sachsen das Ansinnen der beiden Außenminister unterstützen, die den Fonds über das Jahr 2007 fortführen möchten, denn er war ursprünglich auf zehn Jahre befristet. Herr Staatsminister Winkler, Sie haben in einer Pressemitteilung erklärt, dass auch Sie versucht haben, darauf hinzuwirken, dass er verlängert wird. Ich denke, zwei Jahre sind vielleicht etwas kurz; wir sollten deutlich machen, dass wir ihn noch länger brauchen, um diese beiden Länder und diese beiden Völker – Deutsche und Tschechen – wieder näherzubringen.

So sprachen sich Herr Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier und sein tschechischer Amtskollege bereits im vergangenen September für eine Fortsetzung aus. Auch zur Finanzierung der in Rede stehenden 20 Millionen Euro gibt es bereits Vorabsprachen; die Mittel scheinen gesichert.

Es ist für uns wichtig, eine breite Palette von Projekten zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere den Jugendlichen beider Länder, zu unterstützen, um die Zusammenarbeit auf der zwischenmenschlichen Ebene weiter vertiefen zu können. Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, aus Sachsen noch einmal ein positives Signal zu senden, damit Diskussionen über die Vergangenheit und die aktuellen Diskussionen in Berlin nicht eine gemeinsame Zukunft blockieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Die Linksfraktion.PDS, bitte. Herr Abg. Kosel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir als Linksfraktion sind froh, dass es durch den von uns eingebrachten Antrag gelungen ist, die Koalitionsfraktionen anzuregen, ihre Aufmerksamkeit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds zu widmen.